BLIMP Teil 2 von 3

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Michael Kempa

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Die nächsten Wochen standen im Zeichen der „Riad“. Der Blimp pendelte regelmäßig zwischen dem Dorf und dem Südstützpunk. Hannah war meistens an Bord, versorgte die Passagiere und kannte alles was es zu kennen gab. An manchen Tagen war eine direkte Rückkehr nicht möglich und sie benutzte die Notausrüstung im Stützpunkt zum Übernachten.
Dann gab es auch Leerflüge mit zwei Piloten und Hannah an Bord. Bei diesen Flügen wurde die Zeit manchmal lang, Hannah lag dann oft auf dem Glasboden und beobachtete die Landschaft, die träge an ihr vorüberzog. Das Fadenkreuz zog über die Hügel und Täler, selten gab es ein Tier das sie entdeckte, manchmal etwas wie eine Maus, doch für Tierbeobachtungen war das Fadenkreuz nicht gemacht. Ameisenhügel konnte Hannah aber gut erkennen und manchmal wusste sie dann auch wo der Blimp genau war, denn die Ameisenhügel veränderten die Position nicht und bald kannte sie jeden einzelnen, der auf der Route lag. Keiner der Piloten benutzte die Mechanik, lieber hörten sie laut Musik oder zogen Filme auf den großen Monitor.
Am liebsten flog sie mit Paul, der holte sie in das Cockpit und der Co verschwand ins Heck um zu schlafen oder zu telefonieren oder irgendwas zu tun.
Mit Paul ging sie dann die Steuerung der „Riad“ durch. Er zeigte ihr die Position, auf den Meter genau und die Geschwindigkeit, die Drift und sie berechneten den Winkel, mit dem die „Riad“ gegen die Strömung gestellt werden musste. Bald konnte sie den Winkel abschätzen und lag meist nicht verkehrt. Paul rechnete mit dem alten Kalkulator und beide Ergebnisse wichen um kaum einen Grad von den Steuerungen der „Riad“ ab.
Paul und Hannah entdeckten die Meteorologie für sich. Die Wolken und Strömungen verrieten, ob der Rückflug genehmigt wurde oder nicht. Das Wetterzentrum lag natürlich im Dorf und von dort kam auch die Entscheidung, doch ein Blick in den Himmel nahm die Entscheidung vorweg, wenn man sich auskannte.
Lieber flog Hannah aber mit den Frauen, da verstand sie die Witze besser und das Lachen fiel ihr irgendwie leichter. Noch viel lieber flog sie mit Passagieren, da verging die Zeit schneller und sie hörte deren Geschichten.
Die Passagiere waren oft die selben Leute, die sie immer wieder traf. Geologen, Techniker, Biologen. Dann kamen die ersten Ernteflüge.
Kartoffeln, tonnenweise Kartoffeln. Ein Biologe erklärte ihr, dass es die erste Ernte war, die seit langer Zeit in das Dorf gebracht wurde. Das Dorf war zwar nicht abhängig davon und konnte alles was gebraucht wurde selbst herstellen, doch die Kartoffel wuchs nun mal am besten und konnte gut die Replikation unterstützen. Ein erstes Massenergebnis der Flüge, das über Forschung hinausging.
Dann kam der Sturm. Die „Riad“ war sicher am Fixpoint, doch die Heckleine schlug sich locker und riss ein kleines Loch in die Hülle. Das war eigentlich nicht weiter schlimm, der Blimp hätte durchaus fliegen können, doch das Dorf wollte das nicht.
50 Leute drängten sich im Südstützpunkt. Die Reparatur sollte nicht im Dorf stattfinden, ein Mechaniker-Trupp wurde geschickt.
Der Platz im Südstützpunkt war begrenzt und die Stimmung eher gereizt, der Sturm flaute ab und der Himmel riss auf. Hannah schaute über den Platz und über die Badlands. Vor ihr glänzte der Canyon Lake, in dem sich die dunkelrote Sonne spiegelte.

Paul kam auf die Idee draußen zu übernachten und so packten sie ihre Sachen und gingen auf die andere Seite des Sees.
Der Canyon Lake war nicht sehr groß, doch ein idealer Peilpunkt und der Standort vom Südstützpunkt.
Zitadelle 11 war der primäre Rückzugsort nach der nuklearen Katastrophe, die leider nicht nur nuklear, sondern auch biologisch und chemisch zum Tag X führte. Es gab riesige, unterirdische Bunker; einer davon war Zitadelle 11. 10.000 Menschen fanden damals Schutz darin und richteten sich für Jahre darin ein. Dass aus Jahren zwei Jahrhunderte werden würden, wusste damals niemand. Zitadelle 11 lag versteckt am White Butte in North Dakota, einem schon damals dünn besiedeltem Gebiet der damaligen USA. Nachdem die Radioaktivität abgeklungen war und die Biotoxizität ertragbare Werte angenommen hatte, suchten die Überlebenden nach neuen Siedlungsgebieten. Viele Gebiete gab es nicht, im Norden lag Saskatchewan mit seinem eiskalten Klima, weit im Süden und im Osten war die Erde weiterhin verstrahlt und unzugänglich. Der Kontakt zu anderen Bunkern brach ab, es Zeichnete sich das Aussterben der Menschheit ab. Der einzige Lichtblick blieb ein Ort in Süd-Dakota, Rapid City. Die Gegend um Rapid City sollte wieder das Hay Camp werden, das es vor Jahrhunderten schon einmal war. Es bot sich dort ein winziger See an, der Canyon Lake. Der See war ein idealer Landeplatz für Luftschiffe, die Umgebung strahlungsarm. Von hier aus könnte die restliche Menschheit einen Neustart beginnen.

Selten kam jemand auf die Idee um den See zu laufen. Paul war verrückt genug.
Am Südufer legten sie Isomatten aus und rollten die Schlafsäcke aus. Es gab auch Holz, so brannte bald ein kleines Lagerfeuer, mit Blick auf den See und dem Blimp, der auf der anderen Seite sicher am Mast hing. Paul meldete sich bei der Zentrale und legte das Talkie unter seine Isomatte. Die Zentrale wollte vorher noch mit Hannah sprechen und warnte vor dem Wolf.
Hannahs ratlosen Blick erkannte Paul und erklärte den Witz. Früher, vor vielen Jahren, gab es wohl wilde Tiere in dieser Gegend, auch Wölfe und die waren für ihre Wildheit und Unberechenbarkeit bekannt. Hannah war das egal und von Wölfen hatte sie noch nie etwas gehört und Witze wollte sie an diesem Abend nicht verstehen.
Das Abendrot war beeindruckend und glitt in eine dunkelblaue Nacht, die in grenzenloses Schwarz wechselte. Das Feuer knisterte und gab schimmernd eine Ahnung der Umgebung. Die ersten Sterne tauchten auf und es entfaltete sich der komplette, funkelnde Sternhimmel. Paul erklärte den Himmel mit den Sternbildern und auch Hannah konnte die Plejaden erkennen, die so unbedeutend schienen, doch mühelos von ihr gefunden wurden. Abseits der Milchstraße, weg von den Sternbildern. Paul sagte, dass die Plejaden von jedem gefunden werden, der dorthin gehört und sicher eine Stunde dachte sie darüber nach. Paul zog sich zurück und beendete seinen Vortrag, der sowieso von langen Pausen gekennzeichnet war.
Hannah war so alleine wie selten im Leben und genoss das Gefühl. Dann zogen Schwaden von einem seltsamen Geruch durch die Luft, sie konnte das nicht einordnen, der Rauch vom Lagerfeuer war es nicht allein und Paul lag kichernd, sicher im Schlafsack.
Der Geruch heftete sich an ihre Nase, irgendwie störend, doch auch irgendwie anziehend, die Schwaden kamen aus der Richtung von Paul. Der lag da, kicherte leise und erzählte irgendwas irgendwem und Hannah wurde das zunehmend egal. Ein erleichterndes Gefühl schlich sie an. Morgen würde sie fragen, was das war.
Der Kopf wurde schwer und sie legte sich auf ihre Matte, den Schlafsack benutzte sie als Stütze für den Kopf und sie schaute auf die Sterne und sah ihre erste Sternschnuppe, die lautlos am Himmel einen kurzen Strich zog. Sie meinte, eine zweite gesehen zu haben, wachte aber fröstelnd auf.
Der Blick auf die Uhr sagte, dass noch drei Stunden übrig waren. Das Feuer war zu einer sanften Glut zusammengefallen und von Paul war ein leichtes Schnarchen zu hören. Im See spiegelten sich die Sterne.
Fröstelnd kam Hannah vom Ufer hoch, zog den Schlafsack zurecht und rutschte dankbar in die Daunen. Sie träumte von den Plejaden.
Paul rüttelte sanft an ihrer Schulter und holte sie in den frühen Morgen. In aller Ruhe brachen sie das Lager ab und wanderten schweigsam rund um den See, zur Station. Beide waren die ersten zum Frühstück und beide saßen dann in der „Riad“ und erwarteten die Mechaniker.

Der Rückflug startete gegen Mittag, das Schiff war voll besetzt und der Rückflug kurz.
Im Heck telefonierte Hannah mit Alaska. Es gab am Abend einen Film, den Alaska unbedingt sehen wollte, zusammen mit ihr. Hannah stimmte zu, obwohl sie wusste, dass die Zeit knapp werden könnte.
Auf dem Vorplatz ließ sich Hannah wenig Zeit, ausnahmsweise überließ sie den Groundern komplett das Feld, der Abend war wichtiger und das Wochenende winkte. Erst am Dienstag gab es den nächsten Flug. Ein langes Wochenende und das mitten in der Saison.
Im Kino lief ein Film in alter englischer Sprache, Hannah kämpfte gegen den Schlaf und Alaska rümpfte die Nase.
„Riechst du das auch?“, fragte Alaska und schaute sich um. „Das bist du!“, stellte sie fest. Alaska zog am Kragen von Hannahs Hemd und schaute sie verwundert an. „Riecht das so im Blimp? Das riecht nach...“ Alaska suchte den passenden Begriff. „Rauch!“
Der Vorspann lief, das Kino war dunkel.
„Hey, was war los? Rauch - das ist doch nicht normal, muss ich mir wieder Sorgen machen? Rauch im Blimp?“, flüsterte Alaska.
Hannah beruhigte sie und sie schauten den Film.
In der Bar versuchte Alaska ein Gespräch über das Thema, doch Hannah hatte bestimmt die Hälfte verschlafen und konnte nur noch ein paar Ansätze über das metrische System liefern und dass längst nicht mehr in Meilen gerechnet wird und ein Fuß nun mal etwas ist, was am Bein hängt und nichts sonst zu bedeuten hat und dass sie sowieso im Blimp nur auf Angloeuropäisch sprachen. „Es ist einfacher und es gibt kaum Regeln, das geht ganz automatisch“, erklärte Hannah und wollte nur noch ins Bett.

Hannah hatte nur einen Oneway. Am Südstützpunkt sollte sie warten und hatte eine bequeme Box bezogen. Die „Riad“ flog ohne sie zurück zum Dorf. Talbot war auf der Station und das sprach sich sehr schnell herum. Leonard Talbot ließ Hannah zu einem Gespräch kommen.
„Hannah, wir haben ein Problem“, begann Talbot in der Runde. Am Tisch saßen einige Piloten und auch ein paar Grounder, die Hannah kannte. Paul war auch dabei. Talbot begann seine Ansprache:
„Bald wird es Winter und wir können die Südstation in dieser Zeit nicht halten. Wir brauchen Energie, sehr viel Energie und eine sichere Leitung zum Dorf. Eine Lösung ist ein Relais auf halber Strecke. Dieses Relais soll Energie und Information zum Südstützpunkt leiten. Wenn das klappt, kann die Südstation im Winter im Betrieb sein. Also haben wir einen Turm geplant, der auf halber Strecke stehen soll. Ein Energierelais. Der Turm muss noch gebaut werden und es gibt Pläne dazu. Nötig sind einige Blimps und fähige Grounder, die das Konstrukt verbinden. Wir haben eine ganze Woche eingeplant, dann wird das Relais stehen und viele Probleme sind damit gelöst. Hannah, du hast uns gezeigt, dass du am Ground einiges bewegen kannst, deshalb sollst du die Arbeiten vom Boden aus leiten, Paul Lorson soll die Blimper koordinieren. Ihr kennt euch ja, es sollte keine Probleme geben.“
Talbot blieb noch etwas in der Runde und beantwortete Fragen. Dann verließ er den Ort und war wie immer über das Dorf zu erreichen.
Der Beginn der Arbeiten war für den nächsten Tag vorgesehen und Paul gab die Einzelheiten bekannt.
Am ersten Tag wurden vier Container aufgestellt, die einen sicheren Fixpoint verankern konnten. An diesem Fixpoint konnten die Blimps neutral ankern, ohne Tara abgeben zu müssen und der Fixpoint würde der Anker für den Turm werden.
Die Container mussten sicher in den Grund vergraben werden, darum kümmerte sich ein eigener Trupp. In der Umgebung setzte Hannah einige Fixierungen und nummerierte die Seile. Die Arbeit in der Luft gefiel Hannah und die Abende mit dem Trupp und mit Paul wurden nicht langweilig.
Am zweiten Tag kamen vier Blimps mit den Teilen für den Turm und am dritten Tag begann Paul mit der Installation. Das war der Moment für Hannah: Sie zog den Blimp und befestigte die Teile, kletterte auf die Abschnitte und schlug die finalen Bolzen in den Turm. Das Zusammenspiel zwischen Grounder und Blimp musste perfekt sein und Hannah und Paul waren perfekt. Oft ließ sich Hannah von Paul absetzen, sie hing direkt am Blimp und ließ sich auf den Boden senken ohne zu klettern. Der Blimp wurde ein sicherer Punkt am Himmel für Hannah und Paul spürte, ob Hannah an den Seilen hing oder den Blimp in eine bessere Position zog.
Am vierten Tag kam der Konverter. Hannah stieg die kompletten hundert Meter auf den Turm, überprüfte ihre Sicherung und winkte Paul in die richtige Position. Mit vier gezielten Schlägen waren die Bolzen gesichert und Hannah begann den Abstieg.
Im Basislager gab es ein Fest, die Arbeit war im Zeitplan erledigt. Selbst Simone Ford war im Basislager. Ford filmte die Umgebung und den Turm und ließ sich eine kleine Ansprache nicht nehmen.
„Morgen wird der Konverter in Betrieb gehen, dann sind wir einen Schritt weiter und die Blimps haben dann gezeigt was sie können.“
Simone schaute sich um und stellte sich in Pose. Sie trug die Schutzkleidung der Grounder und nahm sich so etwas zurück. Die Piloten würden morgen ihren großen Tag haben.
Die Blimps nahmen Abstand zum Fixpoint und dem Turm. Der Abstand sollte einen kompletten Kilometer betragen. Kein Blimp durfte näher an den Turm heran. Die Kameras liefen und alle warteten auf die Übertragung. Den Konverter überzog ein grüner Schimmer, das war alles.
Es war ein beeindruckendes Schauspiel. Die großen Blimps zogen ab, die „Boston“, die „Cairo“ und die „London“ zogen in einer Reihe nach Norden, zum Dorf. Hannah saß im Kopilotensitz der „Riad“ und schaute zu Paul. Der war sichtlich zufrieden.
„Wir sind bald am Südstützpunkt, willst du das Kabel schießen?“, fragte er.
„Du weißt, dass ich kein Pilot bin“, gab Hannah zurück.
„Aber ein Blimper!“
Paul schoss die Leine und der Südstützpunkt erwartete sie.

Der Abend war günstig und das Wetter war außergewöhnlich gut, Hannah und Paul beschlossen am See zu übernachten.
Wieder mit dem Blick auf die „Riad“ und wieder mit dem gewohnten Gepäck. Paul war dieses mal gesprächiger. „Wir haben einiges geschafft“, sagte er, kramte in seinem Rucksack und fummelte dann an etwas Kompliziertem, wie es Hannah schien.
„Wir könnten eine Sweatlodge bauen“, sinnierte Paul weiter.
„Sweatlodge?“, fragte Hannah.
„Ein altes Wort, etwas, wie Hut, würde man heute sagen. Ein kleines Bauwerk, mit einem Lagerfeuer. Darin ist dann Platz für ein paar Leute und Steine. Die Steine werden im Lagerfeuer heiß gemacht und wärmen dann die Hütte; das ist fast wie Sauna, nur ohne Strom.
Paul reichte Hannah eine qualmende Zylindertüte.
„Versuch mal...“, sagte er.
Hannah blies in das Paket und ein paar Funken stoben davon.
„Nicht rein pusten, ziehen und ganz langsam einatmen...“
Hannah hustete sich die Eingeweide aus dem Körper, dabei fiel das Ding auf den Boden und Paul hielt es dann sinnend vor seinem Gesicht.
Den Geruch kannte Hannah, es erinnerte sie an die erste Übernachtung. Paul wedelte das Teil an und der Qualm stieg fast senkrecht auf.
„Versuche den Rauch zu atmen, es wird für uns beide reichen“, flüsterte Paul.
Hannah musste weniger husten und gleichzeitig überkam sie ein warmes Gefühl.
Wie sie in den Schlafsack kam, wusste sie nicht mehr, doch Paul drängte zum Aufbruch.
Der Himmel gab bereits so viel Licht, dass es klar war, dass der Morgen kam. Am Ufer bewunderte Hannah einen Kreis aus großen Steinen, der in der Nacht entstanden war. Wortlos packten sie ihre Sachen und zogen zurück zum Stützpunkt.

Der nächste Blimp war voll mit Passagieren und voll mit Gepäck, es wurde ein langer Flug, weil nichts zu tun war, der Gang durch den Blimp war unmöglich, es war alles voll. Die Landung war allerdings perfekt und an den Fixes hingen die Blimps. Alles kam zum Dorf zurück.
Hannah war nun oft draußen und half die Blimps zu zerlegen, einem nach dem anderen wurde das Treibgas abgelassen; die Hüllen wurden flach und aufgerollt.
Hannah kannte den Weg vom großen Hangar zum Lager in den Tiefen der Zitadelle. Sie fuhr mit der großen Ameise den Weg runter zum Lager und verstaute die Teile in die bereitstehenden Kisten. Am Abend stand sie auf dem Vorplatz des Hangars und sah den blassen blauen Strahl, der in Richtung Süden schimmerte. Sie wusste, dass dieser Strahl zum Südstützpunkt führte und sie erinnerte sich an den Canyon Lake, an dem etwas auf sie wartete.
Dann gab es den ersten Schnee und dann gab es den großen Urlaub. Sie hatte genug Zeit für Wochen ohne Arbeit. Tage am Pool und Schwimmen.
Sie holte sich ihre Abzeichen und schwamm die Bahnen in Zeiten, die sie noch nie erreicht hatte.
Der blaue Strahl zog über den Himmel, ohne, dass ihn jemand bemerkte.
Hannah stieg mit Paul in die tiefsten Lager des Dorfes, dort holte sie die Energiepakete für das nächste Jahr. Die Pakete waren beschriftet und für jeden Blimp gab es eine bestimmte Anzahl. Im Hangar stapelten sich die Pakete in den Containern und gaben zusammen einen geheimnisvollen bläulichen Schimmer von sich, der fast schon violett war und sich der Wahrnehmbarkeit beinahe entzog.
Da lagen sie nun: Die „Boston“, die „Cairo“, die „London“, die „New York“ und die „Caracas“,selbst die „Kiew“ schlummerte im Lager, fest eingepackt und für den nächsten Start konserviert.
Mit Sabrina schaffte Hannah weitere Energiepakete zu den Containern.
Volle Energiepakete, die blau-violett schimmernd neben den Schiffen lagen, bereit für den nächsten Start.
„Weißt du was das ist?“, fragte Sabrina.
„Energiemodule“, war Hannahs Antwort.
„Hast du dir überlegt, warum die Blimps nie tanken müssen?“, fragte Sabrina.
„Müssen sie doch, jedes mal im Dorf“, gab Hannah zurück.
„Na, dann glaube das doch“, schnaubte Sabrina und ließ die Pakete von Hannah verladen.

Hannah genoss die freie Zeit, die Kredits waren voll und im Bad ließ sich die Zeit gut verbringen.
Die Zeit mit Alaska war schön und ihr Apartment wartete auf Renovierung. Den Jahreswechsel verbrachte sie mit ihren Freunden im Italiener. Die Runde war größer und Paul und Sabrina waren auch am Tisch.
Paul brachte das Gespräch auf den blauen Schimmer. Er erzählte von dem Energietransfer und der tollen Zeit mit den Blimpern. Sabrina hakte nach.
Den Schimmer gab es bei den Blimps und im Lager. Sabrina wollte mehr wissen und schnappte sich Paul ganz privat.
Das Tischfeuerwerk zündete und es gab ein neues Paar. Alle waren sich einig: Sabrina und Paul waren perfekt. Am Ende lallte Sabrina was von der Geschwindigkeit und Hannah wachte neben Alaska auf.
Alaska war gut gelaunt und richtete den Tisch. Es würde ein Katerfrühstück geben: Nach einigen Telefonaten war die Runde wieder perfekt und der späte Nachmittag glitt in den Abend. Sabrina war mit Paul intensiv am Flirten und dann verließ sie die Runde und ließ Paul sitzen.
„Es ist nicht konstant“, sagte sie und ließ sich von Alaska auf ihr Zimmer bringen.
Hannah bohrte an Paul. „Was meint sie, was hat sie?“
„Weiß nicht genau.“
„Geht es um euch?“
„Eher nicht, eher um Licht, Sabrina ist von ihrer Arbeit besessen!“
Alaska kam zurück und hatte Sabrina sicher schlafen gelegt.

Die nächsten Tage liefen gut.
Das Bad war in Betrieb und Hannahs Punkte wollten nicht enden, Kino, Bad, Italiener und ein Leben mit Freunden, das gefiel Hannah.
Paul tauchte immer wieder auf. Irgendwie klappte das nicht mit Sabrina und ihm und irgendwie suchte Paul Nähe zu Hannah.
Paul suchte Nähe und Hannah suchte ihren alten Platz in der Bakery.
Denise war voll in ihrem Element und begrüßte Hannah mit einem „Blimmmmpeeer“, wie es eben nur Denise hinbekam. Die Dekorationen wechselten sie in den freien Zeiten und Tannenäste wechselten mit bunten Eiern. „Wir haben echte Zweige aus den Badlands bekommen, das Zeug nadelt wie die Hölle“, erzählte Denise und gab eine Neuigkeit nach der anderen an ihren Blimper weiter.
Das Leben bestand wieder aus Brötchen, Blechen und Zimt. Dann kam Sabrina vorbei, kaufte etwas und suchte das Gespräch mit Hannah. „Magst du bei mir vorbeikommen?“, fragte sie dann schüchtern und Hannah hatte wieder einen Abend, der bestimmt nicht langweilig werden würde.
Der Abend war nicht eintönig, Sabrina hatte ein geschmackvolles Apartment und kannte die neuen Hits aus der anglopäischen Szene. Dann kam sie auf ihr Thema. „Blimper, kennst du Einstein?“
Hannah, war doppelt verdutzt. Sie wurde noch nie von ihren Freunden „Blimper“ genannt und mit Einstein konnte sie nichts anfangen.
Sabrina blieb hartnäckig und erklärte die Theorie, erklärte grob Einsteins Gedanken und meinte einen Fehler gefunden zu haben.
Sabrina konnte mit Paul nicht darüber reden und suchte die Brücke über Hannah.
Hannah war irritiert, wie konnte jemand Paul mit einem alten Wissenschaftler verbinden, blaues Licht interessant finden und von Quanten reden, von denen sie nun wirklich keine Ahnung hatte? Die Beats wurden lauter und der Abend kurz. Die Bakery wartete und das alte Leben.
Sabrina blieb am Ball und konnte auch gut schwimmen, bald lieferte sie sich mit Hannah die ersten Zeitduelle im Wasser. Nach dem Sport blieb oft Zeit, da kamen sich die zwei näher und dunkle Wolken stiegen zwischen Hannah und Alaska auf.
Leonard Talbot hielt einen öffentlichen Vortrag über die Relativität und Sabrina überredete Hannah mitzugehen. Der Vortrag war nicht gut besucht und bald saßen die zwanzig Zuhörer mit Talbot im Kreis und ließen sich von seinen Ideen berieseln.
Es ging um Energie und es ging lange um die Eigenarten der Masse und als Talbot endlich auf die Konstante einging, schaltete Hannah komplett ab und ließ ihren eigenen Gedanken freien Lauf, erst der Beifall weckte sie auf und sie spürte Leonards Arm auf ihrer Schulter.
„Blimper! Wie schön dich hier zu sehen!“, strahlte er.
Sabrina war sichtlich enttäuscht, nur die zweite Geige in der Begegnung zu spielen und zog sich einen halben Meter zurück. Talbot war bester Laune und lud die Freundinnen kurzerhand zum Essen ein.
Da schlug die Stunde von Sabrina. Als das Thema unweigerlich auf die Relativität kam, konnte Hannah nur passen und Sabrina hakte nach. Hannah begann die Kerne im Tomatensalat zu zählen und Leonard kam richtig in Schwung. Er referierte bestimmt eine viertel Stunde über Energie. „Energie ist auch eine Kraft, die etwas in einer bestimmten Zeit schafft“, endete er und betrachtete ausgiebig das Etikett des Lambruscos.
„Dann steckt der Faktor Zeit sowohl in der Masse, als auch in der Geschwindigkeit?“, fragte Sabrina.
Hannah musste etwas sagen. „Die Lichtgeschwindigkeit ist eine Konstante“, murmelte sie über den Tomatensalat. Diesen Spruch hatte sie von einem Grounder aufgeschnappt, zwar nicht verstanden, aber irgendwie behalten.
Leonard schaute Hannah verdutzt an und wendete den Blick zu Sabrina, schaute dann wieder zu Hannah und sagte zu beiden: „OK, das steht so geschrieben, seit etwa 300 Jahren, nun denkt einfach mal, dass das vielleicht nicht stimmt und C keine Konstante ist, sondern variabel...“
„Die Zeit dehnt sich“, wollte Hannah einfach ehrlich sein und endlich die Kernzählerei beenden, sie wollte auf Konfrontation und das Treffen ein bisschen beschleunigen.
„Hammer!“, entfuhr es dem Gastgeber. „Blimper, du hast den Nagel auf den Kopf getroffen! Wenn in der Masse der Faktor Zeit steckt und C nicht konstant ist, könnt ihr euch vorstellen, was das bedeutet?“
Sabrina holte den Ball und Hannah war froh, keine Antwort geben zu müssen.
„Dann ist E der entscheidende Faktor?“, fragte sie.
„E ist der entscheidende Faktor“, bestätigte Leonard und trank sein Glas Lambrusco in einem Zug aus.
„Alles verschiebt sich in den energetisch, blauen Bereich“, sinnierte er weiter.
Zwischen Sabrina und Leonard entlud sich noch eine kleine Fachsimpelei und leicht angeheitert verließen die drei das Restaurant und trennten sich auf dem Weg zu ihren Wohnungen.

Sabrina war in den nächsten Tagen nicht zu sehen, und Hannah verbesserte ihre Zeiten im Schwimmen weiter. Dann tauchte Sabrina wieder auf und erzählte von ihrem Wechsel vom Lagerarbeiter zum Programm der Luftfahrer. „Blimper, du bist ja so was von genial!“, strahlte sie. „Talbot hat mich zum Programm geholt, ich mache den Kurs. In der nächsten Saison bin ich vielleicht schon als Copilot dabei!“
Sabrina tanzte um Hannah herum. „Ich will das Licht sehen und Leonard hat mich mit Büchern eingedeckt, ich bin dabei!“
„Schön.“
„Freust du dich nicht?“
„Habe Ärger mit Alaska.“
„Tut mir leid...“
„Weißt du, Bücher sind nicht so meine Sache, und Alaska mag ich sehr und die Zeit wird mir lang und irgendwie würde ich schon gerne wieder raus und...“
Da stand der strahlende Blimper, dessen Plakat in der Bakery hing.
Das Plakat als Hannah mit beiden Händen in den blauen Himmel griff, gesichert auf der Turmspitze des Konverters. Heldin, überlebensgroß auf dem Plakat und nun rollten ihr die Tränen über das Gesicht.
Alaska hatte sich nicht mehr gemeldet und die Fotografin, Simone Ford, war sauer, weil sie nicht selbst auf dem Plakat war, Denise nervte mit dem ewigen Bliiiimpeeer und der Winter wollte einfach nicht zu Ende gehen und die Stoppzeiten im Bad wurden auch nicht mehr besser.
Sabrina nahm Hannah kurz in die Arme und tröste sie damit, dass es bald wieder wärmer wird und die Saison starten würde.

Tatsächlich war Hannah dabei, als die Blimps wieder aufgeblasen wurden und sie ließ es sich nicht nehmen, mit dem Daumen auf die Hüllen zu schnalzen und das „Blimp“ gab tatsächlich neue Kraft.
Wochen später war der Betrieb im vollem Gang und trotz Mütze und Creme hatte sie wieder einen leichten Sonnenbrand. Dieses mal ohne Blasen und ohne Schüttelfrost, doch die Haut schälte sich wieder von den Armen und von der Stirn. Also war vorerst der Bodendienst beendet und Hannah pendelte wieder zur Südstation. Paul sah sie zunächst nicht, doch Sabrina war tatsächlich manchmal der Co.
Bald gab es eine neue Gruppe von Passagieren, Leute, die eine ganze Saison in der Südstation bleiben wollten und Hannah kam locker mit ihnen in ein Gespräch. Diese Menschen hatten etwas Besonderes an sich, eine Art freudiger Erwartung und viele nannten sie einfach Blimper.
Mit einem Mann kam Blimper in das Gespräch und gewann einen völlig neuen Einblick in ihr Tun.
Völlig entspannt erklärte er ihr seinen Plan, es war seine zweite Reise und er hoffte den Winter im Südstützpunkt verbringen zu können.
Niemand wollte nun einen Service von Blimper, das Gespräch wurde von der Gruppe akzeptiert und Hannah setzte sich zu ihm auf die Seitenstütze und hörte zu.
„Gott erschuf die Erde in sechs Tagen, diese wunderbare Welt, mit ihren endlosen Wäldern und den Badlands. Es gab eine große Anzahl an Vögeln und anderen Tieren. Und dann gab es uns, denen die Schöpfung anvertraut wurde. Wir veränderten die Welt und die Katastrophe kam. Es gab eine Katastrophe, ökologisch und auch spirituell. Nun, mitten in dieser Katastrophe, gibt es das Programm von Talbot und seinen Leuten. Wir haben die Hoffnung auf ein neues Verständnis der Erde und des menschlichen Lebens. Mit diesem Programm wollen wir beginnen. Talbot, Rosen und Ford haben unser Bewusstsein gestärkt, erhoben. Warum leben wir im Dorf? Warum leben wir nicht anders? Wir können anders leben, wir können neu beginnen!“
Der Mann, hatte einen kurzen Bart und trug auch eine Schutzkappe. Er rutschte in seinen Sitz und schaute, ob Hannah zuhörte.
„Ich versuchte lange Zeit in die Welt des Dorfs zu passen und darin zu überleben. Aber ich fühlte mich ständig unwohl. Ich sah keine mögliche Zukunft. Als dieses Projekt startete, erkannte ich und meine Begleiter: Das war es, wonach wir uns immer gesehnt hatten! Darum sind wir nun hier. Wir werden das Leben außerhalb des Dorfs neu gestalten. Alles was bisher war, war nur eine Vorbereitung auf diesen Moment. Wir haben lange darüber nachgedacht wie wir leben wollen, wir wollen eigenes Land. Obst und Gemüse soll es geben und Teiche mit sauberem Wasser und mit Fischen darin. Dann soll es auch wieder Bäume geben, Bäume die blühen! Unsere Ernte soll den Bedarf des Dorfs decken, die Replikatoren wollen wir nicht mehr. Blimper, wenn du eine Gurke pflückst – und das hatten wir letztes Jahr – und wenn du sie direkt isst, bekommst du viel mehr Energie als von den Rationen. Du kannst das deutlich spüren. Wenn das Land wieder richtig gut ist, wird es auch genug davon geben. Das Dorf wird davon profitieren und dass die Lebensmittel wieder natürlich sind, das ist das wichtigste. Sowohl für uns, als auch für das Dorf. Ich träume von Siedlungen. Von Siedlungen jenseits der Südstation. Es soll ein Raum zum Leben sein, ein Raum für Kreativität und ein Raum für unsere Kinder. Es ist doch viel schöner etwas zu geben, als vom Dorf etwas zu bekommen. Wir wollen in uns selbst frei sein, verstehst du das? Wenn wir innerlich frei sind, können wir hilfreich für das Dorf sein und die Zerstörung rückgängig machen. Vielleicht können wir unseren Planeten wieder reinigen. Diese Veränderung konnten wir letztes Jahr schon bei unseren Kindern erkennen: Es gab eine besondere Art von Offenheit und Reinheit. Wir wissen ja, dass unsere Zukunft von unseren Kindern abhängt. Wenn Kinder mit ihren Familien außerhalb des Dorfs leben können, dann werden diese Kinder viel bodenständiger. Sie werden die Natur lieben und viel humaner und gütiger sein.“
Der Mann mit dem Bart schaute auf. „Blimper, oder soll ich dich Hannah nennen?“
„Hannah.“
„Weißt du, letztes Jahr erzählte meine Enkelin, dass Leute, die irgendwelche Schwierigkeiten haben, außerhalb des Dorfs ruhig werden und aufhören zu streiten. Sie verstand eines: Wir sind eins mit der Natur!“
Er griff kurz an die Schutzkappe.
„Die neuen Siedler kommen aus allen Clans und sind unterschiedlichen Alters. Sie sind Forscher, Wissenschaftler oder Lernende. Sie fliehen nicht einfach aus dem Dorf, sondern sie entscheiden sich bewusst für die Südstation, um einen Beitrag für das Dorf zu leisten. Es gibt nun diese eine Siedlung, und es ist eine kraftvolle Bewegung. Wir sind gut ausgebildet und wir haben uns entschieden, das Dorf zu verlassen. Das wunderbare ist die neue Orientierung und diese neue Orientierung kommt ganz natürlich zu uns. Wir wollen einen Obstgarten haben und wir werden lernen, die Badlands zu kultivieren. Die Idee ist gigantisch und es kann nun keine Diskussionen mehr geben, es liegt einfach an uns, etwas zu verändern. Einfach unser Tun ist nun entscheidend, deshalb bin ich so zufrieden Hannah!“
Hannah schaute die Gangway runter und rauf zum Cockpit, merkte, dass einige zuhörten und lauschte weiter, das Brummen der Motoren unterstrich jedes Wort.
„Wir glauben an eine bessere Zukunft für unsere Kinder und wir glauben an eine neue Heimat. Zwei Dinge verbinden uns: Traum und Liebe. Etwas Neues wird in uns geboren werden! Wir ernähren nicht nur den Körper, wir wissen, dass auch die Seele ernährt werden muss. Gesundheit und ein völlig neues Verständnis der Welt wird sich bilden. Wir wollen, dass zehn Prozent des Dorfs im Südstützpunkt und andern Stützpunkten leben kann. Es geht nicht nur um das Essen, das gesamte Bewusstsein wird sich verändern. Letztlich geht es um eine neue Ebene des Bewusstseins. Dies ist unser Planet, unsere Erde, deshalb müssen wir sie bewahren und wer könnte sie besser bewahren, als ein Mensch, der sie liebt? Die Menschen, die den Planeten lieben, sind ja auch diejenigen, die ihn bewahren. Die Entscheidung ist getroffen. Wir werden in Harmonie miteinander leben und mit der Natur. Das Atmen in der Südstation ist eine Wohltat, es verlängert das Leben und es verbessert die Gesundheit. Die Luft dort ist so sauber, wie im Paradies. Unsere Zukunft stammt aus einer Tiefe der glänzenden Ewigkeit. Du bist unendlich, denn du existierst in deinen eigenen Traumschöpfungen ewig fort. Auch du Hannah, und nun lass mich dich bitte Blimper nennen.“
Der Bärtige schloss die Augen, lauschte und schaute dann ruhig aus dem Fenster. Dann klatschte der im ersten Sitz langsam in die Hände und der Rest der Passagiere tat es nach, für eine Weile.
Blimper stand langsam auf und begann mit dem Service und sie verstand, dass dies ein besonderer Flug war.
Nach zwei weiteren Stunden leiteten sie den Landeanflug ein und Blimper stand wieder neben dem Bärtigen, er lächelte sie zufrieden an und winkte sie zu sich.
„Blimper, das hat dich vielleicht etwas verwirrt, doch halte es doch einfach so: Leidenschaft, Glauben und Tradition - wie alles andere auch - einfach mit gemäßigter Vernunft beherrschen.“
Jetzt war Hannah restlos verwirrt und konnte das Gesagte nicht behalten, sie war froh, dass sie die Kabine öffnen konnte, die Leinen griff und den Blimp in Position brachte.
Die Siedler verließen den Blimp und ohne große Pause begannen sie den Rückflug zum Dorf mit anderen Passagieren.

Die Reisesaison war voll im Gange und Hannah schlief nur wenig, mal im Dorf, dann meist im Hangar, oder in ihrer Box der Südstation.
Die Flotte begann auch mit den ersten Nachtflügen, wobei dann der Abflug oder die Landung in der Nacht erfolgten und die Manöver auf dem Flugfeld mit Flutlicht ausgeführt wurden, jedenfalls waren die Ruhepausen knapp und selbst wenn sie Paul sah, gab es kaum Gelegenheit für Hannah zu einem Gespräch. Das veränderte Hannah so, dass sie funktionierte wie eine Maschine und nicht zum Nachdenken kam; das ging so über Wochen.
Dann griff die Hangarleitung ein und zog auch Hannah für ein paar Tage aus dem Dienst. Seit Wochen das erste Treffen mit Alaska, die hatte wohl in der Box angerufen, doch ein richtiges Gespräch war das nicht. So konnten sie erst jetzt über das Verschwinden der „Boston“ reden.
Der Mediziner-Clan war nicht betroffen, das wusste Alaska bereits und mit Prisca war Hannah zurückgekommen. Der Pilot der Boston hatte sich um die Bewaffnung der Blimps gekümmert und Leonard Talbot hatte sich stets dagegen ausgesprochen, dass die Blimps irgendwelche Waffen an Bord hatten. Darüber wollte Alaska dringend mit ihrer Freundin sprechen.
„Hannah, was soll das mit Waffen an Bord der Blimps? Sind wir im Krieg?“, fragte Alaska.
Hannah konnte nichts sagen, weil sie nichts wusste.
„Da gibt es keine Waffen, ich habe nie welche gesehen, da gibt es keinen Grund. Wofür? Es gab nie eine Bedrohung, es gibt nichts da draußen, wofür Waffen gut wären. Es gibt die ewigen Badlands und dann kommt lange nichts, dann kommt irgendwann die Südstation und da ist nun wirklich alles friedlich.“
„Trotzdem ist die „Boston“ einfach verschwunden“, beharrte Alaska.
„Ich kann dir nur sagen, dass da nichts besonderes ist und das einzige, was ich glaube, ist, dass Dana Emrell nicht auf der „Cairo“ gewesen sein kann, denn Dana gehört nicht zum Clan der Foods und die Foods haben die „Cairo“ in Dienst gestellt. Die „Cairo“ belegt die Linie direkt vom Südstützpunk zum Nordstützpunkt und landet nicht im Dorf. Es ist Tradition, dass ein Clanmitglied den Erstflug macht und das war nun mal nicht Dana.“
In Alaska arbeitete es.
Hannah war einfach müde, legte sich ins Bett und schlief.

„Du hast geträumt“, flüsterte Alaska. Hannah hatte den Duft von Rosenöl in der Nase und sie fühlte sich wunderbar warm. „Du hast mich eingerieben...“
„Ich war nicht müde, du warst es“, hauchte Al in ihr Ohr. „Und du hast gesprochen im Schlaf.“
„Was?“
„Zusammenhanglose Sachen, Durcheinander, Unsinn.“
„Was?“
„Grunzen.“
Hannah stützte sich auf die Ellenbogen.
„Na, du sprichst nicht besonders deutlich im Schlaf.“
„Biest!“
„Liebes Biest...“ Al knabberte Hannah am Ohrläppchen.
„Was?“
„Wie?“
„Was habe ich gesagt?“
„Grany, habe ich gehört und „bad“ und Obstgarten. Obstgarten, das hast du ganz deutlich gesagt, das habe ich einwandfrei verstanden. Dann was von flau...“
„Blau.“
„Blau!“, wiederholte Hannah. „Ich erinnere mich, oh Mann, war das ein Traum!“
„Erzähl!“, forderte Alaska auf. „ Ich verstehe nur was von Grany Bad, der blau ist und gerne Obstgarten isst, wusstest du dass Obstgarten eine alte Bezeichnung von Joghurt ist?“
„Der blaue Grany will einen Joghurt? Das habe ich gesagt, das hast du verstanden?“
„So ungefähr.“
Hannah schlenkerte ihre Hand gegen die Deckenbeleuchtung und das Licht ging aus, von Müdigkeit war eigentlich nicht mehr zu reden.

Hannah begleitete wieder die Siedler zur Südstation, manchmal waren es dann reine Frachtflüge. Die „Dallas“ kam dazu und diente der Versorgung der Siedler. Die „Dallas“ gehörte zum Südstützpunkt, pendelte zwischen den Stützpunkten und war bald voll tauglich für die Flotte. Hannah wechselte zwischen den Blimps und lernte die Besonderheiten.
Den längsten Flug hatte sie mit der „Dallas“ zum Nordstützpunkt, ein Austauschfug. Am Nordstützpunkt wartete die „Omsk“.
Damit war die Flotte perfekt. Der Flug war extrem lang und dauerte über neun Stunden. Die Zeit wurde trotzdem nicht lang. Die Besatzungen tauschten sich untereinander aus und nutzten die exzellenten Kommunikationsverbindungen.
Paul betrachtete Hannah auf dem großen Bildschirm, sie hatte es sich auf dem Glasboden bequem gemacht und sortierte die Decken so, dass ein Blick auf die Landschaft frei blieb. Sie sprach mit Paul und schaute auf die Badlands, die unter ihr durchzogen. Die Verbindung stand seit über einer halben Stunde. Beide probierten den Viewer, ein kleiner Spion, der zeigte, was der andere sah und hörte, das wurde dann auf dem Bildschirm angezeigt. Paul hatte dann eine Idee. „Wie wäre es mit einem Urlaub?“, fragte er.
„Mit dir?“
„Ja.“
„Da hätte Sabrina etwas dagegen.“
„Nicht so sehr...“
„Und Alaska würde das nicht gerne haben.“
„OK.“
Paul gab noch nicht auf. „Wir haben alle noch ein paar freie Tage, wie wäre es zusammen?“
Hannah rollte die Decken im Kreis und wusste keine Antwort.
„Du hörst von mir“, verabschiedete sich Paul und Hannah stieg wieder zum Cockpit und schaute ob der Pilot etwas brauchte.
Die nächste Stunde verbrachte sie alleine mit dem Blimp, der Autopilot zeigte seine Aktivitäten und sie begann einen umfassenden Scan der Systeme. Alles war in Ordnung, keine Probleme, nur die Energieanzeige war etwas knapp fand Hannah. Nicht wirklich knapp, selbst mit allen Zusatzsystemen und voller Heizung konnten sie das Ziel problemlos erreichen und dann gab es noch zwanzig Prozent Reserve. Eine Aufladung war am Nordstützpunkt allerdings nötig.
Emily kam zurück und übernahm das Steuer. „Na, was Besonderes?“
Hannah berichtete von der Energielage und fragte, nach der restlichen Flugzeit.
„Gut zwei Stunden, doch ich gebe die Info weiter, ist interessant.“ Emily werkelte an den Anzeigen.
Nach einiger Zeit meldete sich Paul. Hannah zog sich auf die erste Reihe zurück.
„Hi.“
„Hallo, ich habe Neuigkeiten, das könnte was werden mit dem Urlaub.“
Hannah blieb entspannt.
„Die Zentrale findet die Idee gut, eine ganze Woche springt raus. Das läuft dann unter der Rubrik gemeinsame Aktivitäten. Sie wollen das unterstützen und auch konkret helfen. Ich glaube, das wird nicht langweilig!“
„Ach?“
„Sie wollen halt auch eine Teilnehmerliste und sie wollen auch ein paar Leute dazu packen. Es könnte eine richtige Gruppe werden!“
Paul war richtig begeistert, er war richtig hektisch, er hatte was zu tun.
„Machst du mit?“, fragte er.
„Weiß nicht...“
„Jetzt komm!“
„Was ist mit Alaska, was ist mit Sabrina?“
„Hab schon gefragt.“
„Wenn das so ist...“
Emily winkte Hannah, die das Gespräch abbrach. Der Landeanflug begann und Emily wollte vorher noch kurz ins Heck. Hannah übernahm die Kontrolle als Co. Verwundert betrachtete sie die Energieanzeige. Es gab wieder hundert Prozent. Der Balken war grün und schlug rechts an.
Emily kam zurück und meldete sich bei der Zentrale. Hannah deutete auf die Anzeige und Emily zuckte einfach kurz mit der Schulter.
„Das Energiesystem könnte überprüft werden.“
Sie trug das in das Protokoll ein und flog eine weiträumige Schleife um den Landepunkt. Die Seile wurden rausgeschossen und der Blimp gehörte dem Fixpoint.

Einen Tag blieb Hannah im Norden, begann sich zu langweilen und bekam den Flug zum Südstützpunkt.
Es war einiges los in der Luft. Alle zehn Blimps waren im Einsatz und es gab regen Funkverkehr.
So wurde das Fliegen unterhaltsam und die Versorgung der Passagiere war ein Vergnügen.
Im Dorf gab es einen Shortstop, die Motoren blieben in Betrieb und kurz nach dem Ausstieg folgte der Einstieg. Stop and go.
Hannah wollte ihre Mails erst in ihrer Box lesen, es waren viele.
Kurz entschlossen ließ sie einfach alles ausdrucken, packte die Mails in den Rucksack und machte sich auf den Weg um den Canyon Lake. Ein ausgedehnter Spaziergang, mehr nicht. Alle 15 Minuten quäkte das Phone und Hannah bestätigte. Am Ufer setzte sie sich an die Stelle an der sie mit Paul gelagert hatte und packte ihren Proviant aus. Heißer Tee und Sandwiches. Fein!
Entspannt begann sie zu lesen. Es war eine Mail von Paul dabei.
Die las sie besonders aufmerksam.
Hi Blimper, es ist alles geregelt. Der Urlaub kann starten! Du musst nur noch zustimmen! Wir werden so um zehn Leute sein, das Dorf regelt das und nun das Beste für dich: Alaska ist dabei.
Ganz ehrlich: Das habe ich geschaukelt, Alaska würde sich freuen, es fehlen noch ein paar Punkte, doch da lässt sich doch was machen, oder?

Hannah zerknüllte den Ausdruck und warf ihn in die alte Feuerstelle, die anderen Ausdrucke folgten nach und nach. Wieder knarzte das Handteil. Hannah überlegte, wie sie das Papier anzünden konnte, sie hatte nichts zum Anzünden dabei. Das machte sie nervös. Ein Problem, das sie nicht lösen konnte, niemand da, den sie einfach fragen konnte. Kein wirkliches Problem aber unlösbar.
Unzufrieden sah sie den Papierhaufen an. Hannah war kurz davor einen Notruf abzusetzen. Der Finger lag auf der Sendetaste. Dann hielt sie ein und warf ein paar Steine in den See.
Paul hatte ihr die Flippsteine gezeigt, die er über den See flippen ließ. Einer schaffte fast sechs Runden, schlug auf und schoss weiter und schlug auf...
Hannah schaffte zwei Runden. „Wupp, wupp, weg!“
Ein Wurf, ein Gedanke und eine Erinnerung.
Dann riss sie einfach das Emergency-Pack auf. Wozu ist denn das da? Da waren Sachen drin, die sie nicht kannte. Da waren aber auch Streichhölzer. Mit dem dritten Hölzchen klappte es. Das Papier brannte ab und große Ascheteile segelten durch die Luft. Das Phone quäkte.
Hannah versicherte, dass alles in Ordnung ist und sie bald im Stützpunkt zurück wäre. Das Emergency-Pack sollte sie dann abgeben. Alles war in Ordnung.
Sie plauderte noch mit Paul aus ihrer Box und der Urlaub war geregelt. Nur noch wenige Flüge, dann war es so weit.

Die Gruppe traf sich am Canyon Lake.
Am Fixpoint hing die „Omsk“ und die „Milano“ startete zum Dorf, das Bild war beeindruckend.
Noch lagen lange Schatten vor ihnen und Leonard Talbot sammelte die Gruppe um sich.
Neun Menschen bildeten einen Kreis und der gefrorene Tau knirschte unter den Stiefeln. Jeder hatte einen Pack zu tragen und die zehn Kilo waren schon deutlich spürbar auf den Schultern. Talbot erklärte die Route. Es würde die alte 44 entlang gehen, insgesamt fast 21 Kilometer.
Doch sie hatten Zeit. Nach acht Kilometern war die erste Pause geplant, bei Falling Rock.
Talbot führte den Trupp an, Paul folgte und Hannah lief neben Alaska, die alles mit weit offenen Augen aufnahm.
Sabrina war dabei, die Prisca mitgebracht hatte und vom Dorf waren Diane, Bruno und Petra zugeteilt worden. Noch war das keine Gruppe und Urlaubsgefühl fehlte wirklich. Hannah kannte die drei Zugeteilten von ihren Flügen.
Petra und Bruno waren Grounder, mit Diane hatte Hannah einen gemeinsamen Serviceflug.
Sie setzten sich in Bewegung, der Marsch führte in ein Tal und der Weg schlängelte sich irgendwie logisch an den Bergen vorbei. An manchen Stellen konnten sie nebeneinander laufen und Diane schob sich zu Prisca vor. An wenigen Stellen war der Boden hart, dunkel und glatt. Es war nicht natürlich und Talbot nannte es Asphalt.
Dann kam die Stelle mit den Blöcken. Rostige Metallhaufen lagen nebeneinander, meterweit voneinander entfernt. Bruno war begeistert und hielt die Gruppe auf. Die Metallblöcke nannte er Motoren und er versuchte Einzelheiten zu erkennen. Der Marsch ging weiter und um zehn Uhr gab es dann die erste Pause mit Kaffee und Tee und ein paar Keksen, die erste Etappe war geschafft.
Es ging leicht bergan, vorbei an Betonplatten und weiteren Motorblöcken. Selbst eine Brücke war fast erhalten, vorsichtig konnten sie den kleinen Fluss darauf überqueren und im Gebüsch fanden sie erhaltene Reifen.
Bruno hielt einen kleinen Vortrag über Reifen und Autos und Motoren.
Es war ein Marsch durch eine fantastische Natur und ein Weg in die Vergangenheit zu Motoren und Reifen.
Nach der Mittagspause ging es weiter in die Berge, Talbot fiel etwas zurück und schien vorsichtiger aufzutreten. Er wurde schweigsamer, Paul übernahm die Führung.
Dann kam die Stelle, an der sie scharf links abbogen, auf eine Allee.
Der Weg wurde breiter, bequemer zu gehen und fiel leicht ab. So war es ein Genuss zu laufen. Die Luft klar und warm, der Weg leicht und wie geschaffen, um durch die Berge zu führen. Unter ihnen erschien der Pactola. Sie waren am Ziel.
Der Rest war ein Kinderspiel.
Nach einer gemütlichen halben Stunde saßen sie am Ufer und genossen den frühen Abend.
Die Tour war gelungen, nur Talbot schien nicht ganz glücklich und badete seine Füße im kühlen See.
An einem Hang lagen die Packs. Das Dorf und Paul hatten vorgesorgt.
In einer kleinen Aktion waren die Zelte in ein paar Minuten aufgeblasen. Jeder hatte seine Kabine, es gab einen Gemeinschaftsraum, Sanitäranlagen und eine Küche auf Knopfdruck. Urlaub in den Black Hills.
Es war noch genug Zeit, die Umgebung zu erkunden, in kleinen Gruppen verteilten sich die Wanderer am Strand.
Nur Talbot zog sich in sein Zelt zurück, von ihm war nichts mehr zu sehen.
Nach dem Abendessen prasselte am Ufer ein Feuer. Acht Wanderer saßen dort, schauten in den sternenklaren Himmel und erzählten sich Geschichten und staunten über den vergangenen Tag.
Nach und nach wurde die Gruppe kleiner, die Müdigkeit forderte Tribut.
Hannah ließ das Feuer glimmen und verließ als letzte die Stelle. Kaum lag sie in ihren Daunen, musste sie wieder raus. Alleine suchte sie den Weg zum Sanitär, die Lampe war auch nicht da. Am Ufer flackerte das Feuer. Das Feuer hätte sie besser löschen sollen dachte sie, also suchte sie sich den Weg zum Ufer und sah, dass jemand am Feuer saß.
„Wer ist da?“, fragte sie.
„Ich.“
Hannah erkannte die Stimme von Talbot.
„Blimper?“
„Ja.“ Hannah ging auf die andere Seite des Feuers. Im Flackern erkannte sie das Gesicht von Talbot.
„Setz dich zu mir, ich will nicht so laut reden.“
„OK.“
Talbot rieb seinen Fuß. Am Boden stand eine Flasche und immer wieder schütte er einen Schluck auf den Fuß und rieb.
„Es wird nicht besser“, murmelte er.
Weißt du, irgendwann hast du Grenzen. Ich habe heute eine erkannt! Der Fuß ist dick, und viel laufen werde ich die nächsten Tage nicht können.“
„Tut mir leid.“
„Klar.“
Talbot lehnte sich zurück. Er schaute in den Nachthimmel.
„Was siehst du?“, fragte er.
„Sterne.“
„Weiter?“
„Die Plejaden!“
„Komisch, ein winziges Sternbild.“ Talbot schaute in die Flammen. „Weißt du, wenn Menschen in den Sternenhimmel sehen, werden sie nachdenklich. Wenn du dann fragst, was sie sehen, bekommst du unterschiedliche Antworten. Manche Leute sehen nur den Mond, der ist so groß, dass er alles andere überstrahlt. Dann gibt es die Leute, die einfach nur Sterne sehen - viele Sterne. Diese Leute können nicht differenzieren, sie sehen einfach nur viele Sterne. Dann gibt es welche, die suchen nach Sternbildern - sie sehen den großen Wagen oder den Stier; sie suchen den Himmel ab und orientieren sich am Nordstern, um den alles kreist. Diese Leute suchen Zusammenhänge und finden welche wo es keine gibt. Zuletzt gibt es die, die auf Anhieb die Plejaden finden; das kleinste Sternzeichen, das ohne Teleskop sichtbar ist - 400 Lichtjahre von uns entfernt. Etwa 7 Sterne davon können wir einfach so sehen. Hunderte der Plejaden sind zu klein für unsere Augen. Diese Leute haben einen besonderen Blick, sie sehen woher wir kommen...“
Das Feuer knisterte und Hannah stand auf, holte eine Handvoll Holz und belebte so das Feuer neu.
Knistern.
„Schau weiter und sage mir, wenn du etwas siehst!“
Hannah betrachtete den Nachthimmel und lange geschah einfach nichts.
„Da!“
„Was?“
„Ein Streifen, knapp über dem Hügel dort drüben, ganz kurz, ganz hell!“
„Eine Sternschnuppe“, sagte Talbot.
Er erklärte was Sternschnuppen sind und Hannah suchte mit weiten Augen den Himmel ab. Es gab noch zwei weitere davon.
Im Osten begann es rötlich zu schimmern und der nächste Tag kündigte sich so an.
Talbot räumte seine Sachen zusammen.
„Weiter hast du nichts gesehen?“
„Nein.“
„Gut, lass uns schlafen gehen.“

Alaska war voller Tatendrang und schleifte Hannah mit, die war wieder einfach nur müde und konnte den Schönheiten der Natur nur wenig abgewinnen. Hier und dort gab es Artefakte, Spuren der vergangenen Zivilisation. Motorblöcke konnte selbst Hannah bald auf zehn Metern erkennen.
Der Pactola See war ein künstlicher Stausee, der vor über zweihundert Jahren angelegt wurde und seit dem Tag X gab es nur wenig zu entdecken, doch der Damm hielt und der See blieb bestehen. Anders war es in anderen Regionen, von denen Expeditionen berichteten. New York etwa - eine Hügellandschaft von fast undurchdringlichem Dschungel, darunter verborgene Lagerstätten aus Stahl und Energieträgern. Hier und da Reste von gewaltigen Türmen und über das Land verteilt - ehemalige Atomanlagen und Chemiezentren, die das Land bis heute verseuchten. In den Süden konnte niemand gelangen - und wenn doch - kam er nicht lebend zurück.
Bruno war in seinem Element. Er erzählte von den Automobilen, die auf den Highways fuhren, Treibstoff verbrauchten und ungeahnten Luxus versprachen. Musik hören und telefonieren. Alles war scheinbar in diesen Dingern möglich.
Hier und da waren die Straßen noch frei. Es gab Kurven, in denen nichts wuchs, nur der Asphalt war sichtbar, bis zur nächsten Baumgruppe.
Prisca war auf der Suche nach Tieren, doch außer Ameisen gab es nichts, auch keine Spur. Prisca erzählte von den Wölfen, die es mal in den Badlands gegeben haben soll.
Petra blieb still und schloss sich an Paul an, der mit einem Schlauchboot den Pactola erkundete.
Das Feuer brannte, die zweite Nacht begann.
In der Ferne heulte ein Wolf. Das kam von weit her und eine halbe Stunde später heulte ein zweiter Wolf. Näher.
Prisca war dann auch am Feuer und trocknete ihre dunklen Haare mit einem Handtuch.
Der dritte Tag wurde geplant, es sollte eine Umwanderung des Pactola Reservoirs geben. Ein ganzer Tag in der Wildnis. Talbot blieb im Lager und würde die Verbindung halten, Paul übernahm die Führung. Sie hatten Zeit und nach dem Frühstück sollte es losgehen.
Es war eine grandiose Wanderung, knapp 20 Kilometer um den Pactola.
In Silver Stadt gab es einige Ruinen zu bewundern und in einer verfallenen Halle fanden sie einen fast erhaltenen Bus. Das Ding war groß und es gab Sitze für bestimmt 30 Menschen. Bruno war völlig von der Rolle und wollte länger bleiben, er träumte davon, das Teil zum Laufen zu bringen. Mit Mühe konnte Bruno von den Relikten gelöst werden.
Ab und an gab es Kontakt zur Basis. Es war alles in Ordnung, nur die rothaarige Petra hatte einen leichten Sonnenbrand, nicht schlimm.
Mit Talbot lief Hannah ein paar Meter am Strand. Leonard humpelte immer noch leicht.
„Blimper, wie gefällt es dir hier?“, fragte er.
„Grandios!“
„Schön.“
Talbot wollte etwas erzählen und Hannah war bereit zuzuhören.
„Weißt du Blimper, wir haben vieles geschafft, schau dir diese Natur an! Wir sind frei von belanglosen Gesetzen. Nichts hindert uns, diese Natur zu genießen. Es gibt keine Verbote, nur Vernunft. Es gibt niemanden, der etwas verbietet, es gibt keine Beamte, keine Leute, die dastehen und dir sagen, was zu tun ist. Es ist nur ein Gesetz, das mich im Moment beschäftigt...“
„Ja?“
„Wir sollten der Natur Raum geben, viel Raum. Ich sollte die Natur nicht belasten.“
„Womit?“
„Ich sollte kein Krebsgeschwür für die Natur sein und die Natur mit mir und meinen Gedanken belasten.“
Hannah überlegte was sie sagen könnte und es fiel ihr nichts ein.
Talbot wendete sein Gesicht in den strammen Wind und eine Träne lief über sein Gesicht. Es war ein strammer Wind.

Prisca hatte eine Idee.
Der nächste Tag sollte ein gemeinsames Projekt werden. Es ging um alte Rituale und den See. Es sollte etwas wie eine Sauna entstehen. Ein Platz für den Abend zur Regeneration und ein Bad im See. Eine Tagesaufgabe.
Am nächsten Morgen sammelten alle Holz, es entstand ein riesiger Haufen brennbaren Materials.
Paul und Bruno schafften Steine herbei und schichteten das ganze Konstrukt auf. Die Hütte entstand. Eine runde Zelle aus Zweigen und Folie der Survival-Packs. Schön zu sehen, mit Zweigen abgedeckt und irgendwie in die Umgebung eingefügt. Der Zugang zum See war frei. Perfekt.
Talbot klinkte sich aus dem Projekt aus, doch Prisca konnte ihn überreden, den Feuermann zu spielen. Sie brauchte jemanden, der das Ganze von außen betrachtete, das Feuer am Laufen hielt und für Sicherheit sorgte.
Paul und Prisca steckten zusammen. Das Ding würde groß werden.
Es kam die Dämmerung. Das Feuer brannte hoch, die Funken stoben über das Lager und Talbot runzelte die Stirn. Dann stiegen alle, außer Talbot, in die Hütte. Es war kalt. Der Boden war feucht. In der Mitte eine Kuhle und es war finster. Prisca erzählte wieder von den Wölfen. Irgendwer rief: „Biest!“ Ein gemeinsames Kichern bestätigte die gemeinsame Meinung.
Dann rief Prisca laut: „Die ersten fünf Steine!“
Talbot schaufelte die Steine durch die Luke.
Es wurde angenehm warm. Jeder war irgendwie für sich, versuchte seine Position zu verbessern oder etwas zu erkennen, doch es war stockdunkel.
Prisca befahl die nächsten fünf Steine.
Hannah spürte den ersten Schweißtropfen auf der Stirn, das war nicht unangenehm und sie spürte die Hand von Alaska auf ihrem Schenkel, das war auch nicht unangenehm.
Prisca erzählte etwas von Wölfen und von Tieren die hier lebten und dass sie sie hier einladen wollte.
Alaska legte ihren Kopf an Hannahs Schulter. Die nächsten fünf Steine kamen. Die waren tatsächlich kurz zu sehen. Dunkelrot glühten sie auf dem kleinen Haufen und Prisca streute etwas darauf. Es knisterte und flammte kurz auf. Es roch nach Kräutern.
Der Schweiß stand auf der Stirn und Hannah wischte sich die Brust ab. Es war warm. Der Boden war warm, die Decke war warm. Es war einfach sehr warm.
Alaska zog sich zurück und das war ihr auch sehr angenehm. Sie wollte bei sich bleiben. Prisca erlaubte eine kurze Pause und niemand ging, alle blieben auf ihren Plätzen.
Die Hütte konnte verlassen werden, um Luft zu holen. Sie fragte, ob es allen gut ging und startete die vierte Runde. Die Steine kamen. Rot glühend. Die Hitze stieg auf, das Kraut verbrannte auf den Steinen. In der Glut konnte Hannah Gesichter erkennen. Prisca verteilte Wasser auf die Steine. Es zischte und es dampfte. Die heiße Luft schlug ihr entgegen und sie zog das Shirt vor die Nase, weil die Luft bis in die Lungen brannte.
Die Pause wurde etwas länger, alle, außer Prisca, verließen die Hütte, lagen im Gras, oder sprangen kurz in den eiskalten See. Talbot rief sie zurück und eröffnete so die letzte Runde. Prisca erzählte von ihren Gefühlen, sie hatte nun die Leitung über dieses Event, doch sie fühlte auch ihre Grenzen. Es würde die letzte Runde sein und danach sollte sie doch jeder in Ruhe lassen.
Die Hütte war wieder voll und Talbot schaufelte die letzten Steine in das Zelt. Es waren besonders große Steine, die in ihren Fasern glühten.
Prisca verteilte etwas darauf und der Geruch zog direkt durch die Nase in das Gehirn. Das wiederholte sie, wartete auf den richtigen Moment. „Ist jeder geschützt?“, fragte sie. „Es geht los!“
Das Wasser zischte auf, eine Dampfwolke schoss an das Dach und prallte zurück. Prisca goss nach.
Hannah fiel einfach nach hinten weg. Der heiße Dampf zischte flach über ihren Körper und Luft holen schien ihr nicht mehr möglich.
Sie hörte Atmen, sie hörte Stöhnen und Schreien und dann lag sie auf der Wiese. Wie sie dorthin gekommen war, wusste sie nicht. Es war auch egal. Sie holte Luft und öffnete die Augen. Sie sah den Himmel und sie sah die Plejaden. Dann sah sie das rote Blinken. Ein Stern zog knapp unter den Plejaden durch und blinkte. Rot, Rot, Rot.
Dann holte sie nochmals Luft, sah wie Dampf ihren Körper verließ und wie sie unaufhaltsam in den See gezogen wurde.
Der Einstieg wurde erholsam, keine Kälte, einfach gewünschte Abkühlung. Sie schwamm ein paar Runden, stieg an das Ufer und suchte die Wiese ab.
In der Hütte lagen zwei Leute. Wer das war konnte sie nicht sehen und es war ihr auch egal, sie suchte sich einen Platz und schloss die Augen und genoss den Rest der Wärme.
Leonard zählte durch und alles war in Ordnung. Hannah war in ihrem Schlafsack, in allem Dreck und ohne zu duschen. Bevor sie denken konnte, schlief sie.

Der nächste Morgen war ruhig. Das Frühstück nahm jeder für sich ein und irgendwie blieb jeder für sich und in seinen Gedanken.
Gegen Mittag tauchte Prisca auf. Völlig sortiert und mit glasklarem Blick.
Prisca hatte eine Idee: Am Abend sollte es Pilze geben, das einzig essbare, außer Kräutern, was diese Gegend hergab. Mangels besserer Idee stimmte die Gruppe zu und am Nachmittag streiften sie durch die nahen Hügel und sammelten alles, was nach Pilz aussah. Es stellte sich heraus, das Prisca von Pilzen keine Ahnung hatte, doch jeder hatte einen Beutel für die Beute. Und das Gefühl :“Zurück zu den Sammlern.“
Prisca suchte mit einem langen Stock und kam Hannah in die Quere. „Alles klar?“
„Klar.“
Hannah hatte dann doch eine Frage. „Woher hast du diese Ideen? Ich meine das mit der Sweat-Lodge und den Kräutern und heute das mit den Pilzen? Im Dorf gibt es das nicht, ich habe das jedenfalls noch nie erlebt.“
Prisca stocherte mit dem Stock in der Erde. „Dana.“
„Dana?“
Prisca stützte sich scheinbar auf dem Stock. „Was ich weiß, weiß ich von Dana. Dana kennt sich mit Kräutern aus und mit Pilzen und mit der Natur, jedenfalls was davon übrig ist.“
Sie wechselte das Thema. „Wie ging es dir gestern Abend? Hat die Lodge was gebracht?“
Hannah fand einen Pilz und tütete ihn ein. „Es war anstrengend.“
„Schade.“
Prisca drehte sich weg und stocherte mit ihrem Stock weiter.
Hannah blieb erst stehen, schaute in die Hügel und auf den See und lief weiter zu Prisca. „Versteh mich nicht falsch.“
Prisca blieb stehen und nahm den Stecken quer.
„Ich habe geschwitzt, wie noch nie, ich gehe oft in die Sauna, aber so etwas habe ich noch nie erlebt. Es war brutal heiß! Und irgendwie seltsam war es auch...“
„Hast du etwas erlebt?“, hakte Prisca nach.
„Erlebt?“
„Etwas Besonderes, etwas was du nicht erklären kannst, Töne oder Bilder oder Träume, oder etwas in dieser Art?“
„Nein, ich war ja kurz weg.“
„Weg?“
„Ich lag auf der Wiese, wie ich da hin kam, kann ich dir nicht sagen. Jedenfalls schaute ich in den Himmel.“
„Ach?“
„Ja.“
„Und?“
„Nichts Besonderes“, begann Hannah. „Da waren ein paar Sterne und einer blinkte rot.“
„Du solltest dich mit Leonard unterhalten, der kennt sich mit Sternen aus.“
Prisca ging weg und die Gruppe sammelte sich im Camp.
Talbot begrüßte die Rückkehrer und begutachtete den Fund.
„Wir brauchen einen langen Tisch, und da verteilt, was ihr gefunden habt!“
Nach einer Weile lagen die Pilze nach Sorten geordnet auf der Arbeitsbank. Talbot betrachtete den Fund und legte sein Tablet so, dass jeder darauf schauen konnte. In der Ferne heulte ein Wolf.
Talbot sortierte die Ausbeute in: Unbekannt, essbar und giftig. Er erzählte von tödlichen Giften und wohlschmeckenden Pilzen, von Maronen und Steinpilzen. Prisca kam dazu und ließ ihren Fund sortieren.
„Na, da ist ja unser Biest...“, frotzelte Leonard, schaute sich den Fund an und jaulte wie ein Wolf.
Der Abend war gelungen, wenn auch niemand die Pilze essen wollte, sie hatten ja genug Proviant dabei.

Für die nächste Überraschung sorgte Paul, er schlug vor, den letzten Abend mit einer Nachtwanderung abzuschließen, auf den bekannten Wegen, doch nun in Dunkelheit, nur mit Taschenlampen und Stirnlampen. Sie waren dann nur zu viert, der Rest war zu faul oder erkannte keinen Sinn darin.
Mitten auf dem Weg meldete sich Leonard. „Kehrt um! Es kommt schlechtes Wetter, Regen. Das wird ungemütlich!“
Der Trupp machte sich auf den Rückweg und Leonard zündete einige Leuchtraketen.
Es war dann bald ein kleines Feuerwerk zum Abschluss des Urlaubs. Der Regen erwischte sie trotzdem. Eiskalt und gewaltig. Kein Faden blieb trocken und Hannah klapperten die Zähne vor Kälte. Es waren nur noch hundert Meter zum Camp, das hell erleuchtet vor ihnen lag. Mit einem Rutsch lag Hannah auf dem Boden.
„Blimper!“, schrie Paul und sah das Blut, das sich über das Gesicht von Blimper verteilte und mit dem Regenwasser verteilte. Hannah sah nichts mehr und hörte nur das Prasseln des Regens. Paul setzte sie auf, nahm den Rucksack ab und setzte den Notruf ab.
Gleißendes Licht strahlte vom Lager und aufgeregte Stimmen waren zu hören. Blimper taumelte in eine Traumwelt, sie sah über dem Hang zwei Lichter, die ihren Weg durch die Hügel zogen und sie hörte ein Rauschen, das nicht vom Regen kam. Neben ihr gingen Leute, viele Leute. Einer fragte: „Ordnung?“, oder so etwas.
Das nächste was Blimper spürte, war warmes Wasser. Sie lag im warmen Sanitär und wunderbar warmer Sprühregen berieselte ihren Körper, die Arme und die Beine waren noch marmoriert, doch das Blut kehrte zurück. Alaska war da, im klitschnassen Shirt kniete sie über ihr und Blimper konnte Tränen und Wasser in ihrem Gesicht nicht unterscheiden.
„Blimper, Blimper, Blimper!“ Sie lag in den Armen Alaskas und fühlte sich unendlich wohl.
Dann, in Wolldecken eingehüllt, saß Blimper bei den anderen, hörte, was gesagt wurde und tastete den Verband an ihrer Stirn ab. Paul saß ziemlich zerknirscht am Tisch und lugte vorsichtig auf Blimper.
„Das ist noch einmal gut gegangen“, sagte Talbot. „Wir sollten die Natur nicht unterschätzen, wir haben das hier lernen dürfen. Ich habe auch gelernt. Die letzte Verantwortung lag bei mir und ein Risiko bleibt immer. Paul, jetzt fang dich wieder, ihr seid ja umgekehrt, du hast alles richtig gemacht. Blimper ist ausgerutscht, das kann sogar im Dorf passieren. Hier ist es allerdings etwas anderes...“
Blimper tastete kurz an die Stirn und fühlte das Pflaster, es war keine Naht nötig, nur drei Zugstreifen. Glück gehabt.
Alaska klebte wie eine Klette an ihr und sie genoss irgendwie diese Zuwendung.
Einen Rückmarsch sollte es so nicht geben und der nächste Morgen war ein geordneter Rückzug.
Das ganze Lager verschwand in den Zugbeuteln, nur die Schwitzhütte und das Lagerfeuer waren letzte, verlassene Zeugen des Camps.
Blimper stand mit der Gruppe am Ufer und die „Dallas“ nahm direkten Kurs auf die Gruppe.
Das Schiff näherte sich über den See und nahm dann, gigantisch groß, das Sichtfeld Blimpers ein.
Es gab noch einen kurzen Rundflug über Pactola und der Weg zum Südstützpunkt war überraschend kurz.
Den Abend verbrachten alle im Südstützpunkt und sie waren gern gesehene Gäste, die etwas erzählen konnten bevor sie am nächsten Morgen zum Dorf zurückkehrten.

Prisca und Bruno waren mit der „Omsk“ unterwegs zum Nordstützpunkt.
Blimper und Paul saßen auf den Passagiersitzen der „Cairo“ und ließen sich bedienen, sie hatten den kurzen Flug zum Dorf.
Paul erzählte wie ein Wasserfall, Blimper war etwas genervt und schmiss den Anker. Das war der Gedankenanker, das hatte sie von Alaska gelernt.
Wenn jemand zu schnell redete und nervte, dann einfach eine Frage stellen, die völlig quer zum Thema stand. So hatte es Alaska jedenfalls erklärt.
„Du hast dich in das Biest verliebt?“, flüsterte Blimper.
Paul tat so, als hätte er nicht richtig gehört und schaute Blimper kurz in die Augen und blickte dann aus dem Fenster.
Blimper sah dennoch, dass Paul errötete.
Treffer.
Alaska hatte ihr erklärt, dass man dann nachsetzen kann. Einfach wilde Theorien in die Luft bringen. Es liegt dann am Gegenüber, das zu erklären. Meistens bringt es viel Spaß und manchmal neue Erkenntnisse, in jedem Fall hat man das Gespräch für sich und Zeit gewonnen. Psychologie.
Blimper setzte nach.
„Bist du bereit für einen perfekten Sturm?“
In Paul arbeitete es.
Blimper setzte drauf:
„Sobald du ihr gehörst, gibt es keinen Weg zurück! Pass gut auf, was ich sage.“
Verstärken, sagte Alaska. Blimper versuchte es. Paul schaute verlegen aus dem Fenster.
„Sie wird dich zum Schweben bringen, wie ein Vogel. Ein Vogel ohne Käfig. Wir werden auf dem Boden bleiben, also, es liegt nun in deiner Hand. Ja oder nein? Kein „Vielleicht“. Willst du mit der Magie vom Biest spielen? Paul, Junge, du solltest wissen, worauf du dich einlässt. Traust du dich das durchzuziehen? Das Biest ist wie ein dunkles Pferd. Bist du bereit für einen perfekten Sturm?“
Paul sagte nichts. Er schaute demonstrativ aus dem Fenster. Die Landschaft zog vorbei und Blimper hatte ihre Ruhe.
Paul kam aus seiner Starre:
„Sie ist kein Biest. Ich nenne sie mein Karma. Sie isst mein Herz auf! Ich versuche nicht sie auf den Arm zu nehmen, verstehst du was von Steroiden? Ihre Liebe ist stark und vielleicht würdest du dich verlieben, wenn du dich wirklich mit ihr treffen würdest.“
Automatisch kam es aus Blimper:
„Lass es lieber, das Biest ist süß wie Kuchen, aber wenn du ihr Herz brichst, wird sie kalt wie Eis! Sie kann nicht dein Dornröschen sein...“
„Verdammt, ich glaube, ich liebe sie.“
Blimper ließ sich in den Sitz fallen und Paul machte weiter.
„Ich bin verliebt und es ist mir egal, sie fährt mit mir Achterbahn und macht aus meinen Gedanken eine Kirmes. Das ist wie eine Droge. Das Biest ist der Hammer! Ich habe mich schon darauf eingelassen und bin jetzt süchtig.“
„Du willst also mit Magie spielen? Hast du keine Ahnung? Traust du dich, das durchzuziehen? Sie stürmt auf dich zu wie ein schwarzes Pferd. Bist du bereit für einen perfekten Sturm? Es gibt dann keinen Weg zurück.“
Blimper schaute nun auf die rechte Seite aus dem Fenster. Paul schaute aus der linken Seite. Es fiel kein Wort mehr, bis zum Dorf.
Mit dem Ausstieg kam der Alltag. Blimper pendelte wieder die Route zur Südstation und Paul war manchmal der Pilot.


Fortsetzung folgt...
 



 
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