Ich bin nicht angetan von diesem Gedicht.
Im Gegensatz zu anderen Rezensenten schien mir von Anfang an offenkundig, schon als ich einzig den Werktext durch die Mail übers gekürte "Werk des Monats" kannte, dass es sich primär um keinen Kriegs-, sondern um einen Beziehungstext handelt.
Ich mag das nicht, diese leichtfertige Gleichsetzung von Partnerschaftskonflikten mit Kriegserfahrungen. Insbesondere, wenn Wörter wie Spähtrupp, Magazine, Linien, Leuchtspur, Treffer durch ihre Häufung die eher oberflächliche Metaphernebene "Krieg" verlassen und auf ganz harte Kriegsfakten verweisen, mich (vielleicht irrtümlich) besonders an den höllischen Grabenkrieg im Ersten Weltkrieg erinnern, wie man ihn (zwar immer noch verharmlosend, aber doch recht anschaulich) in Filmen wie "Mathilde - Eine große Liebe" (Jean-Pierre Jeunet) und "Gefährten/War Horse" von Steven Spielberg sich zu Gemüte führen kann.
Unbenommen bleibt, dass unangemessenes Austragen von Konflikten zwischen Einzelmenschen zu höchst desaströsen und schmerzhaften Erfahrungen führen kann, welche im Einzelfall "genauso wie" ein mörderisches Gemetzel erlebt weden können. Dennoch gibt es hier eine Inkommensurabilität des Vergleiches, weil Kriege wie jener Erste Weltkrieg Millionen von Einzelmenschen vernichtet und verheert haben - für nichts. Leute, die es sich nicht aussuchen konnten, ob sie sich am Krieg beteiligen oder nicht. Dazu noch ausgedehnte Regionen unbewohnbar gemacht haben auf Jahre hinaus. (Was tatsächlichen Millionen von Menschen körperlich widerfährt, hat eine andere Qualtiät als etwas, was nur zwei Menschen seelisch widerfährt.)
Andere Ebene. Literarisch, sprachlich:
Wenn ein Gedicht sich weder reimt noch den starren Regeln eines klassischen Vermaßes gehorchen muss, so erwarte ich, dass es keinerlei sprachliche Holprigkeiten darin gibt. Insbesondere stören mich solche, wenn das Gedicht kurz ist.
"Achtlos" können nur Menschen (allenfalls Tiere vielleicht noch) sein. Achtlos können also weder Magazine noch eine Leuchtspur sein. Gesagt werden soll wohl: Die Magazine liegen im Staub, aber ich achte längst nicht mehr auf sie. Das steht aber nicht da. Eher schon steht da: Ich weiß sie achtlos im Staub. Was ich aber auch wieder für ein Zuviel an Sprachbeugung halte in einem Text, der doch auf einem alltagssprachlich zeitgenössischen Level operiert, nicht auf einem lyrisch verquasten.
Dann das "weiß". Schön, wortspielmäßig kann man da die Farbe mit anklingen hören. Aber zuerst einmal muss es doch irgendwie stimmen mit "ich weiß". "Ich weiß achtlos im Staub die Magazine"? Geht nicht, weil a) Magazine nicht achtlos sein können, b) der Terminus "wissen" unangemessen ist, wenn in direktem Zusammenhang behauptet wird "ich gebe überhaupt nicht Acht darauf". Da wären "fühlen" oder "spüren" besser.
Was ist mit der Leuchtspur? "Ich weiß die Leuchtspur..."? Klingt seltsam, aber ginge, wenn es passend weiterginge. Ich weiß die Leuchtspur abgesunken ins Dunkle - oder so was. Da stehen tut aber: Ich weiß die Leuchtspur in die Nacht. Was soll das? Ist das Ausländerdeutsch? (Wie es ein Ernst Jandl teilweise bewust eingesetzt hat in seinen Gedichten.) Mit "in die Nacht", also Akkusativ, Richtungsangabe, ginge ja nur: Ich weise die Leuchtspur in die Nacht. Aber so eine Falschrechtschreibungswortspielerei bin ich nicht bereit in ener Kriegsszene zu akzeptieren.
Richtig wäre: Ich weiß die Leuchtspur in der Nacht und dich hinter den Linien.
Die abschließenden beiden Zeilen sitzen zwar auf dem Punkt, runden das Ganze klanglich auch sehr schön ab, jedoch reichen sie leider nicht hin, um das vom Autor Beabsichtigte (und unnötigerweise seinen Lesern später Auseinandergesetzte) zu vermitteln. Es fehlt irgendein Hinwes darauf, dass es das lyrische Ich ist, welches den Schuss abschießt, der das Du triftt. Der Leser kann genauso gut glauben, eine dritte Gewalt habe das "du" getroffen, was bei der Bildlichkeit Krieg ja nahe liegt. Und von daher kommen dann auch die Fehlinterpretationen, dass es sich bei dem Text um eine irgendwie realistisch gemeinte Kriegserlebnislyrik handeln würde.
Aber wenn es eine solche wäre... Wo ist eigentlich dieses staubige Land? Länder, die ich kenne, sind erdig, zementiert, matschig, lehmig, rutschig, wie zu Stein geforen, schneebedeckt... "Staubig" sind die Gefilde immer nur in klassicher Lyrik. "Und gält' es auch, in Staub zu sinken / zu hauchen aus den Odem mein / ich nähm es auf mich..." Ähm, am Reim mangelt es mir gerade, das Zitat habe ich erfunden - und ich bin ja kein Lyriker.