Blut ist dicker als Wasser

2,70 Stern(e) 3 Bewertungen

klanghoff

Mitglied
An ihrem elften Geburtstag erinnerte sich der Kaiser an seine Tochter Anna. Die Regierungsgeschäfte hatten ihn in Beschlag genommen, Reisen, Feldzüge, Nichtigkeiten, Wünsche seiner Hofbeamten. Hatte nicht eine Amme die Tochter in ihre Obhut genommen? Anna war ein merkwürdiges Kind gewesen, mit blasser Haut und pechschwarzen Haaren, er erinnerte sich daran. Heute war der Jahrestag ihrer Geburt. Er fragte sich, was aus ihr geworden war. „Holt meine Tochter!", befahl er. „Ich möchte mit ihr speisen."

Wachteln, Gänsebraten und Trüffel protzten auf der dreißig Ellen langen Tafel des Speisesaals. Zehn arbeitswütige Männer hätten das Aufgebot an Köstlichkeiten nicht verzehren können, und doch war an den Enden nur für zwei gedeckt: den Kaiser und seine Tochter.
Das schwere Tor ächzte, als ein schmächtiges Mädchen herein tapste. Ihre schwarzen Locken rahmten die bleichen Wangenknochen und die Farbe ihrer Beine unterschied sich kaum vom schneeweißen Kleidchen. Dem Kaiser fiel ein dickes Kloßstück aus dem Mund, als er sie sah. Ihr Anblick verdarb ihm jegliche Essenslaune. Hastig schlürfte er ein paar Austern, leerte den Weinkelch und erhob sich ruckartig aus dem Stuhl, der dabei zu Boden donnerte. Das Krachen verhallte erst, als der Kaiser den Saal wortlos verlassen hatte.

Anna sank unbeholfen auf ihren Platz. Auch wenn der Vorfall sie sichtlich irritierte, so wurde er vom Anblick der Speisen schnell verdrängt. Ihre Finger griffen gierig nach den Leckereien und stopften den Magen mit Fett und Zucker, bis die Prinzessin aufstöhnte und sich zurück in ihre Gemächer schleppte.
Das Mädchen war es gewohnt, weitaus magerere Mahlzeiten auf ihrem Zimmer einzunehmen.
Drei Stunden später rüttelte sie die Amme aus dem Verdauungsschlaf.
„Wie ist es gewesen, Anna?“
Anna richtete sich auf und sortierte ihre wirren Gedanken.
„Köstlich, aber gratuliert hat er mir nicht. Er sah mich ernst an und verließ dann ungehalten den Saal“, seufzte die Prinzessin.
Die Amme strich mit Spucke auf ihrem Daumen die Schokolade aus Annas Mundwinkeln und schwieg, als hätte sie mit der Antwort gerechnet.
„Warum?“, rief Anna, „was hab ich ihm denn getan? Er ist nicht der einzige, der.....“ Anna schluckte. Tränen quollen aus ihren großen Augen und ihre Stimme entwich. Das Mädchen ärgerte sich, dass sie bei dem Gedanken an ihre Mutter immer weinte, obwohl sie diese doch nie kennen gelernt hatte. Zwar malte sie sich aus, wie sie war und wie sie aussah, aber das half ihr nur dann, wenn sie sich vor dem Schlafengehen in ihre Traumwelt flüchtete, um überhaupt ein Auge schließen zu können.
Die Amme seufzte.
„Es ist alles nicht so einfach, wie Sie glauben, Hoheit. Ihr verehrter Herr Vater hat schon seine Gründe.“
„Seine Gründe?“ Anna sprang aus dem Bett. „Nun verrate mir mal einer, wie jemand seine Gründe haben kann, seine Tochter nicht sehen zu wollen, obwohl er dasselbe Leid trägt wie sie!“
Die Amme zeigte sich überrascht. So viel Energie hatte sie bei der schmächtigen Prinzessin nie vermutet. Normalerweise war sie sehr angepasst, man konnte schon sagen, phlegmatisch, aber in der Art, wie sie jetzt sprach, glich sie eins zu eins dem Kaiser.
Anna tat ihr leid. Wie sollte das Kind auch nur irgendwie einordnen, was hier vor sich ging? Der innere Trieb der Amme nach Gerechtigkeit stachelte sie an, der Prinzessin das Geheimnis zu verraten, obwohl sie dem Kaiser ewiges Stillschweigen geschworen hatte.

„Anna“, flüsterte die sie und legte den Arm auf ihre Schulter, „ich werde dir jetzt etwas erzählen, aber du musst mir schwören, es nie preiszugeben, komme, was da wolle.“
Anna nickte und setzte sich zu der Amme auf das Bett.
Nachdem die Amme ihr das Geheimnis verraten hatte, verließ sie den Raum und ließ die Prinzessin allein.

Anna war ratlos. Sie sehnte sich nach ihrer Mutter.
„Was hält mich dann eigentlich noch hier?“, dachte das Kind und hatte den Drang, ein echtes Zuhause zu suchen und von hier zu verschwinden.

In der Dämmerung verließ sie das Schloss durch den Lieferanteneingang und stahl sich mit einem leichten Bündel in der Hand in die Nacht. Die Sterne funkelten am Himmel und Anna hatte das Gefühl, ein Stern würde sie besonders beobachten, so als sähe ihre Mutter vom Himmel auf sie herab. Sie mied den Wald, in dem sie von einem wilden Tier überrascht werden könnte und lief mit einer Kapuze über den Kopf gezogen zum nächsten Dorf. Ihre Kleidung und ihr Umhang stammten von dem Dienstpersonal und da das Volk sie nur als Baby zu Gesicht bekommen hatte, brauchte sie sich nicht zu sorgen, dass man sie erkennen würde. Wohl aber sorgte sie sich um die nächste Mahlzeit, denn es würde schwer sein, Arbeit zu finden.

Die Amme erschrak, als sie am nächsten Morgen ein leeres Bett aufschlug und berichtete es sogleich dem Kaiser.
„Eine Schande, wie schluderig Sie mit ihrer Verantwortung umgehen!“, schrie der Kaiser und ließ die Amme einsperren. Sein glutrotes Gesicht zeugte weniger von der Sorge um seine Tochter, als vielmehr von der Wut über die Amme. Sogleich erließ er ein neues Gesetz, das die Ammen zwang, ihre Erziehungsaufgabe ordnungsgemäß wahrzunehmen.
Als die Suchtrupps selbst am 14. Tag ohne Erfolg blieben, glaubte der Kaiser, seine Tochter sei tot und stellte die Suche ein. Vielleicht hatte sie ein wildes Tier getötet.

Anna zog von Ort zu Ort und erbettelte sich ihre tägliche Nahrung, denn kein Bauer und keine Familie wollte so ein dürres Wesen bei sich aufnehmen.
Die Prinzessin war verzweifelt. Was sollte sie machen? In ihrer Hoffnungslosigkeit kamen ihr die absurdesten Gedanken. Was, wenn sie dem verfeindeten König ihre Dienste anbieten würde und ihm interne Informationen über den Palast ihres Vaters zukommen lassen würde? Vielleicht würde er sie als Gegendienst bei sich verstecken?
Je auswegsloser ihre Situation wurde, desto stärker der Plan, den verfeindeten König aufzusuchen und sich Gehör zu verschaffen.
Nach ein paar Tagen erreichte sie das stattliche Schloss Theobalds IV., dem Erzfeind ihres Vaters. Ihrer Frage nach einer Audienz beim König wurde erst mit grobem Gelächter der Wachposten begegnet, bis sie den Ring mit dem kaiserlichen Wappen zeigte.
Ja, sie hatten gehört, dass die Tochter Anskars III. verschwunden sei und in der Tat, der Ring war echt und trug sein Wappen.
Die Tür zum Thronsaal Theobalds IV. wurde geöffnet und sie wurde freundlich empfangen. Man glaubte ihr und ihren Berichten vom Schloss des Kaisers und versprach, sie hier zu verstecken. Ihr Leben änderte sich über Nacht von dem einer Bettlerin in das einer Prinzessin. Sie genoss die Reichtümer und Annehmlichkeiten Theobalds und lieferte ihm Informationen. Keiner ahnte, wie falsch diese Informationen waren und sie wusste, dass sie ihre eigene Haut retten musste, bevor Theobald gegen ihren Vater in den Kampf zog.
An einem Sommerabend schaute sie aus ihrem Fenster und meinte den Stern wieder zu sehen, der sie in der Nacht ihrer Flucht begleitet hatte. Es war, als erzählte er ihr erneut die Geschichte der Amme.
Als ihre Mutter Anna gebar, wusste der Kaiser, dass sie nicht von ihm stammen konnte. Zulange war er im Krieg gewesen. Der Liebhaber, ein Stallmeister, wurde nach dem Gesetz erhängt und kurz darauf erhängte sich die Kaiserin selbst. Seitdem konnte der Kaiser Annas Angesicht nicht ertragen, erinnerte sie ihn doch zu sehr an seine Frau und den Schmerz, den sie ihm zugefügt hatte.

Anna überdachte das, was die Amme ihr erzählt hatte und zum ersten Mal hatte sie nicht nur Mitleid mit sich, sondern auch mit dem Kaiser. Als sie nochmals zu dem Stern sah, wusste sie, was sie zu tun hatte.
Wieder flüchtete sie in der Nacht, diesmal aus dem Schloss Theobalds. Sie musste vor seinen Truppen da sein, die Theobald gegen ihren Vater aussenden würde. Sie musste den Kaiser warnen. Nach drei Tagen erreichte sie erschöpft den Hof Anskars III.. Wieder lachten die Wächter bei ihrer Bitte, doch der Ring öffnete ihr jegliche Tür.
„Der Kaiser liegt im Sterben!“, sagte ein Wächter und ließ das Schlosstor öffnen. Kurz darauf betrat Anna das Schlafgemach des Monarchen. Matt und schmächtig lag er im fahlen Kerzenschein des abgedunkelten Raumes. Seine grauen Haare rahmten die hervorstehenden Wangenknochen und das weiße Laken unterschied sich kaum von der Farbe seines Gesichts.
Annas schwarze Locken wippten um ihre rosigen Wangen und gebräunte Beine blickten unter ihrem schneeweißen Kleid hervor.
„Anna!“, hauchte der Kaiser gequält.
In den letzten Tagen hatte er wieder an seine vermisste Tochter gedacht. Einsam hatte er in seinen Gemächern gelegen, ohne eine vertraute Person, die ihm die Hand gehalten hätte. Er fürchtete den Tod und bangte um seinen Staat, der nun in fremde Hände fallen würde. Was hatte er Anna angetan, der Tochter seiner geliebten Frau! Ein quälendes Schuldgefühl lähmte seinen Nacken, was durch die Anwesenheit seiner Tochter noch verstärkt wurde. Aber er konnte davor nicht weglaufen, diesmal nicht.
„Theobald kommt, um dich anzugreifen!“, sagte Anna.
Entsetzen machte sich auf dem Gesicht des Kaisers breit.
„Du warst bei ihm?“
„Ja, aber ich habe ihm von einem Schloss erzählt, wie ich es in meiner Fantasie nur ausmalen konnte. Er weiß nichts von unserem Schloss, der Mauer und seinen geheimen Gängen.“
„Gut“, stöhnte der Kaiser. „Kannst du mir verzeihen, ich war nicht gut zu dir.“
„Ja“, sagte die Prinzessin und lächelte, "vorausgesetzt, du erfüllst mir einen Wunsch."
„Jeden“, flüsterte der Kaiser.
„Lass die Amme hierher holen!“
Die Amme wurde sogleich freigelassen und betrat das Sterbezimmer des Kaisers. Anna umarmte sie. Dann wandte sich Anna erneut dem Kaiser zu.
Der sah sie an und sagte: „Ich kann verstehen, dass du weggingst und auch, dass du bei Theobald unterkommen wolltest, aber wieso bist du nicht bei ihm geblieben, und warum hast du ihn angelogen? Es gab nichts, was dir hier Liebe geschenkt hat.“
Anna schaute ihn ernst an, dann sagte sie: „Mutter verbindet uns. Blut ist eben dicker als Wasser“. Anna blickte zur Amme.
Der Kaiser lächelte: „Ja, Blut ist dicker als Wasser. Anna, du wirst mein Reich erben und meine Ratgeber sollen dir zur Seite stehen.“
Mit diesen Worten verschied der Kaiser Anskar III..
Anna stand noch lange an seinem Bett. Jetzt, wo sie ihren Vater gefunden hatte, wurde er ihr wieder genommen. Dann nahm sie seine Krone und berichtete ihren Ratgebern von dem Plan des Königs Theobald.

Theobald kam, staunte und verlor.

Anna aber wurde eine gute Kaiserin und als ihr erster Sohn geboren wurde, nannte sie ihn Anskar- in Gedenken an ihren Vater.

© Kerstin Langhoff
 
P

Pete

Gast
Hallo Kerstin,

Du hast doch bestimmt den Text zur "Federwelt" gesandt oder wirst das (heute?) noch tun.

Hattest Du noch ein paar brauchbare Hinweise erwartet? Dann musst Du enttäuscht sein, dass noch niemand geantwortet hat.

Ich werde es tun, obwohl Märchen nicht mein Gebiet sind.

Du hast eine sehr blumige Sprache, die ich als durchaus passend für ein Märchen empfinde ("Hummer, Austern und Kaviar [red]protzten [/red]...).

Folgende Stelle könnte noch verbessert werden:
Das schwere Tor ächzte, als ein schmächtiges Mädchen herein tapste. Ihre schwarzen Locken rahmten die bleichen Wangenknochen und die Farbe ihrer Beine unterschied sich kaum vom schneeweißen Kleidchen. Dem Kaiser fiel ein dickes Kloßstück aus dem Mund, als er sie sah. Ihr Anblick verdarb ihm jegliche Essenslaune.
Ich habe nicht verstanden, warum der König so empfindet. Weil sie so schmächtig war? Das ist für mich nicht schlüssig. Lass Dir 'was besseres einfallen! ;-)

Dann habe ich mich gefragt, ob es im Märchen Hummer, Austern und Kaviar gibt. Diese Dinge dürften "früher" sehr schwer zu beschaffen gewesen sein, vor allem in dieser Kombination. Wie wäre es mit "Fasan, Wachteleiern und Trüffel"?

Und Schokolade? Aus echtem Kaka-u, etwa aus Südamerika mit der Morgenmaschine eingeflogen? Oder via Containerhafen Rotterdam? Was ist mit "erlesenstem Zuckergebäck"?

Den Aspekt Umweltverschmutzung und Kindervermeidung, eine wunderbare Parabel auf die heutige Zeit, habe ich zunächst überlesen. Du machst es so Schnellesern, wie mir, leichter, wenn Du diesen Teil etwas verstärkst, beispielsweise durch eine drastischere Schilderung:
>> Auf dem Weg in den Wald kamen sie an einst blühenden Landschaften vorbei, die nun vom Unrat und ... <<
>> "Seht her, ein Kind!" - "Wieder so ein Balg, bei dem versäumt wurde, ihn nach der Geburt zu ertränken" <<

Der Förster ist zu schnell bereit, sich konspirativ zu betätigen. Besser wäre es, sie würde davonlaufen und als Streunerin obige Kommentare einfangen.

Wie erkennt der König seine Tochter? Da sollte es ein Zeichen, besser noch eine Eigenart geben. Dies wäre - beispielsweise - der einzige Satz, den der König von ihr gehört hat, so etwas wie:
>> "Pappa, hast Du mich denn nicht ein klein wenig lieb?" Er hielt einen Augenblick inne, doch ihm fiel keine Erwiderung ein. Dringende Regierungsgeschäfte warteten, deshalb ... <<
Am Totenbett kann er dieses Versäumnis dann nachholen.
Natürlich ist mein Wording total daneben. Aber DU bist ja die Märchenexpertin, wie ich an Deinem Stil bewundernd anerkenne.

Ich nehme übrigens nicht am Wettberwerb teil. Ohne Photonentorpedos und Außerirdische fühle ich mich nicht wohl ;-)))
 
P

Pete

Gast
Nachtrag

Du siehst, Deine Geschichte geht mir nicht mehr aus dem Kopf.

Noch besser wird sie, wenn für den Leser ersichtlich ist, was das Mädchen besser machen würde. So, wie Du es aufgebaut hast, ist sie lediglich eine Hoffnung, aber noch längst keine Verheißung (auf Besserung). Das ändert sich, wenn Du gewisse Anzeichen schaffst, beispielsweise ihr Unverständnis anlässlich der Verschmutzung.
Oder: >> Ihr erster Erlass an ihre hoffnungsfrohen Untertanen war ein großzügiges Geschenk, dass jede Familie mit einem Neugeborenen erhalten würde, es war [Deine Fantasie] <<

Wenn ich es könnte (Stil), würde ich gerne so ein Märchen ganz für Erwachsene schreiben. Aber SF-Geschichten sind ja auch so etwas wie Märchen.
 

klanghoff

Mitglied
danke

Hallo Pete,
ich habe mich über Deine Antwort gefreut, und.....ich habe den Text nicht an die Federwelt verschickt, aber das war mir schon vor Deiner Antwort klar geworden. Ich kann Dein Feedback in allem gut nachvollziehen, obwohl ich gerne wüßte, wann Schokolade erfunden wurde und zu welcher Zeit denn Märchen überhaupt spielen. Sind sie nicht irgendwie zeitlos?
Mir fehlt in meinem Märchen die Spannung und ja, aha- Effekte, aber da das Überarbeiten viel Arbeit und Zeit bedeutet, die ich im Moment nicht habe, werde ich es später nachholen. Deine Anregungen haben mir aber weitergeholfen, also nicht umsonst! Danke.
Grüße aus Hamburg.
Kerstin
 

klanghoff

Mitglied
Text komplett geändert

Das Märchen wurde, außer ein paar Passagen und den Anfang, komplett geändert, weil es vom Sinn her nicht anders ging, es brauchte Erklärungen. Einziger Haken, der Titel "Apfel der Versuchung" stimmt nicht mehr.
Wer noch mehr Haken entdeckt, bitte mitteilen. Ich freue mich über Feedbacks!
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
Korrekturvorschläge:

Blut ist dicker als Wasser
Veröffentlicht von klanghoff am 08. 04. 2007 09:40
Blut ist dicker als Wasser
An ihrem elften Geburtstag erinnerte sich der Kaiser an seine Tochter Anna. Die Regierungsgeschäfte hatten ihn in Beschlag genommen, Reisen, Feldzüge, Nichtigkeiten, Wünsche seiner Hofbeamten. Hatte nicht eine Amme die Tochter in ihre Obhut genommen? Anna war ein merkwürdiges Kind gewesen, mit blasser Haut und pechschwarzen Haaren, er erinnerte sich daran. Heute war der Jahrestag ihrer Geburt. Er fragte sich, was aus ihr geworden war. „Holt meine Tochter!", befahl er. „Ich möchte mit ihr speisen."

Wachteln, Gänsebraten und Trüffel protzten auf der dreißig Ellen langen Tafel des Speisesaals. Zehn arbeitswütige Männer hätten das Aufgebot an Köstlichkeiten nicht verzehren können, und doch war an den Enden nur für zwei gedeckt: den Kaiser und seine Tochter.
Das schwere Tor ächzte, als ein schmächtiges Mädchen herein tapste. Ihre schwarzen Locken rahmten die bleichen Wangenknochen und die Farbe ihrer Beine unterschied sich kaum vom schneeweißen Kleidchen. Dem Kaiser fiel ein dickes Kloßstück aus dem Mund, als er sie sah. Ihr Anblick verdarb ihm jegliche Essenslaune. Hastig schlürfte er ein paar Austern, leerte den Weinkelch und erhob sich ruckartig aus dem Stuhl, der dabei zu Boden donnerte. Das Krachen verhallte erst, als der Kaiser den Saal wortlos verlassen hatte.

Anna sank unbeholfen auf ihren Platz. Auch wenn der Vorfall sie sichtlich irritierte, so wurde er vom Anblick der Speisen schnell verdrängt. Ihre Finger griffen gierig nach den Leckereien und stopften den Magen mit Fett und Zucker, bis die Prinzessin aufstöhnte und sich zurück in ihre Gemächer schleppte.
Das Mädchen war es gewohnt, weitaus magerere Mahlzeiten auf ihrem Zimmer einzunehmen.
Drei Stunden später rüttelte sie die Amme aus dem Verdauungsschlaf.
„Wie ist es gewesen, Anna?“
Anna richtete sich auf und sortierte ihre wirren Gedanken.
„Köstlich, aber gratuliert hat er mir nicht. Er sah mich ernst an und verließ dann ungehalten den Saal“, seufzte die Prinzessin.
Die Amme strich mit Spucke auf ihrem Daumen die Schokolade aus Annas Mundwinkeln und schwieg, als hätte sie mit der Antwort gerechnet.
„Warum?“, rief Anna, „was hab ich ihm denn getan? Er ist nicht der einzige(Komma) der.....“ Anna schluckte. Tränen quollen aus ihren großen Augen und ihre Stimme entwich. Das Mädchen ärgerte sich, dass sie bei dem Gedanken an ihre Mutter immer weinte, obwohl sie diese doch nie kennen gelernt hatte. Zwar malte sie sich aus, wie sie war und wie sie aussah, aber das half ihr nur dann, wenn sie sich vor dem Schlafengehen in ihre Traumwelt flüchtete, um überhaupt ein Auge [blue] zu machen [/blue] (schließen) zu können.
Die Amme seufzte.
„Es ist alles nicht so einfach(Komma) wie Sie glauben, Hoheit. Ihr verehrter Herr Vater hat schon seine Gründe.“
„Seine Gründe?“,(kein Komma) Anna sprang aus dem Bett. „Nun verrate mir mal einer, wie jemand seine Gründe haben kann, seine Tochter nicht sehen zu wollen, obwohl er dasselbe Leid trägt wie sie!“
Die Amme zeigte sich überrascht. So viel Energie hatte sie bei der schmächtigen Prinzessin nie vermutet. Normalerweise war sie sehr angepasst, man konnte schon sagen, phlegmatisch, aber in der Art(Komma) wie sie jetzt sprach, glich sie eins zu eins dem Kaiser.
Anna tat ihr leid. Wie sollte das Kind auch nur irgendwie einordnen, was hier vor sich ging.(besser Fragezeichen) Der innere Trieb der Amme nach Gerechtigkeit stachelte sie an, der Prinzessin das Geheimnis zu verraten, [blue] für das [/blue] (obwohl) sie dem Kaiser ewiges Stillschweigen geschworen hatte.

„Anna“, flüsterte [blue] die Amme [/blue] (sie) und legte [blue] ihren [/blue] (den) Arm auf ihre Schulter, „ich werde dir jetzt etwas erzählen, aber du musst mir schwören, es nie preiszugeben, komme(Komma) was da wolle.“
Anna nickte und setzte sich zu der Amme auf` [blue] ihr [/blue] (das) Bett.
Nachdem die Amme ihr das Geheimnis verraten hatte, verließ sie den Raum und ließ die Prinzessin allein.

Anna war ratlos. Sie sehnte sich nach ihrer Mutter.
„Was hält mich dann eigentlich noch hier?“, dachte das Kind und hatte den Drang, ein echtes Zuhause zu suchen und von hier zu verschwinden.

In der Dämmerung verließ sie (das Schloss durch den) Lieferanteneingang und stahl sich mit einem leichten Bündel in der Hand in die Nacht. Die Sterne funkelten am Himmel und Anna hatte das Gefühl, ein Stern würde sie besonders beobachten, so als sähe ihre Mutter vom Himmel auf sie herab. Sie mied den Wald, in dem sie von einem wilden Tier überrascht werden könnte und lief mit einer Kapuze über den Kopf gezogen zum nächsten Dorf. Ihre Kleidung und ihr Umhang stammten von dem Dienstpersonal und da das Volk sie nur als Baby zu Gesicht bekommen hatte, brauchte sie sich nicht zu sorgen, dass man sie erkennen würde. Wohl aber sorgte sie sich um die nächste Mahlzeit, denn es würde schwer sein, Arbeit zu finden.

Die Amme erschrak, als sie am nächsten Morgen ein leeres Bett aufschlug und berichtete es sogleich dem Kaiser.
„Eine Schande, wie schluderig Sie mit ihrer Verantwortung umgehen!“, schrie der Kaiser und ließ die Amme einsperren. Sein glutrotes Gesicht zeugte weniger von der Sorge um seine Tochter, als vielmehr von der Wut über die Amme. Sogleich erließ er ein neues Gesetz, das die Ammen zwang, ihre Erziehungsaufgabe ordnungsgemäß wahrzunehmen.
Als die Suchtrupps selbst am 14. Tag ohne Erfolg blieben, glaubte der Kaiser, seine Tochter sei tot und stellte die Suche ein. Vielleicht hatte[blue] sie ein wildes Tier gerissen[/blue] (ein wildes Tier sie getötet).

Anna zog von Ort zu Ort und erbettelte sich ihre tägliche Nahrung, denn kein Bauer und keine Familie wollte so ein dürres Wesen bei sich aufnehmen.
Die Prinzessin war verzweifelt. Was sollte sie machen? In ihrer Hoffnungslosigkeit,(kein Komma) kamen ihr die absurdesten Gedanken. Was, wenn sie dem verfeindeten König ihre Dienste anbieten würde und ihm interne Informationen über den Palast ihres Vaters zukommen lassen würde.(besser Fragezeichen) Vielleicht würde er sie als Gegendienst bei sich verstecken?
Je auswegsloser ihre Situation wurde, desto stärker der Plan, den verfeindeten König aufzusuchen und sich Gehör zu verschaffen.
Nach ein paar Tagen erreichte sie das stattliche Schloss Theobalds IV., dem Erzfeind ihres Vaters. [red] Ihre [/red] (Ihrer) Frage nach einer Audienz beim König wurde erst mit [red] groben [/red] (grobem) Gelächter der Wachposten begegnet, bis sie den Ring mit dem kaiserlichen Wappen zeigte.
Ja, sie hatten gehört, dass die Tochter Anskars III. verschwunden sei und in der Tat, der Ring war echt und trug sein Wappen.
Die Tür zum Thronsaal Theobalds IV. wurde geöffnet und sie wurde freundlich empfangen. Man glaubte ihr und ihren Berichten vom Schloss des Kaisers und versprach, sie hier zu verstecken. Ihr Leben änderte sich über Nacht von dem einer Bettlerin in das einer Prinzessin. Sie genoss die Reichtümer und Annehmlichkeiten Theobalds und lieferte ihm Informationen. Keiner ahnte, wie falsch diese Informationen waren und sie wusste, dass sie ihre eigene Haut retten musste, bevor Theobald gegen ihren Vater in den Kampf zog.
An einem Sommerabend schaute sie aus ihrem Fenster und meinte den Stern wieder zu sehen, der sie in der Nacht ihrer Flucht begleitet hatte. Es war(Komma) als erzählte er ihr erneut die Geschichte der Amme.
Als ihre Mutter Anna gebar, wusste der Kaiser, dass sie nicht von ihm stammen konnte. Zulange war er im Krieg gewesen. Der Liebhaber, ein Stallmeister, wurde nach dem Gesetz erhängt und kurz darauf erhängte sich die Kaiserin selbst. Seitdem konnte der Kaiser Annas Angesicht nicht ertragen, erinnerte sie ihn doch zu sehr an seine Frau und den Schmerz, den sie ihm [blue] angetan [/blue] (zugefügt) hatte.

Anna überdachte das, was die Amme ihr erzählt hatte und zum ersten Mal hatte sie nicht nur Mitleid mit sich, sondern auch mit dem Kaiser. Als sie nochmals zu dem Stern sah, wusste sie, was sie zu tun hatte.
Wieder flüchtete sie in der Nacht, diesmal aus dem Schloss Theobalds. Sie musste vor seinen Truppen da sein, die Theobald gegen ihren Vater aussenden würde. Sie musste den Kaiser warnen. Nach drei Tagen erreichte sie erschöpft den Hof Anskars III.. Wieder lachten die Wächter bei ihrer Bitte, doch der Ring öffnete ihr jegliche Tür..(Punkt zuviel)
„Der Kaiser liegt im Sterben!“, sagte ein Wächter und ließ das Schlosstor öffnen. Kurz darauf betrat Anna das Schlafgemach des Monarchen. Matt und schmächtig lag er im fahlen Kerzenschein des abgedunkelten Raumes. Seine grauen Haare rahmten die hervorstehenden Wangenknochen und das weiße Laken unterschied sich kaum von der Farbe seines Gesichts.
Annas schwarze Locken wippten um ihre rosigen Wangen und gebräunte Beine blickten unter ihrem schneeweißen Kleid hervor.
„Anna!“, hauchte der Kaiser gequält.
In den letzten Tagen hatte er wieder an seine vermisste Tochter gedacht. Einsam hatte er in seinen Gemächern gelegen, ohne eine vertraute Person, die ihm die Hand gehalten hätte. Er fürchtete den Tod und bangte um seinen Staat, der nun in fremde Hände fallen würde. Was hatte er Anna angetan, der Tochter seiner geliebten Frau.(besser Ausrufezeichen) Ein quälendes Schuldgefühl lähmte seinen Nacken, was durch die Anwesenheit seiner Tochter noch verstärkt wurde. Aber er konnte davor nicht weglaufen, diesmal nicht.
„Theobald kommt, um dich anzugreifen!“(Komma)sagte Anna.
[red] Entsetzten [/red] (Entsetzen) machte sich auf dem Gesicht des Kaisers breit.
„Du warst bei ihm?“
„Ja, aber ich habe ihm von einem Schloss erzählt, wie (ich) es in meiner Fantasie nur ausmalen konnte. Er weiß nichts von unserem Schloss, der Mauer und seinen geheimen Gängen.“
„Gut,(kein Komma)“(Komma) stöhnte der Kaiser. „Kannst du mir verzeihen, ich war nicht gut zu dir.“
„Ja“, sagte die Prinzessin und lächelte, "vorausgesetzt, du erfüllst mir einen Wunsch."
„Jeden“, flüsterte der Kaiser.
„Lass[blue] hol die Amme hierher[/blue] (die Amme hier her holen)!“
Die Amme wurde sogleich freigelassen und betrat das Sterbezimmer des Kaisers. Anna umarmte sie. Dann wandte sich Anna erneut dem Kaiser zu.
Der sah sie an und sagte: „Ich kann verstehen, dass du weggingst und auch, dass du bei Theobald unterkommen wolltest, aber wieso bist du nicht bei ihm geblieben, und warum hast du ihn angelogen.(besser Fragezeichen) Es gab nichts, was dir hier Liebe geschenkt hat?(besser Punkt)“
Anna schaute ihn ernst an, dann sagte sie: „Mutter verbindet uns. Blut ist eben dicker als Wasser“. Anna blickte zur Amme.
Der Kaiser lächelte: „Ja, Blut ist dicker als Wasser. Anna, du wirst mein Reich übernehmen und meine Ratgeber sollen dir zur Seite stehen.“
Mit diesen Worten verschied der Kaiser Anskar III..
Anna stand noch lange an seinem Bett. Jetzt, wo sie ihren Vater gefunden hatte, wurde er ihr wieder genommen. Dann nahm sie seine Krone und berichtete ihren Ratgebern von dem Plan des Königs Theobald.

Theobald kam, staunte und verlor.

Anna aber wurde eine gute Kaiserin und als ihr erster Sohn geboren wurde, nannte sie ihn Anskar- in Gedenken an ihren Vater.

© Kerstin Langhoff




__________________
klang
 
P

Pete

Gast
Wettbewerb?

He Leute,

warum machen wir hier keinen Wettbewerb, wie man eine Geschichte am besten erzählt?

Ich könnte jetzt die Erkenntnisse vom Studium obiger Kommentare einfließen lassen.

Meine Version würde aber wie folgt beginnen (später Einstieg):

Es war einmal in einer weit, weit entfernten Galaxie, da lag ein einsamer Kaiser im Schlafgemach und bereute. COH-COOH, der Medorobot, piepte verzweifelt, denn seine umfangreiche Datenbank von über zwei Millionen Krankheiten und deren Behandlung reichte nicht aus, um die schlimmste Seuche von allen zu heilen: den Tod.

Der Kaiser dachte an Anna, seine Tochter. Eine Prinzessin, geboren um zu herrschen über ein gewaltiges Kaiserreich, das sich einst erstreckte von den (...) bis zur Milchstraße des (...). Doch was war davon noch übrig?

Der düstere Imperator Theobald hatte, nach und nach, jede Welt des Kaiserreichs erobert. Nun umkreisten die imperialen Schlachtschiffe die letzte Zuflucht und Heimat des einsigen Kaisers der Galaxis. Dumpf erklangen die Explosionen der Bombardierung. Schon bald würden Sturmtruppen (...).

Ein einsamer Raumgleiter durchbrach das Sperrfeuer der Agressoren, drang in den äußersten Perimeter des Palastes ein, zu schnell, um vom Abwehrfeuer erfasst zu werden.
In Windeseile erreichte der Gleiter den inneren Perimeter, schrammte durch den Garten, durchpflügte Labyrinth und Rasen und wurde schließlich von einem zerbarstenden Brunnen gestoppt.
Qualmend öffnete sich das Schott. Eine weibliche Gestalt huschte anmutig durch die Öffnung und rannte ein paar Schritte, während hinter ihr der Gleiter in einer Feuerfontäne verschwand.

Sie stand da, inmitten verdatterter Sicherheitskräfte, hatte ihre Hand am Holster ihrer Blasterwaffe und rief: "Vater!"

Der Kaiser, der das Spektakel durch das breite Panoramafenster seines Schlafgemaches verfolgt hatte, richtete sich auf.

"Vater!", rief die Gestalt. "Ich bin Anna, deine Tochter!"

(...)

Und wenn sie nicht gestorben sind, vielleicht weil sie dann doch ein Heilmittel gegen die letzte Krankheit der Galaxie fanden, dann, ja dann könnten sie eventuell heute doch noch leben, oder so.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
supi.

pete, die ganze lelu ist ein wettbewerb, wie man eine geschichte besser schreibt. deine finde ich ganz nett. schreib sie zu ende und stell sie bei scifi ein.
lg
 

klanghoff

Mitglied
danke für die Korrektur

Hallo Flammarion,
danke für Deine Mühe mit der Korrektur- habe die Fehler berichtigt.
Gruss von Kerstin
 

klanghoff

Mitglied
ja , Pete,

schreib die Geschichte, auch wenn ich die Hälfte der Sifi- Ausdrücke erst nachschlagen muss!
Gruss von Kerstin
 



 
Oben Unten