Liebe Black Pearl,
es ist mir wirklich unmöglich, in deinem Gedicht etwas zu finden, was ich nicht als in die Nähe der - entschuldige - Menschenverachtung gerückt finde. Ich will dich damit auf keinen Fall kränken, ich versichere dich dessen, ich schreibe nur, wie ich dein Gedicht sehe. Ich stelle mir vor, jemand wird gefoltert, und ein anderer, die Autorin, steht dabei und schreibt auf, was sie sieht, gefühllos, eiskalt, von keinem Gewissen geplagt, lediglich fasziniert davon, wie sich das Opfer verhalten wird. Vielleicht spielst du mit dem Abgestoßensein eines Dritten. Vielleicht auch beschreibst du nur eingebildete Schmerzen, es geht gar nicht um die Folterung eines Menschen, vielleicht sogar ritzt du lediglich etwas in einen Baum, und das angebliche Blutgerinnsel ist Harz. Aber so, wie du es beschreibst, fühle ich mich nicht nur von dem beschriebenen Hergang abgestoßen. Nun kannst du natürlich sagen, deine Bilder meinen nichts Konkretes, aber auch dann finde ich allein die Vorstellung eines Folterungsvorganges (der sich wirklich aufdrängt) schon schrecklich, zumal du dich (als Autorin) jeder Meinung dazu enthältst, außer dass du von Ekel sprichst. Mit dieser Haltung ist Mengele an seine Menschenversuche herangegangen. Versteh mich richtig, ich will auf keinen Fall dein Gedicht mit diesem Mörder vergleichen, aber das Fehlen jeglichen Gefühls in deinem Gedicht befremdet mich, der Vergleich (so weit hergeholt ist er eben nicht) drängt sich auf, weil er eben etwas äußerst Extremes hatte. Allen Ernstes. Ich habe heute schon einmal dieselbe Haltung bei einem anderen Autor bemerkt, und ich muss dir ehrlich sagen, ein wenig sträuben sich mir die Nackenhaare. Wo ist das in deinem Gedicht, was den Menschen ausmacht, seine Gefühlswelt? Tut mir sehr leid, Black Pearl, dass ich dir nichts anderes schreiben kann, ich hätte dir gern etwas Erbaulicheres geschrieben.
Lieben Gruß
Hanna