Blutige Heilige Nacht - 2. Lecken

G

Gelöschtes Mitglied 17359

Gast
Liebe(r) ahorn,

dein Schreibstil ist mir, ehrlich gesagt, zu anstrengend. Die Beschreibungen wirken in meinen Augen zu gewollt originell, oft übertrieben und künstlich.
Zugegeben, du verfügst über einen reichen Wortschatz und hast witzige Ideen, aber zuviel davon ist nicht gut, sonst geht die Handlung, um die es eigentlich gehen sollte, in all dem Wortgeklingel unter. Dosiere deine guten Einfälle besser, dann bieten sie jeweils einen willkommenen Genuss, so wie ein Glas guten Weines, den man ja auch nicht in einem Rutsch aus der Flasche trinken sollte.

Gruß, Hyazinthe
 

ahorn

Mitglied
Hallo Hyazinthe,
dank für deine Zeilen.
Wenn du der Ansicht bist ich übertreibe, dann bin ich erfreut, denn dieses war mein Ansinnen. Sei unbesorgt es wird sich ändern! ;)
Sollte es zu überzeichnet sein?
Die Feile ist immer neben meiner Tastatur. Kannst mir gerne zeigen wo ich sie ansetzten soll.

Liebe Grüße
Ahorn

PS.: Ich liebe Stilbrüche :)
 

ahorn

Mitglied
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Lecken

»Verstopfung!«
Tamban schielte über die halbmondförmigen Gläser seiner Brille. »Kenn ich!«
Die Gestalt im Weihnachtsmannkostüm presste die Hände ans Gesäß und storchte wie eine Ente ohne Kniegelenke durch den Raum. »Tagelang, wochenlang nichts«, schnaufte er. »Drücken, quetschen ohne Erfolg und dann ...« Seine Rechte ertastete sich ihren Weg. »Dreimal musste ich spülen.«
»Leinsamen!«, brummelte Tamban die Augen geschlossen und spielte mit einem Kugelschreiber.
»Wasser!«, konterte die rot gekleidete Person »Die Klospülung benötigt Wasser.«
»Jeden morgen nach dem Aufstehen ein Löffel Leinsamen in Quark«, murmelte der Kriminaloberrat, kreiste mit dem Schreiber eine Handbreit über der Schreibtischunterlage. »Ein strammer Espresso!«
Der Kostümierte erstarrte und blickte über die Schulter. »Habe ich erwähnt, dass ich keinen Kaffee trinke!«
Tamban leckte den Stift ab, legte ihn beiseite. »Mit sehr viel Milch und Zucker«, bewies er sein Wissen und pustete in seine zu einem Ring geschlossenen Hand. »Von mir aus Mate-Tee!« Er hob den Zeigefinger. »Wichtig! Wenn es flutscht ein Stück Schokolade!«
Den Mund verdeckt, zog der Rote die Augenbrauen zusammen. »Klebt das nicht?«
Mit einem Stoß die Lungenflügel entlastend, stützte Tamban die Stirn auf seinen Handballen ab. »Essen!«, schnaufte er. »Sie müssen ihr Organ trainieren, wie eine Katze dressieren!«
»Vertragen Muschis Schokolade?«
»Von mir aus Wurst, Banane oder Gurke«, schnauzte der Kriminale und wies auf dem Stuhl an der Schmalseite des Schreibtisches. »Setzten sie sich! Ihr gehumpelt macht mich ...«
Die Person im bodenlangen Gewand storchte zu dem Drahtgestell, drückte die Hände auf seine Knie und senkte das Hinterteil keuchend, stöhnend auf die Sitzauflage.

Tambans Rechte schnellte vor, stockte auf der Höhe des Kragens des Kostümes. »Nehmen sie dieses Ding ab«, schnauzte er und riss den schneeweißen künstlichen Bart vom Gesicht des Verkleideten.
Ein Lächeln flog über den Mund des Verdächtigen. »Mohrrüben!«
»Wie Bitte!«
Die Weihnachtsmannkopie legte den Kopf schief. »Ich mag Karotten!«
Mit seinem Stuhl drehend, wandte sich der Kriminalist ab. Mit einem Stoß des rechten Beines schwang er zurück, schlug mit der Faust direkt unterhalb der Nase des Gewandträgers auf den Tisch. »Geben sie es zu!«
»Was?«
»Das sie ihre Frau und deren Geliebten ...«
Die Hände schützend vor der Brust zog der Zeuge und mutmaßliche Täter den Kopf zurück. »Nein!«
Tambans Nase näherte sich seiner, stoppte eine handbreit vorm Zusammenstoß. »Die Indizien sind eindeutig!«, zischte er. Er lehnte sich zurück und hob die rechte Hand. »Ich kann sie verstehen.«
Der feuerrot gekleidete Zeuge verschränkte die Arme. »Nein!«, raunte er.

Herbert Tamban liebte den Beruf, ging in seiner Tätigkeit auf. Aus diesem Grund war es für ihn konsequent dem Täter Brücken zu bauen, einfühlsam ihm zu helfen die Tat zuzugeben. Die Erfolgsquote sprach für sich. In den meisten Fällen verstand er daher seine Aufgabe darin, unnötige Arbeit von seinen Mitarbeitern abzuwenden.

Die Tür seines Büros schlug gegen den Christbaum, der geschmückt mit goldenen und roten Baumschmuck dem Zimmer eine weihnachtliche Atmosphäre verlieh.

»Chef«, trällerte eine Frau, die vom Alter seine Tochter sein konnte und wedelte mit einem Umschlag. Dabei schlugen ihre metallenen Armreifen gegeneinander, läuteten die stille Nacht ein. Einem Rehkitz gleich hüpfte sie auf ihn zu. Ihr knapper, der Stellung nicht angebrachter, luftiger stahlblaue Faltenrock flatterte ihr um die Hüften, spielte mit ihren glitzernden, rosa schimmernden feinen Beinkleid. Sie trippelte, stöckelte auf ihren waffenscheinpflichtigen moosgrünen Pumps am Weihnachtsmann vorbei, drängte ihren Leib an den Schreibtisch. Der Zeuge lehnte sich zurück, legte den Oberkörper auf die Seite. Ihr wallendes sandblondes Haar auf den Rücken werfend beugte sie ihren Brustkorb hinab, präsentierte, die Finger ihrer Rechten über Herberts Schulter gleitend, ihre weiblichen Rundungen und hauchte ihm ins Ohr. Die armreifgroßen Creolen, die in ihrer Armbeuge hängende olivgrüne Henkeltasche und ihre Brüste, schwangen angestimmt von der wippenden Hüfte im Gleichtakt. Den Blick von ihrem tiefausgeschnittenen rosa Top abgewandt, übernahm Tamban den Umschlag, legte ihn mit zitternden Fingern auf den Schreibtisch.

Der Kostümierte wandte den Kopf, schielte über die Schulter. Die Blonde verließ ein Fuß vor dem anderem ihr Becken schwingend das Büro. Die Lippen gepresst, winkte er den Beamten heran. »Sie sollten ein ernstes Wort mit ihrer Mitarbeiterin führen«, hauchte er und zwinkerte seinem Gegenüber zu.
Herbert senkte sein Haupt. »Weihnachtsfeier!«, stotterte er. »Die Kollegen hatten eine Weihnachtsfeier!«
»Gedämpftes Blau, zartes Rosa oder Weiß mit Spitze, aber ...«, er kam Ermittler näher, »feuerrote Dessous! Das beißt.« Er spitze die Lippen. »Sieht nuttig aus!«
Das Gesicht von Tamban bekam eine gesunde Röte. »Sie kennen sich aus?«
Die Person in der feuerroten Robe hob die linke Hand und begutachtete seine Finger. »Beraten sie ihre Frau nicht?«, murmelte er.
Brummend ergriff Tamban den Umschlag, riss ihn auf, zog drei Fotos heraus, breitete sie nebeneinander vor den grinsenden Gesicht des Zeugen aus und tippte auf das Mittlere. »Geben sie zu, dass sie den Geliebten ihrer Frau erstochen haben!«

Die schlechte Kopie des Weihnachtsmannes ergriff das Foto, hielt es vorm Gesicht und pullte mit der freien Hand an einem mahagonibraunen Fleck. »Meinen sie, man bekommt das raus?«
»Was?«
Er wendete das Bild und hielt es Tamban vor die Nase. »Den Blutflecken vom Sofa!«. Er drehte das Foto zurück. »Der Samt ist empfindlich!«
Der Kommissar entriss ihm das Foto, knallte es auf den Schreibtisch. »Ihre Frau wurde ermordet und sie …«, brüllte er.
Die Augen aufgerissen, schlug der vermeintliche Täter die rechte Hand auf seinen Mund. »Ermordet!« Sein Kopf schoss vor. »Haben sie die Täter?«


Herbert tätschelte seinen Schnauzer. War er verrückt? Oder stand sein Gegenüber unter Schock. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Täter aus Eigenschutz die Tat verdrängte. Jedenfalls waren diese Phychos der Ansicht. Diese Neunmalklugen, die in jedem Verbrecher ein Opfer sahen.
Er ging auf das Spiel ein. »Nein! Wollen sie mir helfen!«
»Gerne!«
Tamban drückte auf die Starttaste seines Diktiergerätes. »Zeugenvernehmung Christ Baum Bindestrich Ständer 24.12«. Er pochte auf die goldene Armbanduhr. »19:56«, murmelte er und schlug auf den Tisch. »Dann gestehen sie!« Seine Mundwinkel stiegen empor. »Oder erzählen mir was geschehen ist!«, hauchte er. Er lehnte sich zurück. »Ihre Frau kam nachdem sie fremdgegangen war ins Bett!«
Der Befragte zupfte an seiner Unterlippe. »Meine Frau geht nicht fremd.« Er strich über das rechte Foto. »Entschuldigung. Ging nicht fremd. Sie traf sich ein paar Mal …«, er schwankte den Kopf, »na ja, zwei …« Herbert runzelte die Stirn. »drei Mal im Monat am Wochenende mit Sascha.« Er rollte die Augen. »Sie war glücklich, richtig entspannt.«
Herbert schielte über seine Sehhilfe. »Ich verstehe sie. Irgendwann haben sie es nicht mehr ausgehalten.« Er tippte auf die männliche Leiche auf dem Foto, hob die Hand wie zum Stich bereit.
»Haben ihn beseitigt«

»Wie kommen sie darauf. Erstens ist der Kerl nicht Sascha«. Er leckte über seine Lippen. »Außerdem, es kling für sie komisch, mochte ich ihn.« Einen Zeigefinger an der Nase atmete er geräuschvoll ein. »Ich habe … sie verstehen … gewisse Gelüste.«
Tamban klatsche. »Weil ihre Gattin sie nicht mehr rangelassen hat … haben sie ...«
Die Augenbrauen emporgezogen, unterbrach Chris ihn, fuchtelte mit dem Zeigefinger in der Luft. »Im Gegenteil! Unser Sexualleben war schöner. Der Druck war weg.«
»Der Druck«, wiederholte Herbert.
»Befriedigt war sie«. Er senkte den Kopf, pullte an seinen Fingernägeln. »Glaub ich jedenfalls. Nein! Sie wollte das ich …«, er strich mit der rechten Hand über seinen linken Zeigefinger, »so ein Ding überziehe – wegen ihrer Latexallergie.«
Herbert kniff ein Auge zu, liebkoste seinen Schnauzbart.
»Eine richtige Allergie war es nicht.« Er beugte sich vor, öffnete den Mund und presste einen Daumen in seine Mundhöhle. »Eher ein Ausschlag!« Er schüttelte sich. »Ich find es widerlich, wenn ein Kerl …«, an der Unterlippe zupfend. »Eine Frau sich dafür bereit erklärt. Unterwürfig!« Er wies auf Tamban. »Finden sie das erregend?«
Herbert warf den Kopf in den Nacken und spitze die Lippen, wandte ihm sein Gesicht zu. »Weil ihre Frau eine Latexallergie hat, nötig sie ihnen ein Kondom auf.« Er tippte an seine Schläfe.
Chris sah auf seinen Schoss. »Da nicht! Es war eher eine Reaktion - vielleicht mit dem Speichel oder mit dem Amalgam. Man hört viel davon.« Er faltete die Hände. »Sie war halt konsequent, nicht einmal so und beim anderen Mal …« Die Lippen gepresste, legte er die Unterarme auf den Schreibtisch. »Er war eher diese Intimität«, stöhnte er und biss auf die Unterlippe. »Habe ich in der Maria«, seine Pupillen rollten empor, »- oder war es die Sabine – gelesen, dass, wenn das Sperma des Mannes mit der Schleimhaut der Frau sich vereint, kommt es zu einer Reaktion. Hormone werden ausgesandt, die das Glücksgefühl, die Lust der Frau steigern.«

Herbert vermochte sich nicht mehr zurückzuhalten, dieses weibische Rechtfertigen trieb ihm die Zornesröte ins Gesicht.
Er schlug mit der flachen Hand auf die Unterlage. »Was reden sie für einen Schwachsinn. Ich habe nie gehört, dass eine Frau in Ektase gerät wenn ...«. Er presste den Rücken an den Schreibtischstuhl. »Abgemeldet waren sie; spielten die zweite Geige. Reinstecken erlaubt!« Baum-Ständer legte die Arme überkreuzt auf den Schoss. »Wie ein greiser Pavian fühlten sie sich, der vom neuen Alphatier die Erlaubnis hat aufzusitzen, aber seine Gene nicht mehr verteilen darf. Ihren Erguss in eine Tüte zu pressen.«
»Ich habe in meinen ganzen Leben …« Er blickte zur Seite. »Ging nicht! Ich habe das Kondom nicht …«, stockte er und zuckte mit den Achseln. Schmunzelnd erhob er den rechten Arm und drehte die Hand, berührte mit dem Ringfinger der Linken das Foto. »Meine Frau ist – war mitfühlend.« Er legte die flache Rechte, wie beim Empfang des Leibes unter die andere, blinzelte Herbert zu und glitt mit der Zunge über die Finger.

Tamban schluckte, ergriff seinen Kaffee und spülte seine Gedanken herunter.
»Sie haben Recht«, hauchte Chris und ein Lächeln flog über die Lippen des Kommissars. »Ich war schockiert, nicht des Schutzes wegen, dass Sascha sich frei in ihr ergießen konnte. Nein! Es war eine Marotte – nennen sie es pervers, die meine Frau hatte.« Er legte die Arme auf den Tisch, walkte die Hände. »Die, wie sie beteuerte, unsere Verbindung stärkte!«

Dem Geständnis nah, strich Herbert über die bebenden Hände. »Erzählen sie, machen sie ihr Herz frei.«
Den Tränen nahe verbarg Chris das Gesicht. »Es ist mir peinlich!«
»Geben sie ihrer Seele ein Stoß. Befreit!«
Die langweiligen Seminare, die er über sich ergehen ließ, schienen sich auszuzahlen.
»Nein!«

Herbert stütze sich auf den Armlehnen ab, schob sein Gesäß tiefer in den Sitz. »Sie trafen sich weiterhin in Hotels?«
»Ja!«. Er kniff die Augenbrauen zusammen, starrte wie nach einem biss in eine Zitrone. »In anonymen schmuddeligen Absteigen. Das geht nicht. Dabei haben wir ein gepflegtes Reihenhaus.« Er nickte. »Sie haben es gesehen – sauber und gepflegt!«
»Ja«, brummte Herbert, zwirbelte seinen Bart. »Daraufhin trafen sie sich bei ihnen?«
»Woher wissen sie das?«
»Eingebung!«
»Der Sascha war nett, gepflegtes Äußeres, gute Manieren.« Sein Mund verformte sich zu einem Lächeln. »Brachte mir sogar Blumen mit«, schmachte er, hob und senkte den Brustkorb. »Dafür kochte ich ihm sein Leibgericht.« Sein Zeigefinger malte Kringel auf dem Schreibtisch. »Bratwurst mit Sauerkraut und Kartoffelpüree - selbst gestampft nicht aus der Tüte, mit viel guter Butter.«

Tambans Gedärm zog sich zusammen und Speichel sammelte sich in seiner Mundhöhle. Das Bild, Der Duft von dampfenden Gänsebraten schwebte ihm durch die Sinne.

»Süß waren die Beiden, wie Teenager beim Essen Hähnchen gehalten, ein schüchterner Kuss auf die Wange, verträumtes blinzeln.«

Herbert zuckte. »Wie Bitte!« Er rieb sich den Bauch. »Beim Essen haben sie getrieben!«
Kind-Ständer zog den linken Mundwinkel empor und schüttelte mit den Kopf. »Sie denken wie alle Männer nur an das eine: Romantik ein Fremdwort.« Er verschränkte die Arme vor der Brust und blickte zur Bürotür. »Natürlich hatten sie Sex. Das Quicken meiner Frau beim Orgasmus drang durchs ganze Haus.« Er rieb über seine linke Wange. »Die Nachbarn!«

Das Gehirn des Täters schmolz in seinen Händen wie Wachs, das dem Feuer zu nah kam. Dem Lodern seiner Argumente, seiner Einfühlungsgabe, seines Verstandes keinen Widerstand mehr leistete. Wenige Fragen trennten ihm vom Geständnis. Er legte ein verständnisvolles Gesicht auf und rollte mit dem Bürostuhl näher an Täter heran.
Die Finger auf den Unterarm des Mörders, blickte er ihm tief in seine taubenblauen Augen. Ertaste die herb buschigen weißen falschen Augenbrauen, die mit dem marzipanfarbenen, makellosen Wangen kämpften. Herberts flatternden Nüstern zogen den Geruch von Rosenwasser, gepaart mit einer Note Nelken ein. Ein Duft, der in ihm das Bild der Mutter vorzauberte, wie sie, ihr Körper gehüllt in der gestärkten Rüschenschürze, mit einem Lächeln ihm ihren gepriesen Stollen unter die Nase hielt. Das Backwerk, an dessen Zartheit keine Kreation der Magda herankam. In gleichen Maßen seine Holde an den lukullischen Künsten der Mutter verblasste.

»Ja! Die Pein! Die Nachbarn erfahren, dass die eigene Frau sich mit einem fremden Mann vergnügt ...«

Das Klackern von Damenschuhen unterbrach ihn. Die Augenbrauen zusammengekniffen, die Stirn in Falten schlug er mit der Faust auf den Tisch. »Frau Ferigart!«
Ihr gewelltes, erdbeerblondes Haar über die rechte Schulter, stöckelte, das Haupt erhoben, auf ihn zu. Die prallen Brüste vorstreckend, blickte sie auf ihn herab und presste Baum-Ständer ein blütenweißes Bündel an den Hals. »Umziehen!«, schnarrte sie.

Der Faden war zerrissen. Kriminaloberrat Tamban drückte auf die Pause Taste. Die Luft aus den Lungenflügeln quetschend verdeckte er das Gesicht. Schüttelte den Kopf, leckte im Gedanken an Gänsebraten mit Rotkohl und Klößen.
 

ahorn

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Leck mich

»Verstopfung!«
Tamban schielte über die halbmondförmigen Gläser seiner Brille. »Kenn ich!«
Die Gestalt im Weihnachtsmannkostüm presste die Hände ans Gesäß und storchte wie eine Ente ohne Kniegelenke durch den Raum. »Tagelang, wochenlang nichts«, schnaufte er. »Drücken, quetschen ohne Erfolg und dann ...« Seine Rechte ertastete sich ihren Weg. »Dreimal musste ich spülen.«
»Leinsamen!«, brummelte Tamban die Augen geschlossen und spielte mit einem Kugelschreiber.
»Wasser!«, konterte die rot gekleidete Person »Die Klospülung benötigt Wasser.«
»Jeden morgen nach dem Aufstehen ein Löffel Leinsamen in Quark«, murmelte der Kriminaloberrat, kreiste mit dem Schreiber eine Handbreit über der Schreibtischunterlage. »Ein strammer Espresso!«
Der Kostümierte erstarrte und blickte über die Schulter. »Habe ich erwähnt, dass ich keinen Kaffee trinke!«
Tamban leckte den Stift ab, legte ihn beiseite. »Mit sehr viel Milch und Zucker«, bewies er sein Wissen und pustete in seine zu einem Ring geschlossenen Hand. »Von mir aus Mate-Tee!« Er hob den Zeigefinger. »Wichtig! Wenn es flutscht ein Stück Schokolade!«
Den Mund verdeckt, zog der Rote die Augenbrauen zusammen. »Klebt das nicht?«
Mit einem Stoß die Lungenflügel entlastend, stützte Tamban die Stirn auf seinen Handballen ab. »Essen!«, schnaufte er. »Sie müssen ihr Organ trainieren, wie eine Katze dressieren!«
»Vertragen Muschis Schokolade?«
»Von mir aus Wurst, Banane oder Gurke«, schnauzte der Kriminale und wies auf dem Stuhl an der Schmalseite des Schreibtisches. »Setzten sie sich! Ihr gehumpelt macht mich ...«
Die Person im bodenlangen Gewand storchte zu dem Drahtgestell, drückte die Hände auf seine Knie und senkte das Hinterteil keuchend, stöhnend auf die Sitzauflage.

Tambans Rechte schnellte vor, stockte auf der Höhe des Kragens des Kostümes. »Nehmen sie dieses Ding ab«, schnauzte er und riss den schneeweißen künstlichen Bart vom Gesicht des Verkleideten.
Ein Lächeln flog über den Mund des Verdächtigen. »Mohrrüben!«
»Wie Bitte!«
Die Weihnachtsmannkopie legte den Kopf schief. »Ich mag Karotten!«
Mit seinem Stuhl drehend, wandte sich der Kriminalist ab. Mit einem Stoß des rechten Beines schwang er zurück, schlug mit der Faust direkt unterhalb der Nase des Gewandträgers auf den Tisch. »Geben sie es zu!«
»Was?«
»Das sie ihre Frau und deren Geliebten ...«
Die Hände schützend vor der Brust zog der Zeuge und mutmaßliche Täter den Kopf zurück. »Nein!«
Tambans Nase näherte sich seiner, stoppte eine handbreit vorm Zusammenstoß. »Die Indizien sind eindeutig!«, zischte er. Er lehnte sich zurück und hob die rechte Hand. »Ich kann sie verstehen.«
Der feuerrot gekleidete Zeuge verschränkte die Arme. »Nein!«, raunte er.

Herbert Tamban liebte den Beruf, ging in seiner Tätigkeit auf. Aus diesem Grund war es für ihn konsequent dem Täter Brücken zu bauen, einfühlsam ihm zu helfen die Tat zuzugeben. Die Erfolgsquote sprach für sich. In den meisten Fällen verstand er daher seine Aufgabe darin, unnötige Arbeit von seinen Mitarbeitern abzuwenden.

Die Tür seines Büros schlug gegen den Christbaum, der geschmückt mit goldenen und roten Baumschmuck dem Zimmer eine weihnachtliche Atmosphäre verlieh.

»Chef«, trällerte eine Frau, die vom Alter seine Tochter sein konnte und wedelte mit einem Umschlag. Dabei schlugen ihre metallenen Armreifen gegeneinander, läuteten die stille Nacht ein. Einem Rehkitz gleich hüpfte sie auf ihn zu. Ihr knapper, der Stellung nicht angebrachter, luftiger stahlblaue Faltenrock flatterte ihr um die Hüften, spielte mit ihren glitzernden, rosa schimmernden feinen Beinkleid. Sie trippelte, stöckelte auf ihren waffenscheinpflichtigen moosgrünen Pumps am Weihnachtsmann vorbei, drängte ihren Leib an den Schreibtisch. Der Zeuge lehnte sich zurück, legte den Oberkörper auf die Seite. Ihr wallendes sandblondes Haar auf den Rücken werfend beugte sie ihren Brustkorb hinab, präsentierte, die Finger ihrer Rechten über Herberts Schulter gleitend, ihre weiblichen Rundungen und hauchte ihm ins Ohr. Die armreifgroßen Creolen, die in ihrer Armbeuge hängende olivgrüne Henkeltasche und ihre Brüste, schwangen angestimmt von der wippenden Hüfte im Gleichtakt. Den Blick von ihrem tiefausgeschnittenen rosa Top abgewandt, übernahm Tamban den Umschlag, legte ihn mit zitternden Fingern auf den Schreibtisch.

Der Kostümierte wandte den Kopf, schielte über die Schulter. Die Blonde verließ ein Fuß vor dem anderem ihr Becken schwingend das Büro. Die Lippen gepresst, winkte er den Beamten heran. »Sie sollten ein ernstes Wort mit ihrer Mitarbeiterin führen«, hauchte er und zwinkerte seinem Gegenüber zu.
Herbert senkte sein Haupt. »Weihnachtsfeier!«, stotterte er. »Die Kollegen hatten eine Weihnachtsfeier!«
»Gedämpftes Blau, zartes Rosa oder Weiß mit Spitze, aber ...«, er kam Ermittler näher, »feuerrote Dessous! Das beißt.« Er spitze die Lippen. »Sieht nuttig aus!«
Das Gesicht von Tamban bekam eine gesunde Röte. »Sie kennen sich aus?«
Die Person in der feuerroten Robe hob die linke Hand und begutachtete seine Finger. »Beraten sie ihre Frau nicht?«, murmelte er.
Brummend ergriff Tamban den Umschlag, riss ihn auf, zog drei Fotos heraus, breitete sie nebeneinander vor den grinsenden Gesicht des Zeugen aus und tippte auf das Mittlere. »Geben sie zu, dass sie den Geliebten ihrer Frau erstochen haben!«

Die schlechte Kopie des Weihnachtsmannes ergriff das Foto, hielt es vorm Gesicht und pullte mit der freien Hand an einem mahagonibraunen Fleck. »Meinen sie, man bekommt das raus?«
»Was?«
Er wendete das Bild und hielt es Tamban vor die Nase. »Den Blutflecken vom Sofa!«. Er drehte das Foto zurück. »Der Samt ist empfindlich!«
Der Kommissar entriss ihm das Foto, knallte es auf den Schreibtisch. »Ihre Frau wurde ermordet und sie …«, brüllte er.
Die Augen aufgerissen, schlug der vermeintliche Täter die rechte Hand auf seinen Mund. »Ermordet!« Sein Kopf schoss vor. »Haben sie die Täter?«


Herbert tätschelte seinen Schnauzer. War er verrückt? Oder stand sein Gegenüber unter Schock. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Täter aus Eigenschutz die Tat verdrängte. Jedenfalls waren diese Phychos der Ansicht. Diese Neunmalklugen, die in jedem Verbrecher ein Opfer sahen.
Er ging auf das Spiel ein. »Nein! Wollen sie mir helfen!«
»Gerne!«
Tamban drückte auf die Starttaste seines Diktiergerätes. »Zeugenvernehmung Christ Baum Bindestrich Ständer 24.12«. Er pochte auf die goldene Armbanduhr. »19:56«, murmelte er und schlug auf den Tisch. »Dann gestehen sie!« Seine Mundwinkel stiegen empor. »Oder erzählen mir was geschehen ist!«, hauchte er. Er lehnte sich zurück. »Ihre Frau kam nachdem sie fremdgegangen war ins Bett!«
Der Befragte zupfte an seiner Unterlippe. »Meine Frau geht nicht fremd.« Er strich über das rechte Foto. »Entschuldigung. Ging nicht fremd. Sie traf sich ein paar Mal …«, er schwankte den Kopf, »na ja, zwei …« Herbert runzelte die Stirn. »drei Mal im Monat am Wochenende mit Sascha.« Er rollte die Augen. »Sie war glücklich, richtig entspannt.«
Herbert schielte über seine Sehhilfe. »Ich verstehe sie. Irgendwann haben sie es nicht mehr ausgehalten.« Er tippte auf die männliche Leiche auf dem Foto, hob die Hand wie zum Stich bereit.
»Haben ihn beseitigt«

»Wie kommen sie darauf. Erstens ist der Kerl nicht Sascha«. Er leckte über seine Lippen. »Außerdem, es kling für sie komisch, mochte ich ihn.« Einen Zeigefinger an der Nase atmete er geräuschvoll ein. »Ich habe … sie verstehen … gewisse Gelüste.«
Tamban klatsche. »Weil ihre Gattin sie nicht mehr rangelassen hat … haben sie ...«
Die Augenbrauen emporgezogen, unterbrach Chris ihn, fuchtelte mit dem Zeigefinger in der Luft. »Im Gegenteil! Unser Sexualleben war schöner. Der Druck war weg.«
»Der Druck«, wiederholte Herbert.
»Befriedigt war sie«. Er senkte den Kopf, pullte an seinen Fingernägeln. »Glaub ich jedenfalls. Nein! Sie wollte das ich …«, er strich mit der rechten Hand über seinen linken Zeigefinger, »so ein Ding überziehe – wegen ihrer Latexallergie.«
Herbert kniff ein Auge zu, liebkoste seinen Schnauzbart.
»Eine richtige Allergie war es nicht.« Er beugte sich vor, öffnete den Mund und presste einen Daumen in seine Mundhöhle. »Eher ein Ausschlag!« Er schüttelte sich. »Ich find es widerlich, wenn ein Kerl …«, an der Unterlippe zupfend. »Eine Frau sich dafür bereit erklärt. Unterwürfig!« Er wies auf Tamban. »Finden sie das erregend?«
Herbert warf den Kopf in den Nacken und spitze die Lippen, wandte ihm sein Gesicht zu. »Weil ihre Frau eine Latexallergie hat, nötig sie ihnen ein Kondom auf.« Er tippte an seine Schläfe.
Chris sah auf seinen Schoss. »Da nicht! Es war eher eine Reaktion - vielleicht mit dem Speichel oder mit dem Amalgam. Man hört viel davon.« Er faltete die Hände. »Sie war halt konsequent, nicht einmal so und beim anderen Mal …« Die Lippen gepresste, legte er die Unterarme auf den Schreibtisch. »Er war eher diese Intimität«, stöhnte er und biss auf die Unterlippe. »Habe ich in der Maria«, seine Pupillen rollten empor, »- oder war es die Sabine – gelesen, dass, wenn das Sperma des Mannes mit der Schleimhaut der Frau sich vereint, kommt es zu einer Reaktion. Hormone werden ausgesandt, die das Glücksgefühl, die Lust der Frau steigern.«

Herbert vermochte sich nicht mehr zurückzuhalten, dieses weibische Rechtfertigen trieb ihm die Zornesröte ins Gesicht.
Er schlug mit der flachen Hand auf die Unterlage. »Was reden sie für einen Schwachsinn. Ich habe nie gehört, dass eine Frau in Ektase gerät wenn ...«. Er presste den Rücken an den Schreibtischstuhl. »Abgemeldet waren sie; spielten die zweite Geige. Reinstecken erlaubt!« Baum-Ständer legte die Arme überkreuzt auf den Schoss. »Wie ein greiser Pavian fühlten sie sich, der vom neuen Alphatier die Erlaubnis hat aufzusitzen, aber seine Gene nicht mehr verteilen darf. Ihren Erguss in eine Tüte zu pressen.«
»Ich habe in meinen ganzen Leben …« Er blickte zur Seite. »Ging nicht! Ich habe das Kondom nicht …«, stockte er und zuckte mit den Achseln. Schmunzelnd erhob er den rechten Arm und drehte die Hand, berührte mit dem Ringfinger der Linken das Foto. »Meine Frau ist – war mitfühlend.« Er legte die flache Rechte, wie beim Empfang des Leibes unter die andere, blinzelte Herbert zu und glitt mit der Zunge über die Finger.

Tamban schluckte, ergriff seinen Kaffee und spülte seine Gedanken herunter.
»Sie haben Recht«, hauchte Chris und ein Lächeln flog über die Lippen des Kommissars. »Ich war schockiert, nicht des Schutzes wegen, dass Sascha sich frei in ihr ergießen konnte. Nein! Es war eine Marotte – nennen sie es pervers, die meine Frau hatte.« Er legte die Arme auf den Tisch, walkte die Hände. »Die, wie sie beteuerte, unsere Verbindung stärkte!«

Dem Geständnis nah, strich Herbert über die bebenden Hände. »Erzählen sie, machen sie ihr Herz frei.«
Den Tränen nahe verbarg Chris das Gesicht. »Es ist mir peinlich!«
»Geben sie ihrer Seele ein Stoß. Befreit!«
Die langweiligen Seminare, die er über sich ergehen ließ, schienen sich auszuzahlen.
»Nein!«

Herbert stütze sich auf den Armlehnen ab, schob sein Gesäß tiefer in den Sitz. »Sie trafen sich weiterhin in Hotels?«
»Ja!«. Er kniff die Augenbrauen zusammen, starrte wie nach einem biss in eine Zitrone. »In anonymen schmuddeligen Absteigen. Das geht nicht. Dabei haben wir ein gepflegtes Reihenhaus.« Er nickte. »Sie haben es gesehen – sauber und gepflegt!«
»Ja«, brummte Herbert, zwirbelte seinen Bart. »Daraufhin trafen sie sich bei ihnen?«
»Woher wissen sie das?«
»Eingebung!«
»Der Sascha war nett, gepflegtes Äußeres, gute Manieren.« Sein Mund verformte sich zu einem Lächeln. »Brachte mir sogar Blumen mit«, schmachte er, hob und senkte den Brustkorb. »Dafür kochte ich ihm sein Leibgericht.« Sein Zeigefinger malte Kringel auf dem Schreibtisch. »Bratwurst mit Sauerkraut und Kartoffelpüree - selbst gestampft nicht aus der Tüte, mit viel guter Butter.«

Tambans Gedärm zog sich zusammen und Speichel sammelte sich in seiner Mundhöhle. Das Bild, Der Duft von dampfenden Gänsebraten schwebte ihm durch die Sinne.

»Süß waren die Beiden, wie Teenager beim Essen Hähnchen gehalten, ein schüchterner Kuss auf die Wange, verträumtes blinzeln.«

Herbert zuckte. »Wie Bitte!« Er rieb sich den Bauch. »Beim Essen haben sie getrieben!«
Kind-Ständer zog den linken Mundwinkel empor und schüttelte mit den Kopf. »Sie denken wie alle Männer nur an das eine: Romantik ein Fremdwort.« Er verschränkte die Arme vor der Brust und blickte zur Bürotür. »Natürlich hatten sie Sex. Das Quicken meiner Frau beim Orgasmus drang durchs ganze Haus.« Er rieb über seine linke Wange. »Die Nachbarn!«

Das Gehirn des Täters schmolz in seinen Händen wie Wachs, das dem Feuer zu nah kam. Dem Lodern seiner Argumente, seiner Einfühlungsgabe, seines Verstandes keinen Widerstand mehr leistete. Wenige Fragen trennten ihm vom Geständnis. Er legte ein verständnisvolles Gesicht auf und rollte mit dem Bürostuhl näher an Täter heran.
Die Finger auf den Unterarm des Mörders, blickte er ihm tief in seine taubenblauen Augen. Ertaste die herb buschigen weißen falschen Augenbrauen, die mit dem marzipanfarbenen, makellosen Wangen kämpften. Herberts flatternden Nüstern zogen den Geruch von Rosenwasser, gepaart mit einer Note Nelken ein. Ein Duft, der in ihm das Bild der Mutter vorzauberte, wie sie, ihr Körper gehüllt in der gestärkten Rüschenschürze, mit einem Lächeln ihm ihren gepriesen Stollen unter die Nase hielt. Das Backwerk, an dessen Zartheit keine Kreation der Magda herankam. In gleichen Maßen seine Holde an den lukullischen Künsten der Mutter verblasste.

»Ja! Die Pein! Die Nachbarn erfahren, dass die eigene Frau sich mit einem fremden Mann vergnügt ...«

Das Klackern von Damenschuhen unterbrach ihn. Die Augenbrauen zusammengekniffen, die Stirn in Falten schlug er mit der Faust auf den Tisch. »Frau Ferigart!«
Ihr gewelltes, erdbeerblondes Haar über die rechte Schulter, stöckelte, das Haupt erhoben, auf ihn zu. Die prallen Brüste vorstreckend, blickte sie auf ihn herab und presste Baum-Ständer ein blütenweißes Bündel an den Hals. »Umziehen!«, schnarrte sie.

Der Faden war zerrissen. Kriminaloberrat Tamban drückte auf die Pause Taste. Die Luft aus den Lungenflügeln quetschend verdeckte er das Gesicht. Schüttelte den Kopf, leckte im Gedanken an Gänsebraten mit Rotkohl und Klößen.
 

ahorn

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Leck mich

»Verstopfung!«
Tamban schielte über die halbmondförmigen Gläser seiner Brille. »Kenn ich!«
Die Gestalt im Weihnachtsmannkostüm presste die Hände ans Gesäß und storchte wie eine Ente ohne Kniegelenke durch den Raum. »Tagelang, wochenlang nichts«, schnaufte er. »Drücken, quetschen ohne Erfolg und dann ...« Seine Rechte ertastete sich ihren Weg. »Dreimal musste ich spülen.«
»Leinsamen!«, brummelte Tamban die Augen geschlossen und spielte mit einem Kugelschreiber.
»Wasser!«, konterte die rot gekleidete Person »Die Klospülung benötigt Wasser.«
»Jeden morgen nach dem Aufstehen ein Löffel Leinsamen in Quark«, murmelte der Kriminaloberrat, kreiste mit dem Schreiber eine Handbreit über der Schreibtischunterlage. »Ein strammer Espresso!«
Der Kostümierte erstarrte und blickte über die Schulter. »Habe ich erwähnt, dass ich keinen Kaffee trinke!«
Tamban leckte den Stift ab, legte ihn beiseite. »Mit sehr viel Milch und Zucker«, bewies er sein Wissen und pustete in seine zu einem Ring geschlossenen Hand. »Von mir aus Mate-Tee!« Er hob den Zeigefinger. »Wichtig! Wenn es flutscht ein Stück Schokolade!«
Den Mund verdeckt, zog der Rote die Augenbrauen zusammen. »Klebt das nicht?«
Mit einem Stoß die Lungenflügel entlastend, stützte Tamban die Stirn auf seinen Handballen ab. »Essen!«, schnaufte er. »Sie müssen ihr Organ trainieren, wie eine Katze dressieren!«
»Vertragen Muschis Schokolade?«
»Von mir aus Wurst, Banane oder Gurke«, schnauzte der Kriminale und wies auf dem Stuhl an der Schmalseite des Schreibtisches. »Setzten sie sich! Ihr gehumpelt macht mich ...«
Die Person im bodenlangen Gewand storchte zu dem Drahtgestell, drückte die Hände auf seine Knie und senkte das Hinterteil keuchend, stöhnend auf die Sitzauflage.

Tambans Rechte schnellte vor, stockte auf der Höhe des Kragens des Kostümes. »Nehmen sie dieses Ding ab«, schnauzte er und riss den schneeweißen künstlichen Bart vom Gesicht des Verkleideten.
Ein Lächeln flog über den Mund des Verdächtigen. »Mohrrüben!«
»Wie Bitte!«
Die Weihnachtsmannkopie legte den Kopf schief. »Ich mag Karotten!«
Mit seinem Stuhl drehend, wandte sich der Kriminalist ab. Mit einem Stoß des rechten Beines schwang er zurück, schlug mit der Faust direkt unterhalb der Nase des Gewandträgers auf den Tisch. »Geben sie es zu!«
»Was?«
»Das sie ihre Frau und deren Geliebten ...«
Die Hände schützend vor der Brust zog der Zeuge und mutmaßliche Täter den Kopf zurück. »Nein!«
Tambans Nase näherte sich seiner, stoppte eine handbreit vorm Zusammenstoß. »Die Indizien sind eindeutig!«, zischte er. Er lehnte sich zurück und hob die rechte Hand. »Ich kann sie verstehen.«
Der feuerrot gekleidete Zeuge verschränkte die Arme. »Nein!«, raunte er.

Herbert Tamban liebte den Beruf, ging in seiner Tätigkeit auf. Aus diesem Grund war es für ihn konsequent dem Täter Brücken zu bauen, einfühlsam ihm zu helfen die Tat zuzugeben. Die Erfolgsquote sprach für sich. In den meisten Fällen verstand er daher seine Aufgabe darin, unnötige Arbeit von seinen Mitarbeitern abzuwenden.

Die Tür seines Büros schlug gegen den Christbaum, der geschmückt mit goldenen und roten Baumschmuck dem Zimmer eine weihnachtliche Atmosphäre verlieh.

»Chef«, trällerte eine Frau, die vom Alter seine Tochter sein konnte und wedelte mit einem Umschlag. Dabei schlugen ihre metallenen Armreifen gegeneinander, läuteten die stille Nacht ein. Einem Rehkitz gleich hüpfte sie auf ihn zu. Ihr knapper, der Stellung nicht angebrachter, luftiger stahlblaue Faltenrock flatterte ihr um die Hüften, spielte mit ihren glitzernden, rosa schimmernden feinen Beinkleid. Sie trippelte, stöckelte auf ihren waffenscheinpflichtigen moosgrünen Pumps am Weihnachtsmann vorbei, drängte ihren Leib an den Schreibtisch. Der Zeuge lehnte sich zurück, legte den Oberkörper auf die Seite. Ihr wallendes sandblondes Haar auf den Rücken werfend beugte sie ihren Brustkorb hinab, präsentierte, die Finger ihrer Rechten über Herberts Schulter gleitend, ihre weiblichen Rundungen und hauchte ihm ins Ohr. Die armreifgroßen Creolen, die in ihrer Armbeuge hängende olivgrüne Henkeltasche und ihre Brüste, schwangen angestimmt von der wippenden Hüfte im Gleichtakt. Den Blick von ihrem tiefausgeschnittenen rosa Top abgewandt, übernahm Tamban den Umschlag, legte ihn mit zitternden Fingern auf den Schreibtisch.

Der Kostümierte wandte den Kopf, schielte über die Schulter. Die Blonde verließ ein Fuß vor dem anderem ihr Becken schwingend das Büro. Die Lippen gepresst, winkte er den Beamten heran. »Sie sollten ein ernstes Wort mit ihrer Mitarbeiterin führen«, hauchte er und zwinkerte seinem Gegenüber zu.
Herbert senkte sein Haupt. »Weihnachtsfeier!«, stotterte er. »Die Kollegen hatten eine Weihnachtsfeier!«
»Gedämpftes Blau, zartes Rosa oder Weiß mit Spitze, aber ...«, er kam Ermittler näher, »feuerrote Dessous! Das beißt.« Er spitze die Lippen. »Sieht nuttig aus!«
Das Gesicht von Tamban bekam eine gesunde Röte. »Sie kennen sich aus?«
Die Person in der feuerroten Robe hob die linke Hand und begutachtete seine Finger. »Beraten sie ihre Frau nicht?«, murmelte er.
Brummend ergriff Tamban den Umschlag, riss ihn auf, zog drei Fotos heraus, breitete sie nebeneinander vor den grinsenden Gesicht des Zeugen aus und tippte auf das Mittlere. »Geben sie zu, dass sie den Geliebten ihrer Frau erstochen haben!«

Die schlechte Kopie des Weihnachtsmannes ergriff das Foto, hielt es vorm Gesicht und pullte mit der freien Hand an einem mahagonibraunen Fleck. »Meinen sie, man bekommt das raus?«
»Was?«
Er wendete das Bild und hielt es Tamban vor die Nase. »Den Blutflecken vom Sofa!«. Er drehte das Foto zurück. »Der Samt ist empfindlich!«
Der Kommissar entriss ihm das Foto, knallte es auf den Schreibtisch. »Ihre Frau wurde ermordet und sie …«, brüllte er.
Die Augen aufgerissen, schlug der vermeintliche Täter die rechte Hand auf seinen Mund. »Ermordet!« Sein Kopf schoss vor. »Haben sie die Täter?«


Herbert tätschelte seinen Schnauzer. War er verrückt? Oder stand sein Gegenüber unter Schock. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Täter aus Eigenschutz die Tat verdrängte. Jedenfalls waren diese Phychos der Ansicht. Diese Neunmalklugen, die in jedem Verbrecher ein Opfer sahen.
Er ging auf das Spiel ein. »Nein! Wollen sie mir helfen!«
»Gerne!«
Tamban drückte auf die Starttaste seines Diktiergerätes. »Zeugenvernehmung Christ Baum Bindestrich Ständer 24.12«. Er pochte auf die goldene Armbanduhr. »19:56«, murmelte er und schlug auf den Tisch. »Dann gestehen sie!« Seine Mundwinkel stiegen empor. »Oder erzählen mir was geschehen ist!«, hauchte er. Er lehnte sich zurück. »Ihre Frau kam nachdem sie fremdgegangen war ins Bett!«
Der Befragte zupfte an seiner Unterlippe. »Meine Frau geht nicht fremd.« Er strich über das rechte Foto. »Entschuldigung. Ging nicht fremd. Sie traf sich ein paar Mal …«, er schwankte den Kopf, »na ja, zwei …« Herbert runzelte die Stirn. »drei Mal im Monat am Wochenende mit Sascha.« Er rollte die Augen. »Sie war glücklich, richtig entspannt.«
Herbert schielte über seine Sehhilfe. »Ich verstehe sie. Irgendwann haben sie es nicht mehr ausgehalten.« Er tippte auf die männliche Leiche auf dem Foto, hob die Hand wie zum Stich bereit.
»Haben ihn beseitigt«

»Wie kommen sie darauf. Erstens ist der Kerl nicht Sascha«. Er leckte über seine Lippen. »Außerdem, es kling für sie komisch, mochte ich ihn.« Einen Zeigefinger an der Nase atmete er geräuschvoll ein. »Ich habe … sie verstehen … gewisse Gelüste.«
Tamban klatsche. »Weil ihre Gattin sie nicht mehr rangelassen hat … haben sie ...«
Die Augenbrauen emporgezogen, unterbrach Chris ihn, fuchtelte mit dem Zeigefinger in der Luft. »Im Gegenteil! Unser Sexualleben war schöner. Der Druck war weg.«
»Der Druck«, wiederholte Herbert.
»Befriedigt war sie«. Er senkte den Kopf, pullte an seinen Fingernägeln. »Glaub ich jedenfalls. Nein! Sie wollte das ich …«, er strich mit der rechten Hand über seinen linken Zeigefinger, »so ein Ding überziehe – wegen ihrer Latexallergie.«
Herbert kniff ein Auge zu, liebkoste seinen Schnauzbart.
»Eine richtige Allergie war es nicht.« Er beugte sich vor, öffnete den Mund und presste einen Daumen in seine Mundhöhle. »Eher ein Ausschlag!« Er schüttelte sich. »Ich find es widerlich, wenn ein Kerl …«, an der Unterlippe zupfend. »Eine Frau sich dafür bereit erklärt. Unterwürfig!« Er wies auf Tamban. »Finden sie das erregend?«
Herbert warf den Kopf in den Nacken und spitze die Lippen, wandte ihm sein Gesicht zu. »Weil ihre Frau eine Latexallergie hat, nötig sie ihnen ein Kondom auf.« Er tippte an seine Schläfe.
Chris sah auf seinen Schoss. »Da nicht! Es war eher eine Reaktion - vielleicht mit dem Speichel oder mit dem Amalgam. Man hört viel davon.« Er faltete die Hände. »Sie war halt konsequent, nicht einmal so und beim anderen Mal …« Die Lippen gepresste, legte er die Unterarme auf den Schreibtisch. »Er war eher diese Intimität«, stöhnte er und biss auf die Unterlippe. »Habe ich in der Maria«, seine Pupillen rollten empor, »- oder war es die Sabine – gelesen, dass, wenn das Sperma des Mannes mit der Schleimhaut der Frau sich vereint, kommt es zu einer Reaktion. Hormone werden ausgesandt, die das Glücksgefühl, die Lust der Frau steigern.«

Herbert vermochte sich nicht mehr zurückzuhalten, dieses weibische Rechtfertigen trieb ihm die Zornesröte ins Gesicht.
Er schlug mit der flachen Hand auf die Unterlage. »Was reden sie für einen Schwachsinn. Ich habe nie gehört, dass eine Frau in Ektase gerät wenn ...«. Er presste den Rücken an den Schreibtischstuhl. »Abgemeldet waren sie; spielten die zweite Geige. Reinstecken erlaubt!« Baum-Ständer legte die Arme überkreuzt auf den Schoss. »Wie ein greiser Pavian fühlten sie sich, der vom neuen Alphatier die Erlaubnis hat aufzusitzen, aber seine Gene nicht mehr verteilen darf. Ihren Erguss in eine Tüte zu pressen.«
»Ich habe in meinen ganzen Leben …« Er blickte zur Seite. »Ging nicht! Ich habe das Kondom nicht …«, stockte er und zuckte mit den Achseln. Schmunzelnd erhob er den rechten Arm und drehte die Hand, berührte mit dem Ringfinger der Linken das Foto. »Meine Frau ist – war mitfühlend.« Er legte die flache Rechte, wie beim Empfang des Leibes unter die andere, blinzelte Herbert zu und glitt mit der Zunge über die Finger.

Tamban schluckte, ergriff seinen Kaffee und spülte seine Gedanken herunter.
»Sie haben Recht«, hauchte Chris und ein Lächeln flog über die Lippen des Kommissars. »Ich war schockiert, nicht des Schutzes wegen, dass Sascha sich frei in ihr ergießen konnte. Nein! Es war eine Marotte – nennen sie es pervers, die meine Frau hatte.« Er legte die Arme auf den Tisch, walkte die Hände. »Die, wie sie beteuerte, unsere Verbindung stärkte!«

Dem Geständnis nah, strich Herbert über die bebenden Hände. »Erzählen sie, machen sie ihr Herz frei.«
Den Tränen nahe verbarg Chris das Gesicht. »Es ist mir peinlich!«
»Geben sie ihrer Seele ein Stoß. Befreit!«
Die langweiligen Seminare, die er über sich ergehen ließ, schienen sich auszuzahlen.
»Nein!«

Herbert stütze sich auf den Armlehnen ab, schob sein Gesäß tiefer in den Sitz. »Sie trafen sich weiterhin in Hotels?«
»Ja!«. Er kniff die Augenbrauen zusammen, starrte wie nach einem biss in eine Zitrone. »In anonymen schmuddeligen Absteigen. Das geht nicht. Dabei haben wir ein gepflegtes Reihenhaus.« Er nickte. »Sie haben es gesehen – sauber und gepflegt!«
»Ja«, brummte Herbert, zwirbelte seinen Bart. »Daraufhin trafen sie sich bei ihnen?«
»Woher wissen sie das?«
»Eingebung!«
»Der Sascha war nett, gepflegtes Äußeres, gute Manieren.« Sein Mund verformte sich zu einem Lächeln. »Brachte mir sogar Blumen mit«, schmachte er, hob und senkte den Brustkorb. »Dafür kochte ich ihm sein Leibgericht.« Sein Zeigefinger malte Kringel auf dem Schreibtisch. »Bratwurst mit Sauerkraut und Kartoffelpüree - selbst gestampft nicht aus der Tüte, mit viel guter Butter.«

Tambans Gedärm zog sich zusammen und Speichel sammelte sich in seiner Mundhöhle. Das Bild, Der Duft von dampfenden Gänsebraten schwebte ihm durch die Sinne.

»Süß waren die Beiden, wie Teenager beim Essen Händchen gehalten, ein schüchterner Kuss auf die Wange, verträumtes blinzeln.«

Herbert zuckte. »Wie Bitte!« Er rieb sich den Bauch. »Beim Essen haben sie getrieben!«
Kind-Ständer zog den linken Mundwinkel empor und schüttelte mit den Kopf. »Sie denken wie alle Männer nur an das eine: Romantik ein Fremdwort.« Er verschränkte die Arme vor der Brust und blickte zur Bürotür. »Natürlich hatten sie Sex. Das Quicken meiner Frau beim Orgasmus drang durchs ganze Haus.« Er rieb über seine linke Wange. »Die Nachbarn!«

Das Gehirn des Täters schmolz in seinen Händen wie Wachs, das dem Feuer zu nah kam. Dem Lodern seiner Argumente, seiner Einfühlungsgabe, seines Verstandes keinen Widerstand mehr leistete. Wenige Fragen trennten ihm vom Geständnis. Er legte ein verständnisvolles Gesicht auf und rollte mit dem Bürostuhl näher an Täter heran.
Die Finger auf den Unterarm des Mörders, blickte er ihm tief in seine taubenblauen Augen. Ertaste die herb buschigen weißen falschen Augenbrauen, die mit dem marzipanfarbenen, makellosen Wangen kämpften. Herberts flatternden Nüstern zogen den Geruch von Rosenwasser, gepaart mit einer Note Nelken ein. Ein Duft, der in ihm das Bild der Mutter vorzauberte, wie sie, ihr Körper gehüllt in der gestärkten Rüschenschürze, mit einem Lächeln ihm ihren gepriesen Stollen unter die Nase hielt. Das Backwerk, an dessen Zartheit keine Kreation der Magda herankam. In gleichen Maßen seine Holde an den lukullischen Künsten der Mutter verblasste.

»Ja! Die Pein! Die Nachbarn erfahren, dass die eigene Frau sich mit einem fremden Mann vergnügt ...«

Das Klackern von Damenschuhen unterbrach ihn. Die Augenbrauen zusammengekniffen, die Stirn in Falten schlug er mit der Faust auf den Tisch. »Frau Ferigart!«
Ihr gewelltes, erdbeerblondes Haar über die rechte Schulter, stöckelte, das Haupt erhoben, auf ihn zu. Die prallen Brüste vorstreckend, blickte sie auf ihn herab und presste Baum-Ständer ein blütenweißes Bündel an den Hals. »Umziehen!«, schnarrte sie.

Der Faden war zerrissen. Kriminaloberrat Tamban drückte auf die Pause Taste. Die Luft aus den Lungenflügeln quetschend verdeckte er das Gesicht. Schüttelte den Kopf, leckte im Gedanken an Gänsebraten mit Rotkohl und Klößen.
 

ahorn

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Aus dem Hähnchen wurde ein Händchen, wem es nicht aufgefallen, dem sei es verziehen. :D
Dachte ans Essen ;)
 

ahorn

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Leck mich

»Verstopfung!«
Tamban schielte über die halbmondförmigen Gläser seiner Brille. »Kenn ich!«
Die Gestalt im Weihnachtsmannkostüm presste die Hände ans Gesäß und storchte wie eine Ente ohne Kniegelenke durch den Raum. »Tagelang, wochenlang nichts«, schnaufte er. »Drücken, quetschen ohne Erfolg und dann ...« Seine Rechte ertastete sich ihren Weg. »Dreimal musste ich spülen.«
»Leinsamen!«, brummelte Tamban die Augen geschlossen und spielte mit einem Kugelschreiber.
»Wasser!«, konterte die rot gekleidete Person »Die Klospülung benötigt Wasser.«
»Jeden morgen nach dem Aufstehen ein Löffel Leinsamen in Quark«, murmelte der Kriminaloberrat, kreiste mit dem Schreiber eine Handbreit über der Schreibtischunterlage. »Ein strammer Espresso!«
Der Kostümierte erstarrte und blickte über die Schulter. »Habe ich erwähnt, dass ich keinen Kaffee trinke!«
Tamban leckte den Stift ab, legte ihn beiseite. »Mit sehr viel Milch und Zucker«, bewies er sein Wissen und pustete in seine zu einem Ring geschlossenen Hand. »Von mir aus Mate-Tee!« Er hob den Zeigefinger. »Wichtig! Wenn es flutscht ein Stück Schokolade!«
Den Mund verdeckt, zog der Rote die Augenbrauen zusammen. »Klebt das nicht?«
Mit einem Stoß die Lungenflügel entlastend, stützte Tamban die Stirn auf seinen Handballen ab. »Essen!«, schnaufte er. »Sie müssen ihr Organ trainieren, wie eine Katze dressieren!«
»Vertragen Muschis Schokolade?«
»Von mir aus Wurst, Banane oder Gurke«, schnauzte der Kriminale und wies auf dem Stuhl an der Schmalseite des Schreibtisches. »Setzten sie sich! Ihr gehumpelt macht mich ...«
Die Person im bodenlangen Gewand storchte zu dem Drahtgestell, drückte die Hände auf seine Knie und senkte das Hinterteil keuchend, stöhnend auf die Sitzauflage.

Tambans Rechte schnellte vor, stockte auf der Höhe des Kragens des Kostümes. »Nehmen sie dieses Ding ab«, schnauzte er und riss den schneeweißen künstlichen Bart vom Gesicht des Verkleideten.
Ein Lächeln flog über den Mund des Verdächtigen. »Mohrrüben!«
»Wie Bitte!«
Die Weihnachtsmannkopie legte den Kopf schief. »Ich mag Karotten!«
Mit seinem Stuhl drehend, wandte sich der Kriminalist ab. Mit einem Stoß des rechten Beines schwang er zurück, schlug mit der Faust direkt unterhalb der Nase des Gewandträgers auf den Tisch. »Geben sie es zu!«
»Was?«
»Das sie ihre Frau und deren Geliebten ...«
Die Hände schützend vor der Brust zog der Zeuge und mutmaßliche Täter den Kopf zurück. »Nein!«
Tambans Nase näherte sich seiner, stoppte eine handbreit vorm Zusammenstoß. »Die Indizien sind eindeutig!«, zischte er. Er lehnte sich zurück und hob die rechte Hand. »Ich kann sie verstehen.«
Der feuerrot gekleidete Zeuge verschränkte die Arme. »Nein!«, raunte er.

Herbert Tamban liebte den Beruf, ging in seiner Tätigkeit auf. Aus diesem Grund war es für ihn konsequent dem Täter Brücken zu bauen, einfühlsam ihm zu helfen die Tat zuzugeben. Die Erfolgsquote sprach für sich. In den meisten Fällen verstand er daher seine Aufgabe darin, unnötige Arbeit von seinen Mitarbeitern abzuwenden.

Die Tür seines Büros schlug gegen den Christbaum, der geschmückt mit goldenen und roten Baumschmuck dem Zimmer eine weihnachtliche Atmosphäre verlieh.

»Chef«, trällerte eine Frau, die vom Alter seine Tochter sein konnte und wedelte mit einem Umschlag. Dabei schlugen ihre metallenen Armreifen gegeneinander, läuteten die stille Nacht ein. Einem Rehkitz gleich hüpfte sie auf ihn zu. Ihr knapper, der Stellung nicht angebrachter, luftiger stahlblaue Faltenrock flatterte ihr um die Hüften, spielte mit ihren glitzernden, rosa schimmernden feinen Beinkleid. Sie trippelte, stöckelte auf ihren waffenscheinpflichtigen moosgrünen Pumps am Weihnachtsmann vorbei, drängte ihren Leib an den Schreibtisch. Der Zeuge lehnte sich zurück, legte den Oberkörper auf die Seite. Ihr wallendes sandblondes Haar auf den Rücken werfend beugte sie ihren Brustkorb hinab, präsentierte, die Finger ihrer Rechten über Herberts Schulter gleitend, ihre weiblichen Rundungen und hauchte ihm ins Ohr. Die armreifgroßen Creolen, die in ihrer Armbeuge hängende olivgrüne Henkeltasche und ihre Brüste, schwangen angestimmt von der wippenden Hüfte im Gleichtakt. Den Blick von ihrem tiefausgeschnittenen rosa Top abgewandt, übernahm Tamban den Umschlag, legte ihn mit zitternden Fingern auf den Schreibtisch.

Der Kostümierte wandte den Kopf, schielte über die Schulter. Die Blonde verließ ein Fuß vor dem anderem ihr Becken schwingend das Büro. Die Lippen gepresst, winkte er den Beamten heran. »Sie sollten ein ernstes Wort mit ihrer Mitarbeiterin führen«, hauchte er und zwinkerte seinem Gegenüber zu.
Herbert senkte sein Haupt. »Weihnachtsfeier!«, stotterte er. »Die Kollegen hatten eine Weihnachtsfeier!«
»Gedämpftes Blau, zartes Rosa oder Weiß mit Spitze, aber ...«, er kam Ermittler näher, »feuerrote Dessous! Das beißt.« Er spitze die Lippen. »Sieht nuttig aus!«
Das Gesicht von Tamban bekam eine gesunde Röte. »Sie kennen sich aus?«
Die Person in der feuerroten Robe hob die linke Hand und begutachtete seine Finger. »Beraten sie ihre Frau nicht?«, murmelte er.
Brummend ergriff Tamban den Umschlag, riss ihn auf, zog drei Fotos heraus, breitete sie nebeneinander vor den grinsenden Gesicht des Zeugen aus und tippte auf das Mittlere. »Geben sie zu, dass sie den Geliebten ihrer Frau erstochen haben!«

Die schlechte Kopie des Weihnachtsmannes ergriff das Foto, hielt es vorm Gesicht und pullte mit der freien Hand an einem mahagonibraunen Fleck. »Meinen sie, man bekommt das raus?«
»Was?«
Er wendete das Bild und hielt es Tamban vor die Nase. »Den Blutflecken vom Sofa!«. Er drehte das Foto zurück. »Der Samt ist empfindlich!«
Der Kommissar entriss ihm das Foto, knallte es auf den Schreibtisch. »Ihre Frau wurde ermordet und sie …«, brüllte er.
Die Augen aufgerissen, schlug der vermeintliche Täter die rechte Hand auf seinen Mund. »Ermordet!« Sein Kopf schoss vor. »Haben sie die Täter?«


Herbert tätschelte seinen Schnauzer. War er verrückt? Oder stand sein Gegenüber unter Schock. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Täter aus Eigenschutz die Tat verdrängte. Jedenfalls waren diese Phychos der Ansicht. Diese Neunmalklugen, die in jedem Verbrecher ein Opfer sahen.
Er ging auf das Spiel ein. »Nein! Wollen sie mir helfen!«
»Gerne!«
Tamban drückte auf die Starttaste seines Diktiergerätes. »Zeugenvernehmung Christ Baum Bindestrich Ständer 24.12«. Er pochte auf die goldene Armbanduhr. »19:56«, murmelte er und schlug auf den Tisch. »Dann gestehen sie!« Seine Mundwinkel stiegen empor. »Oder erzählen mir was geschehen ist!«, hauchte er. Er lehnte sich zurück. »Ihre Frau kam nachdem sie fremdgegangen war ins Bett!«
Der Befragte zupfte an seiner Unterlippe. »Meine Frau geht nicht fremd.« Er strich über das rechte Foto. »Entschuldigung. Ging nicht fremd. Sie traf sich ein paar Mal …«, er schwankte den Kopf, »na ja, zwei …« Herbert runzelte die Stirn. »drei Mal im Monat am Wochenende mit Sascha.« Er rollte die Augen. »Sie war glücklich, richtig entspannt.«
Herbert schielte über seine Sehhilfe. »Ich verstehe sie. Irgendwann haben sie es nicht mehr ausgehalten.« Er tippte auf die männliche Leiche auf dem Foto, hob die Hand wie zum Stich bereit.
»Haben ihn beseitigt«

»Wie kommen sie darauf. Erstens ist der Kerl nicht Sascha«. Er leckte über seine Lippen. »Außerdem, es kling für sie komisch, mochte ich ihn.« Einen Zeigefinger an der Nase atmete er geräuschvoll ein. »Ich habe … sie verstehen … gewisse Gelüste.«
Tamban klatsche. »Weil ihre Gattin sie nicht mehr rangelassen hat … haben sie ...«
Die Augenbrauen emporgezogen, unterbrach Chris ihn, fuchtelte mit dem Zeigefinger in der Luft. »Im Gegenteil! Unser Sexualleben war schöner. Der Druck war weg.«
»Der Druck«, wiederholte Herbert.
»Befriedigt war sie«. Er senkte den Kopf, pullte an seinen Fingernägeln. »Glaub ich jedenfalls. Nein! Sie wollte das ich …«, er strich mit der rechten Hand über seinen linken Zeigefinger, »so ein Ding überziehe – wegen ihrer Latexallergie.«
Herbert kniff ein Auge zu, liebkoste seinen Schnauzbart.
»Eine richtige Allergie war es nicht.« Er beugte sich vor, öffnete den Mund und presste einen Daumen in seine Mundhöhle. »Eher ein Ausschlag!« Er schüttelte sich. »Ich find es widerlich, wenn ein Kerl …«, an der Unterlippe zupfend. »Eine Frau sich dafür bereit erklärt. Unterwürfig!« Er wies auf Tamban. »Finden sie das erregend?«
Herbert warf den Kopf in den Nacken und spitze die Lippen, wandte ihm sein Gesicht zu. »Weil ihre Frau eine Latexallergie hat, nötig sie ihnen ein Kondom auf.« Er tippte an seine Schläfe.
Chris sah auf seinen Schoss. »Da nicht! Es war eher eine Reaktion - vielleicht mit dem Speichel oder mit dem Amalgam. Man hört viel davon.« Er faltete die Hände. »Sie war halt konsequent, nicht einmal so und beim anderen Mal …« Die Lippen gepresste, legte er die Unterarme auf den Schreibtisch. »Er war eher diese Intimität«, stöhnte er und biss auf die Unterlippe. »Habe ich in der Maria«, seine Pupillen rollten empor, »- oder war es die Sabine – gelesen, dass, wenn das Sperma des Mannes mit der Schleimhaut der Frau sich vereint, kommt es zu einer Reaktion. Hormone werden ausgesandt, die das Glücksgefühl, die Lust der Frau steigern.«

Herbert vermochte sich nicht mehr zurückzuhalten, dieses weibische Rechtfertigen trieb ihm die Zornesröte ins Gesicht.
Er schlug mit der flachen Hand auf die Unterlage. »Was reden sie für einen Schwachsinn. Ich habe nie gehört, dass eine Frau in Ektase gerät wenn ...«. Er presste den Rücken an den Schreibtischstuhl. »Abgemeldet waren sie; spielten die zweite Geige. Reinstecken erlaubt!« Baum-Ständer legte die Arme überkreuzt auf den Schoss. »Wie ein greiser Pavian fühlten sie sich, der vom neuen Alphatier die Erlaubnis hat aufzusitzen, aber seine Gene nicht mehr verteilen darf. Ihren Erguss in eine Tüte zu pressen.«
»Ich habe in meinen ganzen Leben …« Er blickte zur Seite. »Ging nicht! Ich habe das Kondom nicht …«, stockte er und zuckte mit den Achseln. Schmunzelnd erhob er den rechten Arm und drehte die Hand, berührte mit dem Ringfinger der Linken das Foto. »Meine Frau ist – war mitfühlend.« Er legte die flache Rechte, wie beim Empfang des Leibes unter die andere, blinzelte Herbert zu und glitt mit der Zunge über die Finger.

Tamban schluckte, ergriff seinen Kaffee und spülte seine Gedanken herunter.
»Sie haben Recht«, hauchte Chris und ein Lächeln flog über die Lippen des Kommissars. »Ich war schockiert, nicht des Schutzes wegen, dass Sascha sich frei in ihr ergießen konnte. Nein! Es war eine Marotte – nennen sie es pervers, die meine Frau hatte.« Er legte die Arme auf den Tisch, walkte die Hände. »Die, wie sie beteuerte, unsere Verbindung stärkte!«

Dem Geständnis nah, strich Herbert über die bebenden Hände. »Erzählen sie, machen sie ihr Herz frei.«
Den Tränen nahe verbarg Chris das Gesicht. »Es ist mir peinlich!«
»Geben sie ihrer Seele ein Stoß. Befreit!«
Die langweiligen Seminare, die er über sich ergehen ließ, schienen sich auszuzahlen.
»Nein!«

Herbert stütze sich auf den Armlehnen ab, schob sein Gesäß tiefer in den Sitz. »Sie trafen sich weiterhin in Hotels?«
»Ja!«. Er kniff die Augenbrauen zusammen, starrte wie nach einem biss in eine Zitrone. »In anonymen schmuddeligen Absteigen. Das geht nicht. Dabei haben wir ein gepflegtes Reihenhaus.« Er nickte. »Sie haben es gesehen – sauber und gepflegt!«
»Ja«, brummte Herbert, zwirbelte seinen Bart. »Daraufhin trafen sie sich bei ihnen?«
»Woher wissen sie das?«
»Eingebung!«
»Der Sascha war nett, gepflegtes Äußeres, gute Manieren.« Sein Mund verformte sich zu einem Lächeln. »Brachte mir sogar Blumen mit«, schmachte er, hob und senkte den Brustkorb. »Dafür kochte ich ihm sein Leibgericht.« Sein Zeigefinger malte Kringel auf dem Schreibtisch. »Bratwurst mit Sauerkraut und Kartoffelpüree - selbst gestampft nicht aus der Tüte, mit viel guter Butter.«

Tambans Gedärm zog sich zusammen und Speichel sammelte sich in seiner Mundhöhle. Das Bild, Der Duft von dampfenden Gänsebraten schwebte ihm durch die Sinne.

»Süß waren die Beiden, wie Teenager beim Essen Händchen gehalten, ein schüchterner Kuss auf die Wange, verträumtes blinzeln.«

Herbert zuckte. »Wie Bitte!« Er rieb sich den Bauch. »Beim Essen haben sie getrieben!«
Baum-Ständer zog den linken Mundwinkel empor und schüttelte mit den Kopf. »Sie denken wie alle Männer nur an das eine: Romantik ein Fremdwort.« Er verschränkte die Arme vor der Brust und blickte zur Bürotür. »Natürlich hatten sie Sex. Das Quicken meiner Frau beim Orgasmus drang durchs ganze Haus.« Er rieb über seine linke Wange. »Die Nachbarn!«

Das Gehirn des Täters schmolz in seinen Händen wie Wachs, das dem Feuer zu nah kam. Dem Lodern seiner Argumente, seiner Einfühlungsgabe, seines Verstandes keinen Widerstand mehr leistete. Wenige Fragen trennten ihm vom Geständnis. Er legte ein verständnisvolles Gesicht auf und rollte mit dem Bürostuhl näher an Täter heran.
Die Finger auf den Unterarm des Mörders, blickte er ihm tief in seine taubenblauen Augen, auf die müden Lider. Erblickte den stecknadelkopfgroßen, verkrusteten rotbraunen Fleck an seinem rechten Mundwinkel. Ertaste mit der Schnurbartspitze die herb buschigen weißen falschen Augenbrauen, die mit dem marzipanfarbenen, makellosen Wangen kämpften. Herberts flatternden Nüstern zogen den Geruch von Rosenwasser, gepaart mit einer Note Nelken ein. Ein Duft, der in ihm das Bild der Mutter vorzauberte, wie sie, ihr Körper gehüllt in der gestärkten Rüschenschürze, mit einem Lächeln ihm ihren gepriesen Stollen unter die Nase hielt. Das Backwerk, an dessen Zartheit keine Kreation der Magda herankam. In gleichen Maßen seine Holde an den lukullischen Künsten der Mutter verblasste.

»Ja! Die Pein! Die Nachbarn erfahren, dass die eigene Frau sich mit einem fremden Mann vergnügt ...«

Das Klackern von Damenschuhen unterbrach ihn. Die Augenbrauen zusammengekniffen, die Stirn in Falten schlug er mit der Faust auf den Tisch. »Frau Ferigart!«
Ihr gewelltes, erdbeerblondes Haar über die rechte Schulter, stöckelte, das Haupt erhoben, auf ihn zu. Die prallen Brüste vorstreckend, blickte sie auf ihn herab und presste Baum-Ständer ein blütenweißes Bündel an den Hals. »Umziehen!«, schnarrte sie.

Der Faden war zerrissen. Kriminaloberrat Tamban drückte auf die Pause Taste. Die Luft aus den Lungenflügeln quetschend verdeckte er das Gesicht. Schüttelte den Kopf, leckte im Gedanken an Gänsebraten mit Rotkohl und Klößen.
 

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Leck mich

»Verstopfung!«
Tamban schielte über die halbmondförmigen Gläser seiner Brille. »Kenn ich!«
Die Gestalt im Weihnachtsmannkostüm presste die Hände ans Gesäß und storchte wie eine Ente ohne Kniegelenke durch den Raum. »Tagelang, wochenlang nichts«, schnaufte er. »Drücken, quetschen ohne Erfolg und dann ...« Seine Rechte ertastete sich ihren Weg. »Dreimal musste ich spülen.«
»Leinsamen!«, brummelte Tamban die Augen geschlossen und spielte mit einem Kugelschreiber.
»Wasser!«, konterte die rot gekleidete Person »Die Klospülung benötigt Wasser.«
»Jeden morgen nach dem Aufstehen ein Löffel Leinsamen in Quark«, murmelte der Kriminaloberrat, kreiste mit dem Schreiber eine Handbreit über der Schreibtischunterlage. »Ein strammer Espresso!«
Der Kostümierte erstarrte und blickte über die Schulter. »Habe ich erwähnt, dass ich keinen Kaffee trinke!«
Tamban leckte den Stift ab, legte ihn beiseite. »Mit sehr viel Milch und Zucker«, bewies er sein Wissen und pustete in seine zu einem Ring geschlossenen Hand. »Von mir aus Mate-Tee!« Er hob den Zeigefinger. »Wichtig! Wenn es flutscht ein Stück Schokolade!«
Den Mund verdeckt, zog der Rote die Augenbrauen zusammen. »Klebt das nicht?«
Mit einem Stoß die Lungenflügel entlastend, stützte Tamban die Stirn auf seinen Handballen ab. »Essen!«, schnaufte er. »Sie müssen ihr Organ trainieren, wie eine Katze dressieren!«
»Vertragen Muschis Schokolade?«
»Von mir aus Wurst, Banane oder Gurke«, schnauzte der Kriminale und wies auf dem Stuhl an der Schmalseite des Schreibtisches. »Setzten sie sich! Ihr gehumpelt macht mich ...«
Die Person im bodenlangen Gewand storchte zu dem Drahtgestell, drückte die Hände auf seine Knie und senkte das Hinterteil keuchend, stöhnend auf die Sitzauflage.

Tambans Rechte schnellte vor, stockte auf der Höhe des Kragens des Kostümes. »Nehmen sie dieses Ding ab«, schnauzte er und riss den schneeweißen künstlichen Bart vom Gesicht des Verkleideten.
Ein Lächeln flog über den Mund des Verdächtigen. »Mohrrüben!«
»Wie Bitte!«
Die Weihnachtsmannkopie legte den Kopf schief. »Ich mag Karotten!«
Mit seinem Stuhl drehend, wandte sich der Kriminalist ab. Mit einem Stoß des rechten Beines schwang er zurück, schlug mit der Faust direkt unterhalb der Nase des Gewandträgers auf den Tisch. »Geben sie es zu!«
»Was?«
»Das sie ihre Frau und deren Geliebten ...«
Die Hände schützend vor der Brust zog der Zeuge und mutmaßliche Täter den Kopf zurück. »Nein!«
Tambans Nase näherte sich seiner, stoppte eine handbreit vorm Zusammenstoß. »Die Indizien sind eindeutig!«, zischte er. Er lehnte sich zurück und hob die rechte Hand. »Ich kann sie verstehen.«
Der feuerrot gekleidete Zeuge verschränkte die Arme. »Nein!«, raunte er.

Herbert Tamban liebte den Beruf, ging in seiner Tätigkeit auf. Aus diesem Grund war es für ihn konsequent dem Täter Brücken zu bauen, einfühlsam ihm zu helfen die Tat zuzugeben. Die Erfolgsquote sprach für sich. In den meisten Fällen verstand er daher seine Aufgabe darin, unnötige Arbeit von seinen Mitarbeitern abzuwenden.

Die Tür seines Büros schlug gegen den Christbaum, der geschmückt mit goldenen und roten Baumschmuck dem Zimmer eine weihnachtliche Atmosphäre verlieh.

»Chef«, trällerte eine Frau, die vom Alter seine Tochter sein konnte und wedelte mit einem Umschlag. Dabei schlugen ihre metallenen Armreifen gegeneinander, läuteten die stille Nacht ein. Einem Rehkitz gleich hüpfte sie auf ihn zu. Ihr knapper, der Stellung nicht angebrachter, luftiger stahlblaue Faltenrock flatterte ihr um die Hüften, spielte mit ihren glitzernden, rosa schimmernden feinen Beinkleid. Sie trippelte, stöckelte auf ihren waffenscheinpflichtigen moosgrünen Pumps am Weihnachtsmann vorbei, drängte ihren Leib an den Schreibtisch. Der Zeuge lehnte sich zurück, legte den Oberkörper auf die Seite. Ihr wallendes sandblondes Haar auf den Rücken werfend beugte sie ihren Brustkorb hinab, präsentierte, die Finger ihrer Rechten über Herberts Schulter gleitend, ihre weiblichen Rundungen und hauchte ihm ins Ohr. Die armreifgroßen Creolen, die in ihrer Armbeuge hängende olivgrüne Henkeltasche und ihre Brüste, schwangen angestimmt von der wippenden Hüfte im Gleichtakt. Den Blick von ihrem tiefausgeschnittenen rosa Top abgewandt, übernahm Tamban den Umschlag, legte ihn mit zitternden Fingern auf den Schreibtisch.

Der Kostümierte wandte den Kopf, schielte über die Schulter. Die Blonde verließ ein Fuß vor dem anderem ihr Becken schwingend das Büro. Die Lippen gepresst, winkte er den Beamten heran. »Sie sollten ein ernstes Wort mit ihrer Mitarbeiterin führen«, hauchte er und zwinkerte seinem Gegenüber zu.
Herbert senkte sein Haupt. »Weihnachtsfeier!«, stotterte er. »Die Kollegen hatten eine Weihnachtsfeier!«
»Gedämpftes Blau, zartes Rosa oder Weiß mit Spitze, aber ...«, er kam Ermittler näher, »feuerrote Dessous! Das beißt.« Er spitze die Lippen. »Sieht nuttig aus!«
Das Gesicht von Tamban bekam eine gesunde Röte. »Sie kennen sich aus?«
Die Person in der feuerroten Robe hob die linke Hand und begutachtete seine Finger. »Beraten sie ihre Frau nicht?«, murmelte er.
Brummend ergriff Tamban den Umschlag, riss ihn auf, zog drei Fotos heraus, breitete sie nebeneinander vor den grinsenden Gesicht des Zeugen aus und tippte auf das Mittlere. »Geben sie zu, dass sie den Geliebten ihrer Frau erstochen haben!«

Die schlechte Kopie des Weihnachtsmannes ergriff das Foto, hielt es vorm Gesicht und pullte mit der freien Hand an einem mahagonibraunen Fleck. »Meinen sie, man bekommt das raus?«
»Was?«
Er wendete das Bild und hielt es Tamban vor die Nase. »Den Blutflecken vom Sofa!«. Er drehte das Foto zurück. »Der Samt ist empfindlich!«
Der Kommissar entriss ihm das Foto, knallte es auf den Schreibtisch. »Ihre Frau wurde ermordet und sie …«, brüllte er.
Die Augen aufgerissen, schlug der vermeintliche Täter die rechte Hand auf seinen Mund. »Ermordet!« Sein Kopf schoss vor. »Haben sie die Täter?«


Herbert tätschelte seinen Schnauzer. War er verrückt? Oder stand sein Gegenüber unter Schock. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Täter aus Eigenschutz die Tat verdrängte. Jedenfalls waren diese Phychos der Ansicht. Diese Neunmalklugen, die in jedem Verbrecher ein Opfer sahen.
Er ging auf das Spiel ein. »Nein! Wollen sie mir helfen!«
»Gerne!«
Tamban drückte auf die Starttaste seines Diktiergerätes. »Zeugenvernehmung Christ Baum Bindestrich Ständer 24.12«. Er pochte auf die goldene Armbanduhr. »19:56«, murmelte er und schlug auf den Tisch. »Dann gestehen sie!« Seine Mundwinkel stiegen empor. »Oder erzählen mir was geschehen ist!«, hauchte er. Er lehnte sich zurück. »Ihre Frau kam nachdem sie fremdgegangen war ins Bett!«
Der Befragte zupfte an seiner Unterlippe. »Meine Frau geht nicht fremd.« Er strich über das rechte Foto. »Entschuldigung. Ging nicht fremd. Sie traf sich ein paar Mal …«, er schwankte den Kopf, »na ja, zwei …« Herbert runzelte die Stirn. »drei Mal im Monat am Wochenende mit Sascha.« Er rollte die Augen. »Sie war glücklich, richtig entspannt.«
Herbert schielte über seine Sehhilfe. »Ich verstehe sie. Irgendwann haben sie es nicht mehr ausgehalten.« Er tippte auf die männliche Leiche auf dem Foto, hob die Hand wie zum Stich bereit.
»Haben ihn beseitigt«

»Wie kommen sie darauf. Erstens ist der Kerl nicht Sascha«. Er leckte über seine Lippen. »Außerdem, es kling für sie komisch, mochte ich ihn.« Einen Zeigefinger an der Nase atmete er geräuschvoll ein. »Ich habe … sie verstehen … gewisse Gelüste.«
Tamban klatsche. »Weil ihre Gattin sie nicht mehr rangelassen hat … haben sie ...«
Die Augenbrauen emporgezogen, unterbrach Chris ihn, fuchtelte mit dem Zeigefinger in der Luft. »Im Gegenteil! Unser Sexualleben war schöner. Der Druck war weg.«
»Der Druck«, wiederholte Herbert.
»Befriedigt war sie«. Er senkte den Kopf, pullte an seinen Fingernägeln. »Glaub ich jedenfalls. Nein! Sie wollte das ich …«, er strich mit der rechten Hand über seinen linken Zeigefinger, »so ein Ding überziehe – wegen ihrer Latexallergie.«
Herbert kniff ein Auge zu, liebkoste seinen Schnauzbart.
»Eine richtige Allergie war es nicht.« Er beugte sich vor, öffnete den Mund und presste einen Daumen in seine Mundhöhle. »Eher ein Ausschlag!« Er schüttelte sich. »Ich find es widerlich, wenn ein Kerl …«, an der Unterlippe zupfend. »Eine Frau sich dafür bereit erklärt. Unterwürfig!« Er wies auf Tamban. »Finden sie das erregend?«
Herbert warf den Kopf in den Nacken und spitze die Lippen, wandte ihm sein Gesicht zu. »Weil ihre Frau eine Latexallergie hat, nötig sie ihnen ein Kondom auf.« Er tippte an seine Schläfe.
Chris sah auf seinen Schoss. »Da nicht! Es war eher eine Reaktion - vielleicht mit dem Speichel oder mit dem Amalgam. Man hört viel davon.« Er faltete die Hände. »Sie war halt konsequent, nicht einmal so und beim anderen Mal …« Die Lippen gepresste, legte er die Unterarme auf den Schreibtisch. »Er war eher diese Intimität«, stöhnte er und biss auf die Unterlippe. »Habe ich in der Maria«, seine Pupillen rollten empor, »- oder war es die Sabine – gelesen, dass, wenn das Sperma des Mannes mit der Schleimhaut der Frau sich vereint, kommt es zu einer Reaktion. Hormone werden ausgesandt, die das Glücksgefühl, die Lust der Frau steigern.«

Herbert vermochte sich nicht mehr zurückzuhalten, dieses weibische Rechtfertigen trieb ihm die Zornesröte ins Gesicht.
Er schlug mit der flachen Hand auf die Unterlage. »Was reden sie für einen Schwachsinn. Ich habe nie gehört, dass eine Frau in Ektase gerät wenn ...«. Er presste den Rücken an den Schreibtischstuhl. »Abgemeldet waren sie; spielten die zweite Geige. Reinstecken erlaubt!« Baum-Ständer legte die Arme überkreuzt auf den Schoss. »Wie ein greiser Pavian fühlten sie sich, der vom neuen Alphatier die Erlaubnis hat aufzusitzen, aber seine Gene nicht mehr verteilen darf. Ihren Erguss in eine Tüte zu pressen.«
»Ich habe in meinen ganzen Leben …« Er blickte zur Seite. »Ging nicht! Ich habe das Kondom nicht …«, stockte er und zuckte mit den Achseln. Schmunzelnd erhob er den rechten Arm und drehte die Hand, berührte mit dem Ringfinger der Linken das Foto. »Meine Frau ist – war mitfühlend.« Er legte die flache Rechte, wie beim Empfang des Leibes unter die andere, blinzelte Herbert zu und glitt mit der Zunge über die Finger.

Tamban schluckte, ergriff seinen Kaffee und spülte seine Gedanken herunter.
»Sie haben Recht«, hauchte Chris und ein Lächeln flog über die Lippen des Kommissars. »Ich war schockiert, nicht des Schutzes wegen, dass Sascha sich frei in ihr ergießen konnte. Nein! Es war eine Marotte – nennen sie es pervers, die meine Frau hatte.« Er legte die Arme auf den Tisch, walkte die Hände. »Die, wie sie beteuerte, unsere Verbindung stärkte!«

Dem Geständnis nah, strich Herbert über die bebenden Hände. »Erzählen sie, machen sie ihr Herz frei.«
Den Tränen nahe verbarg Chris das Gesicht. »Es ist mir peinlich!«
»Geben sie ihrer Seele ein Stoß. Befreit!«
Die langweiligen Seminare, die er über sich ergehen ließ, schienen sich auszuzahlen.
»Nein!«

Herbert stütze sich auf den Armlehnen ab, schob sein Gesäß tiefer in den Sitz. »Sie trafen sich weiterhin in Hotels?«
»Ja!«. Er kniff die Augenbrauen zusammen, starrte wie nach einem biss in eine Zitrone. »In anonymen schmuddeligen Absteigen. Das geht nicht. Dabei haben wir ein gepflegtes Reihenhaus.« Er nickte. »Sie haben es gesehen – sauber und gepflegt!«
»Ja«, brummte Herbert, zwirbelte seinen Bart. »Daraufhin trafen sie sich bei ihnen?«
»Woher wissen sie das?«
»Eingebung!«
»Der Sascha war nett, gepflegtes Äußeres, gute Manieren.« Sein Mund verformte sich zu einem Lächeln. »Brachte mir sogar Blumen mit«, schmachte er, hob und senkte den Brustkorb. »Dafür kochte ich ihm sein Leibgericht.« Sein Zeigefinger malte Kringel auf dem Schreibtisch. »Bratwurst mit Sauerkraut und Kartoffelpüree - selbst gestampft nicht aus der Tüte, mit viel guter Butter.«

Tambans Gedärm zog sich zusammen und Speichel sammelte sich in seiner Mundhöhle. Das Bild, Der Duft von dampfenden Gänsebraten schwebte ihm durch die Sinne.

»Süß waren die Beiden, wie Teenager beim Essen Händchen gehalten, ein schüchterner Kuss auf die Wange, verträumtes blinzeln.«

Herbert zuckte. »Wie Bitte!« Er rieb sich den Bauch. »Beim Essen haben sie getrieben!«
Baum-Ständer zog den linken Mundwinkel empor und schüttelte mit den Kopf. »Sie denken wie alle Männer nur an das eine: Romantik ein Fremdwort.« Er verschränkte die Arme vor der Brust und blickte zur Bürotür. »Natürlich hatten sie Sex. Das Quicken meiner Frau beim Orgasmus drang durchs ganze Haus.« Er rieb über seine linke Wange. »Die Nachbarn!«

Das Gehirn des Täters schmolz in seinen Händen wie Wachs, das dem Feuer zu nah kam. Dem Lodern seiner Argumente, seiner Einfühlungsgabe, seines Verstandes keinen Widerstand mehr leistete. Wenige Fragen trennten ihm vom Geständnis. Er legte ein verständnisvolles Gesicht auf und rollte mit dem Bürostuhl näher an Täter heran.
Die Finger auf den Unterarm des Mörders, blickte er ihm tief in seine taubenblauen Augen, auf die müden Lider. Erblickte den stecknadelkopfgroßen, verkrusteten rotbraunen Fleck an seinem rechten Mundwinkel. Ertaste mit der Schnurbartspitze die herb buschigen weißen falschen Augenbrauen, die mit dem marzipanfarbenen, makellosen Wangen kämpften. Herberts flatternden Nüstern zogen den Geruch von Rosenwasser, gepaart mit einer Note Nelken ein. Ein Duft, der in ihm das Bild der Mutter vorzauberte, wie sie, ihr Körper gehüllt in der gestärkten Rüschenschürze, mit einem Lächeln ihm ihren gepriesen Stollen unter die Nase hielt. Das Backwerk, an dessen Zartheit keine Kreation der Magda herankam. In gleichen Maßen seine Holde an den lukullischen Künsten der Mutter verblasste.

»Ja! Die Pein! Die Nachbarn erfahren, dass die eigene Frau sich mit einem fremden Mann vergnügt ...«

Das Klackern von Damenschuhen unterbrach ihn. Die Augenbrauen zusammengekniffen, die Stirn in Falten schlug er mit der Faust auf den Tisch. »Frau Ferigart!«
Ihr gewelltes, erdbeerblondes Haar über die rechte Schulter, stöckelte, das Haupt erhoben, auf ihn zu. Die prallen Brüste vorstreckend, blickte sie auf ihn herab und presste Baum-Ständer ein blütenweißes Bündel an den Hals. »Umziehen!«, schnarrte sie.

Der Faden war zerrissen. Kriminaloberrat Tamban drückte auf die Pause Taste. Die Luft aus den Lungenflügeln quetschend verdeckte er das Gesicht. Schüttelte den Kopf, leckte im Gedanken an Gänsebraten mit Rotkohl und Klößen.


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Leck mich

»Verstopfung!«
Tamban schielte über die halbmondförmigen Gläser seiner Brille. »Kenn ich!«
Die Gestalt im Weihnachtsmannkostüm presste die Hände ans Gesäß und storchte wie eine Ente ohne Kniegelenke durch den Raum. »Tagelang, wochenlang nichts«, schnaufte er. »Drücken, quetschen ohne Erfolg und dann ...« Seine Rechte ertastete sich ihren Weg. »Dreimal musste ich spülen.«
»Leinsamen!«, brummelte Tamban die Augen geschlossen und spielte mit einem Kugelschreiber.
»Wasser!«, konterte die rot gekleidete Person »Die Klospülung benötigt Wasser.«
»Jeden morgen nach dem Aufstehen ein Löffel Leinsamen in Quark«, murmelte der Kriminaloberrat, kreiste mit dem Schreiber eine Handbreit über der Schreibtischunterlage. »Ein strammer Espresso!«
Der Kostümierte erstarrte und blickte über die Schulter. »Habe ich erwähnt, dass ich keinen Kaffee trinke!«
Tamban leckte den Stift ab, legte ihn beiseite. »Mit sehr viel Milch und Zucker«, bewies er sein Wissen und pustete in seine zu einem Ring geschlossenen Hand. »Von mir aus Mate-Tee!« Er hob den Zeigefinger. »Wichtig! Wenn es flutscht ein Stück Schokolade!«
Den Mund verdeckt, zog der Rote die Augenbrauen zusammen. »Klebt das nicht?«
Mit einem Stoß die Lungenflügel entlastend, stützte Tamban die Stirn auf seinen Handballen ab. »Essen!«, schnaufte er. »Sie müssen ihr Organ trainieren, wie eine Katze dressieren!«
»Vertragen Muschis Schokolade?«
»Von mir aus Wurst, Banane oder Gurke«, schnauzte der Kriminale und wies auf dem Stuhl an der Schmalseite des Schreibtisches. »Setzten sie sich! Ihr gehumpelt macht mich ...«
Die Person im bodenlangen Gewand storchte zu dem Drahtgestell, drückte die Hände auf seine Knie und senkte das Hinterteil keuchend, stöhnend auf die Sitzauflage.

Tambans Rechte schnellte vor, stockte auf der Höhe des Kragens des Kostümes. »Nehmen sie dieses Ding ab«, schnauzte er und riss den schneeweißen künstlichen Bart vom Gesicht des Verkleideten.
Ein Lächeln flog über den Mund des Verdächtigen. »Mohrrüben!«
»Wie Bitte!«
Die Weihnachtsmannkopie legte den Kopf schief. »Ich mag Karotten!«
Mit seinem Stuhl drehend, wandte sich der Kriminalist ab. Mit einem Stoß des rechten Beines schwang er zurück, schlug mit der Faust direkt unterhalb der Nase des Gewandträgers auf den Tisch. »Geben sie es zu!«
»Was?«
»Das sie ihre Frau und deren Geliebten ...«
Die Hände schützend vor der Brust zog der Zeuge und mutmaßliche Täter den Kopf zurück. »Nein!«
Tambans Nase näherte sich seiner, stoppte eine handbreit vorm Zusammenstoß. »Die Indizien sind eindeutig!«, zischte er. Er lehnte sich zurück und hob die rechte Hand. »Ich kann sie verstehen.«
Der feuerrot gekleidete Zeuge verschränkte die Arme. »Nein!«, raunte er.

Herbert Tamban liebte den Beruf, ging in seiner Tätigkeit auf. Aus diesem Grund war es für ihn konsequent dem Täter Brücken zu bauen, einfühlsam ihm zu helfen die Tat zuzugeben. Die Erfolgsquote sprach für sich. In den meisten Fällen verstand er daher seine Aufgabe darin, unnötige Arbeit von seinen Mitarbeitern abzuwenden.

Die Tür seines Büros schlug gegen den Christbaum, der geschmückt mit goldenen und roten Baumschmuck dem Zimmer eine weihnachtliche Atmosphäre verlieh.

»Chef«, trällerte eine Frau, die vom Alter seine Tochter sein konnte und wedelte mit einem Umschlag. Dabei schlugen ihre metallenen Armreifen gegeneinander, läuteten die stille Nacht ein. Einem Rehkitz gleich hüpfte sie auf ihn zu. Ihr knapper, der Stellung nicht angebrachter, luftiger stahlblaue Faltenrock flatterte ihr um die Hüften, spielte mit ihren glitzernden, rosa schimmernden feinen Beinkleid. Sie trippelte, stöckelte auf ihren waffenscheinpflichtigen moosgrünen Pumps am Weihnachtsmann vorbei, drängte ihren Leib an den Schreibtisch. Der Zeuge lehnte sich zurück, legte den Oberkörper auf die Seite. Ihr wallendes sandblondes Haar auf den Rücken werfend beugte sie ihren Brustkorb hinab, präsentierte, die Finger ihrer Rechten über Herberts Schulter gleitend, ihre weiblichen Rundungen und hauchte ihm ins Ohr. Die armreifgroßen Creolen, die in ihrer Armbeuge hängende olivgrüne Henkeltasche und ihre Brüste, schwangen angestimmt von der wippenden Hüfte im Gleichtakt. Den Blick von ihrem tiefausgeschnittenen rosa Top abgewandt, übernahm Tamban den Umschlag, legte ihn mit zitternden Fingern auf den Schreibtisch.

Der Kostümierte wandte den Kopf, schielte über die Schulter. Die Blonde verließ ein Fuß vor dem anderem ihr Becken schwingend das Büro. Die Lippen gepresst, winkte er den Beamten heran. »Sie sollten ein ernstes Wort mit ihrer Mitarbeiterin führen«, hauchte er und zwinkerte seinem Gegenüber zu.
Herbert senkte sein Haupt. »Weihnachtsfeier!«, stotterte er. »Die Kollegen hatten eine Weihnachtsfeier!«
»Gedämpftes Blau, zartes Rosa oder Weiß mit Spitze, aber ...«, er kam Ermittler näher, »feuerrote Dessous! Das beißt.« Er spitze die Lippen. »Sieht nuttig aus!«
Das Gesicht von Tamban bekam eine gesunde Röte. »Sie kennen sich aus?«
Die Person in der feuerroten Robe hob die linke Hand und begutachtete seine Finger. »Beraten sie ihre Frau nicht?«, murmelte er.
Brummend ergriff Tamban den Umschlag, riss ihn auf, zog drei Fotos heraus, breitete sie nebeneinander vor den grinsenden Gesicht des Zeugen aus und tippte auf das Mittlere. »Geben sie zu, dass sie den Geliebten ihrer Frau erstochen haben!«

Die schlechte Kopie des Weihnachtsmannes ergriff das Foto, hielt es vorm Gesicht und pullte mit der freien Hand an einem mahagonibraunen Fleck. »Meinen sie, man bekommt das raus?«
»Was?«
Er wendete das Bild und hielt es Tamban vor die Nase. »Den Blutflecken vom Sofa!«. Er drehte das Foto zurück. »Der Samt ist empfindlich!«
Der Kommissar entriss ihm das Foto, knallte es auf den Schreibtisch. »Ihre Frau wurde ermordet und sie …«, brüllte er.
Die Augen aufgerissen, schlug der vermeintliche Täter die rechte Hand auf seinen Mund. »Ermordet!« Sein Kopf schoss vor. »Haben sie die Täter?«


Herbert tätschelte seinen Schnauzer. War er verrückt? Oder stand sein Gegenüber unter Schock. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Täter aus Eigenschutz die Tat verdrängte. Jedenfalls waren diese Phychos der Ansicht. Diese Neunmalklugen, die in jedem Verbrecher ein Opfer sahen.
Er ging auf das Spiel ein. »Nein! Wollen sie mir helfen!«
»Gerne!«
Tamban drückte auf die Starttaste seines Diktiergerätes. »Zeugenvernehmung Christ Baum Bindestrich Ständer 24.12«. Er pochte auf die goldene Armbanduhr. »19:56«, murmelte er und schlug auf den Tisch. »Dann gestehen sie!« Seine Mundwinkel stiegen empor. »Oder erzählen mir was geschehen ist!«, hauchte er. Er lehnte sich zurück. »Ihre Frau kam nachdem sie fremdgegangen war ins Bett!«
Der Befragte zupfte an seiner Unterlippe. »Meine Frau geht nicht fremd.« Er strich über das rechte Foto. »Entschuldigung. Ging nicht fremd. Sie traf sich ein paar Mal …«, er schwankte den Kopf, »na ja, zwei …« Herbert runzelte die Stirn. »drei Mal im Monat am Wochenende mit Sascha.« Er rollte die Augen. »Sie war glücklich, richtig entspannt.«
Herbert schielte über seine Sehhilfe. »Ich verstehe sie. Irgendwann haben sie es nicht mehr ausgehalten.« Er tippte auf die männliche Leiche auf dem Foto, hob die Hand wie zum Stich bereit.
»Haben ihn beseitigt«

»Wie kommen sie darauf. Erstens ist der Kerl nicht Sascha«. Er leckte über seine Lippen. »Außerdem, es kling für sie komisch, mochte ich ihn.« Einen Zeigefinger an der Nase atmete er geräuschvoll ein. »Ich habe … sie verstehen … gewisse Gelüste.«
Tamban klatsche. »Weil ihre Gattin sie nicht mehr rangelassen hat … haben sie ...«
Die Augenbrauen emporgezogen, unterbrach Chris ihn, fuchtelte mit dem Zeigefinger in der Luft. »Im Gegenteil! Unser Sexualleben war schöner. Der Druck war weg.«
»Der Druck«, wiederholte Herbert.
»Befriedigt war sie«. Er senkte den Kopf, pullte an seinen Fingernägeln. »Glaub ich jedenfalls. Nein! Sie wollte das ich …«, er strich mit der rechten Hand über seinen linken Zeigefinger, »so ein Ding überziehe – wegen ihrer Latexallergie.«
Herbert kniff ein Auge zu, liebkoste seinen Schnauzbart.
»Eine richtige Allergie war es nicht.« Er beugte sich vor, öffnete den Mund und presste einen Daumen in seine Mundhöhle. »Eher ein Ausschlag!« Er schüttelte sich. »Ich find es widerlich, wenn ein Kerl …«, an der Unterlippe zupfend. »Eine Frau sich dafür bereit erklärt. Unterwürfig!« Er wies auf Tamban. »Finden sie das erregend?«
Herbert warf den Kopf in den Nacken und spitze die Lippen, wandte ihm sein Gesicht zu. »Weil ihre Frau eine Latexallergie hat, nötig sie ihnen ein Kondom auf.« Er tippte an seine Schläfe.
Chris sah auf seinen Schoss. »Da nicht! Es war eher eine Reaktion - vielleicht mit dem Speichel oder mit dem Amalgam. Man hört viel davon.« Er faltete die Hände. »Sie war halt konsequent, nicht einmal so und beim anderen Mal …« Die Lippen gepresste, legte er die Unterarme auf den Schreibtisch. »Er war eher diese Intimität«, stöhnte er und biss auf die Unterlippe. »Habe ich in der Maria«, seine Pupillen rollten empor, »- oder war es die Sabine – gelesen, dass, wenn das Sperma des Mannes mit der Schleimhaut der Frau sich vereint, kommt es zu einer Reaktion. Hormone werden ausgesandt, die das Glücksgefühl, die Lust der Frau steigern.«

Herbert vermochte sich nicht mehr zurückzuhalten, dieses weibische Rechtfertigen trieb ihm die Zornesröte ins Gesicht.
Er schlug mit der flachen Hand auf die Unterlage. »Was reden sie für einen Schwachsinn. Ich habe nie gehört, dass eine Frau in Ektase gerät wenn ...«. Er presste den Rücken an den Schreibtischstuhl. »Abgemeldet waren sie; spielten die zweite Geige. Reinstecken erlaubt!« Baum-Ständer legte die Arme überkreuzt auf den Schoss. »Wie ein greiser Pavian fühlten sie sich, der vom neuen Alphatier die Erlaubnis hat aufzusitzen, aber seine Gene nicht mehr verteilen darf. Ihren Erguss in eine Tüte zu pressen.«
»Ich habe in meinen ganzen Leben …« Er blickte zur Seite. »Ging nicht! Ich habe das Kondom nicht …«, stockte er und zuckte mit den Achseln. Schmunzelnd erhob er den rechten Arm und drehte die Hand, berührte mit dem Ringfinger der Linken das Foto. »Meine Frau ist – war mitfühlend.« Er legte die flache Rechte, wie beim Empfang des Leibes unter die andere, blinzelte Herbert zu und glitt mit der Zunge über die Finger.

Tamban schluckte, ergriff seinen Kaffee und spülte seine Gedanken herunter.
»Sie haben Recht«, hauchte Chris und ein Lächeln flog über die Lippen des Kommissars. »Ich war schockiert, nicht des Schutzes wegen, dass Sascha sich frei in ihr ergießen konnte. Nein! Es war eine Marotte – nennen sie es pervers, die meine Frau hatte.« Er legte die Arme auf den Tisch, walkte die Hände. »Die, wie sie beteuerte, unsere Verbindung stärkte!«

Dem Geständnis nah, strich Herbert über die bebenden Hände. »Erzählen sie, machen sie ihr Herz frei.«
Den Tränen nahe verbarg Chris das Gesicht. »Es ist mir peinlich!«
»Geben sie ihrer Seele ein Stoß. Befreit!«
Die langweiligen Seminare, die er über sich ergehen ließ, schienen sich auszuzahlen.
»Nein!«

Herbert stütze sich auf den Armlehnen ab, schob sein Gesäß tiefer in den Sitz. »Sie trafen sich weiterhin in Hotels?«
»Ja!«. Er kniff die Augenbrauen zusammen, starrte wie nach einem biss in eine Zitrone. »In anonymen schmuddeligen Absteigen. Das geht nicht. Dabei haben wir ein gepflegtes Reihenhaus.« Er nickte. »Sie haben es gesehen – sauber und gepflegt!«
»Ja«, brummte Herbert, zwirbelte seinen Bart. »Daraufhin trafen sie sich bei ihnen?«
»Woher wissen sie das?«
»Eingebung!«
»Der Sascha war nett, gepflegtes Äußeres, gute Manieren.« Sein Mund verformte sich zu einem Lächeln. »Brachte mir sogar Blumen mit«, schmachte er, hob und senkte den Brustkorb. »Dafür kochte ich ihm sein Leibgericht.« Sein Zeigefinger malte Kringel auf dem Schreibtisch. »Bratwurst mit Sauerkraut und Kartoffelpüree - selbst gestampft nicht aus der Tüte, mit viel guter Butter.«

Tambans Gedärm zog sich zusammen und Speichel sammelte sich in seiner Mundhöhle. Das Bild, Der Duft von dampfenden Gänsebraten schwebte ihm durch die Sinne.

»Süß waren die Beiden, wie Teenager beim Essen Händchen gehalten, ein schüchterner Kuss auf die Wange, verträumtes blinzeln.«

Herbert zuckte. »Wie Bitte!« Er rieb sich den Bauch. »Beim Essen haben sie getrieben!«
Baum-Ständer zog den linken Mundwinkel empor und schüttelte mit den Kopf. »Sie denken wie alle Männer nur an das eine: Romantik ein Fremdwort.« Er verschränkte die Arme vor der Brust und blickte zur Bürotür. »Natürlich hatten sie Sex. Das Quicken meiner Frau beim Orgasmus drang durchs ganze Haus.« Er rieb über seine linke Wange. »Die Nachbarn!«

Das Gehirn des Täters schmolz in seinen Händen wie Wachs, das dem Feuer zu nah kam. Dem Lodern seiner Argumente, seiner Einfühlungsgabe, seines Verstandes keinen Widerstand mehr leistete. Wenige Fragen trennten ihm vom Geständnis. Er legte ein verständnisvolles Gesicht auf und rollte mit dem Bürostuhl näher an Täter heran.
Die Finger auf den Unterarm des Mörders, blickte er ihm tief in seine taubenblauen Augen, auf die müden Lider. Erblickte den stecknadelkopfgroßen, verkrusteten rotbraunen Fleck an seinem rechten Mundwinkel. Ertaste mit der Schnurbartspitze die herb buschigen weißen falschen Augenbrauen, die mit dem marzipanfarbenen, makellosen Wangen kämpften. Herberts flatternden Nüstern zogen den Geruch von Rosenwasser, gepaart mit einer Note Nelken ein. Ein Duft, der in ihm das Bild der Mutter vorzauberte, wie sie, ihr Körper gehüllt in der gestärkten Rüschenschürze, mit einem Lächeln ihm ihren gepriesen Stollen unter die Nase hielt. Das Backwerk, an dessen Zartheit keine Kreation der Magda herankam. In gleichen Maßen seine Holde an den lukullischen Künsten der Mutter verblasste.

»Ja! Die Pein! Die Nachbarn erfahren, dass die eigene Frau sich mit einem fremden Mann vergnügt ...«

Das Klackern von Damenschuhen unterbrach ihn. Die Augenbrauen zusammengekniffen, die Stirn in Falten schlug er mit der Faust auf den Tisch. »Frau Ferigart!«
Ihr gewelltes, erdbeerblondes Haar über die rechte Schulter, stöckelte, das Haupt erhoben, auf ihn zu. Die prallen Brüste vorstreckend, blickte sie auf ihn herab und presste Baum-Ständer ein blütenweißes Bündel an den Hals. »Umziehen!«, schnarrte sie.

Der Faden war zerrissen. Kriminaloberrat Tamban drückte auf die Pause Taste. Die Luft aus den Lungenflügeln quetschend verdeckte er das Gesicht. Schüttelte den Kopf, leckte im Gedanken an Gänsebraten mit Rotkohl und Klößen.


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2. Leck mich


»Verstopfung!«
Tamban schielte über die halbmondförmigen Gläser seiner Brille. »Kenn ich!«
Die Gestalt im Weihnachtsmannkostüm presste die Hände ans Gesäß und storchte wie eine Ente ohne Kniegelenke durch den Raum. »Tagelang, wochenlang nichts. Drücken, quetschen ohne Erfolg, dann ...« Seine Rechte ertastete sich ihren Weg. »Dreimal spülte ich.«
»Leinsamen«, brummelte Tamban, die Augen geschlossen und spielte mit seinem Kugelschreiber.
»Wasser!«, konterte die rot gekleidete Person »Die Klospülung benötigt Wasser.«
»Jeden morgen nach dem Aufstehen ein Löffel Leinsamen in Quark«, murmelte der Kriminaloberrat und kreiste mit dem Schreiber eine Handbreit über der Schreibtischunterlage. »Ein strammer Espresso.«
Der Kostümierte erstarrte und blickte über die Schulter. »Habe ich erwähnt, dass ich keinen Kaffee trinke!«
Tamban leckte den Stift ab, legte ihn beiseite. »Mit viel Milch sowie Zucker«, bewies er sein Wissen und pustete in seine zu einem Ring geschlossenen Hand. »Von mir aus Mate-Tee!« Er hob den Zeigefinger. »Wichtig! Wenn es flutscht ein Stück Schokolade!«
Den Mund verdeckt, zog der Rote die Augenbrauen zusammen. »Klebt das nicht?«
Mit einem Stoß pustete Tamban den Inhalt seiner Lungenflügel in den Raum und stützte seine Stirn auf seinen Handballen ab. »Essen! Trainieren Sie ihr Organ, wie eine Katze dressieren!«
»Vertragen Muschis Schokolade?«
»Von mir aus Wurst, Banane oder Gurke«, schnauzte der Kriminale, wies danach auf den Stuhl an der Schmalseite des Schreibtisches. »Setzten sie sich! Ihr gehumpelt macht mich ...«
Die Person im bodenlangen Gewand storchte zu dem Drahtgestell, drückte die Hände auf seine Knie und senkte das Hinterteil auf die Sitzauflage, dabei keuchte, stöhnte er wie kurz vorm Orgasmus.

Tambans Rechte schnellte vor, stockte auf der Höhe des Kragens des Kostümes. »Nehmen sie dieses Ding ab«, schnauzte er ihn an, dann riss er den schneeweißen künstlichen Bart vom Gesicht des Verkleideten.
Ein Lächeln flog über den Mund des Verdächtigen. »Mohrrüben?«
»Wie Bitte!«
Die Weihnachtsmannkopie legte den Kopf schief. »Ich mag Mohrrüben!«
Mit seinem Stuhl drehend, wandte sich der Kriminalist ab. Mit einem Stoß des rechten Beines schwang er zurück, schlug mit der Faust direkt unterhalb der Nase des Verkleidete auf den Tisch. »Geben sie es zu!«
»Was?«
»Das sie ihre Frau sowie deren Geliebten ...«
Die Hände vor der Brust zog der Zeuge und mutmaßliche Täter den Kopf zurück. »Nein!«
Tambans Nase näherte sich seinem Gesprächspartner, stoppte eine handbreit vorm Zusammenstoß. »Die Indizien sind eindeutig!« Er lehnte sich wieder zurück und hob die rechte Hand. »Ich verstehe sie.«
Der feuerrot Gekleidete verschränkte die Arme. »Nein!«, raunte er.

Herbert Tamban liebte den Beruf, ging in seinem Schaffen auf. Aus diesem Grund war es für ihn konsequent, dem Täter Brücken zu bauen, einfühlsam ihm zu helfen die Tat zuzugeben. Die Erfolgsquote sprach für sich. In den meisten Fällen verstand er daher seine Aufgabe darin, unnötige Arbeit von seinen Mitarbeitern abzuwenden.

Die Tür des Büros schlug gegen einen Christbaum, der geschmückt mit goldenen nebst roten Baumschmuck dem Zimmer eine weihnachtliche Atmosphäre verlieh.

»Chef«, rief eine Frau, welche vom Alter Tambans Tochter sein konnte, dabei wedelte sie mit einem Umschlag. Derweil schlugen ihre metallenen Armreifen gegeneinander, läuteten die stille Nacht ein. Einem Rehkitz gleich hüpfte sie auf ihn zu. Ihr knapper, dem Posten nicht angebrachter, luftiger stahlblauer Faltenrock flatterte ihr um die Hüften, spielte mit ihren glitzernden, rosa schimmernden feinen Beinkleid. Sie trippelte, stöckelte auf ihren waffenscheinpflichtigen moosgrünen Pumps am Weihnachtsmann vorbei und drängte ihren Leib an den Schreibtisch. Der Verdächtige lehnte sich zurück, legte den Oberkörper auf die Seite. Ihr wallendes sandblondes Haar auf den Rücken werfend beugte sie ihren Brustkorb hinab, glitt dabei mit den Fingern über Herberts Schulter, präsentierte ihre weiblichen Kurven und hauchte ihm ins Ohr. Die armreifgroßen Creolen, die in ihrer Armbeuge hängende olivgrüne Henkeltasche sowie ihre Brüste, schwangen angestimmt von der wippenden Hüfte im Gleichtakt. Den Blick vom Ausschnitt ihres rosa Tops abgewandt, übernahm Tamban den Umschlag, legte ihn mit zitternden Fingern auf den Schreibtisch.

Der Verdächtige wandte den Kopf, schielte über seine linke Schulter und beobachtete, wie die Blonde ein Fuß vor dem anderem, dabei schwang sie ihr Becken, das Büro verließ. Die Lippen gepresst, winkte er den Tamban heran und zwinkerte ihm zu. »Sie sollten ein ernstes Wort mit ihrer Mitarbeiterin führen.«
Herbert senkte sein Haupt. »Weihnachtsfeier! Die Kollegen hatten eine Weihnachtsfeier!«
»Gedämpftes Blau, zartes Rosa oder Weiß mit Spitze, aber ...«, er kam Tamban näher, »feuerrote Dessous! Das beißt. Sieht nuttig aus.«
Das Gesicht von Herbert bekam eine gesunde Röte. »Sie kennen sich aus?«
Der feuerrot Gekleidete hob die linke Hand und begutachtete seine Finger. »Beraten sie ihre Frau nicht?«
Tamban ergriff den Umschlag, derweil brummte er wie ein Bär, riss ihn auf, zerrte drei Fotos heraus, breitete sie nebeneinander vor den grinsenden Gesicht des Verdächtigen aus und tippte auf das Mittlere. »Geben sie zu, sie haben den Geliebten ihrer Frau erstochen!«

Der Kostümierte ergriff das Foto, hielt es vorm Gesicht und pullte mit der freien Hand an einem mahagonibraunen Fleck. »Meinen sie, man bekommt das raus?«
»Was?«
Er wandte das Bild und hielt es Tamban vor die Nase. »Den Blutflecken vom Sofa!«. Er drehte das Foto zurück. »Der Samt ist empfindlich!«
Herbert entriss ihm das Foto, knallte es auf den Schreibtisch. »Ihre Frau wurde ermordet und sie …«, brüllte er.
Die Augen aufgerissen, schlug der Verdächtige die rechte Hand auf seinen Mund. »Ermordet! Haben sie die Täter?«

Herbert tätschelte seinen Schnauzer. War er verrückt? Oder stand sein Gegenüber unter Schock. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Täter aus Eigenschutz die Tat verdrängte. Jedenfalls waren diese Psychos der Ansicht. Diese Neunmalklugen, die in jedem Verbrecher ein Opfer sahen. Er erinnerte sich an einen ähnlichen Fall. Das Resultat war, trotz Verurteilung durch Indizien, die Unterbringung in einer Heilanstalt.
Er ging auf das Spiel ein. »Nein! Wollen sie mir helfen?«
»Gerne!«
Tamban drückte auf die Starttaste seines Diktiergerätes. »Zeugenvernehmung Christ Baum Bindestrich Ständer 24.12«. Er pochte auf seine goldene Armbanduhr. »19:56«, murmelte er und schlug auf den Tisch. »Dann gestehen sie!« Seine Mundwinkel stiegen empor. »Oder erzählen mir was geschehen ist. Ihre Frau kam, nachdem sie fremdgegangen war ins Bett«
Der Verdächtige zupfte an seiner Unterlippe. »Meine Frau geht nicht fremd.« Er strich über das rechte Foto und lächelte Herbert zu. »Pardon! Ich verstehe, ging nie fremd. Sie traf sich ein paar Mal …«, er schwankte den Kopf, »na ja, zwei …« Herbert runzelte die Stirn. »Dreimal im Monat am Wochenende mit Sascha. Sie war glücklich, entspannt.«
Herbert schielte über seine Sehhilfe. »Ich verstehe sie. Irgendwann haben sie es nicht mehr ausgehalten.« Er tippte auf das Foto mit der männliche Leiche, hob die Hand wie zum Stich bereit.
»Haben ihn beseitigt.«

»Wie kommen sie darauf. Erstens ist der Kerl nicht Sascha«. Er leckte über seine Lippen. »Außerdem, es kling für sie komisch, mochte ich ihn. Ich habe … sie verstehen … gewisse Gelüste.«
Tamban klatsche. »Weil ihre Gattin sie nicht mehr rangelassen hat … haben sie ...«
Die Augenbrauen emporgezogen, unterbrach der feuerrot Gekleidete Herbert und fuchtelte mit dem Zeigefinger in der Luft. »Im Gegenteil! Unser Sexualleben war schöner. Der Druck war weg.«
»Der Druck«, wiederholte Herbert.
»Befriedigt war sie«. Er pullte an seinen Fingernägeln. »Glaub ich. Nein! Sie verlangte, dass ich ein Ding überziehe. Dabei habe ich eine Latexallergie.«
Herbert kniff ein Auge zu und zupfte an seinen Schnauzbart.
»Eine richtige Allergie ist es nicht.« Der Verdächtige beugte sich vor, öffnete den Mund und presste einen Daumen in seine Mundhöhle. »Eher ein Ausschlag! Ich find es widerlich, wenn ein Kerl …« Er schüttelte sich und zupfte an seiner Unterlippe. »Eine Frau sich dafür bereit erklärt. Unterwürfig! Finden sie das erregend?«
Herbert warf den Kopf in den Nacken und spitze die Lippen, danach wandte er ihm sein Gesicht zu. »Weil sie eine Latexallergie haben, nötig ihre Frau ein Kondom auf.« Er tippte an seine Schläfe.
Der Verdächtige sah auf seinen Schoss. »Da nicht! Es war eher eine Reaktion - vielleicht mit dem Speichel oder mit dem Amalgam. Man hört davon.« Er faltete die Hände. »Sie war halt konsequent, nicht einmal so, sodann beim anderen Mal …« Die Lippen gepresste, legte er die Unterarme auf den Schreibtisch und faltetet die Hände ineinander. »Es war eher diese Intimität. Habe ich in der Maria - oder war es die Sabine – gelesen, dass, wenn das Sperma des Mannes mit der Schleimhaut der Frau sich vereint, kommt es zu einer Reaktion. Hormone werden ausgesandt, die das Glücksgefühl, die Lust der Frau steigern.«

Herbert vermochte sich nicht mehr zurückzuhalten, dieses weibische Rechtfertigen trieb ihm die Zornesröte ins Gesicht.
Er schlug mit der flachen Hand auf die Unterlage. »Was reden sie für einen Schwachsinn. Ich habe nie gehört, inwieweit eine Frau in Ektase gerät wenn ...« Herbert räusperte. »Abgemeldet waren sie; spielten die zweite Geige. Reinstecken erlaubt! Wie ein greiser Pavian fühlten sie sich, jener der vom neuen Alphatier die Erlaubnis hat aufzusitzen, aber seine Gene nicht mehr verteilen darf. Dafür ihre Frau sie zwang, ihren Erguss in eine Tüte zu pressen.«
Der feuerrot Gekleidete legte die Arme überkreuzt auf den Schoss. »Ich habe in meinen ganzen Leben …« Er blickte zur Seite. »Geht nicht! Ich habe das Kondom nicht …«, er stockte und zuckte mit den Achseln. Die Lippen zu einen Schmunzeln verbogen, erhob er den rechten Arm und drehte die Hand, berührte mit dem Ringfinger der Linken das Foto. »Frauen sind mitfühlend.« Er legte die flache Rechte, wie beim Empfang des Leibes unter die andere, blinzelte Herbert zu, sogleich leckte er mit der Zunge über die Finger.

Tamban schluckte, ergriff seinen Kaffee und spülte seine Gedanken herunter.
»Sie haben Recht«, hauchte Chris, derweil ein Lächeln über die Lippen des Kommissars flog. »Ich war schockiert, nicht des Schutzes wegen, sondern darüber, dass Sascha sich frei in ihr ergoss. Nein! Es war eine Marotte – nennen sie es pervers, die«, er betrachtete das Foto der Ermordeten, »meine Frau hatte.« Er legte die Arme auf den Tisch, walkte die Hände. »Die, wie sie beteuert hatte, unsere Verbindung stärkte!«

Herbert spürte, dass er dem Geständnis nahe war und strich ihm über seine bebenden Hände. »Erzählen sie, befreien sie ihr Herz.«
Der feuerrot Gekleidete verbarg das Gesicht. »Es ist mir peinlich!«
»Geben sie ihrer Seele ein Stoß. Befreit!«
Die langweiligen Seminare, die Tamban über sich ergehen ließ, schienen sich auszuzahlen.
»Nein!«

Herbert stütze sich auf den Armlehnen ab, schob sein Gesäß tiefer in den Sitz. »Sie trafen sich weiterhin in Hotels?«
»Ja!«. Der Verdächtige kniff die Augenbrauen zusammen, starrte wie nach einem biss in eine Zitrone. »In anonymen schmuddeligen Absteigen. Das geht nicht. Dabei haben wir ein gepflegtes Reihenhaus.« Er nickte. »Sie haben es gesehen – sauber und gepflegt!«
»Ja«, brummte Herbert und zwirbelte seinen Bart. »Daraufhin trafen sie sich bei ihnen?«
»Woher wissen sie das?«
»Gespür!«
»Der Sascha war nett, gepflegtes Äußeres, gute Manieren.« Sein Mund verformte sich zu einem Lächeln. »Brachte mir sogar Blumen mit«, schmachte er, hob und senkte den Brustkorb. »Dafür kochte ich ihm sein Leibgericht.« Sein Zeigefinger malte Kringel auf dem Schreibtisch. »Bratwurst mit Sauerkraut und Kartoffelpüree - selbst gestampft nicht aus der Tüte, mit viel guter Butter.«

Tambans Gedärm zog sich zusammen, woraufhin Speichel sich in seiner Mundhöhle sammelte. Das Bild, der Duft von dampfenden Gänsebraten schwebte ihm durch die Sinne.

»Süß waren die beiden, haben wie Teenager beim Essen Händchen gehalten, ein schüchterner Kuss auf die Wange, verträumtes blinzeln.«
Herbert zuckte. »Wie Bitte!« Er rieb sich den Bauch. »Beim Essen haben sie es getrieben!«
Der feuerrot Gekleidete zog den linken Mundwinkel empor und schüttelte mit dem Kopf. »Sie denken wie alle Männer nur an das eine: Romantik ein Fremdwort.« Er verschränkte die Arme vor der Brust und spähte zur Bürotür. »Selbstredend hatten sie Sex. Das Quicken von ihr beim Orgasmus drang durchs ganze Haus.« Er rieb über seine linke Wange. »Die Nachbarn!«

Das Gehirn des Täters schmolz in Herberts Händen wie Wachs, welches dem Feuer zu nah kam. Dem Lodern seiner Argumente, seinem Einfühlungsvermögen, seines Verstandes vermochte es, keinen Widerstand mehr zu leisten. Wenige Fragen trennten ihm vom Geständnis. Er legte ein verständnisvolles Gesicht auf, rollte unterdessen mit dem Bürostuhl näher an Täter heran.
Die Finger auf den Unterarm des Verdächtigen, blickte er ihm tief in seine taubenblauen Augen, auf die müden Lider. Erblickte den stecknadelkopfgroßen, verkrusteten rotbraunen Fleck an seinem rechten Mundwinkel. Er ertaste mit der Schnurbartspitze die herb buschigen weißen falschen Augenbrauen, welche mit dem marzipanfarbenen, makellosen Wangen kämpften. Herberts flatternden Nüstern zogen den Geruch von Rosenwasser, gepaart mit einer Note Nelken ein. Ein Duft, der in ihm das Bild der Mutter vorzauberte, wie sie, ihr Körper gehüllt in der gestärkten Rüschenschürze, mit einem Lächeln ihm ihren gepriesen Stollen unter die Nase hielt. Das Backwerk, an dessen Zartheit keine Kreation der Magda herankam. In gleichen Maßen seine Holde an den lukullischen Künsten der Mutter verblasste.

»Ja! Die Pein! Die Nachbarn erfahren, dass die eigene Frau sich mit einem fremden Mann vergnügt ...«

Das Klackern von Damenschuhen unterbrach ihn. Die Augenbrauen zusammengekniffen, die Stirn in Falten schlug er mit der Faust auf den Tisch. »Frau Ferigart!«
Sie warf ihr gewelltes erdbeerblondes Haar über die rechte Schulter, erhob das Haupt und stöckelte auf ihn zu. Die prallen Brüste vorstreckend, blickte sie auf ihn herab und presste dem Verdächtigen ein blütenweißes Bündel an den Hals. »Umziehen!«

Der Faden war zerrissen. Kriminaloberrat Tamban drückte auf die Pause Taste. Die Luft aus den Lungenflügeln quetschend, verdeckte er das Gesicht. Schüttelte den Kopf, unterdessen leckte er im Gedanken an Gänsebraten mit Rotkohl sowie Klößen.


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