Sicherlich eine Gratwanderung...aber das sind Texte immer, die (nicht wertend gemeint) "dick auftragen". Hier aber finde ich diese Wanderung gelungen. Auch lehnt sich ja die erste Zeile an das grandiose und gewaltige "Do not go gentle into that good night" an. Also ist "much" hier genau richtig und nicht "too much".
Lediglich beim "Salz der Tränen" ist es auch mir persönlich zu hart am Klischee. Daran ist aber wohl eher die "Abnützung" (und oftmals sehr auf Effekthascherei angelegte Verwendung) dieser Phrase schuld und nicht du, weil du diese verwendest. Das ist überhaupt etwas, das ich mich öfter mal frage: darf man solche Phrasen gar nicht mehr in Texten verwenden, ohne diesen Texten dabei zu "schaden"? Ich würde ja eigentlich sagen: nein. Solange sie gut eingesetzt sind, haben sie dort auch ihre Berechtigung. Und warum sollte man sich dann künstlich etwas anderes aus den Fingern saugen müssen?
Aber meine eigene Reaktion hier (und ich habe wirklich länger in mich hineingehört und versucht, das festzunageln) zeigt sogar mir selbst, dass ich da nicht zugunsten der Logik entscheiden kann, weil dieses "naja, zu oft gehört (und das dann leider auch zu oft in sehr kitschiger Anmutung)" sich in den Vordergrund drängt.
Das ist aber eher eine Unsicherheit, die ich als Leserin habe und nicht unbedingt eine (winzige) Schwäche deines wirklich starken Textes!
Ja, gewiss, liebe Fee, gibt es viele Dichter, die so manche Begriffe scheuen, wie der Teufel das Weihwasser. Vielleicht liegt es an diesem Totschlagargument "Kitsch", vor dem sich heutzutage offenbar jeder Autor fürchtet , weil man ja immer im Hinterkopf hat, dass dann ein Gedicht recht "dick aufgetragen" und "gefühlsübertönt" wirken könnte ...
Deine Gedanken hierzu sind sehr interessant und wichtig. Ich habe mich (wie etliche Dichter auch, wobei wahrscheinlich die Dichterinnen etwas mehr) häufig beim Schreiben gefragt:
Wie viel Pathos verträgt ein Gedicht, wann ist die Schwelle zu einem ästhetischen Kitsch, erreicht?
Wie objektiv lässt sich Kitsch in der Lyrik überhaupt definierten und welchen Einfluss haben kulturelle und sprachliche Aspekte/Hintergründe des Autors und des Lesers auf eine Einordnung?
Wann spricht man eher von einer Überdosierung oder von übersättigten Sprachhülsen?
Für mich ist prinzipiell erstmal wichtig, dass Form und Aussage zueinander passen und aufeinander aufgebaut sind, sozusagen miteinander harmonieren.
Die Begriffe sollten nicht aufgesetzt oder wie eine Imitation wirken, weil sie dann in der Tat Gefahr laufen, banal und ausgelutscht zu klingen.
Auch sollte die Benutzung bestimmter Begriffe nicht auf irgendeinen Affekt ausgerichtet sein, sondern sich eben der Form und der Aussage fügen.
Sinngesättigte Begriffe können nur dann eine weitere Sinngebung erfahren, wenn man sie als Autor in einen völlig anderen Kontext setzt und ihnen sozusagen eine neue inhaltliche Form gibt.
Erst kürzlich schrieb ein Mitglied der Leselupe in einer Rückantwort unter seinem Gedicht:
"Ich habe auch keine Furcht vor Kitsch ..."
Yo tampoco !..
Klar ist der für die Heilung unerlässlich. Es geht mir nur um "das Salz der Tränen". Das würde ich mir genau so stark und originell formuliert wünschen wie den Rest von Mimis Hammer-Text.
Ich hab den Text über die letzten Tage immer wieder mal gelesen und bin immer dort kurz hängengeblieben, weil genau diese Formulierung für mich "hakt" - im Vergleich zum restlichen Text. Vielleicht ist es die Position, an der diese Phrase steht. Vielleicht das Salz als Substantiv. Oder weil die salzigen Tränen direkt nach dem starken Bild einer Schorfkruste ein wenig abflachen in der Qualität. So genau kann ich es nicht festmachen.
Vielleicht ist es auch "all" das Salz, das mir zuviel ist.
ich küsste das salz der tränen
Vielen Dank für Deine Eindrücke, liebe Fee!
Deinen Vorschlag finde ich gut ... Ich werde die Strophe anpassen.
Deine Ausführungen haben mich an der Stelle überzeugt ...
Gruß
Mimi
(Sorry für mögliche Tippfehler ... hab's auf meinem Handy getippt.)