Rhondaly DaCosta
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Camelot Teil 5: Mythenjäger
Luca pfeift fröhlich vor sich hin, während er seinen Koffer packt.
Er hat eine Woche Urlaub vor sich und er ist auf dem Weg nach London. Dort wird er Nils Bohr treffen. Die beiden werden anschließend von London nach Edinburgh fahren.
Jill hat ihnen haufenweise Emails über das Buch aus dem Antiquariat geschickt und ihnen den Mund wässerig gemacht. Einen Haufen Nachrichten bezeichnet Nils immer als „a firework of messages“. Der Ausdruck passt.
„Na klar, werden wir dich in Edinburgh treffen“, hatte Luca zurück gemailt.
Und Nils hat auch sofort zugestimmt.
Luca und Nils – ein Freund, ein guter Freund
Sorgfältig überprüft Luca noch einmal seine Reise-Unterlagen.
Die Fahrkarten für den Zug von Nürnberg nach London sind da. In Brüssel wird er umsteigen und mit dem Europa-Express unter dem Kanaltunnel hindurch nach London fahren.
Luca ist noch niemals zuvor mit einem Zug unter Wasser her gefahren. Er ist gespannt darauf, welches Gefühl sich während der Fahrt bei ihm einstellen wird.
In London wird ihn also Nils Bohr abholen. Die beiden kennen sich schon seit über zehn Jahren.
Sie haben sich vor Jahren im Rahmen eines Studenten-Austausch-Programms in London kennengelernt. Später gingen sie beruflich getrennte Wege. Aber sie kommunizieren alle paar Wochen per Emil; hauptsächlich über ihr gemeinsames Hobby: Mythologie und Grenzwissenschaften. Und in diesem Punkt hat Jill mit der Einladung einen Volltreffer gelandet.
Von London aus werden sie morgen früh mit dem Wagen nach Edinburgh fahren. Die Fahrtstrecke beträgt circa 400 englische Miles, das sind umgerechnet 650 Kilometer. Man wird also gute sieben Sunden mit dem Wagen unterwegs sein.
Luca würde nie sieben Stunden, und dann noch im Linksverkehr, fahren; das wäre ihm viel zu anstrengend.
Nils dagegen ist ein Auto-Freak. Er hat geradezu darauf bestanden, dass sie mit dem Wagen fahren. Nils fährt einen pinkfarbenen Citroen DS 21 Pallas, Baujahr 1967, mit Rechtssteuerung. Eigentlich könnte er auf dem Wagen gegen Entgelt Werbung platzieren, aber Nils verzichtet darauf.
Er kommt auch ohne Werbeeinnahmen sehr gut über die Runden.
Nils ist nämlich Programmierer. Sein Spezialgebiet ist die Kryptologie, zu deutsch: Verschlüsselungstechnik.
Er arbeitet für eine britische Softwarefirma, die weltumspannend Großunternehmen mit IT-Sicherheitssoftware bedient. Und Nils ist eine Koryphäe auf diesem Gebiet, ein Experte. Experten werden auf diesem Gebiet fürstlich entlohnt; also klebt Nils keine Werbung gegen Entgelt auf seinen Citroen.
Luca und Jill – die Zehn-Sekunden Präkognition
Es ist schon interessant, wie der Trip nach Edinburgh gekommen sind. Und das kam so:
Luca und Jill hatten sich vor drei Jahren auf einem Kongress für Grenzwissenschaften in Wiesbaden kennengelernt. Luca erinnert sich sehr gut an die Situation: er steht vor einer der großen Saaltüren und, obwohl noch Pausenzeit war, geht er zur Tür und öffnet diese. Genau in diesem Moment kommt Jill von der anderen Seite des Raumes, um durch die Tür zu gehen.
„Könne Sie Gedanken lesen?“, fragte Jill den freundlichen Door-Opener.
„Ja, ich kann“, antwortet Luca lächelnd.
„Und woran denke ich in diesem Augenblick?“, fragte Jill weiter.
„Sie stellen sich eine Tasse frischen, ungemein aromatisch duftenden Kaffee vor. Und ich lade Sie dazu ein“, antwortet Luca schlagfertig.
„Bingo, ich bin dabei“, entgegnete Jill und gab ihm die Five.
Im Zentrum des Kongresses stand das Thema „Die Artussage im Kontext mit der keltischen Kultur.“ Beide, Luca und Jill, sind seit ihren frühen Schultagen begeisterte Fantasy Fiction Fans.
Es blieb damals nicht beim Kaffeetrinken. Die beiden hielten auch nach dem Kongress die Verbindung aufrecht. Liebe kam auf, wie das nun einmal so ist. Und die beiden besuchen sich seither gegenseitig, sooft sie können.
Der Heilige Gral der Biologie
Für Luca sind die vielen Reisen der Liebe zu Jill nach Brüssel kein großes finanzielles Risiko. Er hat Biochemie studiert und arbeitet in Erlangen bei einem Unternehmen für Biotechnologie. Sein Spezialgebiet ist die Epigenetik.
Die Epigenetik befasst sich mit den biochemischen Aktivitäten innerhalb der Gene. Man will herausfinden, welche Ausprägungen sich auf die nächste Generation vererben. Wer den biologischen Code `knackt`, der hat den `Heiligen Gral` in der Biologie entdeckt.
Luca hat sich schon oft gefragt, ob die Sage vom Heiligen Gral nicht eine biologische Komponente enthalten könnte.
Er denkt so: wenn der Kelch Spuren des Blutes Cristi enthalten würde, und wenn dieser Kelch auf geheimnisvollen Pfaden nach Nordeuropa gelangt wäre, und wenn … aber hier lässt Luca das Spekulieren sein.
Mythen sind ebne nur geheimnisvolle Erzählungen. Luca liebt Mythen.
Ob Jill`s Eroberung, das Buch aus dem Antiquariat, ihnen ein Geheimnis offenbaren wird? Wer weiß.
Jedenfalls verspricht die Schottlandreise äußerst spannend zu werden.
Also, auf nach Schottland … Mythen jagen.