Borris

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Borris


„Schatz!“, rief Jenny. „Hast du die Karten?“
„Sicher, Mäuschen“, antwortete Tom.
„Ist Borris wieder im Keller?“
„Warum sollte er nicht dort sein?“
„Na, weil er sich heute Mittag, als ich beim Abwasch war, tatsächlich mal bis auf einen Meter an mich herangewagt hatte.“ Sie lachte. „Er hat sich wohl erschrocken, als ich ihn anlächelte. Da ist er gleich wieder davongelaufen.“
Tom kam zu ihr ins Schlafzimmer, grinste. „Vor mir läuft er auch stets davon. Er ist halt noch sehr scheu. Aber das ändert sich vielleicht noch.“
Jenny schaute ihren Mann mit einer schiefen Grimasse an. „Meinst du?“
Dann lachten beide.
Wenige Minuten später verließen die beiden das Haus, riefen ausgelassen vor Freude auf das bevorstehende Konzert „Tschüss, Borris!“.

Borris spürte die Ruhe, die nach einer Weile einkehrte. Er mühte sich die Kellertreppe hinauf. Ja, er hatte wirklich ein wenig Mühe mit den steilen Stufen. Aber er hoffte, dass er noch irgendein Leckerchen in der Küche finden würde. Ob Jenny und Tom das bewusst für ihn arrangierten? Es passierte nämlich durchaus häufiger. Was sie damit bezweckten, war ihm zwar schleierhaft, aber wie heißt es so schön: Bei netten Geschenken stellt man keine Fragen.

Nach einer Viertelstunde erfolglosen Suchens trottete Borris zurück in seine heimeligen Gefilde, wo er selbstredend eigene Essensvorräte vorhielt.
Er liebte das Halbdunkel des Kellers. Licht war nicht notwendig, denn die Fenster waren groß genug, um den ganzen Raum überblicken zu können. Schon oft fragte er sich, warum Jenny und Tom ihn dauernd mit diesem grellen Licht erschrecken mussten, wenn sie zu ihm hinunter kamen. Waren ihre Augen so dermaßen schlecht?

Borris marschierte in den Nebenraum, besuchte seinen Kameraden Chami. Dort traf er auch den dritten im Bunde, Zakko. Die drei teilten sich die Kellerräume brüderlich. Borris hatte jedoch den größten Raum für sich.
„Hey, wie geht es euch?“, fragte Borris.
„Alles super!“, grölte Zakko. „Angenehme Temperatur, schön schummrig und genug zu futtern, was ich mit niemandem teilen muss.“
„Und du, Chami?“
„Ja, alles gut“, antwortete dieser schüchtern. „Ich habe mein Auskommen.“
„Du bist immer so bescheiden, mein Freund. Ich habe auch alles, was ich brauche, aber heute habe ich oben nichts gefunden. Schade.“
„Dass du dich dauernd zu ihnen hoch wagst, finde ich schon mutig, Borris“, meinte Zakko. „Ich bin zwar nicht feige, aber ich habe doch lieber meine Ruhe hier unten. In meinen Raum kommen sie gar nicht so oft.“
„Aber wenn ...“, neckte Borris den Kameraden.
„Ja, dann nerven sie echt. Stimmt.“
„Die kommen heute bestimmt sehr spät heim. Machen wir uns einen gemütlichen Abend, Jungs.“

Doch nach einer Stunde kamen Jenny und Tom bereits heim. Der Künstler war nach der Probe von der Bühne gestürzt, hatte sich ein Bein gebrochen und eine Gehirnerschütterung zugezogen. Das Konzert musste abgesagt werden.
„So ein verdammter Mist!“, fluchte Jenny, als sie die Haustür öffnete.
„Was machen wir jetzt, Schatz?“, fragte Tom.
„Also ich habe jetzt Lust auf etwas, wo ich meinen Frust richtig abbauen kann. Wie wäre es, wenn wir den Keller mal gründlich aufräumen und putzen?“
„Das schieben wir schon seit Wochen vor uns her. Da hast du wohl recht.“
„Also, ran ans Werk!“

Sie gingen zuerst ins Schlafzimmer, wo sie die guten Klamotten, die sie sich zum Konzert angezogen hatten, ablegten, sich anschließend Jogginghose und T-Shirt überstreiften.
„So, wo fangen wir an?“, fragte Jenny. „Ich würde sagen in der Werkstatt. Da hast du nach den Sägearbeiten vor ein paar Monaten bestimmt nur grob gefegt.“ Sie grinste ihn an, denn sie wusste, dass sie recht hatte.
Tom lachte. „Erwischt. Ist ein guter Plan. Da ist bestimmt der meiste Dreck liegengeblieben. Ich hole den großen Staubsauger und fange damit an.“
„Dann räume ich schon mal die Regale im Heizungsraum leer. Auf geht’s!“

Tom ging zunächst in die Garage, um den Staubsauger zu holen, den sie extra für Verschmutzungen angeschafft hatten, die über die häusliche Boden- und Teppichpflege hinausgingen.
Sie stiegen die Kellertreppe hinab, schalteten in allen Räumen Licht an und machten sich ans Werk.

Ach, nee, dachte Borris, warum sind die denn schon wieder heim? Das Licht blendete. „Jungs, die Party ist vorbei!“
Sie hatten es sich im Heizungsraum gerade gemütlich gemacht. Nun rannten sie davon, bemühten sich, ein geeignetes Versteck zu finden oder einen Durchgang zum Nachbarraum zu wählen, wo sie von Jenny und Tom möglichst nicht bemerkt wurden.
Es schien ihnen gelungen zu sein, denn die beiden hatten keine Augen für sie, waren völlig fixiert auf ihre Arbeit.
Und dann steckte Tom den Stecker des Staubsaugers in die Dose und schaltete das Gerät ein.
Die Werkstatt war Zakkos Raum.
Oh, mein Gott, dachte er, dieses Monster macht ja einen Lärm!

Nach einer Weile schaltete Tom das Gerät wieder ab. „Sag mal, Mäuschen. Hast du Borris irgendwo gesehen?“
„Weiß nicht.“ Sie schaute unter die Regale. „Ja, hier ist er.“
Doch ganz schnell war er fort, verbarg sich hinter dem Regal. Allerdings war es nicht Borris, sondern Chami.
„Moment mal, hier ist er“, kam von Tom zurück.
Doch er hatte Zakko entdeckt.
Tom ging in den Nebenraum, Jenny kam von der anderen Seite in denselben, blickte an das Fenster und rief: „Nee, da ist er! Hallo, Borris. Dann haben wir wohl drei davon.“

Borris saß im oberen Eck des Kellerfensters. Er fühlte sich beobachtet. Doch er dachte bloß, hatte sich das schon lange gefragt: Woher kennen diese Menschen meinen Namen?
 

Matula

Mitglied
Ich weiß auch, dass das Spinnen-Mädchen, das neulich auf Besuch war, Eulalia hieß ...
Sehr gern gelesen.

Schöne Grüße,
Matula
 

Bo-ehd

Mitglied
Sorry, Rainer Zufall, ich kapiere den Sinn dieser Geschichte nicht und wundere mich, dass es Menschen gibt, die nach einem abgebrochenen Konzert abends in die Joggingklamotten steigen, um bis in die Nacht den Keller zu entrümpeln. Normalerweise setzen die sich auf die Terrasse und machen eine Flasche Wein auf. Und welche Rolle spielen die Kellerbewohner eigentlich?
Gruß Bo-ehd
 
Hallo Bo-ehd,
tja, die einen besaufen sich aus Frust, die anderen toben sich beim Kelleraufräumen ein bisschen aus. Wo ist das Problem?
Vielleicht sollte ich erwähnen, dass die Geschichte für einen Contest bzw. eine Lesung geschrieben wurde. Das Thema war "Monster im Keller" bzw. etwas allgemeiner "Monster". Die Geschichten sollten einen leicht humorigen Anschlag haben.
Das Monster ist in meinem Fall der Staubsauger, den die Kellerbewohner nicht mögen. Dir ist offenbar nicht aufgefallen, dass die Geschichte im weitesten Sinne aus der Sicht dieses Kellerbewohners namens Borris geschrieben ist. Es ist ein Ausschnitt aus seinem Leben.
Schöne Grüße,
 
Lieber Rainer Zufall,

mir geht es teilweise so wie Bo-ehd.

Ich wüsste nicht, warum man "aus Frust" in den Keller geht, um dort aufzuräumen oder zu putzen, wenn das Konzert abgebrochen wurde. Für mich ist das an den Haaren herbeigezogen. Ich hatte auch sofort an eine Flasche Wein gedacht, die man köpft. Man hört sich dann ganz gemütlich eine CD des Künstlers an, und zack ist alles vergessen.
Wird das Konzert wiederholt, behalten die Karten (hier fragte ich mich anfangs, um welche "Karten" es geht; passender wäre "Tickets" gewesen) ihre Gültigkeit, dass die beiden wieder in Vorfreude sind?

Der Titel machte neugierig, da ich mich wunderte, warum Boris, so wie ich die Schreibweise kenne, mit zwei r geschrieben wird.

Das mit dem Konzert ist m.E. zudem völlig zusammenhangslos zum Rest der Geschichte. Da hätte auch jemand seinen Zug verpassen können oder die Stromrechnung mit verteuertem Tarif trudelte rein.

Verstehe ich es richtig, dass die beiden Menschen nicht wussten, dass sie drei anstatt ein Haustier(?) haben?
Junge/ein Wurf scheinen es nicht zu sein, die frisch hinzugekommen sind.

Etwas abgerundeter könnte du die Story gestalten, wenn du den Anfang am Ende wieder aufgreifst, dass sie beim Frust-Putzen z.B.die Musik-CD oder Konzert-DVD finden und sich diese am Schluss reinziehen.
Aber ich denke, darum geht es dir gar nicht. Du hast einen, für mein Empfinden, x-beliebigen Grund gesucht, warum da jemand den Keller reinigt/aufräumt. Es fehlt das Besondere. Sorry.

Details:
Im ersten Absatz wird nur gelacht etc.:
Sie lachte; grinste; Dann lachten beide.
Finde ich zu viel.

Später geht es mit dem Lachen weiter; ich kann leider nicht mitlachen:
Sie grinste ihn an, Tom lachte.

„Die kommen heute bestimmt sehr spät heim. Machen wir uns einen gemütlichen Abend, Jungs.“

Woher weiß er das?

„So ein verdammter Mist!“, fluchte Jenny, als sie die Haustür öffnete.
Sie verlassen den Konzertsaal, fahren nach Hause und so, nach gefühlt einer halbe Stunde, flucht sie erst?
Für mich ein konstruierter Dialog für den Leser.

Du steuerst viel über Dialoge, anstatt zu zeigen:
„Erwischt. Ist ein guter Plan. Da ist bestimmt der meiste Dreck liegengeblieben. Ich hole den großen Staubsauger und fange damit an.“
„Dann räume ich schon mal die Regale im Heizungsraum leer. Auf geht’s!“

Dann zeigst du es doch teilweise:
Tom ging zunächst in die Garage, um den Staubsauger zu holen, den sie extra für Verschmutzungen angeschafft hatten, die über die häusliche Boden- und Teppichpflege hinausgingen.
Eines von beiden könnte man sich sparen.

oder einen Durchgang zum Nachbarraum zu wählen, wo sie von Jenny und Tom möglichst nicht bemerkt wurden.

Ist da also alles zugemüllt, steht alles voll? Das geht aus den (fehlenden) Beschreibungen nicht hervor.

Tom ging in den Nebenraum, Jenny kam von der anderen Seite in denselben, blickte an das Fenster und rief: „Nee, da ist er! Hallo, Borris. Dann haben wir wohl drei davon.“
Hier noch etwas, das ich nicht verstehe. Sie wissen nicht, dass sie "drei davon" (wovon eigentlich?) haben?

Woher kennen diese Menschen meinen Namen?
Verstehe ich nicht. Wenn Borris ein Hund ist, werden sie ihn ja wohl nicht heute zum ersten Mal gerufen haben.

Außerdem finde ich nicht, dass die Geschichte überwiegend aus Borris' Sicht geschrieben ist. Das ist eher halb Erzähler, halb Borris.

Auch wenn jetzt nicht viel Positives kam, hoffe ich doch (nein, ich weiß es), du kannst mit meinen Anmerkungen etwas anfangen.

Liebe Grüße, Franklyn Francis
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich hatte auch so meine Probleme beim Lesen und Verstehen der Geschichte.

Richtig gründlich saubermachen tut das Paar ja nicht, denn es lässt die Spinnen - oder eine? - leben.

Dass der Mann seine Frau "Mäuschen" nennt, ist jetzt irgendwie sehr unpassend. Noch ein Tier?? :)

Monster im Keller könnte doch Borris sein - oder jetzt doch der Staubsauger?

Alles etwas verwirrend.

Eine Schwäche ist auch der Wechsel der Erzählperspektiven. Ein Mal aus Sicht von Borris, ein anderes Mal aus der Sicht eines auktorialen, allwissenden Erzählers.

Ganz schwach wird eine Geschichte aber, wenn der Autor sie erklären muss!

Die Grundidee ist ja ok, aber die Umsetzung m.E. nicht so gelungen.

Gruß DS
 

Matula

Mitglied
Guten Abend!
Ich finde, dass die Geschichte sehr schön zeigt, dass Menschen unter Umständen (anderen) Tieren Persönlichkeit zuschreiben, indem sie ihnen Namen geben. Man nennt das landläufig "Vermenschlichen", aber allmählich wird schon klar, dass viele Unterschiede zwischen "uns" und "ihnen" konstruiert sind oder auf mangelndem Wissen beruhen. In meiner Kindheit dachten die meisten, dass zB Hunde ein Programm von Reflexen abspulen und kein Bewusstsein haben. Dass es anders ist, bringt die Geschichte gut zum Ausdruck: Borris heißt tatsächlich Borris und hat Persönlichkeit. Wer oder was er ist, bleibt der Phantasie überlassen.

Schöne Grüße,
Matula
 
Hallo zusammen,
ich muss zugeben, ich bin ein wenig irritiert. Ich habe nach der Lesung und auch bereits in der Vorbereitung darauf durchweg positive Rückmeldungen bekommen. Zwar ein oder zwei Nachfragen, aber die Geschichte hat die Leute zum Schmunzeln gebracht. Und so soll sie auch verstanden werden. Hätte ich sie deshalb in 'Humor und Satire' einsortieren sollen?

Aber der Reihe nach.

Franklyn Francis:
Schön, Dich mal wieder zu lesen, auch wenn Du mich ein wenig erschreckt hast ...;)
Karten, das ist das deutsche Wort für Tickets, oder?
Das mit dem vielen Lachen, okay, kann man ein wenig reduzieren.
Woher er weiß, dass sie spät heimkommen werden? Erfahrung! Wenn sie abends aus dem Haus gehen, sind sie stets ein paar Stunden fort.
wovon eigentlich? Na, Du hast es nicht gleich erkannt, das war der Plan. Lasse Deine Fantasie spielen.

DocSchneider:
Du tötest Spinnen?o_O Also wir fangen sie ein und setzen sie in den Garten. Das trifft zumindest auf die gewöhnlichen Langbeine und Zitterspinnen zu. Borris jedoch ist eine Große Winkelspinne. Die versteckt sich meist in Mauerritzen. Und da kommt sie auch freiwillig nicht raus, wenn man sie darum bittet.;)
Obwohl mir das mit dem 'aus der Sicht von Borris'-Schreiben nicht ganz gelungen ist, so kann aus dessen Sicht natürlich nur der Staubsauger das Monster sein, das ihm gefährlich werden könnte.
Dein eingeschaltetes Schummerlicht passt ja zur Vorliebe meiner Protagonisten ...;)

Matula:
Wenigstens einer, der meine Intention erkannt hat.:cool:

InDerStadt:
Danke für's Lesen.:)

Blue Sky:
Danke für's Lesen und Beleuchten.:)

Liebe Grüße,
 



 
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