Bluthonig

Mocha

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Bluthonig

Aus einer Welt, der man nur Fragmente entreißt.

Es ist Nacht und es klopft knöchern an meine Tür. Es muss eine Art Blockhütte sein, in der ich mich befinde, dicke Bienenwachskerzen brennen auf dem Tisch, Schatten flackern bedrohlich an den Wänden, das Haus strahlt in einem fahlen Orange. Ich muss geschlafen haben, bin mir aber nicht sicher, ob das Klopfen mich geweckt hat. Ich bin bereits auf dem Weg zur Tür, als ich durch einen Blick über meine Schulter feststelle, dass ich auf meinem Sofa gelegen habe. Dieselben Decken, dieselbe Form. Fast in Trance und als ob ich es schon hunderte von Malen getan hätte, entferne ich den Sicherheitshaken an der Tür und hebe sie leicht an, damit sie sich öffnen lässt.

Es ist alles sehr vertraut. Ein Automatismus denke ich, wie er erst nach Monaten oder Jahren eintritt. War ich schon einmal hier, ich habe das Gefühl eines Déjà-vus. Knarrend öffnet sich die hölzerne Tür. Es ist eine stürmische Nacht und der Wind treibt Schneeböen in das Haus. Meine Augen brauchen einen Moment, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Mir stockt kurz der Atem. Vor der Tür sitzen zwei Wölfe, nein, es sind zwei Fähen. Ich sehe es an ihren Augen, sie sind bernsteinfarben, wunderschön marmoriert und strahlen etwas Animalisches, aber auch Weiches aus. Merkwürdigerweise lässt mich das Erscheinen der Raubtiere unbeeindruckt. Es ist alles wie vorherbestimmt, ich fühle mich von einer Kraft gelenkt, der ich mich niemals widersetzen könnte. Ich trete bei Seite, wie selbstverständlich treten die Tiere ein und laufen in die Mitte des Raumes zu einem Holztisch, der vor dem Sofa steht und setzen sich dort so dicht nebeneinander hin, dass sich ihr Fell berührt.

Es sind schöne Tiere, Grauwölfe, wie sie vor fünfhundert Jahren noch in großen Rudeln in Europa beheimatet waren. Ruhig gehe ich auf mein Sofa zu und setze mich in die Mitte, die beiden Raubtiere keine Sekunde aus den Augen lassend. Jetzt erst fällt mir der, wie ein Pentakel geformte Tisch auf. Das Fünfeck darin scheint hineingebrannt worden zu sein. Der gesamte Tisch ist mit merkwürdig anmutenden Runen verziert, wie ich sie noch nie zuvor gesehen habe. Auch die zwei archaischen Steingutschalen, die auf der Seite der Wölfe stehen und in den Tisch eingelassen worden zu sein scheinen, sind mir vorher nicht aufgefallen. Sie sind fast schwarz, wie Obsidian und haben die gleiche merkwürdige Ornamentik, wie der Tisch. In den Schalen liegt jeweils ein großes Stück Wabenhonig, offenbar ganz frisch. Der Honig läuft gerade an den Seiten heraus und beginnt sich auf dem Boden der Gefäße zu sammeln. Eine Wölfin fixiert die Schale, die ihr gegenübersteht und läuft auf sie zu, ihre Zunge beginnt gierig den Honig aufzulecken. Etwas passiert. Die Luft wird schwer, fast plasmaförmig, mir strömt Hitze entgegen und wie hinter Sonnenschlieren auf heißem Asphalt, morpht die Wölfin zu einer Frau.
Sie stellt sich vor mir auf, ich kann mich nicht erinnern, jemals einen so perfekten Körper gesehen zu haben. Sie ist vollkommen nackt, hat wunderschön geformte Brüste und alles an ihr ist erschreckend makellos. Ihre Haut ist fast rein weiß, ihre Lippen blutrot, ihre Haare kohlrabenschwarz reichen bis über ihre Hüfte. Ihre Scham ist von gleicher Farbe und leicht bewaldet, ebenso wie ihre Achseln. Letzteres empfinde ich nicht als ästhetischen Mangel, ganz im Gegenteil, alles andere würde nicht passen. Sie wirkt fast wie ein Akt aus den Anfängen des neunzehnten Jahrhunderts. Zart, filigran, fast zerbrechlich, nur ihre Augen verraten ihre wahre Natur. Sie sind immer noch bernsteinfarben, marmoriert und wild, ihr Blick, jetzt lasziv.

Sie steigt über den Tisch und schiebt sich zwischen meine Beine. Ich umfasse ihre Oberschenkel unterhalb der Taille und spüre ein Zittern, das durch ihren Körper wandert. Sie beugt sich zu mir hinunter und beißt mich spielerisch in die Unterlippe. Ich erwidere ihren Kuss und schmecke dabei den Honig auf ihrer Zunge. Sie hebt den Kopf, schüttelt ihr Haar, sodass es seitlich um ihre linke Wange fällt und lacht ein Lachen, bei dem es mir eiskalt den Rücken hinunterläuft. Ich spüre, wie der Strom der Erregung durch meinen Körper wandert. Ein Brennen in Schulter und Brust in Form eines beidseitig roten Streifens, der fast einer Tätowierung gleicht, ein Zeichen des Feuers und zügellosen Verlangens. Ich umfasse die Innenseite ihres Oberschenkels und gleite mit meiner Hand nach oben, ich möchte wissen, wie erregt sie ist. Sie lässt es nicht soweit kommen, sondern setzt Ihren Fuß auf meine Brust und drückt mich nach hinten, um sich auf mich setzen zu können. Dabei presst sie ihre Unterschenkel unter meine Oberschenkel und hält mich damit gefangen. Sie zieht mir das T-Shirt über den Kopf und wirft es in den Raum, ihre Augen treffen meine von der Leidenschaft tätowierte Brust, ihre Fingernägel graben sich tief in meine Brustmuskulatur, als sie sich über mich beugt und mich wild und lange küsst.
Ich kann nicht mehr an mich halten und hebe sie trotz der Weigerung ihrer Unterschenkel, meine Oberschenkel freizugeben, an, stehe mit Ihr auf und drehe mich mit ihr zusammen um. Als sie merkt, dass ihre Kraft nicht ausreicht, um mich zu halten gibt sie nach und presst sich an meinen Körper, um es mir leichter zu machen, sie unter mich zu bringen. Bei der Drehung spüre ich ihren Atem an meinem Hals, es raubt mir fast die Sinne. Ich lege sie sanft auf einem Kissen ab, schaue ihr in die Augen und lasse langsam mein Gesicht an ihrem vorbei zu ihrem Hals wandern. Mein Biss zwischen ihren Halsansatz und ihrer Schulter lässt sie erneut erzittern. Meine Lippen wandern küssend ihren Hals entlang und suchen ihren Mund, dann fange ich an, ihren Körper zu erkunden. Sie umfasst meinen Kopf, als ich unterhalb ihrer Brüste bin, und deutet mir ihr die Schale mit Honig zu reichen. Ich greife nach rechts und hebe das Gefäß aus seiner Verankerung. Es ist wie erwartet sehr schwer, ich führe die Schale bis in ihre Reichweite. Sie nimmt das darin befindliche Stück Honig und beißt mit sichtbarem Genuss hinein.

Aus den Augenwinkeln kann ich beobachten, wie die zweite Wölfin anfängt, den offenbar für sie vorgesehen Honig aufzulecken. Ich weiß weder, wer ich bin noch, was mich hergeführt hat, aber ich wünsche mir, dass die Nacht nie endet. Ich sauge ihr den Honig aus den Mundwinkeln und beginne, wo ich aufgehört habe mit der Erkundung ihres Körpers. Als ich über ihrem Mons veneris bin, spüre ich wie sich Zähne in meine Schulter bohren. Die zweite Wölfin hat ihre Transformation beendet und wird Teil des Geschehens. Es müssen Schwestern sein, sie gleichen sich wie eineiige Zwillinge, mehr noch, sie sind identisch bis auf das letzte Haar und der Geruch und Geschmack ihrer Körper lässt sich nicht unterscheiden. Sie winden sich bei den gleichen Berührungen und dasselbe ekstatische Zittern durchfährt gelegentlich ihre Körper. Die Nacht ist von Erotik durchtränkt, wir lieben uns lange, fast bis in die Morgendämmerung. Meine beiden Fähen laben sich in regelmäßigen Abständen an ihrem Honig, bis der letzte Tropfen verbraucht ist. Es scheint kein gewöhnlicher Honig gewesen zu sein, mit jedem Biss und jedem Tropfen bekommen sie mehr Energie, die sie auch auf mich zu übertragen scheinen.

„Es ist soweit Schwester“, das ist der erste Satz, der von ihnen in dieser Nacht gesprochen wurde. Ich kann beide nicht mehr unterscheiden, aber ihre Schwester nickt. Sie lösen sich beide aus meiner Umarmung und flüchten regelrecht zu Tür.

Ich verstehe nicht und werde zornig, diese Nacht sollte nicht so abrupt enden, ich stehe auf, packe die Wortgeberin mit sanfter Gewalt am Arm und ziehe sie leidenschaftlich an mich, „ich will nicht, dass ihr geht, hörst du? Jetzt noch nicht“, „wir müssen, du verstehst nicht“. Ich küsse sie wild und hebe sie hoch, um sie wieder auf das Sofa zu tragen. Sie verliert sich in meinem Kuss und lässt mich gewähren. Meine Hand gleitet gerade an ihrem Körper hinunter, als ich plötzlich ein Reißen in meinem Oberarm spüre. Als ich mich zur Seite drehe, Blicke ich in die hasserfüllten Augen eines Wolfes. Er hat sich in meinen Arm verbissen und reißt mit einer einzigen Bewegung ein Stück Fleisch aus mir. Ich verliere viel Blut und fluche vor Schmerz. Mein Blick fällt auf die massive Steingutschale am Rand des Tisches, meine einzige Chance. Ich kralle meine Finger in den Rand der bleischweren Schale und schlage damit auf den Kopf des Tieres ein, das gerade dabei ist mein Fleisch zu verschlingen. Ein Knacken ist zu vernehmen, dann sackt das Ungetüm tot zusammen.
Ich presse meine Hand auf die Wunde, mein Blick fällt auf mein Sofa. Die Stellen, auf die mein Blut fließt nehmen sofort wieder ihre normale Farbe an. Es trinkt mein Blut, denke ich schockiert. Was geschieht mit mir? Mein T-Shirt liegt zwei Meter entfernt auf dem Boden. Ich sollte mir so schnell wie möglich den Arm abbinden. Auf dem Weg laufe ich an dem toten Wolf vorbei. Sein Gehirn quillt aus der Kopfwunde. Es ist kein toter Wolf, es ist eine der Schwestern, schießt es mir durch den Kopf. Mein Körper ist von einem Moment auf den anderen mit kaltem Schweiß bedeckt.

Es ist zu spät. Als ich mich umdrehen will, hat sich die zweite Wölfin schon seitlich in meinen Hals verbissen. Der Schmerz paralysiert mich. Ich greife nach ihrem Kopf, aber es steckt schon keine Kraft mehr in meinen Armen. Ich schmecke mein eigenes Blut und spüre, wie es im Inneren meine Kehle hinunter rinnt. Mir ist das alles unbegreiflich. Mit einem erstickten Schrei sterbe ich. Um mit meinem letzten Augenschlag in einer anderen Welt wieder geboren zu werden. Ich schrecke hoch, mein Körper ist schweißnass und klebt an der Bettdecke. Ich kann das nicht ab, ein ekelhaftes Gefühl. Die Erinnerung fließt mit aus der anderen Welt. Ich durchlebe meine letzten Sekunden. Verrückt. Ich zünde mir eine Zigarette an und trinke einen Schluck Rotwein. Der Wein schmeckt abgestanden und bitter. Wie sollte dir nach einem solchen Traum jetzt auch irgendetwas schmecken? Ich stehe auf, um meine Blase zu entleeren. Ich stöhne vor Erleichterung. Beim Waschen meiner Hände fällt mein Blick in den Spiegel, über Brust und Schulter leuchten immer noch zwei rote Streifen.


*Mons veneris = Venushügel
* Fähen = weibliche Wölfe
* Pentakel = Pentagramm

© 2020 Mocha
 
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rainer Genuss

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Hallo mocha
einig Gedanken zu deiner Geschichte:
déjà vue, wird so geschrieben
Venushügel hätte mir besser gefallen, passt meiner Meinung nach besser in den gesamten Kontext.
"Bewaldete" Scham?.....für mich ein hinkender Vergleich, Haarflaum oder Behaarung, fällt mir ein.


Ich schrecke hoch, mein Körper ist schweißnass und klebt an der Bettdecke. Ich kann das nicht ab, ein ekelhaftes Gefühl. Die Erinnerung fließt mit aus der anderen Welt. Ich durchlebe meine letzten Sekunden. Verrückt. Ich zünde mir eine Zigarette an und trinke einen Schluck Rotwein. Der Wein schmeckt abgestanden und bitter. Wie sollte dir nach einem solchen Traum jetzt auch irgendetwas schmecken? Ich stehe auf, um meine Blase zu entleeren. Ich stöhne vor Erleichterung. Beim Waschen meiner Hände fällt mein Blick in den Spiegel, über Brust und Schulter

käme besser, wenn Du es vom obigen Text trennen würdest. Mir ging es so, dass ich vom Sterbeprozess gefesselt war und den Übergang gar nicht richtig mitbekam.
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Gruß Rainer
 
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