blättern im buch der zeiten

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Perry

Mitglied
blättern im buch der zeiten

und während draußen noch brausend stürme winden
an bäumen rütteln und mit türen schlagen fülle ich
in gedanken die noch leeren seiten des kommenden

sehe wie schmetterlinge versuchen auf blüten zu landen
spüre deinen honigatem im schäumenden wiesengrün
wir küssen einander als hätten wir uns niemals geliebt

eine seite weiter sitzen wir bereits unterm herbstlaub
nippen am spätburgunder eines guten jahrgangs hören
wie der mann am fagott den sonnenuntergang verbläst
 

Max Neumann

Mitglied
"wir küssen einander als hätten wir uns niemals geliebt" verhindert Kitsch an dieser Stelle, ziemlich clever. Aber auch der verblasene Sonnenuntergang ist eine gute und moderne Entzauberung altbewährter Naturbilder, wodurch, gerade dadurch, die Natur unter einem neuen und starken Licht in diesen Zeilen erscheint.
 

Perry

Mitglied
Hallo Tissop,
danke fürs offene reflektieren, der Grat zwischen Kitsch und Kunst ist manchmal schmal. Freut mich, dass Du nicht abgerutscht bist.;)
LG
Manfred
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Das kleine Glück, wenn es das große nicht geben kann. Egal, was draußen in der bösen Welt passiert, wir machen unsern Kram, Idylle, wenns draußen knallt. Erstaunlich offen geschrieben, wie sich der Autor vorstellt, aus dem von den Großen angerichteten Dreck ungeschoren herauszukommen, das Glück des kleinen Mannes. Dass du am Kitsch vorbeigeschrammt bist, würde ich nicht behaupten wollen, Perry. Zumindest hast du ein paar Schrammen abbekommen: der Honigatem, und dann stelle ich mir vor, die Sonne geht unter, und da steht einer mit dem Fagott und bläst dazu, der kitschigste Sonnenuntergang, den ich mir vorstellen kann. Aber der Kitsch ist die Kunst des kleinen Mannes, man lasse ihm den in seiner kleinen Welt. Vielleicht hilft es dem Leser auch, das Gedicht als Satire zu lesen? Den Titel verstehe ich allerdings nicht. Was hältst du davon: "Unser kleines Glück"?

Gruß, blackout
 
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Perry

Mitglied
Hallo blackout,
danke für die offene Kritik, auch wenn hier mit dem "brausenden wind" etc. keine gesellschaftskritischen Aspekte gemeint sind, sondern eher die unabwendbare Vergänglichkeit des Lebens. Das LI "blättert im buch der zeit", denkt an das noch kommende Schöne, auch wenn es weiß, dass am Ende der Fagottspieler wartet.
Das Bild "Honigatem" ist übrigens kein Kitsch, selbst in der Romeo und Julia - Verfilmung ist es zu finden. ;)
LG
Manfred
 



 
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