Rhondaly DaCosta
Mitglied
Crying In The Chapel
Die Kniebank ist ganz schön hart.Kurt geht seit einiger Zeit regelmäßig nebenan in die Kirche zum Beten. Links vom Mittelschiff befindet sich ein kleiner Nebenraum. Darin sind immer ein paar Kerzen angezündet, auf einem Podest steht eine vergoldete Monstranz – und dort befinden sich eben Holzbänke zum Beten.
In den vergangenen Jahren, also nach seiner Schulzeit und dem Religionsunterricht mit verordnetem Kirchgang, ist Kurt so gut wie nie mehr in die Kirche gegangen. Erst vor kurzem ist aus ihm er ein regelmäßiger Kirchgänger geworden.
Und das kam so ...
Vor einigen Wochen hat er in den Nachrichten gehört, dass die Chinesen den Luftraum an ihren Grenzen erweitert haben. Die machen ganz schön Druck.
Die Amerikaner mit ihren Verbündeten haben die entsprechenden Lufträume in der Region daraufhin ebenfalls erweitert.
Politisches Verhalten entspricht den Gesetzen der Physik. Druck erzeugt Gegendruck.
In der Zeitung steht auch, dass im Jahr 2020 die Chinesen die Amerikaner in der Wirtschaftsleistung eingeholt haben werden. Dieser Vorgang wird einen Kulminationspunkt darstellen, heißt es weiter.
Wenn eine der Parteien in einer solchen Situation wieder einen Luftraum erweitert, dann kann die Lage sich dort sehr schnell entzünden, so befürchtet Kurt.
Und wenn es in Asien brennt, kann sich der Brand auch auf Europa ausweiten.
Sein Schrebergarten liegt mitten in Europa.
Kurt sitzt so gerne in seinem Schrebergarten. Die Parzelle hat er vor fünfzehn Jahren eintragen lassen. Er hat sie kürzlich vollständig abbezahlt. Dieses Stück Garten kann ihm keiner mehr wegnehmen.
Bei einem Weltenbrand wird mit der Welt auch sein Schrebergarten verbrennen. Dieser Gedanke macht Kurt traurig.
Aber es gibt eine Rettung gegen die Traurigkeit.
Die Kirche sagt, dass einer in den Himmel kommt, wenn er ganz fromm ist. Und im Himmel liegt das Paradies. Das Paradies stellt Kurt sich wie einen großen Schrebergarten vor.
Er betet: Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm.