Bruchstücke

4,60 Stern(e) 72 Bewertungen

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
ob man will...

viele gesichter wohnen in ihr
ein helles ein dunkles
und tief drinnen eines
dessen farbe ihr unbekannt
mit 18 sagte man
sie solle sich für ein gesicht entscheiden
sie wählte das unbekannte
und machte sich auf den weg
 
O

orlando

Gast
Hallo Otto,
ich versuche gerade dieses interessante Foto zu "entschlüsseln:"
Schwarzes Haar, das im Kamm zurückgeblieben ist? -
Auf jeden Fall werde ich diese Deutung einmal selber knips-probieren ...
LG, orlando
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich melde mich mit großer Freude im Musenleben zurück

Wobei…finde sie mal, die gute alte Muse.
Ich meine, wenn du so monatelang dein Haus am behämmern bist, tagein-tagaus, das Hilti-Vorschlag-Hammergehämmere über Hände, Arme, Oberkörper, in deinen Kopf hinein hämmert, schaltet das Hirn irgendwann einmal auf Durchzug…
…und im Rahmen dieses Durchzugs scheint sich meine Muse gedacht zu haben: Ich bin doch nicht behämmert. Mir reichts…ich wander aus!
Ja…und so stehste dann da. Hirn- und musenlos.
Da beginnen alle Sätze, alle Verse, mit: ÄÄÄhhhh, hmm, jaaaa nee nee doch, ach nein.
Ich mein, so ne alte Muse haste schnell zu Hand.
Eine die auf längst von dir geschriebene Gedanken ruht.
Aber wer will so was schon.
So ne pampelische Muse. Hab ich grad die Tage eine beim Real gesehen.
In der Obst- und Gemüseabteilung.
Die alte Meyern war´s. Unsere beliebte Heimatdichterin.
In deren ‚Gedichte‘ es nur so von Auen, Weiden und Gründen wimmelt.
Wo die Kirschblüten kommen, bleiben und wieder gehen.
Und hell und leuchtet und dieses ganze Horizontgedöns.
Von der piependen, fliegenden Zunft ganz zu schweigen.
Ja, oh ja, die Farben erst. Im bösen Herbst ganz braun….und dann so weiß – so weiß – und dann und dann der frühe bunte Ling und sommerwärts so gelb so gelb.
Alles alles ja so ja, mit ein paar Flecken braun.
Ich könnte sie. Nicht etwas weil´s mich kotzt bei ihrer Schreibe, nein,
es kotzt mich dass sie überhaupt was schreibt, und ich,
der einst von allen Musen stets geküsst, vor mir – in mir stehe, denkend:
ÄÄÄhhhh, hmm, jaaaa nee nee doch, ach nein.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Der blutrote volle Mond verschleiert sich
hinter einem grauen Wolkenvorhang.
Doch er trügt uns nicht.
Weder den Gockel auf dem Kirchturm,
noch meinen unschuldigen Kater,
der unter dem Flieder lauernd darauf wartet,
dass eins von diesem schuldigen Rattenpack
seinen Weg kreuzt. Wir wissen um deine Schuld,
Mond. Unser Nachbar schreit sie seiner Alten
zwischen die Beine. Rot, so rot. Du, du sagst,
du wünschtest dich auf die dunkle Seite,
während wir die Nachbarsstute schreien hören.
Ja, oh ja, da wünschte ich uns hin. Uns beide.
Auf die dunkle blutrote Seite des Mondes.
Ohne Schleier. Wo Gockel, Kater, Flieder,
dieses verfluchte Rattenpack von Nachbars-
stute und ihrem Hengst unseren Weg kreuzen.
Um uns zu huldigen.
Wie wir da monden. So rot, so blutig rot.
 

rogathe

Mitglied
mondfarbe

mein mond ist ampelrot
halt
inne mit campari - oder so -
wie heute die pinien duften
und die zikaden konzertieren
bis der horizont
vor uns aufsteht
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich denke gerade an die lyrischen Lieder des Psarandonis auf Kreta.
Meine Frau und ich saßen unter einem Johannisbrotbaum,
tranken roten Karavitakis, lauschten dem klagenden Klang
der Lyra, die den Sonnenuntergang zu beweinen schien.
Am Tag hatten wir das Grabmal von Kazantzakis besucht.
Dessen Grabinschrift ging mir nicht aus dem Kopf:

Ich erhoffe nichts. Ich fürchte nichts. Ich bin frei.

So einfach. So unfassbar einfach.
Aber doch so weit jenseits meines Lebens wie der unerreichbare Horizont.
Es war das erste Mal, aus diesem Grund komme ich darauf,
dass mich die Zikaden mit ihrem endlosen Gesang nicht nervten.
Der Wein, die Lyra, Psarandonis Gesang, dieses Wissen,
dass, wäre ich hier geboren, es hätte so sein können,
und es für einen kurzen Augenblick hier und jetzt auch so war,
machten mich still.

Für einen Moment erhoffte ich nichts. Ich fürchtete nichts.

Ich war frei.

Hier unterm Johannisbrotbaum.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Tage wie streunende Hunde
Und ich außen vor an der Leine
Voller Neid auf die äußerliche Kargheit
Durch die Haut schimmernder Knochen
Der streunenden Brut
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Der Mond
Hängt ganz schön in den Seilen
Da hat er was mit mir gemein
Auch dieses Kalb und dieser Mann
Sind mir nicht fern
Wie sie da einsamen
In fernen Gefilden
Nur als Idee in Köpfen schwirren
Nur eine Idee in fremden Köpfen
Köpfen
Die sich ein gemeinsam erträumen
Das es nicht gibt
Dass es das Nichts gibt
Nur das wahre Nichts
Und wir glauben, glauben,
Dass es sich gut anfühlt
So zusammengeschnürt
Zu einem kleinen Päckchen Leben
Das es nicht gibt
Und die Erkenntnis
Lässt uns wahnsinnen
In unseren Häusern
Die es nicht gibt
Wie dies Leben
Unsinkbar
Laut nautischer Metapher
Wohl war
Dieses Nichts
Grundlos unterkellert
Maybe it's the weather
But I got nothing in my heart
Singt mein kaltes leeres Herz
Grundlos
Bitte bleib
Wie du bist
Nun
Da ich graue und drohne
Übers kosmoverse Nichts hinweg
Mir ist arg
So arg
In meinem Kopf
Der nur eine Idee des Nichts
Ist
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Für Serge

vielleicht ist das nichts das wahre, und all unser träumen hat kein
wirkliches sein.

- marcel proust -



Es war einmal ein verwirrtes Warr
Es irrte wie von Sinnen durchs nichtige Sein
Schrie:
Sein oder nicht sein - Wie kann das Sein
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
erst fühlte es sich wie ein sieg an
doch blau ist eine einsame farbe
geteilt nur mit sich selbst
 



 
Oben Unten