Candle Light Dinner

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Paloma

Mitglied
Candle Light Dinner

Anna warf ihr Smartphone auf die Kommode und schnaufte hörbar aus. Was hatte Sanne gerade gesagt? Nur kein Klischee bedienen – nur nicht kitschig werden?
Sanne war doch ihre beste Freundin und kannte sie seit Jahren, wie konnte sie nur annehmen, dass sie das erste Treffen mit Jan kitschig vorbereiten würde? Romantisch ja, aber kitschig? Sie doch nicht!
Ihr Blick glitt über den für Zwei gedeckten Tisch: Kristallgläser, edles Geschirr, Tafelsilber, Rosenblätter zwischen überdimensionale Diamanten. Zögernd zündete sie die elfenbeinfarbenden Stabkerzen in verschiedenen Größen an, sie dominierten die Mitte der Damastdecke. Der dunkelrote Wein funkelte im Decanter und schien im Rhythmus des Kuschelrocks aus dem Hintergrund „Kitsch – Kitsch - Kitsch“ zu flüstern. Anna bekam eine Gänsehaut, schlagartig wurde ihr klar, der Wein und natürlich auch Sanne hatten recht! Was hatte sie da nur geritten? Jan war IT-Experte, ein nüchterner Pragmatiker. Vermutlich würde er müde lächeln, und nur wenn sie viel Glück hatte, würde das Dinner überhaupt noch zustande kommen. Wahrscheinlicher wäre es aber, dass er sofort auf dem Absatz kehrt machen würde.

Anna wischte mit dem Ärmel ihres am Nachmittag erstandenen Kleides über die Stirn. Stundenlang war sie durch die Stadt gejagt um ein verführerisches aber nicht billig wirkendes Outfit zu erstehen und hatte sich schließlich doch für ein kleines Schwarzes entschieden, dessen Oberteil fast nur aus Spitze bestand. Daran dachte sie jetzt nicht mehr. Mit wenigen Schritten war sie in der Küche, kramte unter der Spüle eine Plastiktüte hervor und rannte zurück zur liebevoll gedeckten Tafel. Beherzt rupfte sie Rosenblätter und Diamanten vom Tisch. Pustete Kerzen aus. Schnappte sich den Decanter. Raffte Besteck und Servietten zusammen. Brachte alles mit rasendem Herzen in die Küche und verstaute es in einem der unteren Einbauschränke. Noch ein paar Mal sauste sie hin und her, bis aus der Dinnertafel nur noch ein schnöder Tisch entstanden war.
Ein Blick zur Uhr, sie hatte noch knapp zehn Minuten bis Jan kommen würde. Wieder zurück in die Küche. Eine neue Flasche Wein geöffnet, Wassergläser aus dem Schrank geholt und die Alltagsteller unter dem Arm geklemmt. Alles zwanglos auf den Tisch drapiert und … fertig. Nein! Halt! Sie selbst war noch nicht cool genug. Also schnell ins Schlafzimmer und Cocktailkleidchen gegen Destroyedjeans getauscht und ein overcross Shirt übergestreift.

Atemlos stand sie nur Minuten später gewollt lässig an der Haustür, als es läutete. Hinter einem riesigen Strauß roter Baccararosen blickte sie in Jans aufgerissenen Augen. Er ließ die Blumen sinken und strich ein wenig hilflos über die Revers seines nachtblauen Anzugs, löste den Knoten seiner Seidenkrawatte und stammelte: „Ähm … ich dachte. Naja, ich meinte … unser erster gemeinsamer Abend … .
 
C

cellllo

Gast
Hallo Paloma
die Geschichte endet an der genau richtigen Stelle !
Der Film läuft von alleine weiter :
Anna verschwindet und kommt in ihrem neuen Kleid zurück
und dann kramen sie zu zweit die zerknitterte Romantik
aus dem Schrank und haben echt genug zu lachen diesen Abend.........
cellllo
 

Aligator

Mitglied
Hallo Paloma!

Ich habe es gern gelesen. Sprachlich sehr schön rübergebracht!

Was ich vielleicht noch ginge, wäre, dass du den Teil, bei dem ein schnöder Tisch entsteht und sie sich die Alltagskluft drüberzieht, ein wenig übertreiben würdest: Z.B kippt sie den Wein vom Decanter mit einem Trichter in eine Lambrusco- (oder wie das heißt) Flasche, Holt Plastikgeschirr, reist die Kunst von der Wand usw.
Und dann steht der arme Jan vor der Tür und frägt, ob Anna da ist.

Grüße,
Aligator
 

Paloma

Mitglied
Hallo cellllo,

ich freue mich sehr, dass dir die kleine Geschichte gefällt und ja, jeder darf sich gerne seinen eigenen Schluss stricken.

Liebe Grüße
Paloma
 

Paloma

Mitglied
Hallo Aligator,

fein, dass du es gerne gelesen hast. Dein Vorschlag mit dem Wein gefällt mir gut - das werde ich wohl ändern und vielleicht noch mehr, mal sehen.
Aber Anna wird man schon noch erkennen :D

Liebe Grüße
Paloma
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Paloma, schön geschrieben, für mich leider zu sehr vorhersebarer Schluss.
Die großen Diamanten waren aber nicht aus Antwerpen?
:)

LG Doc
 

herziblatti

Mitglied
Hallo Paloma, tja, hm, so kanns gehen, wenn man auf die beste Freundin hört, statt auf die eigenen Gefühle :) mir gefällt die feine Ironie in der Geschichte sehr. LG - herziblatti
 

Paloma

Mitglied
Danke Herziblatti,

freut mich, wenn es dir gefällt. Oft hört und liest man ja, dass man nur nicht in Klischees verfallen soll - manchmal ist es aber einfach nötig oder einfach schön.

Liebe Grüße
Paloma
 



 
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