Bürger X im Krankenhaus (Reboot ä)

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Schreibfan

Mitglied
Ich werfe mal noch ein drittes Gedicht in die Runde, auch ein älteres, das für die Einreichung der von mir schon benannten Ausschreibung in Frage kommen könnte. Es ist vllt unter den dreien (Lobhudelei... Dreadlock Mädchen) am geeignetsten für den "Mainstream"?

Bürger X im Krankenhaus

Eine dystopische Ballade zum Thema Pflegenotstand

Bürger X, gewohnt zu ackern,
gegen Schmerz schon imprägniert,
hat das Ziehn der linken Seite
viel zu lange ignoriert.

Bürger X liegt schon am Boden
als der Notarztwagen parkt.
Junger Arzt im weißen Kittel.
Diagnose: Herzinfarkt!

Bürger X kann es nicht wissen:
Dieser Arzt hat nie studiert!
Er ist 16 und belesen.
Billigkraft, die volontiert!

Bürger X kommt in die Klinik
und erwartet freilich die
nette, kompetente Pflege
einer 'Schwester Stefanie'.

Bürger X liegt auf dem Gange,
sieht ne Frau mit Steingesicht.
Doppeldienst macht halt nicht hübscher.
Freundlicher gleich zweimal nicht.

Bürger X beginnt zu frieren
und er müsste mal aufs Klo.
Kann vielleicht ein Pfleger helfen?
"Gleich. Moment noch, bitte.... No! "

Bürger X fünf Stunden später:
Klo ist nicht mehr das Problem...
... aber so im Nassen liegen,
ist halt auch nicht angenehm!

Bürger X'ens große Stunde:
Heute wird er operiert:
Dies erledigt schnell ein Klempner,
der sonst Leitungen montiert!

Bürger X am Himmelstore.
Zettel (Petrus): "Pforte dicht!
Pflegenotstand auf der Erde.
Schaffs nicht mehr, trotz Dreifach-Schicht."

Hannah May 2019/2023
 

Schreibfan

Mitglied
Anbei zum Vergleich die alte Version:


Buerger X im Krankenhaus
Eine dystopische Ballade...vllt schon bald Realität:

Bürger X, gewöhnt zu ackern,
gegen Schmerz schon imprägniert,
hat das Ziehn im linken Arme
viel zu lange ignoriert.

Bürger X liegt schon am Boden,
als der Notarztwagen parkt.
Junger Arzt im weißen Kittel.
Diagnose: Herzinfarkt!

Bürger X kann es nicht wissen:
Dieser 'Arzt' hat nie studiert.
Er ist 16 und belesen.
Billigkraft, die volontiert.

Bürger X kommt in die Klinik
und erwartet freilich die
nette, kompetente Pflege,
einer 'Schwester Stefanie'.

Bürger X liegt auf dem Gange.
Sieht ne Frau mit Steingesicht.
Doppeldienst macht halt nicht hübscher.
Freundlicher gleich zweimal nicht.

Bürger X beginnt zu frieren
und er müsste mal aufs Klo.
Gibt's hier vielleicht noch nen Pfleger?
Nun, ganz offensichtlich:No!

Bürger X, fünf Stunden später:
Klo ist nicht mehr das Problem
...aber so im Nassen liegen,
ist halt auch nicht angenehm.

Bürger X'ens große Stunde:
Heute wird er operiert.
Von dem hausinternen Klempner,
der sonst Leitungen montiert.

Bürger X am Himmelstore.
Zu! Ein Zettel dort im Licht:
" Pflegenotstand auf der Erde!
Himmel voll! Mach Dreifach-Schicht.

Gruß, Petrus.
 

anbas

Mitglied
Moin Schreibfan,

ein Gedicht, das mir sehr gut gefällt: Guter, böser Humor mit einer wichtigen Aussage.

Über zwei Dinge würde ich noch einmal nachdenken.

Zum einen wirkt das Wort "imprägniert" wie ein Fremdkörper auf mich.
Mir ist kjlar, dass es schwierig ist, hier etwas zu ändern.
Eine Möglichkeit wäre
gegen Schmerz immunisiert,
Doch das "schon" in Deiner Fassung halte ich hier für wichtig.
Alternativ könnte man auch schreiben
gegen Schmerz schon isoliert
Der andere Punkt ist der mit der Scwester Stefanie. Der Hype um diese Serie ist schon lange vorbei. Nicht jedem sagt das noch was.

Soweit mein Senf hierzu. Ich hoffe, Du kannst was damit anfangen.

Liebe Grüße

Andreas
 

sufnus

Mitglied
Die Deadline für die Einreichung komischer Lyrik, auf die sich Hannah bezieht, war ja schon am letzten Sonntag, glaube ich.
Insofern sind unsere Diskussionen jetzt zielführender für die nächste Ausschreibung (aber nach dem Spiel ist ja bekanntlich vor dem Spiel). :)
Ich hoffe jedenfalls, dass unsere Einwürfe/Vorschläge/Kommentare zu irgend getaugt habe. Falls Du der UND etwas geschickt hast, liebe Schreibfan, auf alle Fälle gedrückte Daumen! :)
Das Einsenden von Beiträgen an seriöse (!) Literaturzeitschriften oder Anthologie-Ausschreibungen ist ja eine durchaus etwas den langen Atem voraussetzende Tätigkeit. Das Schreiben der Texte ist hier nur ein Baustein neben der klugen Auswahl des Adressaten, an den man etwas schickt und der Zusammenstellung eines ansprechenden Portfolios von Texten, die bei den Ausschreibenden Begehrlichkeiten für den Druck wecken. ;)
Und dann kommt noch der Umstand ins Spiel, dass Entscheidungsprozesse häufig viele Monate Zeit in Anspruch nehmen (und unbotmäßiges Gedrängel von Autor*innen-Seite hier i. d. R. eher kontraproduktiv ist). Am besten man hat in dem Bereich also, schön zeitlich gestaffelt, immer mehrere Einreichungen am Start (ohne dabei das hässliche Instrument der Mehrfacheinreichung eines Textes zu bemühen ;) ).
LG!
S.
 

Schreibfan

Mitglied
Lieber Anbas, lieber Sufnus. Ganz herzlichen Dank für euren Einsatz auch hier. Es ist, drei Minuten vor Einsendeschluss, letzte Woche doch dieses Gedicht hier geworden. Anbas, an der Schwester Stefanie Stelle habe ich auch herum gemacht. Und du bist der erste, der die Anspielung auf die Serie erkennt. Ich hatte zunächst eine Fußnote drin, die etwas zur Serie erklärt hat, aber dann meinten User eines anderen Forums und auch meine "im nicht virtuellen Raum greifbare" Testleserschaft, dass der Begriff Schwester Stefanie ein Gefühl von Romantisierung und von alten Groschenromanen auslöst, auch ohne den Bezug zur Serie. Damit ist ja dann erreicht was ich wollte. Den Begriff "imprägniert" werde ich lassen, da er auf äußere Eingriffe hindeutet. In unserer Gesellschaft soll man sich ja nicht mehr so spüren. Und wir sind so an schulmedizinische Einflüsse, Chemie im Essen, Durchackern etc gewoehnt, dass wir Körpersignale gerne nicht merken.

Sufnus, auch ich bin auf deinen Ansatz gekommen. Ich habe nun dieses Jahr insgesamt 5 Ausschreibungen ausgesucht. Die für das UND war die dritte, zwei stehen noch aus. Ich habe auch an den Ausschreibungen fürs Poesiealbum neu und fürs Neolith Magazin teilgekommen. Die fürs UND war jetzt aber am besten vorbereitet und da habe ich aktuell auch am meisten Hoffnungen. Mir ist nicht ganz klar, was du mit "seriösen Zeitschriften" meinst. Seriös bedeutet für mich legal. Und das Problem ist: auch Verlage wie die Brentano Gesellschaft sind legal, kommen den Autor aber sehr teuer. Ich habe bei der Auswahl der Zeitschriften und Magazine auf folgendes geachtet: Bewegen sich die Inhalte im Rahmen des Grundgesetzes? Muss ich etwas zahlen? Bekomme ich Belegexemplare? Was finde ich über die Autor*innen, die bisher veröffentlicht haben, im Netz? Und da schienen mir alle ausgewählten Zeitschriften und Verlage solide. Das UND ist zwar noch nirgendwo eingetragen, hat aber schon einen Preis der Stadt Innsbruck gewonnen und einige in Österreich einigermaßen bekannte Leute haben dort veröffentlicht. Außerdem gefällt mir, dass das Heft verschiedene Kunstformen auf Augenhöhe setzt.
Übrigens beschäftigt mich weiterhin die Frage ob der Endreim noch zeitgenössisch ist. Ich plädiere immer noch stark für ja! Denn zeitgenoessisch ist das was Zeitgenossen schreiben und lesen. Und überall wo ich auftreten etc wird ganz stark der Endreim gefordert. In der Musik-Branche ist er ja nahezu tonangebend . Deine Beispiele habe ich mir auch durchgelesen. Und ganz verstehe ich nicht, was daran jetzt zeitgenössischer als bei anderen Texten sein soll, außer vllt die (manchmal meiner Meinung nach sehr "gewollte") Anwendung von scheinbarer Jugendsprache...

Wie dem auch sei, dieses Gedicht hier schien mir dann das zu sein, welches von den dreien zur Auswahl stehenden, am meisten Gehalt für eine große Gruppe liefert und von dem sich die wenigsten "ans Bein gepinkelt" fühlen. Obwohl Satire halt immer irgendwem ans Bein pinkelt, das ist ihr Job .

Das bringt mich zum Thema "Textbaustelle": Danke, Anbas, für diesen Hinweis. Die hatte ich in all den Jahren hier übersehen. Aber wie funktioniert die denn genau? Für die meisten Ausschreibungen (auch für meine nächsten beiden) müssen die Texte ja unveröffentlicht sein und dürfen auch nicht im Internet stehen. Aber wenn sie dann hier in der Textbaustelle stehen, sind sie doch auch im Internet, oder?

LG Schreibfan
 

sufnus

Mitglied
Hey Schreibfan!

Noch zu den zwei Aspekten, die Du oben ansprichst:

Sufnus [...] Mir ist nicht ganz klar, was du mit "seriösen Zeitschriften" meinst. Seriös bedeutet für mich legal. Und das Problem ist: auch Verlage wie die Brentano Gesellschaft sind legal, kommen den Autor aber sehr teuer. Ich habe bei der Auswahl der Zeitschriften und Magazine auf folgendes geachtet: Bewegen sich die Inhalte im Rahmen des Grundgesetzes? Muss ich etwas zahlen? Bekomme ich Belegexemplare? Was finde ich über die Autor*innen, die bisher veröffentlicht haben, im Netz?
"Seriös" bedeutet in Bezug auf literarische Veröffentlichungsplattformen, dass diese primär an der Literarizität der eingesandten Arbeiten interessiert sind und nur in zweiter Linie an Aspekten wie der Ökonomie (ganz ohne Einnahmen und/oder Fördergelder kann man natürlich keine Literaturzeitschrift über Wasser halten - logo), der Befriedigung persönlicher Eitelkeiten oder der gezielten Ein- oder Ausgrenzung bestimmter Gruppen. Die von Dir genannten Kriterien sind schon sehr brauchbar, um eine seriöse Zeitschrift zu identifizieren. Meine Liste sieht sehr ähnlich aus wie Deine:

Seriös ist eine Literatur-Zeitschrift (oder eine Anthologiesammlung, eine Online-Literaturplattform etc.) dann, wenn:

1) sie die Menschenwürde achtet.
2) sie einem literarischen Text, der Punkt 1) beachtet, dann aber keinen weitergehenden Bonus für edle Gesinnung schenkt.
3) sie das Urheberrecht beachtet.
4) sie kein ausschließliches Nutzungsrecht verlangt.
5) sie dennoch auf einen gewissen Neuigkeitswert der Texte aus ist, so dass bereits anderswo Veröffentlichtes nur in Ausnahmefällen Verwendung findet.
6) sie allgemein wählerisch bei der Textauswahl ist.
7) sie den Autor*innen kostenlose Belegexemplare zukommen lässt.
8) sie aufzeigt, wer in der Redaktion sitzt, wobei vermittelt wird, dass hier eine gewisse Sachkenntnis vorhanden ist.

Ein neunter Punkt, der eher supportiven Charakter hat, ist, dass in früheren Publikationen des entsprechenden Organs bereits die ein oder andere professionellere Stimme zu Wort kam. Das ist natürlich bei einer Neugründung oder erstmaligen Anthologiesammlung nicht gegeben.


Übrigens beschäftigt mich weiterhin die Frage ob der Endreim noch zeitgenössisch ist. Ich plädiere immer noch stark für ja! Denn zeitgenoessisch ist das was Zeitgenossen schreiben und lesen. Und überall wo ich auftreten etc wird ganz stark der Endreim gefordert. In der Musik-Branche ist er ja nahezu tonangebend . Deine Beispiele habe ich mir auch durchgelesen. Und ganz verstehe ich nicht, was daran jetzt zeitgenössischer als bei anderen Texten sein soll, außer vllt die (manchmal meiner Meinung nach sehr "gewollte") Anwendung von scheinbarer Jugendsprache...
Die Definition, dass jeder von Zeitgenossen verfasste Text automatisch zeitgenössisch sei, ist mir zu zirkelschlüssig.

Für mich ist ein Text dann zeitgenössisch, wenn er in seiner Zeit eine künstlerische Relevanz besitzt. Das muss keine sehr eng gefasste gesellschaftlich-soziale Relevanz sein (ich bin kein soooo großer Freund der "engagierten Literatur" im strengen Wortsinn), wichtiger wäre mir, dass ich mich durch den Text angeregt fühle, nicht den Eindruck habe, dass ich Lebenszeit an etwas verschwende, was keinen freudestiftenden Mehrwert besitzt. Es geht mir also schon um eine Art von "Originalität", wobei der Begriff sehr missverständlich ist. Ein Text muss keineswegs formal oder inhaltlich avantgardistisch rüberkommen, um einen Mehrwert zu besitzen und ja, er kann (das schrieb ich auch oben bereits zweimal) durchaus auch gereimt sein. Aber es sollten i. d. R. halt keine total ausgeleierten 08/15-Reime sein (außer das gehört gerade zum hinterlistigen Programm des Textes) und viel wichtiger: Der Text sollte von einer gewissen Könnerschaft Zeugnis liefern. Man sollte den Eindruck bekommen, dass Autor*innen-seitig ein Mindestmaß an ästhetischem Instinkt (bei Naturtalenten) oder erworbenem Bewusstsein (bei der großen Mehrheit der Schreibenden) vorhanden ist.

LG!

S.
 



 
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