blind

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fee_reloaded

Mitglied
wie sollst du mich finden
wenn du bloß meinen kurven
folgst zielstrebig die dir
bekannten punkte ansteuerst
vorbeisiehst an ecken abprallst
an meinen scharfen kanten
schartig sind sie geworden so
groß die furcht vor feiner klinge
ich weiß nicht wie ich mich noch
verbiegen sollte mag nicht mehr
die sein die sich stets anschmiegt
an dich und deine ängste ich
wünschte du wolltest mich
sehen





.mai_2023
 
G

Gelöschtes Mitglied 24479

Gast
liebe fee, ich glaube, ich weiß genau, was du meinst.
ich habe mal ein gedicht gegen die romantische liebe geschrieben.
das heißt absage.
liebe grüße
charlotte
 

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Mitglied
ich glaube, ich weiß genau, was du meinst.
Ich trau mich jetzt nicht zu sagen, dass ich das schön finde, liebe Charlotte. ;)
Aber es freut mich natürlich, wenn ankommt, was ich versuche in und zwischen Zeilen und Worte zu packen.
Ja, manchmal muss man bestimmten Konzepten Absagen erteilen, um sich weiterzuentwickeln. Tut vielleicht kurzfristig weh (oder macht manchmal auch ein wenig Angst), ist aber immer lohnenswert. Finde ich zumindest.

Dank dir recht herzlich für die Rückmeldung!

LG,
fee
 
Hi @fee_reloaded

ein schönes, sehnsüchtiges Gedicht, das eine Zartheit, Berührbarkeit, und trotz aller Abwendung und Enttäuschung auch eine Erotik der Hingabe vermittelt.

Anbei ein paar Gedanken zu Deinem Gedicht:

1. Das lyrische Ich drückt seine Unsicherheit und Sehnsucht aus, vom Gegenüber in seiner Ganzheit erkannt und verstanden zu werden. Das Gegenüber wird beschuldigt, sich nur auf die vertrauten Aspekte des lyrischen Ichs zu konzentrieren und dabei die unbekannten Ecken und Kanten zu übersehen. In den ersten Zeilen wird der Wunsch ausgedrückt, gefunden zu werden. Jedoch wird deutlich, dass das Gegenüber nur den bekannten und bequemen Aspekten des lyrischen Ichs Beachtung schenkt, indem es "zielstrebig die dir bekannten Punkte ansteuerst".

2. Die "scharfen Kanten" des lyrischen Ichs sind "schartig geworden", was auf eine Vergangenheit voller emotionaler Verletzungen und Enttäuschungen hindeutet. Die "Furcht vor feiner Klinge" könnte eine Metapher sein für die Angst vor weiteren Verletzungen. In den letzten Zeilen zeigt das lyrische Ich seine Erschöpfung und den Wunsch nach Veränderung. Es möchte sich nicht mehr verbiegen, um den Erwartungen des Gegenübers gerecht zu werden, und will aufhören, sich ständig an dessen Ängste anzupassen. Stattdessen wünscht es sich, gesehen und angenommen zu werden, so wie es ist.

3. Insgesamt behandelt das Gedicht die Themen Identität, Selbstakzeptanz und das Bedürfnis nach tieferem Verständnis in einer Beziehung. Es zeigt die Frustration, die entsteht, wenn man das Gefühl hat, nicht vollständig erkannt oder geschätzt zu werden, und fordert dazu auf, einander in all unseren Facetten wahrzunehmen und zu akzeptieren. Die Quintessenz des Gedichts könnte sein die Notwendigkeit von gegenseitigem Verständnis und Akzeptanz in einer Beziehung. Es weist darauf hin, dass es wichtig ist, über die vertrauten und bequemen Aspekte des Partners hinauszuschauen und sich bemühen, die unbekannten Ecken und Kanten zu erkennen und zu schätzen. Das Gedicht betont, dass wahre Verbundenheit und Intimität nur erreicht werden können, wenn beide Partner sich in ihrer Ganzheit gesehen und wertgeschätzt fühlen, ohne sich verbiegen oder anpassen zu müssen. "Ganzheit" könnte dabei in der Gedichtsbedeutung die Gesamtheit der Persönlichkeit, Erfahrungen und Emotionen einer Person sein, sich darauf beziehend, jemanden in all seinen Facetten zu erkennen und zu akzeptieren - sowohl die angenehmen und vertrauten Aspekte als auch die unbekannten, herausfordernden oder unangenehmen Seiten.

In der Beziehung, die im Gedicht dargestellt wird, hat das lyrische Ich das Gefühl, dass das Gegenüber nur auf die bekannten und leicht zugänglichen Teile seiner Persönlichkeit achtet und dabei die komplexeren, weniger verständlichen Aspekte ignoriert oder ablehnt. Die Forderung nach Ganzheit ist hier ein Wunsch, in der Beziehung vollständig gesehen, verstanden und akzeptiert zu werden, ohne sich verstellen oder anpassen zu müssen.

4. Die Form des Gedichts ist relativ unkonventionell und spiegelt möglicherweise die innere Zerrissenheit und das Gefühl der Unvollständigkeit des lyrischen Ichs wider. Das Gedicht besteht aus einem einzigen, durchgehenden Textblock ohne erkennbare Strophen oder konsequenten Reimschema. Dies vermittelt den Eindruck eines ungeordneten Gedankenstroms oder eines spontanen, emotionalen Ausbruchs.

Die Zeilenumbrüche scheinen willkürlich zu sein und lassen die Sätze über die Zeilen hinweg fließen, was den Lesefluss beeinflusst und die Aufmerksamkeit des Lesers auf bestimmte Worte und Gedanken lenkt. Dies kann auch eine Art Chaos oder Unordnung widerspiegeln, die das lyrische Ich in der Beziehung empfindet. Auch die fehlende Zeichensetzung und Großschreibung vermitteln ebenfalls eine gewisse Rohheit und Direktheit. Durch den Verzicht auf herkömmliche grammatische Regeln wird ein Gefühl von Dringlichkeit und Authentizität erzeugt, als ob das lyrische Ich unmittelbar und unverstellt seine Emotionen und Gedanken mit dem Leser oder dem Gegenüber teilt.

Insgesamt trägt die unkonventionelle Form des Gedichts zur thematischen Tiefe bei, indem sie die Gefühle von Verwirrung, Unvollständigkeit und Sehnsucht nach Verständnis und Akzeptanz in der Beziehung unterstreicht.

mes compliments

Dio
 

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Mitglied
Was für eine Rezension, Dio! Ich danke dir von Herzen!

Es ist eine große Freude, wenn man lesen darf, dass ein Text in all seinen Facetten - vielleicht sogar solchen, die mir beim Schreiben nicht so bewusst waren, aber da mit hineingeflossen sind - "er-lesen" wird. Deine tiefgreifende und gründliche Beschäftigung mit meinem Text ehrt ihn - und mich - sehr. Schön auch für mich zu lesen, wie du auf sehr eingängige und gut nachvollziehbare Weise alles aufschlüsselst. Du hast wirklich nichts übersehen oder ausgelassen und bringst sämtliche Bezüge auf allen Ebenen wunderbar auf den Punkt. Das zeugt von tiefem Verständnis, was Beziehungen UND diese Art von Lyrik angeht. Ich habe deinen Beitrag sehr sehr gerne gelesen!

Herzlichen Dank und ebensolche Grüße,
fee
 
G

Gelöschtes Mitglied 24409

Gast
Liebe Claudia,

ein aussagekräftiges Gedicht, in sich brüchig und doch fest geschnürt. Erstaunlich, wie in dieser Enge ein freier Text- und Lesefluss Platz hat.
Gut gemacht!

Schöne Grüße
Kristian
 

revilo

Mitglied
wie sollst du mich finden
wenn du bloß meinen kurven
folgst zielstrebig die dir
bekannten punkte ansteuerst
vorbeisiehst an ecken abprallst
an meinen scharfen kanten
schartig sind sie geworden so
groß die furcht vor feiner klinge
ich weiß nicht wie ich mich noch
verbiegen sollte mag nicht mehr
die sein die sich stets anschmiegt
an dich und deine ängste ich
wünschte du wolltest mich
sehen

enthält mir zu viel aussage......bei lyrik sollte der leser immer ein wenig rätseln und sich an dem text abarbeiten.....dieses gefühl fällt mir bei dem an sich guten gedicht hier.......ein wenig kürzen wäre nicht schlecht......





.mai_2023
 

Mimi

Mitglied
In Deinem Gedicht, liebe Fee, scheinst Du Dich auf eine intensive und persönliche Weise mit dem Thema der "Unverständlichkeit" innerhalb einer Beziehung auseinanderzusetzen.
Ich glaube, die erste Zeile ist eher eine rhetorische Frage, auf die das LyrIch nicht wirklich eine (befriedigende) Antwort erwartet.

Dein Gedicht fängt die Herausforderungen ein, denen viele Frauen häufig gegenüberstehen, wenn sie sich in einer Welt bewegen, die von oberflächlichen Beurteilungen und vordefinierten Erwartungen geprägt ist. Es ist auch irgendwie ein Aufruf, sich als individuelle Person zu sehen und zu akzeptieren, und es zeigt den Wunsch nach einer Verbindung, die über rein äußere Erscheinungen hinausgeht.

Gerade in diesem Gedicht sagst Du mehr "zwischen den Zeilen" ... was den Text für mich als Leserin besonders interessant macht ...
aber vielleicht liegt es auch daran, dass ich Dein LyrIch so gut verstehen kann ...



Gruß
Mimi
 

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Mitglied
ein aussagekräftiges Gedicht, in sich brüchig und doch fest geschnürt. Erstaunlich, wie in dieser Enge ein freier Text- und Lesefluss Platz hat.
Herzlichen Dank, Kristian, für die lobenden Worte! Hab mich sehr gefreut darüber! LG!

zu viel aussage......bei lyrik sollte der leser immer ein wenig rätseln und sich an dem text abarbeiten.....dieses gefühl fällt mir bei dem an sich guten gedicht hier.......ein wenig kürzen wäre nicht schlecht......

Ja, da hast du vermutlich recht, Oliver,

danke fürs Teilen dieses Eindrucks!

Ich empfinde den Text auch ein klein wenig ungelenk (sprich: zu lang), konnte mich aber beim Versuch, etwas zu streichen und zu kürzen, nicht dazu durchringen - also steht er da vorerst so, wie er ist. Ich schreibe mich langsam (seeehr langsam) wieder warm nach der langen Durststrecke mit Migräneanfällen alle acht Tage (ist nach wie vor so, aber es gibt jetzt eine neue Behandlung, die die Anzahl der Migränetage zumindest halbieren soll...ich gebe also die Hoffnung nicht auf...sie startet nächste Woche).

scheinst Du Dich auf eine intensive und persönliche Weise mit dem Thema der "Unverständlichkeit" innerhalb einer Beziehung auseinanderzusetzen.
Ich glaube, die erste Zeile ist eher eine rhetorische Frage, auf die das LyrIch nicht wirklich eine (befriedigende) Antwort erwartet.

Dein Gedicht fängt die Herausforderungen ein, denen viele Frauen häufig gegenüberstehen, wenn sie sich in einer Welt bewegen, die von oberflächlichen Beurteilungen und vordefinierten Erwartungen geprägt ist. Es ist auch irgendwie ein Aufruf, sich als individuelle Person zu sehen und zu akzeptieren, und es zeigt den Wunsch nach einer Verbindung, die über rein äußere Erscheinungen hinausgeht.

Gerade in diesem Gedicht sagst Du mehr "zwischen den Zeilen" ... was den Text für mich als Leserin besonders interessant macht ...
aber vielleicht liegt es auch daran, dass ich Dein LyrIch so gut verstehen kann ...

Was soll ich sagen, Mimi,

außer, dass es mich sehr berührt, was du schreibst, denn ich kann darin fühlen, dass du wirklich "gut verstehst". Vor allem das, was sich eben nicht IN sondern nur zwischen die Worte und Zeilen packen lässt. Das freut mich außerordentlich! Danke dir von Herzen dafür!

LG,
fee
 

revilo

Mitglied
Ja, da hast du vermutlich recht, Oliver,

danke fürs Teilen dieses Eindrucks!

Ich empfinde den Text auch ein klein wenig ungelenk (sprich: zu lang), konnte mich aber beim Versuch, etwas zu streichen und zu kürzen, nicht dazu durchringen - also steht er da vorerst so, wie er ist. Ich schreibe mich langsam (seeehr langsam) wieder warm nach der langen Durststrecke mit Migräneanfällen alle acht Tage (ist nach wie vor so, aber es gibt jetzt eine neue Behandlung, die die Anzahl der Migränetage zumindest halbieren soll...ich gebe also die Hoffnung nicht auf...sie startet nächste Woche).

erst einmal gute besserung....der text ist authentisch......lass ihn so, wie er ist........LG
 



 
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