Cueva de las manos

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Tula

Mitglied
Cueva de las manos

wer wohl als erster sich im Fels verewigte, Augur oder
verlachter Paria, getrieben von Visionen der Schatten,
die dräuend über den Canyon ziehen, schneller als der
Kondor, in wirren Träumen sich zu Händen formend

wann wohl der zweite kam, im Schein der Fackel jene
Hand fand und, in dumpfer Ahnung einer Botschaft,
unergründlich wie die Stimmen der Steppe, doch magisch
Antwort fordernd, mit seiner eigenen die Höhle weihte

wie oft es euch zur Stätte zog, auf der Suche nach dem
Guanako oder Schutz vorm Zorn des Himmels, dem Ruf
der Ahnen folgend, eine Generation nach der anderen von
einer zarten Knospe zum stetig wachsenden Baum: Wir!

nach welchen Rhythmen eure Leiber zuckten, in Trance
verfallen für Göttinnen der Jagd und Fruchtbarkeit, wobei
im Flackerlicht die Schemen eurer Glieder an den Wänden,
über Zeit und Tod hinweg, nach Diesen Händen griffen!

nun stehe Ich im feuchten Atelier, suche euch hinter Zeichen
und Signaturen in Ocker, den im Dunkeln verborgenen Pfad,
finde Gruß und Mahnung, eine Schatulle ohne Zauberwort,
frage, ob ihr mich hören könnt, und lausche eurem Geflüster



PS: Cueva de las manos - wiki
 
Zuletzt bearbeitet:

cecil

Mitglied
Der Beginn hat mich etwas gebremst: Römer und Tamile/Inder in Argentinien? Klar transportieren die Begriffe etwas, machen aber den Einstieg schwierig. Dann wird es aber stark, die Sprache passt durchgängig. Das Guanako hätte vielleicht nicht sein müssen, sorgt aber für exotische Flair; "Wild" hätte vielleicht genügt. Auch das "Wir!" hätte es nicht gebraucht; das Bild ist stark genug. Das Thema ist gut gewählt, interessiert mich , weil ich auch so ein Höhlenmensch bin, der gerne unter der Erde oder in Höhlen herumkriecht , um die Hinterlassenschaften früherer Generationen zu bestaunen. Ich habe mal so etwas über Lascaux geschrieben, muss ich mal wieder rauskramen.
 
G

Gelöschtes Mitglied 13736

Gast
Moin Tula,
Ich bin gerne mitgestiegen...in das Atelier der Vergangenheit.
Gut gemacht!
LG
Oscarchen
 

Tula

Mitglied
Hallo cecil
Danke für deine Gedanken und feedback. In der Tat ist der genaue Hintergrund der Hände bis heute akademisch umstritten. Gerade deshalb hat mich die Sache angeregt, mir eine eigene Variante zu erdichten. Im Gegensatz zu den 'üblichen Tierbilden' (für sich schon aufregend), sind die ich- bzw. wir-bezogenen Hände so etwas wie ein kulturelles Manifest und auch direkte Kommunikation mit uns über tausende von Jahren hinweg. Faszinierend!

Jetzt warte ich auf Lascaux ;) ich hatte es hier auf LL auch mal mit Wildbeutergesängen, sicher ein völlig aussichtsloser Versuch, den Sprachformungsprozess selbst zu verdichten.

LG
Tula
 

Tula

Mitglied
Hallo Oscarchen
Ich hoffe nur, ich kann da irgendwann mal hin und die Höhle besuchen.
Dankend lieben Gruß
Tula
 

cecil

Mitglied
Hallo, Tula,

ja, es sind fast ausschließlich Abbildungen von Tieren (wenn auch zum Teil wunderschön), deshalb sind die Handabdrücke auch ein früher Ausdruck von Individualität. Man wollte erstmals seine Existenz bewusst dokumentieren. In Lascaux zum Beispiel findet sich nur eine menschliche Abbildung in Form eines "Strichmännchens", also recht abstrakt. In der Literatur nennt man es den "Zauberer", da vermutet wird, es sei eine Art Schamane.
Lascaux kommt, sobald meinZugang für neue Beiträge wieder funktioniert. Ich war jetzt zwar ausreichend lange abstinent, aber nach Anfrage hieß es, es gebe ein technisches Problem.
LG, cecil
 

ENachtigall

Mitglied
Ein spannender Text, Tula. Was bleibt, in den "Höhlen" derer, die dort etwas geschaffen haben, lebt sinnlich spürbar scheinbar weiter. Du hast die ins Heute hineinreichende Präsenz der Kreativen von damals gut eingefangen, indem du dein"Ich" textlich kursiv als Gegenüber interaktiv bis ins Metaphysische hinein agieren lässt ("ob ihr mich hören könnt"). Das zieht mich Lesende ziemlich nah in die Szene. ich finde mich in diesen Sinneseindrücken und Gedanken wieder.
nun stehe Ich im feuchten Atelier, suche euch hinter Zeichen
und Signaturen in Ocker, den im Dunkeln verborgenen Pfad,
finde Gruß und Mahnung, eine Schatulle ohne Zauberwort,
frage, ob ihr mich hören könnt, und lausche eurem Geflüster
Mit nachmitternächtlich herzlichem Gruß,

Elke
 

Tula

Mitglied
Moin Elke
Vielen Dank für deine Gedanken zum Gedicht, die auch ganz der dichterischen Absicht entsprechen. Freut mich, dass es dir gefällt.
LG
Tula
 

cecil

Mitglied
Hallo, Tula,

irgendwie scheint es mit der Technik noch nicht zu klappen. Dann schicke ich Dir Lascaux eben auf diesem Weg quasi als "Special Edition für Tula":

Lascaux


Wir treten in die Höhle die

er bewohnt streicheln

die glitschigen Steine die

er hinterlässt die

abgeschabten Knochen

von seiner Sippe die

uns empfängt am warmen Feuer

darüber heißes Fleisch

Schatten an den Wänden und

Schlaf an bergenden Brüsten

erfüllt vom beiläufigen Trost

uralter Träume vom Überleben

mit Axt und Wurfangel um

blutend zu knien im Blut des Wilds um

zu erwachen in warmer Asche um

zu ritzen zu kratzen zu schmieren in

den Fels der erhalten bleibt zu künden

von Tieren und Zauberern von

Jagden und der Kraft der Kunst


LG, Cecil
 

Tula

Mitglied
Hallo cecil

Danke für deinen ebenfalls sehr inspirierenden Text. Ich antworte mal mit einem Tipp für deinen nächsten Urlaub in Portugal ;)

Foz Côa Museum

Keine Höhle im eigentlichen Sinne. Die Malereien sind übers Tal verstreut. Es gibt wohl Führungen. Aus Zeitgründen blieb ich damals (vor ein paar Jahren) im Museum. Aber gut gemacht. Leider weitab vom Schuss, auf der Karte Portugals "oben rechts", nur mit Auto zu erreichen.

LG
Tula
 



 
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