Conny

Marc Hecht1

Mitglied
Conny saß in der Kneipe, gegenüber der Volksbühne – ich sah ihn durch die großen Fenster, er saß am Tresen und er sah immer mehr aus wie Lenin. Der kahle Kopf, der Kinnbart und die durchdringenden Augen.
Glänzende Storys hatte er gelandet, exklusive Geschichten, Scoops. Conny, mein alter Kollege!
Er freute sich. Und begann sofort zu erzählen, wie früher. Wir hatten damals häufig in Kneipen gesessen, getrunken und geplaudert.
Ich bestellte eine Weinschorle, aber er fiel mir ins Wort, nein, Bier und Wodka mussten es sein, er bestand darauf.
Conny war jetzt lange dabei, sehr lange. Und er war stets Reporter geblieben, Polizeireporter. Jetzt ging er auf die 50. Und erzählte mir von seinen Storys: Ein Ehepaar hätte sich also umgebracht, irgendwo bei Leipzig, eine Riesengeschichte …, Conny trank, fuhr fort: … und die beiden wären also pleite gewesen, restlos, denn ihren letzten Kredit, 50.000 Euro, hätten sie komplett ins Casino geschleppt. Und alles verloren; und dann hätten sie sich umgebracht, das heißt, der Mann hätte zuerst die Frau und dann sich selbst umgebracht; die Frau mit Tabletten, in der Badewanne; sich selbst dann mit einem Revolver, direkt in den Mund; eine riesige Schweinerei hätte an den weißen Tapeten geklebt …
Ich sah Conny an und merkte, wie wir uns entfremdet hatten. Mein alter Freund Conny – aber ich rümpfte jetzt ein bisschen die Nase. Und erschrak. Denn es war doch über ein Jahrzehnt unser gemeinsamer Beruf gewesen, über den ich gerade die Nase rümpfte. Mein eigener Beruf! Ich wollte nicht fremdeln – aber es war nicht mehr wie früher.
 



 
Oben Unten