Da warte ich

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Ich habe dich gesehn in ihr
An des Waldes stiller Tränke
Ganz des Bächleins leise Zier
Hindin. Weißes Sagentier
Schlürf grad´ mit dem Handgelenke
Trinken wäre viel zu viel

Mich in deine Blicke hebend
Scheu verwischen sie das Licht
Und die Brust, so weiß, so bebend,
eine ganze Zeugung lebend,
sich in deinem Seufzen bricht

Nimm mich hin und liebe mich

Liebe mich, spricht alles Stille,
wenn der Tag gefallen ist
Eingesungen Drang und Wille
Nur die Abendstunde spricht
Nackt im Nachtwind; letzte Hülle -
abgeworfen: Licht verlischt

Um das Flackern banger Worte
legt sich sanft ein Mondenkuß
Dort am stillen Waldesorte;
dort am kleinen, leisen Fluß
Angetan in Mondenlicht
Da warte ich
(Da warte ich)
 
Zuletzt bearbeitet:

kakadu

Mitglied
Hi Dio,

dieses Schöne hätte ich beinah übersehen. Gut, dass ich nochmal gestöbert habe. Fein zu lesen, so übersichtlich linksbündig. Bilde ich mir das jetzt ein? Oder hilft dir die Formatierung auch, metrisch sauberer zu schreiben? Ich staune, wie leicht ich hier durch deine Verse gleite. Wow!

Eine Winzigkeit nur und es wäre rhythmisch perfekt:

Ich habe dich gesehn in ihr

Dann stechen nur V1 und der letzte (doppelte) Vers durch ihren Auftakt heraus, während der gesamte Rest auftaktlos ist, und das Gesamtpaket wirkt wunderbar stimmig. Großartig! Ein wahrer Lesegenuss für mich!

LG Claudi
 
Hi @kakadu Claudi,

ganz lieben Dank für Deine Beschäftigung mit dem Text. Deinen Korrekturvorschlag habe ich gerne übernommen. Ich hatte ja ein bisschen spasshaft versprochen die Linksbündigkeit der nächsten Texte Dir zu widmen. Dahinter steckte natürlich eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Deiner Rückmeldung, dass es für Dich als Leserin schwer ist zentral eingerückte Texte zu lesen oder zu genießen. Da geht es mir natürlich wie vielen hier, dass mir wichtig ist, dass der Text sich gut bei den Leserinnen präsentiert, damit er sich dort neu erfinden kann. Von daher sage ich schon einmal Danke dafür. Umso schöner, wenn sich das jetzt hier so bewahrheitet hat.

In der Sache finde ich schon, dass das Linksbündige auch für den Schreiber seine Vorteile hat - Übersichtlichkeit ist sicherlich einer. Ob es jetzt geholfen hat, metrisch sauberer zu schreiben, da bi nich mir jetzt nicht sicher. Eigentlich schreibe ich die texte immer erst linksbündig und gebe ihnen dann danach die "Melodie" (iSv Formatierung) mit.

Die zentrierte Formatierung finde ich da überlegen, wo der Schreiber gerade bei gebrochenen oder unsauberen aber gewollten Rythmen "den Gesang des Textes" seiner Leserin mit überliefern möchte. Da hat quasi das Einzelstellen von Worten in einer Zeile oder das Zusamenfassen anderer Worte oder sogar Wortteile dann eben auch eine klangliche und optische zusatzebene. Das muss nicht für jeden Text passen. Ich habe aber schon festgestellt, dass es manchen Leserinnen geholfen hat, meinen doch oft sehr eigenwilligen Betonungsrythmus nachvollziehen zu können.

Ansonsten bleibe ich wie immer sehr gespannt auf das Feedback der geneigten Leserinnen und freue mich, wenn es, wie hier, zu einer Aufwertung des Textes geführt hat.

liebe claudi-galadriel, nun muss ich wieder zurück in den Wald. hab ganz vergessen, mir was anzuziehen vor Freude ;-)

danke auch an Claudi-fee @fee_reloaded !

mes compliments

Dio
 

sufnus

Mitglied
Hi Dio! :)
Durch die reichliche Verwendung des e-Dativs (der eigentlich von der Benamsung her irgendwie ziemlich modern klingt - ein Kumpel der e-Mail?), das zum Mondenkuss und -licht veredelte lunare Geschehen und recht zierliche Diminutiva hast Du den Text ebenso bestimmt wie vorsätzlich der heutigen Schreibe entrückt. Das passt natürlich hervorragend zum Klangbild und dem Sujet, mir persönlich ist es vielleicht ein kleines bisschen zu viel des (sehr) Guten. Die "Liebe mich, spricht alles Stille"-Strophe ist in dieser Hinsicht etwas zurückhaltender antikisiert, aber dennoch alles andere als Jetztsprechig und ohne Zweifel von glänzender Sprachschönheit - insofern überstrahlt diese Strophe für mich ein bissche die anderen... und sie ist für sich schon beliebig viele Sterne wert.
LG!
S.
 



 
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