Bottleneck

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Marc H.

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Bottleneck


Ich hocke vor meinem halbleeren Glas Bier und blicke gelangweilt aus dem trüben Fenster des Bottleneck auf den angrenzenden, schmalen Strand hinaus. Der feucht-schwere Wind sprenkelt die Scheibe mit salzigen Tröpfchen. Ein Rudel Seemöwen schlägt sich um Krabbenkadaver, die an den Strand gespült werden. Nicht immer gewinnt die Fetteste. Der Hunger macht die Dürren unter ihnen stark und flink. Marvin steht am Zapfhahn hinter der Bar. Mit Sorgfalt spült er die Biergläser, vertieft in irgendeinem Gedanken, der ihm ein schmales Lächeln ins Gesicht zaubert. Mein Blick wandert rüber zum Billardzimmer. Damals pustete dort ein Mex dem jungen Chuck Miller den Hinterkopf weg. Sie gerieten um ein wenig Kohle mächtig in Streit. Das Einschussloch in der Stirn war gerade mal so groß wie eine Rosine. Im Hinterkopf des Jungen klaffte ein faustgroßes, gezacktes Loch. Knochensplitter, Haare und ein blutiger Pudding zierten den Filzbelag des Tisches und die dahinter angrenzende Wand. Ich hörte Marv noch brüllen: „Wisst ihr verdammten Wichser eigentlich, wie teuer es ist, so einen Tisch neu beziehen zu lassen?“
Der Bohnenfresser hörte es nicht mehr. Er war längst zur Hintertür raus und rettete seinen knochigen Arsch damit vor dem Stuhl, auf dem er gebraten worden wäre. Chuck hörte es ebenfalls nicht mehr. Wenn doch, hat er Marvin sicher den Finger aus dem Jenseits gezeigt. Kurz danach wimmelte es hier im Ort von Bullen, die uns verhörten. Ein absolutes Highlight hier in diesem Kaff. Die Gäste blieben eine Zeit lang fern. Aber das Bottleneck ist die einzige Bar im Ort und bald kamen sie widerwillig aber durstig zurück in Marvs Spelunke.
Nicht weit von mir entfernt hockt Rose auf ihrem Hocker vor der Bar. Ihr verbrauchtes Gesicht wie immer verkleistert mit zu viel Schminke. Besonders ihre wulstigen Lippen. Ihre üppigen Schenkel ragen unter einem viel zu engen und kurzen Rock hervor. Mein Blick verharrt eine Zeit lang auf ihren nackten Beinen. Ich nehme noch einen großen Schluck und gehe zu ihr rüber. Ich lege einen Fünfer vor sie auf den Tresen. Sie blickt mich aus trüben, gelangweilten Augen an, seufzt kurz, geht dann aber vor mir runter auf die Knie. Sie packt meinen Lümmel aus und beginnt zu saugen. Ich blicke ihr nicht ins Gesicht. Sie stützt ihren massigen Körper auf einem Knie ab. Den anderen Schenkel hat sie angewinkelt. Mein Blick wandert an den zarten Innenseiten des Schenkels hinab zu ihrem offenen Heel, den frisch rot lackierten Nägeln und dem niedlichen Zehenring. Immerhin etwas. Ich grunze kurz auf, zucke und schieße eine satte Ladung in ihren Mund ab. Rose packt meinen Halbschlaffen wieder in die Hose. Für einen Fünfer kann man nicht meckern. Ich streiche ihr durchs Haar. Good job Rose.
Sie erhebt sich, schiebt Marvin den Schein rüber. Marv schenkt ihr ein Glas Whisky ein. Sie kippt ihn ex, spült ihren Mund damit und schluckt.
„Geht aufs Haus, Rose.“
Diesmal bleibt der Fünfer komplett für sie.
Ich hocke mich wieder an meinen Tisch. Mein Glas ist leer. Ich nicke Marvin kurz zu und er zapft mir prompt ein frisches Bier und stellt es vor mir ab. Wir grinsen uns zu. Männer müssen nicht reden, um sich zu verstehen.
Ich blicke wieder verträumt hinaus zum Meer. Die Möwen tummeln sich noch und streiten um das Aas. Die Sonne wandert gemächlich herab und versinkt schließlich halb in einem orange-rötlichen Spiegel am Horizont. Aus der Wurlitzer tönt Bob Segers Against The Wind.

It seems like yesterday
But it was long ago
Janey was lovely she was the queen of my nights . . .
 
Zuletzt bearbeitet:

Vitelli

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Hey Marc, gerne gelesen. Schön Western-mäßig, was ich mag. So 'n bisschen Jim Thompson meets Charles Bukowski.

Für mich die Beschreibung einer Art Vorhölle; die Protagonisten sind verdammt an diesem Platz sein. Sie können - oder wollen - nicht weg.
Sing: "You can check out any time you like, but you can never leave"

Gut finde ich, dass du dem Erzähler Worte in den Mund legst, die er tatsächlich gesagt hätte (Mex, Bohnenfresser). Die Mövengeschichte ist zudem eine schöne Klammer (Anfang/Ende). Die Pointe am Ende gefällt mir auch. (Seger schreibt man allerdings mit einem 'e'.)

Für meinen Geschmack hätte alles ein bisschen weniger drastisch sein können. Ich bin nicht zart besaitet, aber Gehirn auf dem Billiardtisch und 'ne Fellatio am Tresen, okay, gab es, gibt es. Hätte es m.E. aber nicht gebraucht. Aber das ist wohl Geschmackssache.

VG
 

Marc H.

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Herzlichen Dank für deine nette Meldung, Vitelli. Ja, ich mag die raue ungeschminkte Sprache. Natürlich liebe ich Bukowski. Danke für den Tip mit Thompson. Werde ich mal versuchen ;) das mit Bob Seger ist mega peinlich. Hab das korrigiert. Danke herzlichst.
 

Vitelli

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Zu Thompson: Beginne nicht mit den verfilmten Klassikern (The Getaway; The Killer Inside Me; Grifters), sondern mit der unverfilmbaren Savage Night - das krasseste Ende, das ich jemals las.
 

Marc H.

Mitglied
Danke, Mann. Habe mich derzeit in David Peace verbissen. Auch sehr "sympathische" Sprache. Savage Night gucke ich mal nach dem deutschen Titel. Kommt ganz sicher noch dran. ;)
 

Sammis

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Hallo Marc!

Gefällt mir gut!
Finde jedoch, dass da so manches drinsteckt, was für meine Ohren fehl am Platz ist. Dürfte für meinen Geschmack noch karger und direkter daherkommen. Ausschmückungen braucht es nMn nicht. Denke, bei derartigen Erzählungen ist weniger definitiv mehr! War so frei das nachzuerzählen. Hat mich einfach so überkommen, finde deine Art zu schreiben recht inspirierend.

Gruß,
Sammis


Ich hock hier vor meinem halbleeren Glas, zerfledere den vierte Bierdeckel und starre durchs trübe Fenster auf den Strand hinaus. Naßer Wind sprenkelt die Scheibe mit salzigem Wasser, ein Rudel Möwen streitet sich um Krabbenkadaver. Der Hunger macht die dürren zäh und flink, nicht immer gewinnen die fetten. Marvin steht am Zapfhahn, poliert gedankenverloren Gläser. Ein schiefes Lächeln hängt auf seinem Gesicht.
Drüben im Billardzimmer pustete einst irgendein Mex dem jungen Chuck Miller den halben Schädel weg. Wegen ein paar Kröten gerieten sie in Streit. Das Loch in seiner Stirn war so winzig wie eine Rosine. Aber der Hinterkopf des Jungen klebte als Pudding aus Knochensplitter, Haare und Gehirnmatsch an der Wand.
„Und wer wischt die Sauerrei jetzt auf?“, hörte ich Marv noch brüllen.
Aber der Bohnenfresser war längst zur Hintertür raus und bewahrte dadurch seinen knochigen Arsch vorm Stuhl. Chuck hörte es eh nicht mehr.
Kurz darauf wimmelte es hier nur so vor Bullen, die uns in die Mangel nahmen. Das was das Highlight in dem Kaff hier!
Eine Zeit lang blieben die Gäste dann aus. Aber das Bottleneck ist die einzige Bar hier, also kamen die Säufer zurück in Marvs Spelunke.

Unweit von mir hockt Rose auf ihrem Stuhl. Ihr verlebtes Gesicht ist von zu viel Schminke verkleistert und ihre fetten Schenkel quillen unter dem kurzen Rock hervor. Mein Blick klebt einen Augenblick auf ihren nackten Beinen. Ich nehme einen großen Schluck und gehe zu ihr rüber.
Ich halt ihr einen Fünfer hin und Rose schaut mich gleichgültig an. Dann seufzt sie und geht runter auf die Knie. Ich packe meinen Lümmel aus und sie beginnt zu saugen. Ich schau ihr nicht ins Gesicht. Ihr massiger Körper hängt schief auf einem Knie. Das andere Bein hat sie angewinkelt. Mein Blick wandert die Innenseite ihres Schenkels hinab, hin zum offenen Heel, zu den rot lackierten Nägeln. Kurz darauf grunze ich, zucke und schieße meine Ladung in ihren Mund.
„Good job“, sage ich und streich ihr durchs fettige Haar.
Schwerfällig kommt sie hoch und trägt den Schein zu Marvin. Marv schenkt ihr einen Whisky ein, den Rose sogleich ex runterkippt.

Ich hocke mich wieder an meinen Tisch, mein Glas ist leer. Ich nicke Marvin zu und er zapft mir ein frisches Bier. Wir grinsen. Worte bedarf es nicht.
Dann schau ich wieder aufs Meer hinaus, wo sich die Möwen noch immer um das Aas schlagen. Die Sonne sackt hinterm Horizont weg und aus der Jukebox tönt Bob Segers.

It seems like yesterday
But it was long ago
Janey was lovely she was the queen of my nights
 

Marc H.

Mitglied
Herzlichen Dank, Sammis. Gefällt mir sehr gut, deine Nacherzählung. Durch unsere Inspiration, erhalten wir das Biest am Leben. Blieb dran!
Beste Grüße, Marc
 
Hallo Marc H.,

ich liebe Western. Eine schöne Abwechslung hier. Für meinen Geschichte ist die Geschichte auch nicht zu drastisch, ich finde sie genau richtig so, wie sie ist.

Schöne Grüße
SilberneDelfine
 



 
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