Chaos

Nostoc

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„Wo ist das Ding, zum Teufel?“ schrie Nolan.
„Hier, fangen Sie!“ rief Delaware und warf Nolan sein Betäubungsgewehr zu, während sie weiter krampfhaft versuchte, sich am Fell des durch den Wald rasenden Kelpati festzuhalten. Sie saß vorne zwischen den Schultern des riesigen, mammutähnlichen Geschöpfes, das sich schnaubend und brüllend zwischen den Bäumen hindurch wühlte, dabei von sämtlichem Bewuchs oder sonstigen Hindernissen keine Notiz nahm und einfach weiterrannte. Dabei sprang es immer wieder in die Luft, um Nolan und Delaware abzuschütteln, was zwar nur einen Sprung von ca. einem Meter Höhe bedeutete. Aber aufgrund der Geschwindigkeit und der großen Masse des Tieres fühlte es sich bei jeder Landung ungefähr so an, als würde man von einem Hochhaus auf Beton springen. Commander Nick Nolan, Arzt und Astronaut der Vereinten Planeten, und seine Kollegin, Captain Delaware, die ihn als Astronautin und Waffenoffizierin begleitete, waren noch auf dem Planeten Ko´dac, auf dem sie ihre letzte Mission zur Rettung des Rebellenführers Ra´Akhang abgeschlossen hatten. Als Dank hatten Sie ein ausgewachsenes Kelpati als Geschenk erhalten. Nolan und Delaware hatten sich völlig verständnislos angeschaut, wollten sich aber nichts anmerken lassen. Was sollten sie mit einem solchen Vieh, wild und ungezähmt, außerdem an diesen Planeten angepasst?
„Es wäre eine Beleidigung, wenn Sie das Geschenk nicht annähmen, Commander Nolan“, sagte Ra´Akhang mit einem kleinen Lächeln, das um seine Lippen spielte. „Diese Tiere sind uns sehr wertvoll.“
„Ich tue Euch nichts“, sagte das Tier auf einmal zu ihnen. Nolan riss die Augen auf. „Was zum Teufel…?“ begann er zu sprechen.
Delaware stand nur neben ihm und hatte Augen und Mund offen stehen.
„Wollt Ihr einmal auf mir reiten?“ fing das Tier von Neuem an zu sprechen und klang dabei ganz freundlich, als wäre das das Normalste auf der Welt.
Delaware begann auf einmal einen leichten, aber stechenden Kopfschmerz in ihrer rechten Schläfe zu spüren. Das konnte doch alles nicht wahr sein!? Ein sprechendes Kelpati, das als die Urgewalt von Kraft und Wildheit galt, sprach zu ihnen und lud sie ein, auf ihm zu reiten? Unglaublich.
Eine Stunde später saßen sie immer noch auf diesem Tier, das mit unfassbarer Geschwindigkeit und Gewalt durch die Wälder des Planeten raste. Nolan saß etwas weiter hinter Delaware und hatte genauso Mühe, bei diesem Tempo nicht abgeworfen zu werden wie Delaware.
„Stop! Anhalten!“ schrien Sie dem Tier immer wieder zu, aber inzwischen schien es ihre Sprache wieder verlernt zu haben, denn es rannte einfach weiter.
„Delaware! Ds…Bet…wehr!“ Delaware konnte nur Wortfetzen hören, die Nolan ihr zuschrie.
„Was wollen Sie?“, schrie sie zurück.
„Das Betäubungsgewehr! Sie haben es in ihrem Rucksack! Wir müssen es betäuben, sonst hält es nie mehr an, glaube ich!“
Sie versuchte, die gewünschte Waffe aus dem Rucksack zu holen. Sie griff danach und erschrak. Der Lauf war völlig verbogen! Delaware konnte es nicht fassen! Wie konnte das sein?
„Was ist jetzt?“, hörte sie wieder Nolans Stimme.
„Ich – ich…“ stammelte Delaware. „Werfen Sie das Ding schon rüber, los jetzt! Wo ist das Ding, zum Teufel?“
„Hier, fangen Sie!“ Sie tat, wie ihr befohlen und konnte erkennen, dass Nolan das Gewehr gerade so auffangen konnte und dann genauso verständnislos darauf blickte wie Delaware eben.
„Egal! Die schießen immer!“ schrie er ihr zu und richtete den Lauf in entsprechend verkrümmter Haltung auf den Rücken des Tieres und tastete nach dem Abzug.
„Um Gottes Willen, tun Sie das nicht!“ schrie Delaware ihm zu. „Es wird in ihrer Hand explodieren!“
Da war es schon zu spät. Nolan drückte den Abzug. Aus dem Lauf suchten sich die Projektile den Weg ins Freie, lauter bunte Seifenblasen! Sie flogen davon und zerplatzten nach kurzer Zeit wieder. Dabei gaben sie einen leisen, glockenähnlichen Ton von sich. Delaware starrte in Nolans Richtung. Ihr Gehirn weigerte sich das eben gesehene zu akzeptieren. Sie saß einfach da und starrte zu Nolan.
„Delaware, sind Sie von allen guten Geistern verlassen? Was haben Sie mit dem Teil gemacht?“, riss Nolans Schrei sie wieder in die Gegenwart zurück.
Delaware griff sich mit beiden Händen an den Kopf, als könnte sie die gerade durchgemachten Ereignisse einfach aus ihrem Gehirn herausreißen. Was für ein Chaos! Was war denn hier los? Sie hatte keine Erklärung.
„Ich habe eine Idee“, hörte sie Nolans Stimme erneut.
„Das wird aber auch verdammt nochmal Zeit!“ brüllte sie gegen den Fahrtwind zurück.
„Ich werde dem Vieh hier auf den Rücken klopfen und dabei ihren Namen sagen, das sollte es beruhigen.“
„Haben Sie völlig den Verstand verloren?“ erwiderte Delaware außer sich. Doch dann hörte sie das erste Mal das Klopfen und Nolans Stimme, die leise „Delaware?“ sagte.
In diesem Moment wurde der ganze Planet um sie herum plötzlich dunkel. Die wahnsinnigen Erschütterungen durch den Ritt auf dem Kelpati ließen nach. „Delaware?“ hörte sie noch einmal die Stimme von Nolan und wieder dieses monotone Klopfen. Es funktionierte! Es war auf einmal ganz ruhig geworden. Sie standen scheinbar still und alles um sie herum war dunkel, als wäre sie in einem Raum ohne Fenster und ohne Lichtquelle. Auch das Kelpati war plötzlich verschwunden. Nur noch Schwärze.
„Delaware, nun wachen Sie doch endlich auf!“ Captain Delaware öffnete die Augen und erschrak. Sie lag in ihrer Kajüte auf dem Shuttle und hatte offenbar geschlafen. Nolan hockte neben ihrem Bett und rüttelte sanft ihre Schulter. „Ich habe zweimal geklopft, aber keine Antwort bekommen. Ich habe Sie schreien gehört, da hab ich mir Sorgen gemacht und bin reingekommen. Alles in Ordnung?“
Delaware blinzelte und setzte sich auf. Sie strich sich die zerzausten Locken aus der Stirn und sah Nolan verwirrt an.
„Wir sind gar nicht auf dem Kelpati geritten?“, fragte sie. „Wir sind was?“ „Vergessen Sie´s.“ „Kommen Sie, wir haben einen neuen Auftrag. Ein Bewohner des Planeten An´Durin hat sich beim Jagen verletzt. Wir müssen los, scheint ein ziemliches Chaos zu sein.“
„Sie haben keine Ahnung, Commander“, entgegnete Delaware und erhob sich schwerfällig von ihrem Bett. „Sie haben keine Ahnung…“

ENDE
 

Aufschreiber

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Hallo Nostoc,

nette kleine Geschichte, die Du uns hier präsentierst. Für halbwegs versierte Leser ist allerdings recht schnell klar, dass hier jemand schwer träumt.
Was ich (für mich) ein bisschen problematisch finde, ist Dein Sprachgebrauch.

Dabei sprang es immer wieder in die Luft, um Nolan und Delaware abzuschütteln, was zwar nur einen Sprung von ca. einem Meter Höhe bedeutete. Aber aufgrund der Geschwindigkeit und der großen Masse des Tieres fühlte es sich bei jeder Landung ungefähr so an, als würde man von einem Hochhaus auf Beton springen.
Eigentlich wäre das "aber ..." noch Teil des vorhergehenden Satzes, was diesen aber zu einer riesen Wort-Anakonda machen würde. "Ca." ist ein wenig ungeschickt, eigentlich beim Erzählen ungebräuchlich. Es macht die Passage einem Bericht ähnlich:
>Das Wesen sprang mehrfach ca. einen Meter hoch ...<

Vielleicht kann man solche Sachen umformulieren, damit das Bild im Kopf des Lesers besser entstehen kann (Beispiel):
"Das Kelpati bockte und buckelte, wie der berühmte elektrische Rodeo-Bulle, vollführte immer wieder wilde Sprünge. Im Vergleich zur Körpergröße des Giganten waren das zwar nur kleine Hopser, kaum einen Meter hoch, aber während des rasenden Laufes fühlte es sich an, als pralle man nach dem Sturz von einem Wolkenkratzer auf den Beton des Vorplatzes...<

Anderes Beispiel:
„Es wäre eine Beleidigung, wenn Sie das Geschenk nicht annähmen, Commander Nolan“, sagte Ra´Akhang mit einem kleinen Lächeln, das um seine Lippen spielte.
„Diese Tiere sind uns sehr wertvoll.“
Hier verwundert mich zuerst die Zeitform.
Als die Beiden auf dem Kelpati reiten, ist der Schenkungsakt bereits vorbei, liegt also in der abgeschlossenen Vergangenheit. Daher hätte ich das Plusquamperfekt erwartet.
Die Beschreibung des Lächelns hätte ich abgetrennt.
Warum sind den Einwohnern die Tiere so wertvoll? (Ich denke an die Inder und das Rind ...)

Hätte ich es geschrieben, stünde da etwa:
>Einen Verzicht auf das Geschenk hatte Ra´Akhang rundweg abgelehnt. "Es wäre eine schwere Beleidigung, lehnten Sie diese Gabe ab", hatte er klar gemacht. Aber da war dieses seltsame Lächeln gewesen, das für einen Augenblick um seine Lippen spielte. Fast wie ein Grinsen hatte es gewirkt, erinnerte sich Delaware später.
Und der Anführer der Rebellen hatte hinzugefügt: "Diese Tiere sind uns sehr wertvoll. Für manche sind sie nicht nur Nutzvieh, sondern wirkliche Gefährten, Brüder, beinahe."<

Hier empfinde ich die Erzählreihenfolge als schwierig:
Delaware begann auf einmal einen leichten, aber stechenden Kopfschmerz in ihrer rechten Schläfe zu spüren. Das konnte doch alles nicht wahr sein!? Ein sprechendes Kelpati, das als die Urgewalt von Kraft und Wildheit galt, sprach zu ihnen und lud sie ein, auf ihm zu reiten? Unglaublich.
Was ruft den Kopfschmerz hervor?
Die Charakterisierung des Wesens sollte für mein Empfinden vor dem erstaunlichen Verhalten stehen.
Meine Idee:
>Das konnte doch nicht wahr sein! Nach allem, was auf den Außenwelten über die Kelpati bekannt war, handelte es sich um mächtige und wilde Geschöpfe, die als grundsätzlich freundlich, aber eher mäßig intelligent galten. Von einem sprechenden Exemplar, das obendrein noch freiwillig zu einem Ritt einlud, hatte noch niemand je gehört. Selbst in den umfangreichen Aufzeichnungen der Planetenbewohner hatte sich kein Hinweis auf ein solches Verhalten gefunden.
Ein penetrantes Stechen breitete sich in Delawares Schläfen aus. Sie schüttelte ein paarmal den Kopf, doch der Schmerz ließ nicht nach.<

Was mich auch ein wenig verunsichert, ist, dass Du die Geschichte aus der Perspektive Nolans beginnst, obwohl ja Delaware eigentlich die Hauptperson ist.
Was ist Dein Gedanke dabei?

Vielleicht könnte man das umgehen, wenn man noch 1-2 Sätze voranstellte?
>Die Umgebung raste an Delaware vorbei, ein heißer Wind wehte um ihr Gesicht und ihr Sitz zuckte in gewaltigen Spasmen. Was war hier los? Wie war sie hierher gekommen?
Doch es blieb ihr keine Zeit für Grübeleien, denn hinter ihr erklang Commander Nolans Stimme: "Verdammt! Hörst du mich nicht? Wo zum Teufel ist das Ding?"<

So, nun habe ich erst einmal genug gemeckert. Vielleicht sind ja ein paar meiner Gedanken brauchbar, für Dich ...

Beste Grüße,
Steffen
 

Nostoc

Mitglied
Hallo Steffen,

ich finde es überhaupt nicht gemeckert, ganz im Gegenteil. Du hast sachlich, konstruktiv Kritik geübt. Dafür sage ich herzlichen Dank, denn danach lechze ich. Ich möchte Kritik, damit ich mich verbessern kann! Diese Form der Kritik fällt vielen hier im Forum schwer, da wird es schnell unsachlich und teils beleidigend. Von daher werde ich in mich gehen und den Text noch einmal überarbeiten. Die Idee war z.B., gleich rasant in die Geschichte einzusteigen und dann im Verlauf quasi einen kleinen Rückblick zu schreiben, wie es dazu kam. Aber da hast Du mit Plusquamperfekt wohl recht :) .

Schönen Abend und viele Grüße,
Nostoc
 
Hallo Nostoc,

Von daher werde ich in mich gehen und den Text noch einmal überarbeiten.
Ich warte gerne auf deine Überarbeitung, möchte dir aber noch ein paar Dinge mitgeben.

Sie saß vorne zwischen den Schultern des riesigen, mammutähnlichen Geschöpfes, das sich schnaubend und brüllend zwischen den Bäumen hindurch wühlte, dabei von sämtlichem Bewuchs oder sonstigen Hindernissen keine Notiz nahm und einfach weiterrannte. Dabei sprang es immer wieder in die Luft, um Nolan und Delaware abzuschütteln
Warum sagst du nicht sofort, dass beide auf dem Vieh sitzen? Z.B. sie vorne, er hinten.

Was sollten sie mit einem solchen Vieh, wild und ungezähmt, außerdem an diesen Planeten angepasst?
Was ist das Problem mit dem Angepasstsein? Oder ist es NUR auf diesem Planeten nutzbar?

„Was zum Teufel…?“ begann er zu sprechen.
„Was zum Teufel LEERZEICHEN…?“ KOMMA begann er zu sprechen.
Nur ein Beispiel. Kommt öfter vor.

„Wir sind gar nicht auf dem Kelpati geritten?“, fragte sie. NEUE ZEILE „Wir sind was?“ NEUE ZEILE „Vergessen Sie´s.“ NEUE ZEILE „Kommen Sie, wir haben einen neuen Auftrag. Ein Bewohner des Planeten An´Durin hat sich beim Jagen verletzt. Wir müssen los, scheint ein ziemliches Chaos zu sein.“
„Sie haben keine Ahnung, Commander“, entgegnete Delaware und erhob sich schwerfällig von ihrem Bett. „Sie haben keine Ahnung LEERZEICHEN…“
Beim Sprecherwechsel macht man, damit es einfacher zu lesen ist und keine Zweifel aufkommen, wer da spricht, einen Zeilenwechsel.

Liebe Grüße,
Franklyn
 



 
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