schwestersternchen
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Das Märchen von Cleo, der Gans
Es war einmal, in einem Land, dass genau unter der Mittagssonne lag. Das zu finden war nicht schwer, sofern es jemand schaffte über das große mittlere Meer zu kommen. Auf keiner gewöhnlichen Landkarte ist es zu sehen. Es existiert, wenn man die Augen schließt und der Geschichte von Cleo lauscht.
In diesem Land, wir wollen es das Land Grasgrün nennen, da gab es Wiesen soweit das Auge schauen konnte. Hohes weiches Gras, duftete mit allerlei Kräutlein um die Wette. Von weitem wirkten die Wiesen wie ein bunter Teppich. Es wuchsen dort viele Blumen. Weiße Wiesenmargariten, rosa Steinnelken, gelber Rainfarn und Johanniskraut, blaue Glockenblumen, welche morgens mit zartem Geläute den Tag verkündeten. Am Rande der Wiesen, gleichsam als Begrenzung standen wilde Rosen in dichten Hecken. Inmitten des blühenden Landes Grasgrün, befand sich ein verträumter kleiner Weiher. Weißstämmige Birken umstanden seine Ufer. Ihre Zweige neigten sich tief zum Wasser und schienen es zu trinken. Stellenweise stand Schilf mit den Wurzeln im Uferschlamm und seine dunkelbraunen Kolben wiegten sich sacht im Wind. Die Tiere die in diesem Land ihre Heimstatt hatten, stillten an diesem Gewässer, jeden Morgen ihren Durst, so war es schon seit Ewigkeiten.
Als am nächsten Morgen, wieder zarter Glockenklang den Tag ankündigte und sich die Tiere zum Morgentrunk versammelten, da hatte sich etwas verändert. Mitten auf dem Tümpel, schwamm ein Vogel. Er glich einer Gans, nur die Farbe ihres Gefieders unterschied sich von der, der Einheimischen Gänse. Deren Federn waren schneeweiß, wogegen die der Wildgänse grau waren. Diese hier, die so allein ihre Bahnen schwamm, war aber Rosa mit einer merkwürdigen Zeichnung, die aussah wie schwarze Streifen am Hals entlang. Oben auf dem Kopfe aber hatte sie drei aufrecht stehende rote Federn, die wie ein kostbares Krönchen aussahen.
Neugierig blieben die Tiere stehen und warteten bis das Gänschen zu ihnen geschwommen kam. Alsdann fragten alle wer sie wohl sei und woher ihr Kommen war. Das Gänschen setzte sich zu den Tieren ans Ufer und begann seine Geschichte zu erzählen: “ Ich heiße Cleo und bin die Tochter eines mächtigen Königs jenseits des großen Wassers, dass man das Mittlere Meer nennt. Es ist dort sehr warm und trocken. Solche grünen Wiesen und kleinen Tümpel, wie ich sie hier finde, sind in meinem Lande äußerst selten. Deshalb müssen wir mit Wasser sehr bedachtsam umgehen und dürfen es nicht vergeuden. Die Menschen in meiner Heimat sind bescheiden und sehr fleißig. In diesem Jahr jedoch, begann eine Hungersnot. Unser Fluss der das ganze Land versorgt, hatte nicht genug Wasser. So das fast die gesamte Ernte auf dem Halm vertrocknete. Zu allem Übel wohnt in unserem Lande auch ein böser Zauberer, der das wenige Wasser, statt es zu teilen, in ein unterirdisches Bassin leitete um es für seine Gärten und Springbrunnen zu nutzen. Alle Anstrengungen dieses Bassin zu finden, wurden von diesem Bösewicht vereitelt. Als Ich glaubte es gefunden zu haben, wurde der Unhold so zornig, das er mich in eine Nilgans verwandelte und damit drohte mich zu verspeisen. Ich entkam nur knapp. Noch in der gleichen Stunde flog ich in den Palast meines Vaters, aber ach er erkannte mich nicht in meiner Gänsegestalt. So beschloss ich denn mich zum Tempel zu begeben um das Orakel zu befragen. Ich erhoffte mir einen Rat wie meinem Volk und mir zu helfen war. Denn ewig wollte ich keine Nilgans bleiben.”. Bei diesen Worten tropften große Tränen aus ihren schönen dunklen Augen. Wo sie auftrafen,auf die Erde, entspross sogleich ein kleines Blümchen mit weißen Blüten die wie Sterne aussahen......Gänseblümchen. Die kleine Nilgans musste schon viel geweint habe, denn die ganze Wiese war übersät mit diesen kleinen, bis dahin unbekannten, Sternchen. Mitleid erfasste da die Tierversammlung und alle schwiegen betroffen. Nach einer Weile öffnete die kleine Gans erneut ihren Schnabel um ihre Geschichte weiter zu erzählen.”Ich opferte dem Orakel im Tempel, zwei besonders große Federn aus meinem Kleid, dafür bekam ich den Rat nach Norden zu fliegen. Finden soll ich das Land der weißen Nächte, wo das Nordmeer gelegentlich im eiskalten Wasser der See erstarrte Sonnenstrahlen mit seinen Wellen an Land wirft. Diese heißen dort Bernstein. Ich muss soviel davon finden um eine Kette daraus fädeln zu können. Die wiederum muss so lang sein das sie meinen ganzen Körper umschlingen kann. Beim nächsten Vollmond muss ich damit fertig sein, so das der Mond um Mitternacht darauf scheinen kann und die Verwandlung rückgängig gemacht werden kann. Schaffe ich das nicht, werde ich für alle Ewigkeit eine Nilgans bleiben müssen.” So endete erst einmal die Erzählung der kleinen Gans. Nach einer kurzen Weile des Schweigens, redeten die anwesenden Tiere alle durcheinander. Allen tat die Gans von Herzen leid und alle wollten ihr unbedingt helfen das Land der weißen Nächte und das Bernsteinwasser zu finden.
Rehe und Hirsche fragten herum, desgleichen Hasen und anderes Niederwild, sogar die kleinen Mäuschen suchten nach Hinweisen nach dem sagenhaften Land. Schließlich war es die Sippe der Eichhörnchen die flink von Baum zu Baum flitzte und über deren Äste, wie auf festem Boden lief. Sie fanden, weit oben im Berg, eine alte, einsame Höhle. An deren steinernen Wänden uralte eingeritzte Zeichnungen zu sehen waren. Sie wiesen den gesuchten Weg zum Bernsteinwasser. Staunend standen die Eichhörnchen in die Betrachtung der Bilder versunken, als ihnen einfiel die Zeichnungen für Cleo abzumalen. Zu diesem Zwecke holten sie sich ein großes Kalmusblatt vom Teich und ein Stück Holzkohle vom letzten Gewitterbrand, nicht lange und die Zeichnungen befanden sich vollständig auf dem Blatt. Als sie damit fertig waren, eilten sie zu Cleo. Sie ließen das Blatt im Teichwasser schwimmen bis es das Gänschen erreichte. Aufmerksam studierte Cleo die Bilder. Dabei wurde ihr klar, das sie noch ein großes Stück von ihrem Ziel entfernt war und sie noch viel Kraft benötigen würde. Sie beschloss deshalb die Tage bis zu ihrem geplanten Abflug mit dem Kräfte tanken für ihre lange Reise zu verbringen. Mit dem Schnabel rupfte sie das saftige Gras und wohlschmeckende Kräuter, ja sogar allerlei kleines Käfergetier. Alles verschwand im Gänsemagen. Täglich schwamm sie ihre Runden im Teich und unternahm Flüge bei allen Wetterlagen, um ihre Flügel zu trainieren. Eines Tages war es dann soweit. Die Reise sollte beginnen. Das Kalmusblatt steckte zusammengerollt in ihrem Bauchgefieder. Wieder flossen Tränen, als sie sich von den hilfreichen und ihr liebgewordenen Tieren verabschiedete und wieder erwuchsen und erblühten aus den Tränen die schönen kleinen Gänseblümchen. Cleo die kleine Nilgans, grüßte noch ein letztes Mal, breitete ihre Flügel aus, nahm Anlauf und schon trug sie der Wind in den strahlend blauen Himmel. Sie flog noch eine Runde, dann drehte sie nach Norden ab. Eine Weile konnten die Zurückgebliebenen, den Flug noch verfolgen. Sie wurde kleiner und kleiner, bald war Cleo aus dem Blickfeld verschwunden.
Lange flog sie schon so dahin und betrachtete von oben die schöne grüne Welt. Aber auch Gebirge waren von oben zu sehen. Auf deren Gipfeln sah sie eine weiße Masse liegen, von der eine schreckliche Kälte ausging. So etwas war ihr völlig unbekannt. Sie wusste nicht das sie da Schnee sah, den es in ihrer Heimat am Nil nicht gab. So schön es war die Welt von Oben zu betrachten, irgendwann musste auch Cleo rasten. Dazu suchte sie immer die Nähe von kleinen Gewässern. Stärkte sich an dem was sie in ihrer Umgebung fand. Baute sich aus Ästchen und trockenem Laub ein Lager, setzte sich hinein, steckte ihren Kopf unter einen Flügel und schlief ein. Immer aber wenn Sie am Morgen ihren Ruheplatz verließ, wuchsen in ihrer Umgebung, die bis dahin unbekannten Gänseblümchen. Gelegentlich entrollte sie ihr mitgeführtes Kalmusblatt und schaute nach, ob sie auch nicht die Richtung verfehlt hatte.
Nach dem Sie wieder nach einer Rast aufgebrochen war und auch schon länger geflogen war. Erblickte sie in der Ferne einen großen See. Schon wollte sie glauben das Bernsteinwasser gefunden zu haben, da sah sie das in der Mitte des Sees sich ein anmutiges Gebäude erhob. Ein viereckiges Schloss, an dessen Ecken sich je ein runder dicker Turm erhob. Sie wurden von Kuppeln aus stabilen sehr großen, weißen Federn gekrönt.Hohe abgerundete Fenster durchbrachen die Fassade um das Licht der Sonne in das Gemäuer zu lassen. Kälte und Wind wurden von leichten Federvorhängen abgewehrt. Als Cleo noch überlegte wem wohl dieser prächtige Palast gehörte, sah sie es. Von der Mitte des Palastdaches wehte eine riesige Standarte, auf der in Silberstickerei ein majestätischer Schwan abgebildet war. Cleo war nun doch neugierig geworden. Sie landete auf dem Schlosshof, wo sie schon von den Wachen in Empfang genommen und zum Herrscherpaar eskortiert wurde. Jetzt staunte auch Cleo, damit hatte sie im Traum nicht gerechnet. Das Herrscherpaar war niemand anderer als der Schwanenkönig mit seiner Königin, die Cleo sehr freundlich begrüßten. König und Königin wussten um die Gebote der Gastfreundschaft. Darum durfte sich die kleine Nilgans erst einmal erfrischen und ausruhen, erst danach wurde sie nach ihrem Woher und Wohin und dem Zweck ihrer Reise befragt. Cleo erzählte ihre Geschichte, dabei zeigte sie ihr Kalmusblatt, das schon arg zerfleddert und mitgenommen aussah, herum. Erstaunt sahen sich König und Königin an. Sie kannten das Land der weißen Nächte wohl und auch den beschwerlichen Weg dorthin mit seinen vielfältigen Gefahren für so ein kleines Gänschen. Nachdem sie sich eingehend beraten hatten, beschlossen sie Cleo nicht allein auf den Weg zu schicken. Ein kurzer Befehl und schon erschien die Leibgarde des Herrscherpaares im Thronsaal. Es war ein beeindruckendes Bild, wie da große schwarze Höckerschwäne in Reihe und Glied aufmarschierten und Haltung vor dem Königspaar und Cleo einnahmen. Der König wählte vier schwarze Schwäne aus, damit sie Cleo auf ihrem Weg begleiteten. Am nächsten Morgen, nachdem Cleo mit einer neuen, diesmal haltbareren, Wegskizze aus Birkenrinde versorgt worden war, machte sich der kleine Trupp auf die Reise. Langsam wurde auch die Zeit knapp, denn der Mond war schon halb gerundet und beim nächsten Vollmond musste sich Cleo die Bernsteinkette umhängen um die Verwandlung rückgängig zu machen.
Immer weiter zog der kleine Schwarm, Richtung Norden. Über weites Land und Gebirge über Flüsse und dunkle Moore aus denen dichte Nebel stiegen und ihnen die Sicht raubte. Endlich erblickten sie in der Ferne eine gewaltige Wasserfläche. Hohe Wellen blaugrauen Wassers rollten mit weißen Schaumkronen, eine nach der anderen mit Wucht auf den Strand, wo sie sich brachen und zischend im Sand verliefen. Sie hatten das Nordmeer erreicht. Cleo und ihre Begleiter landeten in einem kleinen Wäldchen, nahe bei den Dünen am Strand. Dort wollten sie sich ein trockenes warmes Plätzchen errichten um die Nacht über zu rasten und auszuruhen. Fast waren sie schon eingeschlafen, als es im Gesträuch knackte und knisterte. Ein Gast gesellte sich zu ihnen, der ihre Ankunft beobachtet hatte. Es war ebenfalls ein Vogel, wie ihn zumindest die Höckerschwäne noch nie erblickt hatten. Cleo jedoch war er durchaus vertraut. Es handelte sich um einen Ibis, der in Cleos Heimat sehr häufig vorkam. Nun erzählte dieser, das auch er auf der Suche nach dem verschwundenen Wasser gewesen war. Sein Schicksal ähnelte dem Cleos, er war ebenfalls von dem Zauberer mit einem Fluch belegt worden, so das er jetzt die Gestalt eines Ibisses hatte. Im Verlaufe des Gespräches stellte sich heraus das er ein Fürstensohn war, der seinen Palast ganz in der Nähe vom Wohnsitz Cleos hatte. Flüchtig kannten sie sich sogar. Es war niemand anderer als Prinz Ibis, der da vor ihr stand. Der Prinz hatte auch die Sage von der Bernsteinkette und dem Land der weißen Nächte gehört. Er war schon eine geraume Weile am Strand und hatte versucht Bernstein zu sammeln, aber er war immer gescheitert. Als die Freunde von ihm wissen wollten weshalb es nicht möglich war den Bernstein aufzusammeln. Da antwortete der Prinz dass, das nicht so einfach zu bewerkstelligen sei. Der Strand auf den die Wogen des Meeres den kostbaren Stein ablegten, wurde von einer gigantisch großen Schlange bewacht, einem Lindwurm gleich. Jeder der sich auch nur dem Strand mit seinen Steinen näherte um sie aufzusammeln, wurde von ihr erbarmungslos verschlungen und verschwand auf Nimmerwiedersehen in ihrem Bauch. Nach dieser Erzählung schwiegen erst mal alle. An Schlaf war nun nicht mehr zu denken und den Rest der Nacht
beratschlagten sie wie der Lindwurm zu überlisten wäre. Sie einigten sich darauf das Untier am nächsten Tag genauestens zu beobachten, um einen Plan zu fassen wie sie das Vieh besiegen konnten. Zu diesem Zweck wechselten sie sich auf ihrem Beobachtungsposten, der sich auf der höchsten Düne in Strandnähe befand, ab. Bei aller Eile wollten sie doch sorgfältig vorgehen, damit keiner der Gefährten zu Schaden kam. So sahen sie denn wie die Wellen größeren und kleineren verschieden geformten, golden schimmernden Bernstein auf dem Land ablegten. Sofort war die Strandschlange zur Stelle um mit zischend erhobenem Haupt, dem gefährlich lange, spitze Zähne aus dem Maul ragten, alle Edelsteine zu verschlingen. So ging das den ganzen Tag. Am Abend war allen klar, das das Untier nicht so einfach zu bezwingen war. Eine List musste her.
Wie sie so saßen und grübelten, raschelte es erneut im Gehölz und ein neuer Gast steckte seinen Kopf in die Runde der Freunde. Dieses Tier hatte einen tonnenförmigen Körper, kurze stämmige Beinchen, ein kurzes Maul mit langen starren Borsten daran aus dem zwei lange enorm breite Zähne schauten. Am Hinterkörper schleppte das Wesen einen schaufelförmigen Schwanz hinter sich her. Mutter Biber war es die den Weg in die Runde gefunden hatte. Auch sie war auf der Suche nach Bernstein um ihren an grimmigem Bauchweh erkrankten Kinder zu heilen. Diese hatten an giftigem Eibenholz genagt. Nur gemahlener Bernstein, vermischt mit der Milch vom Löwenzahn vermochte ihre vergifteten Bäuche zu kurieren.
Sie diskutierten so manche Idee, verwarfen Strategien, am Ende hatten sie dann einen Plan der funktionieren könnte und mit dem alle einverstanden waren. Als es am nächsten Morgen zu dämmern begann und die Sonne kaum über den Horizont schaute, der Wind über dem Meer noch schlief, begannen die Freunde mit ihren Vorbereitungen. Mutter Biber fällte mit ihren scharfen Zähnen in geübter Manier, flink Bäume. Aus deren Holz und Ästen ein Vogelähnliches Gebilde gebaut werden sollte. Mit dünnen Schilfblättern wurde alles zusammengebunden. Jede noch so kleine Feder wurde aufgesammelt. Cleo, der Ibis und die Höckerschwäne spendeten Federn soviel sie nur konnten. Damit wurde die hölzerne Gestalt beklebt bis kein Ästchen oder Blättchen mehr zu sehen war. Als der der künstliche Riesenvogel fertig war, wurde er auf die höchste Düne platziert und auf Rollen gesetzt, festgebunden. Aus einem besonders biegsamen Stamm einer schlanken Birke wurde eine Schleuder gebaut, ein daran befestigter Korb wurde mit schweren Steinen und allerhand Treibgut gefüllt, alles gut festgebunden, harrte jetzt auf seinen Einsatz. Alles war vorbereitet,jeder an seinem Platz, es konnte losgehen.
In der Zwischenzeit hatte sich allerlei Getier am Wäldchen gesammelt. Es hatte sich herum gesprochen das es der Strandschlange, welche schon viele ahnungslose Geschöpfe verschlungen hatte, an den Kragen gehen sollte. Manche waren aus purer Neugierde gekommen. Viele aber wollten schauen ob sie irgendwie helfen könnten. Es wimmelte dort von Tieren friedlichen und weniger friedlichen.
Prinz Ibis, in seiner ursprünglichen Gestalt, ein berühmter Krieger in seiner Heimat, gab den Befehl zum Angriff. Die schwarzen Schwäne stiegen auf und flogen im Tiefflug über den Strand. Um die Schlange hervor zu locken stießen sie ihre heiseren lauten Schreie aus. Bald begann das Wasser in Ufernähe zu brodeln und das Untier steckte seinen hässlichen Kopf heraus. Es wand sich aufs Land und die Freunde konnten den riesigen teigweißen Leib aus der Nähe betrachten. Sofort machte es Jagd auf die Schwäne, die sich eiligst in Sicherheit brachten. Als die Schwanen Formation verschwunden war, erfolgte der zweite Befehl von Prinz Ibis. Sogleich nagten viele Mäuschen emsig an den Halteseilen des Riesenvogels auf der Düne. Mit ohrenbetäubendem Getöse, das der Schlange nicht entging, rollte die Gestalt den Hügel hinunter und geradewegs vor das gierig aufgesperrte Maul der Bestie. In ihrer Gier bemerkte die Schlange nicht das der Vogel eine Attrappe war. Sie stürzte sich mit glühenden Augen darauf und verbiss sich mit ihren großen gebogenen Zähnen unlösbar darin. Das war der Augenblick auf den Prinz Ibis und Mutter Biber gewartet hatten. Bis jetzt lief alles nach Plan. Auf ein Zeichen des Prinzen machte sich die Bibermutter daran, das Spannseil der Schleuder zu lösen. Als das geschehen war, schnellte der Schleuderarm mit großer Wucht empor, riss den gefüllten Korb mit sich und ein heftiger Hagel von schweren Steinen und Balken traf die Schlange in ihrer gesamten Länge. Betäubt und mit vielen Wunden am Körper, konnte sich das Untier nicht mehr erheben. Wie die Freunde sehen konnten hatten sie sogar einen ihrer furchterregenden Zähne ausgeschlagen. Aber noch war sie nicht ganz besiegt. Jetzt griffen tausende von kleinen und kleinsten Lebewesen, wie Insekten, an. Sie krabbelten auf und über die geschwächte Bestie. Bissen und Stachen solange auf es ein bis es sich nicht mehr rührte. Unterdessen hatten sich auf dem Dünenkamm viele Raubtiere zusammengerottet. Sie wollten abwarten, ob nicht ein fetter Happen für sie abfallen würde. So war es dann auch. Der in der Heilkunde bewanderte Uhu flog zu der reglosen Schlange. Er besah sich deren Augen, die schon trübe waren. Horchte noch zur Sicherheit nach ihrem Herzschlag. Dann verkündete Er der bange wartenden Gruppe den Tod der Schlange. Jetzt erst brach sich befreiender Jubel bei allen die mitgekämpft hatten seine Bahn. Prinz Ibis aber bat die Raubtiere dafür zu sorgen, das der Schlangenkörper spurlos verschwand. Er hatte seine Bitte kaum ausgesprochen, als sich die gierige Meute auch schon über den Kadaver stürzte. Unter Knurren, Fauchen und Schmatzen, wurde er in Stücke gerissen und in kürzester Zeit verschlungen. Nur ein paar Reste blieben übrig, die wurden von den Wellen fortgespült. Schon bald war der Strand wieder sauber und nichts erinnerte mehr an den Schrecken der Bernsteinküste. Zum ersten Mal hatten die unterschiedlichsten Tiere für ein Ziel zusammen gearbeitet und das erfüllte sie mit Stolz. Mit Fug und Recht nahmen sie sich die Zeit um ihren Sieg zu feiern, ausgelassen und fröhlich, die ganze Nacht hindurch.
Gerade ging die Sonne über dem Meeres Horizont auf und beleuchtete den Weißen Strand. Da konnten es alle erblicken. Ein herrliches goldenes Funkeln im Sand und zwischen den Steinen. Mit jeder ankommenden Welle wurde es mehr. Bernsteine waren es. In allen Formen, Größen und Farben. Sie brauchten sie nur noch aufzusammeln. Es gab niemanden mehr der ihnen das verwehrte. Mit selbst geflochtenen Körben gingen sie an die Arbeit. Sie sammelten emsig und konnten sich an dem wunderschönen Edelstein nicht sattsehen. Als der Nachmittag anbrach hatten sie genug beisammen für Cleo, Prinz Ibis und auch für Mutter Biber. Diese ging mit ihrem Anteil gleich daran die Medizin für ihre kranken Kinder herzustellen und ihnen zu verabreichen. Cleo und der Ibis baten jedoch den Gevatter Igel um einige seiner starken spitzen Stacheln um damit den Stein durchbohren zu können damit sie ihn zu einer Kette fädeln konnten. Bereitwillig gab der Igel ein paar Stacheln ab. Von einem Pferd bekamen sie langes Haar aus seinem Schweif. Nicht lange und sie hatten zwei wunderschöne goldgelbe Bernsteinketten hergestellt. Es wurde auch langsam Zeit denn in dieser Nacht sollte sich der Mond zum Vollmond runden. In der Abend Dämmerung schlangen sich Cleo und der Ibis die Ketten um ihre Körper. Dann standen sie Seite an Seite in den auslaufenden Wellen und warteten darauf das der Mond aufging. Es war soweit, der laue Nachtwind schob die dunklen Wolken weg und ein strahlend heller Vollmond beleuchtete die Tierversammlung.
Als die kleine Nilgans und der Ibis im vollen Mondschein standen, begannen die Bernsteine zu strahlen und hüllte die beiden Gestalten gänzlich ein. Sie waren für alle eine kurze Weile nicht zu sehen, wie hinter einem goldenen Schleier verborgen. Allmählich verblasste das Strahlen, gebannt schauten die Tiere nach den beiden Gestalten die so reglos im seichten Wasser standen. Aber da war keine Gans und kein Ibis mehr. Es standen dort zwei Menschen. Ein wunderschönes Mädchen mit langen schwarzen Haaren und mandelförmigen Augen …..Cleo die ehemalige Nilgans. Daneben ein starker schöner Prinz , den sie bis dahin nur in der Gestalt des Ibisses kannten.
Hand in Hand kamen die beiden die Düne herauf. Da sie auch noch weiter über die Gabe verfügten die Sprache der Tiere zu verstehen, dankten sie ihren Freunden für ihre selbstlose Hilfe. Es war schon spät, die Anstrengungen des Tages machten sich bemerkbar. Alle waren erschöpft und müde und schliefen im Nu ein . Geweckt wurden alle am nächsten Morgen, als ein gewaltiges Rauschen die Luft um sie her erzittern ließ. Unweit ihres Lagerplatzes landete eine prächtige Kutsche aus Bergkristall. Getragen wurde das Gefährt von einhundert schneeweißen Schwänen, die vorn und hinten an der Kutsche eingeschirrt waren. Heraus stiegen Schwanenkönig und Königin, denn niemand anderem gehörte dieses Gefährt. Sie hatten sich Gedanken darüber gemacht, wie Cleo und der Ibis in ihrer menschlichen Gestalt wieder nachhause hinter das mittlere Meer kommen sollten. Deshalb stellten sie ihnen ihre eigene Reisekutsche, samt Schwanengespann zur Verfügung.
Nun wurde Abschied genommen. Unter Tränen und mit dem Versprechen sich gegenseitig besuchen zu wollen, bestiegen Cleo und der Prinz das Schwanengefährt. Sachte erhob es sich ,in die Lüfte und in kürzester Zeit waren sie den Augen der Menge entschwunden.
Und so kam es, das jedes Jahr wenn der Winter naht, sich eine große Vogelschar auf den Weg gen Süden macht um Prinz und Prinzessin in ihrem Land zu besuchen. Auch heute noch.
Cleo und der Prinz, wie nicht anders zu erwarten, besiegten auch den bösen Zauberer, befreiten das Wasser zum Wohle aller. Sie wollten auch nicht mehr ohne einander sein. Deshalb gab es noch eine große Hochzeit. Auch sorgten sie dafür, das ihre Geschichte niemals vergessen werden würde. Die beiden Bernsteinketten aber wurden von Generation zu Generation weitergegeben und sorgfältig gehütet, denn sie tun immer noch Wunder.
ENDE
								Es war einmal, in einem Land, dass genau unter der Mittagssonne lag. Das zu finden war nicht schwer, sofern es jemand schaffte über das große mittlere Meer zu kommen. Auf keiner gewöhnlichen Landkarte ist es zu sehen. Es existiert, wenn man die Augen schließt und der Geschichte von Cleo lauscht.
In diesem Land, wir wollen es das Land Grasgrün nennen, da gab es Wiesen soweit das Auge schauen konnte. Hohes weiches Gras, duftete mit allerlei Kräutlein um die Wette. Von weitem wirkten die Wiesen wie ein bunter Teppich. Es wuchsen dort viele Blumen. Weiße Wiesenmargariten, rosa Steinnelken, gelber Rainfarn und Johanniskraut, blaue Glockenblumen, welche morgens mit zartem Geläute den Tag verkündeten. Am Rande der Wiesen, gleichsam als Begrenzung standen wilde Rosen in dichten Hecken. Inmitten des blühenden Landes Grasgrün, befand sich ein verträumter kleiner Weiher. Weißstämmige Birken umstanden seine Ufer. Ihre Zweige neigten sich tief zum Wasser und schienen es zu trinken. Stellenweise stand Schilf mit den Wurzeln im Uferschlamm und seine dunkelbraunen Kolben wiegten sich sacht im Wind. Die Tiere die in diesem Land ihre Heimstatt hatten, stillten an diesem Gewässer, jeden Morgen ihren Durst, so war es schon seit Ewigkeiten.
Als am nächsten Morgen, wieder zarter Glockenklang den Tag ankündigte und sich die Tiere zum Morgentrunk versammelten, da hatte sich etwas verändert. Mitten auf dem Tümpel, schwamm ein Vogel. Er glich einer Gans, nur die Farbe ihres Gefieders unterschied sich von der, der Einheimischen Gänse. Deren Federn waren schneeweiß, wogegen die der Wildgänse grau waren. Diese hier, die so allein ihre Bahnen schwamm, war aber Rosa mit einer merkwürdigen Zeichnung, die aussah wie schwarze Streifen am Hals entlang. Oben auf dem Kopfe aber hatte sie drei aufrecht stehende rote Federn, die wie ein kostbares Krönchen aussahen.
Neugierig blieben die Tiere stehen und warteten bis das Gänschen zu ihnen geschwommen kam. Alsdann fragten alle wer sie wohl sei und woher ihr Kommen war. Das Gänschen setzte sich zu den Tieren ans Ufer und begann seine Geschichte zu erzählen: “ Ich heiße Cleo und bin die Tochter eines mächtigen Königs jenseits des großen Wassers, dass man das Mittlere Meer nennt. Es ist dort sehr warm und trocken. Solche grünen Wiesen und kleinen Tümpel, wie ich sie hier finde, sind in meinem Lande äußerst selten. Deshalb müssen wir mit Wasser sehr bedachtsam umgehen und dürfen es nicht vergeuden. Die Menschen in meiner Heimat sind bescheiden und sehr fleißig. In diesem Jahr jedoch, begann eine Hungersnot. Unser Fluss der das ganze Land versorgt, hatte nicht genug Wasser. So das fast die gesamte Ernte auf dem Halm vertrocknete. Zu allem Übel wohnt in unserem Lande auch ein böser Zauberer, der das wenige Wasser, statt es zu teilen, in ein unterirdisches Bassin leitete um es für seine Gärten und Springbrunnen zu nutzen. Alle Anstrengungen dieses Bassin zu finden, wurden von diesem Bösewicht vereitelt. Als Ich glaubte es gefunden zu haben, wurde der Unhold so zornig, das er mich in eine Nilgans verwandelte und damit drohte mich zu verspeisen. Ich entkam nur knapp. Noch in der gleichen Stunde flog ich in den Palast meines Vaters, aber ach er erkannte mich nicht in meiner Gänsegestalt. So beschloss ich denn mich zum Tempel zu begeben um das Orakel zu befragen. Ich erhoffte mir einen Rat wie meinem Volk und mir zu helfen war. Denn ewig wollte ich keine Nilgans bleiben.”. Bei diesen Worten tropften große Tränen aus ihren schönen dunklen Augen. Wo sie auftrafen,auf die Erde, entspross sogleich ein kleines Blümchen mit weißen Blüten die wie Sterne aussahen......Gänseblümchen. Die kleine Nilgans musste schon viel geweint habe, denn die ganze Wiese war übersät mit diesen kleinen, bis dahin unbekannten, Sternchen. Mitleid erfasste da die Tierversammlung und alle schwiegen betroffen. Nach einer Weile öffnete die kleine Gans erneut ihren Schnabel um ihre Geschichte weiter zu erzählen.”Ich opferte dem Orakel im Tempel, zwei besonders große Federn aus meinem Kleid, dafür bekam ich den Rat nach Norden zu fliegen. Finden soll ich das Land der weißen Nächte, wo das Nordmeer gelegentlich im eiskalten Wasser der See erstarrte Sonnenstrahlen mit seinen Wellen an Land wirft. Diese heißen dort Bernstein. Ich muss soviel davon finden um eine Kette daraus fädeln zu können. Die wiederum muss so lang sein das sie meinen ganzen Körper umschlingen kann. Beim nächsten Vollmond muss ich damit fertig sein, so das der Mond um Mitternacht darauf scheinen kann und die Verwandlung rückgängig gemacht werden kann. Schaffe ich das nicht, werde ich für alle Ewigkeit eine Nilgans bleiben müssen.” So endete erst einmal die Erzählung der kleinen Gans. Nach einer kurzen Weile des Schweigens, redeten die anwesenden Tiere alle durcheinander. Allen tat die Gans von Herzen leid und alle wollten ihr unbedingt helfen das Land der weißen Nächte und das Bernsteinwasser zu finden.
Rehe und Hirsche fragten herum, desgleichen Hasen und anderes Niederwild, sogar die kleinen Mäuschen suchten nach Hinweisen nach dem sagenhaften Land. Schließlich war es die Sippe der Eichhörnchen die flink von Baum zu Baum flitzte und über deren Äste, wie auf festem Boden lief. Sie fanden, weit oben im Berg, eine alte, einsame Höhle. An deren steinernen Wänden uralte eingeritzte Zeichnungen zu sehen waren. Sie wiesen den gesuchten Weg zum Bernsteinwasser. Staunend standen die Eichhörnchen in die Betrachtung der Bilder versunken, als ihnen einfiel die Zeichnungen für Cleo abzumalen. Zu diesem Zwecke holten sie sich ein großes Kalmusblatt vom Teich und ein Stück Holzkohle vom letzten Gewitterbrand, nicht lange und die Zeichnungen befanden sich vollständig auf dem Blatt. Als sie damit fertig waren, eilten sie zu Cleo. Sie ließen das Blatt im Teichwasser schwimmen bis es das Gänschen erreichte. Aufmerksam studierte Cleo die Bilder. Dabei wurde ihr klar, das sie noch ein großes Stück von ihrem Ziel entfernt war und sie noch viel Kraft benötigen würde. Sie beschloss deshalb die Tage bis zu ihrem geplanten Abflug mit dem Kräfte tanken für ihre lange Reise zu verbringen. Mit dem Schnabel rupfte sie das saftige Gras und wohlschmeckende Kräuter, ja sogar allerlei kleines Käfergetier. Alles verschwand im Gänsemagen. Täglich schwamm sie ihre Runden im Teich und unternahm Flüge bei allen Wetterlagen, um ihre Flügel zu trainieren. Eines Tages war es dann soweit. Die Reise sollte beginnen. Das Kalmusblatt steckte zusammengerollt in ihrem Bauchgefieder. Wieder flossen Tränen, als sie sich von den hilfreichen und ihr liebgewordenen Tieren verabschiedete und wieder erwuchsen und erblühten aus den Tränen die schönen kleinen Gänseblümchen. Cleo die kleine Nilgans, grüßte noch ein letztes Mal, breitete ihre Flügel aus, nahm Anlauf und schon trug sie der Wind in den strahlend blauen Himmel. Sie flog noch eine Runde, dann drehte sie nach Norden ab. Eine Weile konnten die Zurückgebliebenen, den Flug noch verfolgen. Sie wurde kleiner und kleiner, bald war Cleo aus dem Blickfeld verschwunden.
Lange flog sie schon so dahin und betrachtete von oben die schöne grüne Welt. Aber auch Gebirge waren von oben zu sehen. Auf deren Gipfeln sah sie eine weiße Masse liegen, von der eine schreckliche Kälte ausging. So etwas war ihr völlig unbekannt. Sie wusste nicht das sie da Schnee sah, den es in ihrer Heimat am Nil nicht gab. So schön es war die Welt von Oben zu betrachten, irgendwann musste auch Cleo rasten. Dazu suchte sie immer die Nähe von kleinen Gewässern. Stärkte sich an dem was sie in ihrer Umgebung fand. Baute sich aus Ästchen und trockenem Laub ein Lager, setzte sich hinein, steckte ihren Kopf unter einen Flügel und schlief ein. Immer aber wenn Sie am Morgen ihren Ruheplatz verließ, wuchsen in ihrer Umgebung, die bis dahin unbekannten Gänseblümchen. Gelegentlich entrollte sie ihr mitgeführtes Kalmusblatt und schaute nach, ob sie auch nicht die Richtung verfehlt hatte.
Nach dem Sie wieder nach einer Rast aufgebrochen war und auch schon länger geflogen war. Erblickte sie in der Ferne einen großen See. Schon wollte sie glauben das Bernsteinwasser gefunden zu haben, da sah sie das in der Mitte des Sees sich ein anmutiges Gebäude erhob. Ein viereckiges Schloss, an dessen Ecken sich je ein runder dicker Turm erhob. Sie wurden von Kuppeln aus stabilen sehr großen, weißen Federn gekrönt.Hohe abgerundete Fenster durchbrachen die Fassade um das Licht der Sonne in das Gemäuer zu lassen. Kälte und Wind wurden von leichten Federvorhängen abgewehrt. Als Cleo noch überlegte wem wohl dieser prächtige Palast gehörte, sah sie es. Von der Mitte des Palastdaches wehte eine riesige Standarte, auf der in Silberstickerei ein majestätischer Schwan abgebildet war. Cleo war nun doch neugierig geworden. Sie landete auf dem Schlosshof, wo sie schon von den Wachen in Empfang genommen und zum Herrscherpaar eskortiert wurde. Jetzt staunte auch Cleo, damit hatte sie im Traum nicht gerechnet. Das Herrscherpaar war niemand anderer als der Schwanenkönig mit seiner Königin, die Cleo sehr freundlich begrüßten. König und Königin wussten um die Gebote der Gastfreundschaft. Darum durfte sich die kleine Nilgans erst einmal erfrischen und ausruhen, erst danach wurde sie nach ihrem Woher und Wohin und dem Zweck ihrer Reise befragt. Cleo erzählte ihre Geschichte, dabei zeigte sie ihr Kalmusblatt, das schon arg zerfleddert und mitgenommen aussah, herum. Erstaunt sahen sich König und Königin an. Sie kannten das Land der weißen Nächte wohl und auch den beschwerlichen Weg dorthin mit seinen vielfältigen Gefahren für so ein kleines Gänschen. Nachdem sie sich eingehend beraten hatten, beschlossen sie Cleo nicht allein auf den Weg zu schicken. Ein kurzer Befehl und schon erschien die Leibgarde des Herrscherpaares im Thronsaal. Es war ein beeindruckendes Bild, wie da große schwarze Höckerschwäne in Reihe und Glied aufmarschierten und Haltung vor dem Königspaar und Cleo einnahmen. Der König wählte vier schwarze Schwäne aus, damit sie Cleo auf ihrem Weg begleiteten. Am nächsten Morgen, nachdem Cleo mit einer neuen, diesmal haltbareren, Wegskizze aus Birkenrinde versorgt worden war, machte sich der kleine Trupp auf die Reise. Langsam wurde auch die Zeit knapp, denn der Mond war schon halb gerundet und beim nächsten Vollmond musste sich Cleo die Bernsteinkette umhängen um die Verwandlung rückgängig zu machen.
Immer weiter zog der kleine Schwarm, Richtung Norden. Über weites Land und Gebirge über Flüsse und dunkle Moore aus denen dichte Nebel stiegen und ihnen die Sicht raubte. Endlich erblickten sie in der Ferne eine gewaltige Wasserfläche. Hohe Wellen blaugrauen Wassers rollten mit weißen Schaumkronen, eine nach der anderen mit Wucht auf den Strand, wo sie sich brachen und zischend im Sand verliefen. Sie hatten das Nordmeer erreicht. Cleo und ihre Begleiter landeten in einem kleinen Wäldchen, nahe bei den Dünen am Strand. Dort wollten sie sich ein trockenes warmes Plätzchen errichten um die Nacht über zu rasten und auszuruhen. Fast waren sie schon eingeschlafen, als es im Gesträuch knackte und knisterte. Ein Gast gesellte sich zu ihnen, der ihre Ankunft beobachtet hatte. Es war ebenfalls ein Vogel, wie ihn zumindest die Höckerschwäne noch nie erblickt hatten. Cleo jedoch war er durchaus vertraut. Es handelte sich um einen Ibis, der in Cleos Heimat sehr häufig vorkam. Nun erzählte dieser, das auch er auf der Suche nach dem verschwundenen Wasser gewesen war. Sein Schicksal ähnelte dem Cleos, er war ebenfalls von dem Zauberer mit einem Fluch belegt worden, so das er jetzt die Gestalt eines Ibisses hatte. Im Verlaufe des Gespräches stellte sich heraus das er ein Fürstensohn war, der seinen Palast ganz in der Nähe vom Wohnsitz Cleos hatte. Flüchtig kannten sie sich sogar. Es war niemand anderer als Prinz Ibis, der da vor ihr stand. Der Prinz hatte auch die Sage von der Bernsteinkette und dem Land der weißen Nächte gehört. Er war schon eine geraume Weile am Strand und hatte versucht Bernstein zu sammeln, aber er war immer gescheitert. Als die Freunde von ihm wissen wollten weshalb es nicht möglich war den Bernstein aufzusammeln. Da antwortete der Prinz dass, das nicht so einfach zu bewerkstelligen sei. Der Strand auf den die Wogen des Meeres den kostbaren Stein ablegten, wurde von einer gigantisch großen Schlange bewacht, einem Lindwurm gleich. Jeder der sich auch nur dem Strand mit seinen Steinen näherte um sie aufzusammeln, wurde von ihr erbarmungslos verschlungen und verschwand auf Nimmerwiedersehen in ihrem Bauch. Nach dieser Erzählung schwiegen erst mal alle. An Schlaf war nun nicht mehr zu denken und den Rest der Nacht
beratschlagten sie wie der Lindwurm zu überlisten wäre. Sie einigten sich darauf das Untier am nächsten Tag genauestens zu beobachten, um einen Plan zu fassen wie sie das Vieh besiegen konnten. Zu diesem Zweck wechselten sie sich auf ihrem Beobachtungsposten, der sich auf der höchsten Düne in Strandnähe befand, ab. Bei aller Eile wollten sie doch sorgfältig vorgehen, damit keiner der Gefährten zu Schaden kam. So sahen sie denn wie die Wellen größeren und kleineren verschieden geformten, golden schimmernden Bernstein auf dem Land ablegten. Sofort war die Strandschlange zur Stelle um mit zischend erhobenem Haupt, dem gefährlich lange, spitze Zähne aus dem Maul ragten, alle Edelsteine zu verschlingen. So ging das den ganzen Tag. Am Abend war allen klar, das das Untier nicht so einfach zu bezwingen war. Eine List musste her.
Wie sie so saßen und grübelten, raschelte es erneut im Gehölz und ein neuer Gast steckte seinen Kopf in die Runde der Freunde. Dieses Tier hatte einen tonnenförmigen Körper, kurze stämmige Beinchen, ein kurzes Maul mit langen starren Borsten daran aus dem zwei lange enorm breite Zähne schauten. Am Hinterkörper schleppte das Wesen einen schaufelförmigen Schwanz hinter sich her. Mutter Biber war es die den Weg in die Runde gefunden hatte. Auch sie war auf der Suche nach Bernstein um ihren an grimmigem Bauchweh erkrankten Kinder zu heilen. Diese hatten an giftigem Eibenholz genagt. Nur gemahlener Bernstein, vermischt mit der Milch vom Löwenzahn vermochte ihre vergifteten Bäuche zu kurieren.
Sie diskutierten so manche Idee, verwarfen Strategien, am Ende hatten sie dann einen Plan der funktionieren könnte und mit dem alle einverstanden waren. Als es am nächsten Morgen zu dämmern begann und die Sonne kaum über den Horizont schaute, der Wind über dem Meer noch schlief, begannen die Freunde mit ihren Vorbereitungen. Mutter Biber fällte mit ihren scharfen Zähnen in geübter Manier, flink Bäume. Aus deren Holz und Ästen ein Vogelähnliches Gebilde gebaut werden sollte. Mit dünnen Schilfblättern wurde alles zusammengebunden. Jede noch so kleine Feder wurde aufgesammelt. Cleo, der Ibis und die Höckerschwäne spendeten Federn soviel sie nur konnten. Damit wurde die hölzerne Gestalt beklebt bis kein Ästchen oder Blättchen mehr zu sehen war. Als der der künstliche Riesenvogel fertig war, wurde er auf die höchste Düne platziert und auf Rollen gesetzt, festgebunden. Aus einem besonders biegsamen Stamm einer schlanken Birke wurde eine Schleuder gebaut, ein daran befestigter Korb wurde mit schweren Steinen und allerhand Treibgut gefüllt, alles gut festgebunden, harrte jetzt auf seinen Einsatz. Alles war vorbereitet,jeder an seinem Platz, es konnte losgehen.
In der Zwischenzeit hatte sich allerlei Getier am Wäldchen gesammelt. Es hatte sich herum gesprochen das es der Strandschlange, welche schon viele ahnungslose Geschöpfe verschlungen hatte, an den Kragen gehen sollte. Manche waren aus purer Neugierde gekommen. Viele aber wollten schauen ob sie irgendwie helfen könnten. Es wimmelte dort von Tieren friedlichen und weniger friedlichen.
Prinz Ibis, in seiner ursprünglichen Gestalt, ein berühmter Krieger in seiner Heimat, gab den Befehl zum Angriff. Die schwarzen Schwäne stiegen auf und flogen im Tiefflug über den Strand. Um die Schlange hervor zu locken stießen sie ihre heiseren lauten Schreie aus. Bald begann das Wasser in Ufernähe zu brodeln und das Untier steckte seinen hässlichen Kopf heraus. Es wand sich aufs Land und die Freunde konnten den riesigen teigweißen Leib aus der Nähe betrachten. Sofort machte es Jagd auf die Schwäne, die sich eiligst in Sicherheit brachten. Als die Schwanen Formation verschwunden war, erfolgte der zweite Befehl von Prinz Ibis. Sogleich nagten viele Mäuschen emsig an den Halteseilen des Riesenvogels auf der Düne. Mit ohrenbetäubendem Getöse, das der Schlange nicht entging, rollte die Gestalt den Hügel hinunter und geradewegs vor das gierig aufgesperrte Maul der Bestie. In ihrer Gier bemerkte die Schlange nicht das der Vogel eine Attrappe war. Sie stürzte sich mit glühenden Augen darauf und verbiss sich mit ihren großen gebogenen Zähnen unlösbar darin. Das war der Augenblick auf den Prinz Ibis und Mutter Biber gewartet hatten. Bis jetzt lief alles nach Plan. Auf ein Zeichen des Prinzen machte sich die Bibermutter daran, das Spannseil der Schleuder zu lösen. Als das geschehen war, schnellte der Schleuderarm mit großer Wucht empor, riss den gefüllten Korb mit sich und ein heftiger Hagel von schweren Steinen und Balken traf die Schlange in ihrer gesamten Länge. Betäubt und mit vielen Wunden am Körper, konnte sich das Untier nicht mehr erheben. Wie die Freunde sehen konnten hatten sie sogar einen ihrer furchterregenden Zähne ausgeschlagen. Aber noch war sie nicht ganz besiegt. Jetzt griffen tausende von kleinen und kleinsten Lebewesen, wie Insekten, an. Sie krabbelten auf und über die geschwächte Bestie. Bissen und Stachen solange auf es ein bis es sich nicht mehr rührte. Unterdessen hatten sich auf dem Dünenkamm viele Raubtiere zusammengerottet. Sie wollten abwarten, ob nicht ein fetter Happen für sie abfallen würde. So war es dann auch. Der in der Heilkunde bewanderte Uhu flog zu der reglosen Schlange. Er besah sich deren Augen, die schon trübe waren. Horchte noch zur Sicherheit nach ihrem Herzschlag. Dann verkündete Er der bange wartenden Gruppe den Tod der Schlange. Jetzt erst brach sich befreiender Jubel bei allen die mitgekämpft hatten seine Bahn. Prinz Ibis aber bat die Raubtiere dafür zu sorgen, das der Schlangenkörper spurlos verschwand. Er hatte seine Bitte kaum ausgesprochen, als sich die gierige Meute auch schon über den Kadaver stürzte. Unter Knurren, Fauchen und Schmatzen, wurde er in Stücke gerissen und in kürzester Zeit verschlungen. Nur ein paar Reste blieben übrig, die wurden von den Wellen fortgespült. Schon bald war der Strand wieder sauber und nichts erinnerte mehr an den Schrecken der Bernsteinküste. Zum ersten Mal hatten die unterschiedlichsten Tiere für ein Ziel zusammen gearbeitet und das erfüllte sie mit Stolz. Mit Fug und Recht nahmen sie sich die Zeit um ihren Sieg zu feiern, ausgelassen und fröhlich, die ganze Nacht hindurch.
Gerade ging die Sonne über dem Meeres Horizont auf und beleuchtete den Weißen Strand. Da konnten es alle erblicken. Ein herrliches goldenes Funkeln im Sand und zwischen den Steinen. Mit jeder ankommenden Welle wurde es mehr. Bernsteine waren es. In allen Formen, Größen und Farben. Sie brauchten sie nur noch aufzusammeln. Es gab niemanden mehr der ihnen das verwehrte. Mit selbst geflochtenen Körben gingen sie an die Arbeit. Sie sammelten emsig und konnten sich an dem wunderschönen Edelstein nicht sattsehen. Als der Nachmittag anbrach hatten sie genug beisammen für Cleo, Prinz Ibis und auch für Mutter Biber. Diese ging mit ihrem Anteil gleich daran die Medizin für ihre kranken Kinder herzustellen und ihnen zu verabreichen. Cleo und der Ibis baten jedoch den Gevatter Igel um einige seiner starken spitzen Stacheln um damit den Stein durchbohren zu können damit sie ihn zu einer Kette fädeln konnten. Bereitwillig gab der Igel ein paar Stacheln ab. Von einem Pferd bekamen sie langes Haar aus seinem Schweif. Nicht lange und sie hatten zwei wunderschöne goldgelbe Bernsteinketten hergestellt. Es wurde auch langsam Zeit denn in dieser Nacht sollte sich der Mond zum Vollmond runden. In der Abend Dämmerung schlangen sich Cleo und der Ibis die Ketten um ihre Körper. Dann standen sie Seite an Seite in den auslaufenden Wellen und warteten darauf das der Mond aufging. Es war soweit, der laue Nachtwind schob die dunklen Wolken weg und ein strahlend heller Vollmond beleuchtete die Tierversammlung.
Als die kleine Nilgans und der Ibis im vollen Mondschein standen, begannen die Bernsteine zu strahlen und hüllte die beiden Gestalten gänzlich ein. Sie waren für alle eine kurze Weile nicht zu sehen, wie hinter einem goldenen Schleier verborgen. Allmählich verblasste das Strahlen, gebannt schauten die Tiere nach den beiden Gestalten die so reglos im seichten Wasser standen. Aber da war keine Gans und kein Ibis mehr. Es standen dort zwei Menschen. Ein wunderschönes Mädchen mit langen schwarzen Haaren und mandelförmigen Augen …..Cleo die ehemalige Nilgans. Daneben ein starker schöner Prinz , den sie bis dahin nur in der Gestalt des Ibisses kannten.
Hand in Hand kamen die beiden die Düne herauf. Da sie auch noch weiter über die Gabe verfügten die Sprache der Tiere zu verstehen, dankten sie ihren Freunden für ihre selbstlose Hilfe. Es war schon spät, die Anstrengungen des Tages machten sich bemerkbar. Alle waren erschöpft und müde und schliefen im Nu ein . Geweckt wurden alle am nächsten Morgen, als ein gewaltiges Rauschen die Luft um sie her erzittern ließ. Unweit ihres Lagerplatzes landete eine prächtige Kutsche aus Bergkristall. Getragen wurde das Gefährt von einhundert schneeweißen Schwänen, die vorn und hinten an der Kutsche eingeschirrt waren. Heraus stiegen Schwanenkönig und Königin, denn niemand anderem gehörte dieses Gefährt. Sie hatten sich Gedanken darüber gemacht, wie Cleo und der Ibis in ihrer menschlichen Gestalt wieder nachhause hinter das mittlere Meer kommen sollten. Deshalb stellten sie ihnen ihre eigene Reisekutsche, samt Schwanengespann zur Verfügung.
Nun wurde Abschied genommen. Unter Tränen und mit dem Versprechen sich gegenseitig besuchen zu wollen, bestiegen Cleo und der Prinz das Schwanengefährt. Sachte erhob es sich ,in die Lüfte und in kürzester Zeit waren sie den Augen der Menge entschwunden.
Und so kam es, das jedes Jahr wenn der Winter naht, sich eine große Vogelschar auf den Weg gen Süden macht um Prinz und Prinzessin in ihrem Land zu besuchen. Auch heute noch.
Cleo und der Prinz, wie nicht anders zu erwarten, besiegten auch den bösen Zauberer, befreiten das Wasser zum Wohle aller. Sie wollten auch nicht mehr ohne einander sein. Deshalb gab es noch eine große Hochzeit. Auch sorgten sie dafür, das ihre Geschichte niemals vergessen werden würde. Die beiden Bernsteinketten aber wurden von Generation zu Generation weitergegeben und sorgfältig gehütet, denn sie tun immer noch Wunder.
ENDE
