Con Carne
„Puh“, machte Karina, legte den Löffel weg und wischte sich mit der Serviette über den Mund. „Das war wieder einmal phantastisch, Basti!“
Sie lächelte den Gastgeber an, der am Kopfende des Tisches saß. Die übrigen Gäste stimmten in diese Lobeshymne ein. Die Clique junger Leute, alle Anfang zwanzig, traf sich regelmäßig bei ihrem „Chefkoch“, wie sie ihn nannten.
„Sehr scharf aber verdammt gut“, bemerkte Christian und streichelte seinen wohl gefüllten Bauch.
„Chili con Carne muss so scharf sein!“, warf Sandra ein und nahm einen Schluck von dem chilenischen Rotwein, den Karina gestiftet hatte.
Christians Freundin Anne – die beiden waren erst seit ein paar Wochen zusammen und frisch verliebt, Anne daher neu in der Clique – lehnte sich zu ihrem Freund hinüber, soweit es der Stuhl zuließ.
„Ich hab gehört, du kochst immer tolle Sachen. Das Rezept für das Chili würde mich interessieren.“ Sie schaute Sebastian fragend an.
Karina lachte.
„Damit wirst du kein Glück haben, Anne“, orakelte sie. „Basti ist eigen mit seinen Kochrezepten. Es darf nicht einmal jemand in die Küche, solange er nicht fertig ist.“
Sebastian wurde rot.
„Jeder hat seine kleinen Geheimnisse“, verteidigte er sich. „Aber es ist nichts Besonderes. Das bekommst du mit etwas Übung auch hin.“ Er lächelte und trank etwas Rotwein.
„Sag mal, Basti, warum hast du eigentlich Markus nicht eingeladen?“, erkundigte sich Roger, der bisher der Unterhaltung still gefolgt war.
„Vermisst du ihn etwa?“, fragte Basti zurück. Er grinste. „Der versteht es doch immer wieder, einem das schönste Essen zu verderben. Meint ihr nicht auch?“
Sandra kicherte.
„Da hast du allerdings Recht. Wenn er während des Essens anfängt, von seiner letzten Obduktion zu erzählen ...“ Sie ließ den Rest unausgesprochen.
Roger nickte und musste unwillkürlich grinsen.
„Ist das der Markus mit den kurzen, roten Haaren?“, erkundigte sich Anne.
„Genau der ist das“, bestätigte Christian. „Er ist Assistent in der hiesigen Pathologie. Seine Geschichten sind ... nun ja ... gewöhnungsbedürftig.“
„Gelinde gesagt“, schlug Karina in dieselbe Kerbe und verdrehte die Augen.
„Apropos!“ Christian wandte sich an seine Freundin. „Was hat sich eigentlich im Fall deiner Freundin Sabine ergeben?“
Das Gesicht des Mädchens verfinsterte sich.
„Nichts“, antwortete sie leise. „Man hat keinen Hinweis gefunden, wo sie abgeblieben ist.“
„Was ist passiert?“, erkundigte sich Karina neugierig.
„Eine Studienkollegin von Anne ist seit drei Wochen verschwunden“, erklärte Christian. „Sie kam eines Abends nicht mehr ins Wohnheim zurück.“
„Das ist ja furchtbar“, meinte Karina betroffen. „Und es gibt keine Spur von ihr?“
Anne schüttelte den Kopf.
„Sie war in der Unibibliothek und hat sich auf eine Klausur vorbereitet“, erzählte sie mit leiser Stimme. „Dort ist sie um siebzehn Uhr weggegangen. Danach hat sie niemand mehr gesehen.“
„Ich glaube, ich habe ein Fahndungsplakat gesehen“, erinnerte sich Roger. „Lange blonde Haare, graublaue Augen, etwa einssiebzig?“
Anne nickte.
„Das ist sie. Sabine.“
Sie schluckte und Tränen standen in ihren Augen.
„Sie taucht bestimmt wieder auf“, meinte Sebastian aufmunternd. „Lasst uns doch jetzt nicht Trübsal blasen!“
Anne lächelte gezwungen.
„Tut mir leid, ich wollte euch nicht die Stimmung verderben“, entschuldigte sie sich.
„Halb so schlimm. Mit Markus wäre es schlimmer geworden“, grinste Basti.
Alle lachten etwas unsicher.
„Was haltet ihr davon, wenn wir uns etwas bequemer hinsetzen?“, fragte der Gastgeber und deutete auf die wuchtige Couchgarnitur in der gegenüber liegenden Ecke des Raumes.
„Sollen wir nicht erst den Tisch abräumen?“, fragte Karina.
„Lasst nur, das mache ich nachher. Ich muss ja nur die Spülmaschine einräumen.“
Sie saßen noch zwei Stunden zusammen, tranken Wein und redeten über dies und das. Gegen Mitternacht brachen die Gäste dann auf, bedankten sich nochmals bei Sebastian für die Einladung.
„Was gibt es beim nächsten Mal?“, erkundigte sich Karina mit einem schelmischen Lächeln.
„Das hängt davon ab, welche Zutaten ich bekomme“; antwortete Sebastian. „Lass dich einfach überraschen!“ Er grinste.
Nachdem alle gegangen waren, räumte Sebastian das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine. Auf dem Herd stand noch der große Topf mit dem restlichen Chili. Er überlegte einen Moment, nahm dann eine Kunststoffdose mit Deckel aus dem Schrank, füllte sie mit dem Chili und ging in die angrenzende Speisekammer, wo auch die Kühltruhe stand. Sebastian öffnete den Deckel, suchte einen freien Platz für die Kunststoffdose. Dabei nahm er eine durchsichtige Plastiktüte und legte sie beiseite. Durch das Plastik starrten ihn zwei blaugraue, gebrochene Augen unverwandt an. Der Kopf war von langem blondem Haar umrahmt.
„Sabine“, murmelte er, grinste leicht und stellte die Dose mit dem Chili in die entstandene Lücke. Dann überprüfte er kurz seine Vorräte. Er würde bald Nachschub brauchen ...
„Puh“, machte Karina, legte den Löffel weg und wischte sich mit der Serviette über den Mund. „Das war wieder einmal phantastisch, Basti!“
Sie lächelte den Gastgeber an, der am Kopfende des Tisches saß. Die übrigen Gäste stimmten in diese Lobeshymne ein. Die Clique junger Leute, alle Anfang zwanzig, traf sich regelmäßig bei ihrem „Chefkoch“, wie sie ihn nannten.
„Sehr scharf aber verdammt gut“, bemerkte Christian und streichelte seinen wohl gefüllten Bauch.
„Chili con Carne muss so scharf sein!“, warf Sandra ein und nahm einen Schluck von dem chilenischen Rotwein, den Karina gestiftet hatte.
Christians Freundin Anne – die beiden waren erst seit ein paar Wochen zusammen und frisch verliebt, Anne daher neu in der Clique – lehnte sich zu ihrem Freund hinüber, soweit es der Stuhl zuließ.
„Ich hab gehört, du kochst immer tolle Sachen. Das Rezept für das Chili würde mich interessieren.“ Sie schaute Sebastian fragend an.
Karina lachte.
„Damit wirst du kein Glück haben, Anne“, orakelte sie. „Basti ist eigen mit seinen Kochrezepten. Es darf nicht einmal jemand in die Küche, solange er nicht fertig ist.“
Sebastian wurde rot.
„Jeder hat seine kleinen Geheimnisse“, verteidigte er sich. „Aber es ist nichts Besonderes. Das bekommst du mit etwas Übung auch hin.“ Er lächelte und trank etwas Rotwein.
„Sag mal, Basti, warum hast du eigentlich Markus nicht eingeladen?“, erkundigte sich Roger, der bisher der Unterhaltung still gefolgt war.
„Vermisst du ihn etwa?“, fragte Basti zurück. Er grinste. „Der versteht es doch immer wieder, einem das schönste Essen zu verderben. Meint ihr nicht auch?“
Sandra kicherte.
„Da hast du allerdings Recht. Wenn er während des Essens anfängt, von seiner letzten Obduktion zu erzählen ...“ Sie ließ den Rest unausgesprochen.
Roger nickte und musste unwillkürlich grinsen.
„Ist das der Markus mit den kurzen, roten Haaren?“, erkundigte sich Anne.
„Genau der ist das“, bestätigte Christian. „Er ist Assistent in der hiesigen Pathologie. Seine Geschichten sind ... nun ja ... gewöhnungsbedürftig.“
„Gelinde gesagt“, schlug Karina in dieselbe Kerbe und verdrehte die Augen.
„Apropos!“ Christian wandte sich an seine Freundin. „Was hat sich eigentlich im Fall deiner Freundin Sabine ergeben?“
Das Gesicht des Mädchens verfinsterte sich.
„Nichts“, antwortete sie leise. „Man hat keinen Hinweis gefunden, wo sie abgeblieben ist.“
„Was ist passiert?“, erkundigte sich Karina neugierig.
„Eine Studienkollegin von Anne ist seit drei Wochen verschwunden“, erklärte Christian. „Sie kam eines Abends nicht mehr ins Wohnheim zurück.“
„Das ist ja furchtbar“, meinte Karina betroffen. „Und es gibt keine Spur von ihr?“
Anne schüttelte den Kopf.
„Sie war in der Unibibliothek und hat sich auf eine Klausur vorbereitet“, erzählte sie mit leiser Stimme. „Dort ist sie um siebzehn Uhr weggegangen. Danach hat sie niemand mehr gesehen.“
„Ich glaube, ich habe ein Fahndungsplakat gesehen“, erinnerte sich Roger. „Lange blonde Haare, graublaue Augen, etwa einssiebzig?“
Anne nickte.
„Das ist sie. Sabine.“
Sie schluckte und Tränen standen in ihren Augen.
„Sie taucht bestimmt wieder auf“, meinte Sebastian aufmunternd. „Lasst uns doch jetzt nicht Trübsal blasen!“
Anne lächelte gezwungen.
„Tut mir leid, ich wollte euch nicht die Stimmung verderben“, entschuldigte sie sich.
„Halb so schlimm. Mit Markus wäre es schlimmer geworden“, grinste Basti.
Alle lachten etwas unsicher.
„Was haltet ihr davon, wenn wir uns etwas bequemer hinsetzen?“, fragte der Gastgeber und deutete auf die wuchtige Couchgarnitur in der gegenüber liegenden Ecke des Raumes.
„Sollen wir nicht erst den Tisch abräumen?“, fragte Karina.
„Lasst nur, das mache ich nachher. Ich muss ja nur die Spülmaschine einräumen.“
Sie saßen noch zwei Stunden zusammen, tranken Wein und redeten über dies und das. Gegen Mitternacht brachen die Gäste dann auf, bedankten sich nochmals bei Sebastian für die Einladung.
„Was gibt es beim nächsten Mal?“, erkundigte sich Karina mit einem schelmischen Lächeln.
„Das hängt davon ab, welche Zutaten ich bekomme“; antwortete Sebastian. „Lass dich einfach überraschen!“ Er grinste.
Nachdem alle gegangen waren, räumte Sebastian das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine. Auf dem Herd stand noch der große Topf mit dem restlichen Chili. Er überlegte einen Moment, nahm dann eine Kunststoffdose mit Deckel aus dem Schrank, füllte sie mit dem Chili und ging in die angrenzende Speisekammer, wo auch die Kühltruhe stand. Sebastian öffnete den Deckel, suchte einen freien Platz für die Kunststoffdose. Dabei nahm er eine durchsichtige Plastiktüte und legte sie beiseite. Durch das Plastik starrten ihn zwei blaugraue, gebrochene Augen unverwandt an. Der Kopf war von langem blondem Haar umrahmt.
„Sabine“, murmelte er, grinste leicht und stellte die Dose mit dem Chili in die entstandene Lücke. Dann überprüfte er kurz seine Vorräte. Er würde bald Nachschub brauchen ...