Cocktail (Limerick)

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anbas

Mitglied
Moin James,
vermutlich wird der eine oder die andere mit "Gut Stolzenhagen" und "Federschmuckkragen" metrische Probleme haben bzw. sich daran stören. Aus meiner Sicht kann man diese aber vernachlässigen.
Gern gelesen.
Liebe Grüße
Andreas
 

James Blond

Mitglied
Gut, dass du daran erinnerst, Andreas.
Für gestandene Limericker vermutlich kein Problem,
and for beginners a little help from a friend:

Gut Stol zen ha gen

Fe der schmuck kra gen


Grüße
JB
 

sufnus

Mitglied
Hey!

Nach dem Titel hätte ich (wie wohl jede(r) andere auch) zunächst ein anderes Sujet erwartet, was, nachdem der Groschen (endlich) gerutscht ist, einen schönen zusätzlichen Humoreffekt ergibt (die wahre Namensherkunft des Begriffs Cock-Tail für einen alkoholischen Drink ist übrigens im Nebel der Zeiten verschollen). :)

Was die metrische Seite angeht, kann man den Federschmuckkragen m. E. nur bei böswilligem Gegen-den-Strich-lesen mit einem Hebungsprall als XxXX lesen. Eine solche Lesart würde zudem implizieren, dass es ein Wort wie "Schmuckkragen" gibt; vermutlich würde des I-Net hierzu Treffer anzeigen, könnte mir gut einen Begriff aus der Zoologie vorstellen ("der Gestreifte Seidenbalzvogel mit seinem auffälligen Schmuckkragen"), aber das Kompositum "Federschmuck" ist doch deutlich naheliegender und dann rutscht der Akzent von "-schmuck-" automatisch ins (relativ) Unbetonte. :)

Demgegenüber ist in der ersten Zeile der Fall etwas kniffliger, weil man da tatsächlich beinahe jambisch lesen kann, wenn man dem "Gut" eine etwas schwebende, leicht gedimmte Betonung verpasst - ich teile mal nach Wortgrenzen auf und markiere die Halbbetonung mit einem (X) - das sieht dann ungefähr so aus:
x Xx X (X) XxXx

Dabei suggeriert erstmal die fast schon getripelt anmutende Betonungsmassierung rechts und links der schwebenden Betonung völlige Unaussprechlichkeit, aber tatsächlich lässt sich das Wort "Gut", wenn man das "vom" vornedran nur kräftig genug betont, überraschend einfach integrieren und weil das Endprodukt dann, wie bereits angedeutet, einem vierhebigen Jambus mit weicher Kadenz (also einem total üblichen Standardmetrum) sehr nahe kommt, ergeben sich bei Gemeinen Endreimgedichtvortragenden hier kaum Schwierigkeiten. Nur der Limo-anmoderierende Gesamthabitus zeigt dann, dass diese Betonungsvariante nicht gemeint sein kann. :)
Insgesamt ein sehr schönes Beispiel dafür, dass (1) es bei metrisch gebundener Sprache nicht nur "betont" und "unbetont" gibt, sondern (potentiell) auch noch Zwischenstufen und dass (2) ein völlig ordnungsgemäß komponierter Vers auch mal mehr als nur eine metrische Lesart zulässt. :)

Und insgesamt noch ein großes Dankeschön an James, dass er mit einer Reihe sehr schöner Beispiele hier so erfolgreich den Limo-Limbo tanzt (schiefes Bild: James nimmt die schwierige Humorhürde natürlich eher von oben als von unten ;) ).

LG!

S.
 
Zuletzt bearbeitet:

sufnus

Mitglied
P.S.
Vielleicht bin ich hier mit vier Sternchen auch zu knauserig... also: Aufruf an alle: Überstimmt mich! :)
 

Bernd

Foren-Redakteur
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Ich hatte keine rhythmischen Probleme. Ich mag den besonderen Reim (die Reimwörter) und die schöne Pointe.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
...
Insgesamt ein sehr schönes Beispiel dafür, dass (1) es bei metrisch gebundener Sprache nicht nur "betont" und "unbetont" gibt, sondern (potentiell) auch noch Zwischenstufen und dass (2) ein völlig ordnungsgemäß komponierter Vers auch mal mehr als nur eine metrische Lesart zulässt. :)

...
LG!

S.
Volle Zustimmung.
 

James Blond

Mitglied
Lieber sufnus, lieber Bernd,
vielen Dank für die Textblumen
und die eingehende Erörterung der verschiedenen Betonungs(un)möglichkeiten.
Allerdings gehe ich nicht ganz konform mit sufnus Betonungsüberlegung des ersten Verses: x Xx X (X) XxXx, demnach etwa so:

Ein Gockel vom (Gut) Stolzenhagen

Von lyrischen Metren einmal abgesehen: Wer würde (in "normaler" Sprache) hier das "vom" betonen wollen?

Dazu ein analoges Beispiel: Ein Krieger vom Stamm der Apachen. Das wäre eine vollkommen ungekünstelte Betonung, oder?

Das Problem liegt eher beim möglichen Hebungsprall von "Gut Stolzenhagen". Den Gutshof gibt es übrigens tatsächlich, was es mir wert war, ihn trotz seiner Betonungsambivalenz zu behalten, wobei "Stolz" hier eine leichte Betonung behält. Alternativ wäre "Ein Gockel vom Gutshof Althagen" in der Betonung wohl eindeutiger, aber lyrisch gilt wohl auch "In Dubio Pro Metrum". :)


Ich werde den Limo-Limbo hier noch ein wenig fortsetzen und würde mich freuen, wenn sich dazu einige Mitmacher einfänden. Der Limi besteht meist aus 90% Handwerk und zu 10% aus Witz. Eine überraschende Pointe ist natürlich das Sahnehäubchen.

Grüße
JB
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, James Ich stimme voll zu, dass diese 90% Handwerk nötig sind, wenn der Limerick fertig ist, müssen sie aber unsichtbar sein, sonst war es umsonst.
 

sufnus

Mitglied
Allerdings gehe ich nicht ganz konform mit sufnus Betonungsüberlegung des ersten Verses: x Xx X (X) XxXx, demnach etwa so:

Ein Gockel vom (Gut) Stolzenhagen

Von lyrischen Metren einmal abgesehen: Wer würde (in "normaler" Sprache) hier das "vom" betonen wollen?

Dazu ein analoges Beispiel: Ein Krieger vom Stamm der Apachen. Das wäre eine vollkommen ungekünstelte Betonung, oder?
Das Apachenbeispiel ist gut geeignet, die betonungstechnische Wandlungsfähigkeit ganz unscheinbarer einsilbiger Wörtchen (in unserem Beispiel eben das Wörtchen "vom") zu illustrieren. Dein Apachensatz ergibt tatsächlich einen ganz fluffigen auftaktischen Daktylosaurier und selbst ich ;) finde hier keine andere halbwegs-sinnige Betonungsmöglichkeit. :) Wenn man mal ein "vom"-betontes Beispiel kreieren will, muss man aber nur ganz leicht umstellen:
"Ein Krieger vom Apachenstamm ... "
Wenn allerdings das "Stamm" direkt neben dem "vom" steht, ist ein(halbwegs) betontes "vom" tatsächlich nahezu ein Ding der Unmöglichkeit, weil "Stamm" schon recht deutlich nach dem Betontwerden verlangt.
Bei
"Ein Krieger vom Stamm 'Bärenkinder' ... " sträubt sich das "vom" so sehr gegen eine Betonung auf Kosten von "Stamm", dass man den Satz nur mit sehr ausgefahrenen Schwebebetonungsellenbogen einigermaßen unfallfrei über die Lippen bekommt, da käme dann ungefähr so etwas bei raus (wieder nach Wortgrenzen aufgeteilt):
x Xx (X) (X) XxXx
wobei hier immer noch das zweite (X) (="Stamm") etwas stärker akzentuiert wäre als das erste (X) (="vom").
Man würde ggf. zu einer Umformulierung raten, wenn nicht das ganze Poem (so diese Zeile denn zu einem solchen gehörte) relativ frei-flottierend rhythmisiert wäre.
Im obigen Fall mit dem dem "... vom Gut Stolzenhagen ... " läuft es m. E. etwas "jambischer" (wenn man das denn möchte), in der Weise, die ich oben skizziert habe. Aber das ist ohne Zweifel für den einen (Suf) naheliegender als für den andern (James).
Und nur nochmal, damit das klar rüberkommt: Die präferierte Betonungsvariante ist hier auch für mich die Limo-kompatible. :)
LG!
S.
 

James Blond

Mitglied
Ein Krieger vom Apachenstamm ...
... am Sonntag in der Alster schwamm ...

Ja, so sehe ich es hier auch: Die jambische Betonung 'erzwingt' ein betontes "vom" (bzw. "in"), auch wenn es - wie hier - semantisch nicht notwendig ist. Drei unbetonte Silben hintereinander sind eben zuviel.

Demgegenüber haben

ein Gockel vom Gut (Stolz)enhagen
wie auch
ein Krieger vom Stamm '(Bär)enkinder'

jeweils mit einem Hebungsprall zu kämpfen, dem ein jambisch betontes "vom" auch nicht weiter hilft, da "Gut", bzw. "Stamm" auf ihre Betonung bestehen, wie du ja richtig schreibst. Demgegenüber ist das "vom" ein wahrer 'Betonungsjoker', der sich dem Metrum anpasst.

Grüße
JB
 



 
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