Auf verrückte Gedanken kommt man in der Blumen- und Gartenabteilung eines Baumarktes, wenn man sich für einen Intellektuellen hält. Palmen: Globalisierte Exotik. Gentechnologie: den Rosenduft weggekreuzt. Meine Enkelkinder mussten einmal ihre Nasen in das Glas mit der Rosenblütenmarmelade stecken, die ich beim Türken extra für die Übung geholt hatte, damit sie davon eine Vorstellung bekommen. Riecht gut, sagte der Kleinere, und ich beobachtete, wie er sich eine Erinnerung anlegte. Ein Gefühl. Für später. Und: Warum dürfen Freesien immer noch duften?
Ich bereite gerade meine nächste Lesung vor. Die ersten Termine waren schlecht besucht – eine Handvoll Gäste. Hätte ich auch zuhause veranstalten können – ohne Stühle: die Wohnzimmergarnitur zwischen den Zimmerpflanzen hätte gereicht. So kam mir die Idee, künftig immer unter einer Palme zu lesen. Jetzt suche ich sie.
„Kennen Sie mich noch?“ – die Stimme – sie kommt mir bekannt vor. Ich drehe mich zu ihr.
Er hat sich kaum verändert – die paar Wunden mehr im Gesicht, die er sich nach der Zeit geholt hat, als wir uns einmal die Woche in der Förderschule sahen, waren auch längst verheilt.
„Ich habe hier einen richtigen Job!“ – wie sehr ich damals gezweifelt habe, diesen Stolz jemals auf diesem Gesicht zu sehen.
Als Lesepate übte ich damals mit Schülern. Damit sie wenigstens die Zeitung lesen können. Oder ein zweites Buch. Obwohl das erste – das Eine – sie auch nur vom Hörensagen kannten, verkündet in der Moschee, oder von der Kanzel. Sie mühten sich redlich, doch meist blieben die Geschichten wie die Geheimnisse von verführerischen Jungfrauenkörpern hinter der Buchstabenburka der Texte verschleiert und unberührt. Darum erfand ich welche, die sie dann hören konnten. Und sie machten sich begeistert ihren eigenen Reim darauf.
Ob ich es ehrenamtlich tun würde, wurde ich manchmal gefragt. Nein – ehrenhalber, antwortete ich dann. Dass es eigentlich Sühne war, wollte ich nicht jedem auf die Nase binden.
Ein paar Narbeninseln mehr auf dem Wuschelkopf rufen mir das Bild des Kleingewachsenen in Erinnerung, wie der von Schülern und Lehrern gefürchtete Rabauke mit Knasterfahrung es genoss, wenn ich mit der Hand durch seine Stoppelhaare fuhr und erzählte. Nur, dass er nicht schnurrte.
„Kannst du dich noch an irgendeine Geschichte erinnern?“ Wie der Bauer lange nach der Aussaat das Feld mustert, will ich auch wissen, ob es nur um sonst, oder auch vergebens war.
„Ja, ich muss oft an Franz und die Magd denken …“, sagt er, und ich muss lachen – mein Franz, der am Vorabend der letzten Schlacht des Dreißigjährigen Krieges (Die Schlacht von Wevelinghoven) desertiert war – der Liebe wegen ...
Seine kleingehauene Seele braucht auch heute kaum mehr Körper als damals.
„Schlägt dich dein Vater noch?“
„Er ist tot.“
Das tut mir Leid, will meine Kopfstimme reflexartig beteuern, aber ich halte den Mund. Ich will nicht lügen.
„Beim Gebet hat ihn der Schlag getroffen.“
Allah ist gerecht, sagt er zum Abschied, während ich ihm die Hand reiche.
Ich bereite gerade meine nächste Lesung vor. Die ersten Termine waren schlecht besucht – eine Handvoll Gäste. Hätte ich auch zuhause veranstalten können – ohne Stühle: die Wohnzimmergarnitur zwischen den Zimmerpflanzen hätte gereicht. So kam mir die Idee, künftig immer unter einer Palme zu lesen. Jetzt suche ich sie.
„Kennen Sie mich noch?“ – die Stimme – sie kommt mir bekannt vor. Ich drehe mich zu ihr.
Er hat sich kaum verändert – die paar Wunden mehr im Gesicht, die er sich nach der Zeit geholt hat, als wir uns einmal die Woche in der Förderschule sahen, waren auch längst verheilt.
„Ich habe hier einen richtigen Job!“ – wie sehr ich damals gezweifelt habe, diesen Stolz jemals auf diesem Gesicht zu sehen.
Als Lesepate übte ich damals mit Schülern. Damit sie wenigstens die Zeitung lesen können. Oder ein zweites Buch. Obwohl das erste – das Eine – sie auch nur vom Hörensagen kannten, verkündet in der Moschee, oder von der Kanzel. Sie mühten sich redlich, doch meist blieben die Geschichten wie die Geheimnisse von verführerischen Jungfrauenkörpern hinter der Buchstabenburka der Texte verschleiert und unberührt. Darum erfand ich welche, die sie dann hören konnten. Und sie machten sich begeistert ihren eigenen Reim darauf.
Ob ich es ehrenamtlich tun würde, wurde ich manchmal gefragt. Nein – ehrenhalber, antwortete ich dann. Dass es eigentlich Sühne war, wollte ich nicht jedem auf die Nase binden.
Ein paar Narbeninseln mehr auf dem Wuschelkopf rufen mir das Bild des Kleingewachsenen in Erinnerung, wie der von Schülern und Lehrern gefürchtete Rabauke mit Knasterfahrung es genoss, wenn ich mit der Hand durch seine Stoppelhaare fuhr und erzählte. Nur, dass er nicht schnurrte.
„Kannst du dich noch an irgendeine Geschichte erinnern?“ Wie der Bauer lange nach der Aussaat das Feld mustert, will ich auch wissen, ob es nur um sonst, oder auch vergebens war.
„Ja, ich muss oft an Franz und die Magd denken …“, sagt er, und ich muss lachen – mein Franz, der am Vorabend der letzten Schlacht des Dreißigjährigen Krieges (Die Schlacht von Wevelinghoven) desertiert war – der Liebe wegen ...
Seine kleingehauene Seele braucht auch heute kaum mehr Körper als damals.
„Schlägt dich dein Vater noch?“
„Er ist tot.“
Das tut mir Leid, will meine Kopfstimme reflexartig beteuern, aber ich halte den Mund. Ich will nicht lügen.
„Beim Gebet hat ihn der Schlag getroffen.“
Allah ist gerecht, sagt er zum Abschied, während ich ihm die Hand reiche.