Bis zum Herbst

Bis zum Herbst

Vielleicht
schaut die Göttin
ganz zufällig grad her
wenn mein Vater
zu laufen versucht

zählte ich
die Tage
oder die Jahre

rönnen sie
mir doch durch die
Bronchien

kaum Atem genug
in der halben Lunge

erhobene Fäuste
und ein armseliges Leben
unterm Apfelbaum
voller Leute wie wir
auf den Seiten vergilbter Bücher
Lebenskrümel
zerdrückter Käfer
oder Busfahrkarten

in meinen
blickt mein Vater bitterböse

und kein Blatt
bricht
bis zum Herbst

… vielleicht werden die Dinge im Herbst anders; vielleicht betrachtet man Menschen in ihrem beginnenden Alterungsprozess anders… aus mehr Abstand heraus, wenn das möglich ist.
Im Herbst des Lebens werden viele Menschen hilflos …. manchmal der Augenblick, in dem sie sich stellen müssen,( sich und anderen) sie können nicht mehr (davon)laufen

Die Göttin, ist vielleicht eine richtende innere Göttin, vor der der Vater des Protagonisten fortlaufen möchte.
Der Moment des sich "Stellenmüssens" kommt und der Protagonist ist sich sicher, was er dem Vater wünscht, dass die Göttin ( der Gerechtigkeit ? ) genau hinsieht und sie ihm mit ihrer Macht zeigt, was es bedeutet machtlos zu sein, im Inneren wie im Äußeren.

Kein Blatt bricht bis zum Herbst

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Nichts ist vergessen auf den Seiten der vergilbten Bücher, von den hässlichen inneren Bildern, von der Atemlosigkeit der Schmerzen und der verbleibenden halben Kraft ( die halbe Lunge)

Was wird also geschehen, wenn die Göttin zufällig genau hin schaut?

Hallo Lapismont, ein inhaltsschwerer Text, mit vielen traurigen und bilanzierenden Anteilen.
So wie ich es beschrieb hab ich es herausgelesen, vielleicht ist aber alles ganz anders …


Aber so wie ich es herauslas: Soviel Leben in der Kürze derart auf den Punkt gebracht, das ist wirklich gelungen!



Liebe Grüße aus dem Norden
Mara

Ps. Gewertet wäre das schon eine gute 9 …. als Lebenslängliche müsste ich erst ganz viele Autoren abwerten, bevor meine Bewertung wieder etwas wert wäre … das ist hoffnungslos ;-)

Hallo Mara,

vielen Dank für Deine Interpretation! Du kommst meiner eigenen sehr nah und doch sind gerade die Abweichungen spannend.

Normalerweise versage ich mich dem Novemberblues immer fleißig, bei so vielen Herbstgedichten ist kaum etwas hinzuzufügen.
Tja, das Leben mischt die Karten ständig neu und dieses Jahr komme ich nicht dran vorbei.

Lyrik ist eine zweite, ganz feine Muttersprache.

cu
lap