Crash

vonPauspertl

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CRASH

Wie fühlt es sich an, dieser Moment, in dem man denkt: „Gott sei Dank nicht ich!“? Bislang konnte ich auf diese Frage nur mit einem Schulterzucken und einem nicht sehr wissenden Blick antworten. Doch seit einer Stunde weiß ich, wie es sich anfühlt und es fühlt sich richtig, richtig mies an.

Was passiert ist?

Vor langer Zeit schon hatten mein Mann und ich seinem Enkelkind Luca versprochen, mit diesem in den Zoo zu gehen. Spontan hatten wir uns dann gestern dazu entschlossen, heute unser Versprechen einzulösen und so um halb neun haben wir ihn von seinen Eltern abgeholt und sind danach schnurstracks in den Zoo nach Heidelberg gefahren. Alles war gut und schön. Das Wetter präsentierte sich von seiner Butterseite und lieferte angenehm warme Temperaturen und einen strahlend blauen Himmel. Im Zoo war fast nichts los, sodass wir weder auf einen Parkplatz noch auf den Einlass lange warten mussten. Wir hatten unser Söhnchen ebenfalls mitgenommen. Mit seinen zarten 5 Monaten bekommt er zwar noch nicht alles so bewusst mit, doch einige Tiere gefielen ihm trotzdem ganz gut. Luca war auch angetan, plauderte die ganze Zeit munter vor sich her und hatte sichtlich Gefallen an unserem Ausflug. Nach fast 3 Stunden Zooaufenthalt beschlossen wir noch etwas essen zu gehen. Mc Donalds war die schnelle Variante und eine die Luca auch guthieß. Wir aßen dort gemütlich unser Essen, plauderten und stiegen danach gesättigt ins Auto, um über den Gaiberger Hügel zurück nach Zuzenhausen zu fahren, um Luca dort bei seiner Mutter abzuliefern.

Luca erklärte mir noch, wie gut doch diese Strecke wäre, denn hier könnte man schneller fahren und war zudem noch schneller zu Hause, als wenn man den Weg durch die Stadt wählte. Wir fuhren gerade in den Wald und in eine Kurve hinein, als plötzlich ein silberner Mercedes mit einer Höllengeschwindigkeit von der Gegenseite kam, sodass ich nur mehr mitbekam, wie dieser in den roten Mercedes vor uns hineinknallte und mit einem ohrenbetäubend lauten Krach das silberne Auto auf die andere Straßenseite geschleudert wurde. In diesem Moment dachte ich es wäre aus! Ich sah diesen Mercedes und in meinem Kopf bereitete ich mich schon auf den Knall vor den es geben wird, wenn dieser in uns krachte.

Doch nichts geschah. Meinem Mann gelang noch knapp eine Vollbremsung und wir standen auf der Straße. Vor uns zwei total zerstörte Autos. Eines nur mehr ein Wrack, aus dem in Massen Benzin auslief und aus dessen einmal gewesener Motorhaube Rauch aufstieg. Das andere auf der gegenüberliegenden Straßenseite, halb in die Böschung gedrückt und zwei Männer die versuchten sich daraus zu befreien. In meinem Kopf war für eine Minute Funkstille. Ich nahm zwar wahr wie mein Mann aus dem Auto sprang und zu dem roten Mercedes hinlief, aber ich konnte nicht reagieren. Ich war wie gelähmt. Das hätten auch wir sein könne, dachte ich. Nur ein paar Sekunden Zeitunterschied und wir würden jetzt Unfallopfer sein. Wir, ein kleines Baby, Luca ein achtjähriger Junge, mein Mann und ich. Auch Luca saß wie erstarrt neben mir, hielt seine mitgenommenen Pommes in der Hand und bekam den Mund nicht zu vor lauter Schreck. Dann erst realisierte ich. Ich musste erste Hilfe leisten, ich musste raus aus dem Wagen und schauen ob ich etwas helfen konnte.

Schnell stieg ich aus, sagte zu Luca er solle im Auto bleiben und eilte zu dem roten Mercedes. Mittlerweile hatte sich der erste Mann aus dem silbernen Auto befreit und begann den Fahrer herauszuholen. Beim roten Wagen angekommen sah ich, dass der Fahrer komplett zwischen Sitz und Lenkrad eingeklemmt war. Das Auto selbst war ein Wrack. Es hatte mittlerweile zu rauchen aufgehört, aber der Benzin rann immer noch in einem kleinen Bächlein die Straße hinunter. Mein Mann drückte mir das Handy in die Hand und sagte: „Ruf die Polizei. 110.“ Ich nickte, nahm mit zitternder Hand das Handy und wählte. Eine Frau war mittlerweile auch am Unfallort eingetroffen. Auch sie wählte die Nummer der Polizei. Etwas planlos frage ich sie, ob sie den jetzt schon die Polizei rufe. Sie nickte und bedachte mich aber das Handy noch bereit zu halten, falls sie keinen Empfang mit dem ihrem habe. Doch sie kam durch und gab die Unfallstelle und den Tatbestand durch. Dann legte sie auf. Auch ihre Hände zitterten ebenfalls und sie war genauso komplett mit den Nerven am Ende. Mein Mann stand nun etwas abseits. Zwei Männer hatten sich ebenfalls dazugesellt und versuchten den Mann aus dem roten Wagen zu befreien. Es gelang nicht. Immer noch völlig aufgelöst ging ich zu meinem Mann, legte meinen Kopf an seine Brust und spürte seinen Atem.

Gott sei Dank nicht ich, nicht wir, nicht mein Kind, dachte ich in diesem Moment und hatte doch auch ein schlechtes Gewissen, weil ich ein einer derartigen Situation nur an mich denken konnte. Aber ich dachte eigentlich nicht nur an mich. Ich dachte auch an mein kleines Baby, an Luca und an meinen Mann. Sie waren alles was ich hatte und alles was ich durch so einen kleinen Moment der Unbedachtheit verlieren konnte. Wie schnell das Leben doch einem alles nimmt was man liebt – wie schnell und was in mir blieb war ein Gefühl von Angst. Angst einmal doch alles zu verlieren durch solch einen Schlag des Schicksals!
 



 
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