Mimi
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Ich wusste, dass es besser wäre mich zu beeilen. Den ganzen Flug über nagte an mir das Gefühl, dass es bereits zu spät war. Meine innere Zerrissenheit hatte mich immer wieder gelähmt. Nun gab es kein Zurück mehr. Der zähe Verkehr machte alles noch schlimmer. Die Beiruter Autofahrer in diesem Distrikt waren ohnehin meistens geladen und reizbar, jetzt bei dieser schwülen Augusthitze und der hohen Luftfeuchtigkeit, die einem das Atmen erschwerte, steigerte sich dieses Geladensein in eine obszöne Aggressivität.
Ich saß auf der Rückbank in einem alten Taxi, das stark nach Koriander roch und erkannte die Stadt fast nicht mehr wieder. In meiner Hosentasche steckte ein gefalteter Zettel auf dem ein Straßenname und eine kurze Beschreibung gekritzelt waren.
Ich schaute hinunter auf den Boden des Fahrzeugs und unter dem durchgesessenen Sitz des Fahrers, lag grün leuchtend auf dem tristen Grau des Bodens, ein einzelnes Bund Koriander, das in der Hitze vor sich hinwelkte.
Ich versuchte mich zu konzentrieren, versuchte das nervige Gerede des Fahrers auszublenden. Die ganze Fahrt über hatte er nicht mal drei Minuten Ruhe gegeben.
Dabei konnte ich es nicht mehr hören. Ständig das Thema Krieg, allem voran der Juli Krieg 2006. Wie konnte man ihn hier überhaupt vergessen? Obwohl die Spuren des Krieges im südlichen Vorort der Hauptstadt fast nicht mehr sichtbar waren, war der Krieg immer allgegenwärtig. Sogar in diesem alten Taxi. Das hier war schließlich Dahiye.
Das einseitige Gerede des Taxifahrers wurde nur durch sein durchdringendes Gefluche, das er wie ein Gift aus dem geöffneten Fenster spie, unterbrochen.
Dem folgte jedes Mal ein lautes Huporchester.
Ich musste unbedingt raus. Raus aus diesem stickigen Taxi. Raus aus dieser Enge, die mich zu ersticken drohte. Ich sah das dunkle Gebäude bereits aus einiger Entfernung. Es sah genauso aus, wie in der Beschreibung, stach förmlich zwischen den vielen Hochhäusern hervor. Durch das staubige Fenster wirkte das Grau der Stadt regelrecht trostlos.
Ich wies den Fahrer an rechts anzuhalten und er stoppte das Taxi einfach mitten auf der Straße. Hinter uns begann ein dunkelblauer Jeep ein weiteres Orchester, gefolgt von Schimpfworten, die nicht lange auf Antwort warten mussten. Ich bezahlte den Fahrer zügig und stieg aus. Ohne mich umzudrehen, lief ich auf das Gebäude zu. Meine Beine klebten am Stoff meiner Hose. Schweißtropfen sammelten sich zwischen meinen Brüsten. Meine Handflächen brannten und ich hatte Mühe einen klaren Gedanken zu fassen.
Ich hätte viel früher fahren sollen. So viel früher. Jetzt war es bestimmt zu spät. Ich hatte mir den Flug und die Fahrt völlig umsonst angetan und würde die Wohnung leer vorfinden.
Einen kurzen Augenblick wollte ich wieder gehen. Zurück in eine Welt, in der es keine Kriege gab. In eine Welt, in der es nicht laut und obszön war, in der es nicht nur Gewinner und Verlierer gab und in der das Verlieren nicht ständig präsent und alltäglich war.
Ich dachte an die Zeilen aus Adonis Gedicht. Verlieren, Verlieren. Verlieren befreit uns und leitet unsere Schritte. Mein Kopf begann zu dröhnen und mein Magen verkrampfte sich.
Aber ich machte nicht kehrt. Ich drückte meine schwarze Handtasche gegen meinen Bauch und schaute auf das massive Eingangstor des Gebäudes. Am Eingang saß der Hausmeister des Hochhauses auf einem Klappstuhl. Der alte Mann trug einen verschlissenen Kittel, an dessen Vorderseite große, dunkle Ölflecken wie hässliche Blumen blühten.
Er wusste nicht wer ich war, wie sollte er auch. Als er mich sah, stand er auf, wobei er kurz das runzelige Gesicht verzog.
Ich zögerte, blickte nach oben, zu den unzähligen Balkonen der Hochhäuser. Dann sprach er mich an und fragte nach meinem Anliegen. Ich schaute ihm ins Gesicht. Wie viele Kriege hatten diese müden Augen bereits gesehen? Ich sagte ihm meinen Namen und den Namen der Wohnungseigentümer. Der Mann hielt daraufhin fünf Finger in die Höhe. Fünftes Stockwerk, links. Seine Worte waren knapp und klangen mechanisch. Er drückte einen Knopf an der Sprechanlage im Seitenbereich des Eingangs und die schwere Tür öffnete sich mit einem kurzen Surren. Mit seiner rechten Hand hielt er mir die Tür offen.
Ich musste wieder an Adonis Zeilen denken. Verlieren eint uns mit dem Anderen.
Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Ich würde es doch noch schaffen, ich musste es schaffen. Es durfte nicht zu spät sein.
Alles was ich verloren hatte, alles was nicht mehr war und nicht mehr wiederkehren würde. Hier in diesem Stadtteil Dahiyes war trotz allem etwas übrig geblieben. Etwas, was mich vielleicht vermisste, mich zurück sehnte.
Verlieren ist warten, dachte ich und trat durch die geöffnete Tür, als wäre sie die Pforte in eine unbekannte Vergangenheit.
Ich saß auf der Rückbank in einem alten Taxi, das stark nach Koriander roch und erkannte die Stadt fast nicht mehr wieder. In meiner Hosentasche steckte ein gefalteter Zettel auf dem ein Straßenname und eine kurze Beschreibung gekritzelt waren.
Ich schaute hinunter auf den Boden des Fahrzeugs und unter dem durchgesessenen Sitz des Fahrers, lag grün leuchtend auf dem tristen Grau des Bodens, ein einzelnes Bund Koriander, das in der Hitze vor sich hinwelkte.
Ich versuchte mich zu konzentrieren, versuchte das nervige Gerede des Fahrers auszublenden. Die ganze Fahrt über hatte er nicht mal drei Minuten Ruhe gegeben.
Dabei konnte ich es nicht mehr hören. Ständig das Thema Krieg, allem voran der Juli Krieg 2006. Wie konnte man ihn hier überhaupt vergessen? Obwohl die Spuren des Krieges im südlichen Vorort der Hauptstadt fast nicht mehr sichtbar waren, war der Krieg immer allgegenwärtig. Sogar in diesem alten Taxi. Das hier war schließlich Dahiye.
Das einseitige Gerede des Taxifahrers wurde nur durch sein durchdringendes Gefluche, das er wie ein Gift aus dem geöffneten Fenster spie, unterbrochen.
Dem folgte jedes Mal ein lautes Huporchester.
Ich musste unbedingt raus. Raus aus diesem stickigen Taxi. Raus aus dieser Enge, die mich zu ersticken drohte. Ich sah das dunkle Gebäude bereits aus einiger Entfernung. Es sah genauso aus, wie in der Beschreibung, stach förmlich zwischen den vielen Hochhäusern hervor. Durch das staubige Fenster wirkte das Grau der Stadt regelrecht trostlos.
Ich wies den Fahrer an rechts anzuhalten und er stoppte das Taxi einfach mitten auf der Straße. Hinter uns begann ein dunkelblauer Jeep ein weiteres Orchester, gefolgt von Schimpfworten, die nicht lange auf Antwort warten mussten. Ich bezahlte den Fahrer zügig und stieg aus. Ohne mich umzudrehen, lief ich auf das Gebäude zu. Meine Beine klebten am Stoff meiner Hose. Schweißtropfen sammelten sich zwischen meinen Brüsten. Meine Handflächen brannten und ich hatte Mühe einen klaren Gedanken zu fassen.
Ich hätte viel früher fahren sollen. So viel früher. Jetzt war es bestimmt zu spät. Ich hatte mir den Flug und die Fahrt völlig umsonst angetan und würde die Wohnung leer vorfinden.
Einen kurzen Augenblick wollte ich wieder gehen. Zurück in eine Welt, in der es keine Kriege gab. In eine Welt, in der es nicht laut und obszön war, in der es nicht nur Gewinner und Verlierer gab und in der das Verlieren nicht ständig präsent und alltäglich war.
Ich dachte an die Zeilen aus Adonis Gedicht. Verlieren, Verlieren. Verlieren befreit uns und leitet unsere Schritte. Mein Kopf begann zu dröhnen und mein Magen verkrampfte sich.
Aber ich machte nicht kehrt. Ich drückte meine schwarze Handtasche gegen meinen Bauch und schaute auf das massive Eingangstor des Gebäudes. Am Eingang saß der Hausmeister des Hochhauses auf einem Klappstuhl. Der alte Mann trug einen verschlissenen Kittel, an dessen Vorderseite große, dunkle Ölflecken wie hässliche Blumen blühten.
Er wusste nicht wer ich war, wie sollte er auch. Als er mich sah, stand er auf, wobei er kurz das runzelige Gesicht verzog.
Ich zögerte, blickte nach oben, zu den unzähligen Balkonen der Hochhäuser. Dann sprach er mich an und fragte nach meinem Anliegen. Ich schaute ihm ins Gesicht. Wie viele Kriege hatten diese müden Augen bereits gesehen? Ich sagte ihm meinen Namen und den Namen der Wohnungseigentümer. Der Mann hielt daraufhin fünf Finger in die Höhe. Fünftes Stockwerk, links. Seine Worte waren knapp und klangen mechanisch. Er drückte einen Knopf an der Sprechanlage im Seitenbereich des Eingangs und die schwere Tür öffnete sich mit einem kurzen Surren. Mit seiner rechten Hand hielt er mir die Tür offen.
Ich musste wieder an Adonis Zeilen denken. Verlieren eint uns mit dem Anderen.
Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Ich würde es doch noch schaffen, ich musste es schaffen. Es durfte nicht zu spät sein.
Alles was ich verloren hatte, alles was nicht mehr war und nicht mehr wiederkehren würde. Hier in diesem Stadtteil Dahiyes war trotz allem etwas übrig geblieben. Etwas, was mich vielleicht vermisste, mich zurück sehnte.
Verlieren ist warten, dachte ich und trat durch die geöffnete Tür, als wäre sie die Pforte in eine unbekannte Vergangenheit.
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