daimonion

dich hab ich nicht gemeint dämon verstand
in deiner sprache rat ich dir: halt deinen rand!

ich bin wie du: man meint dass ich dich sei
doch bin ich ein chimärentier bin alle drei:

vernunft gefühl im traum der tatenkraft
ein skorpionengift vergorner seelensaft

bin der monaden schaum der götter lust
dämonenflügel zu durchbohrn in meiner brust

bin was die mythe weisz in meinem schlaf
ein löwenadlerengelstier ein blutig schaf

doch was ich selber weisz mein bild von mir
klebt rot an deinem zahn du reiszwolf meiner gier

du hast mich totgelacht von mir berauscht
in maskenspielen mit der nacht den tag vertauscht

ich wende mich von dir – die eifersucht
bellt auf: zu ungestillter gier sei ich verflucht

als hätt ich deinen hohn das wilde drohn
nie mitgemacht. bin ich nicht schon dein lieber sohn?

dich hab ich nicht gemeint dämon verstand
ich hab um anderes geweint in schmerz entbrannt

Hallo Hansz
für mich ein wunderbares Lied auf die Dichter-Seele, zumindest eine mögliche Deutung. Auch der ewige Kampf gegen den Verstand (bzw. Rationalität im weiteren Sinn) ist gewiss kein unwichtiges Element lyrischen Seins und Schreibens.

LG
Tula

Ja, Tula,

ich lese es als Bild vom "Menschen", wie er dem Dichter erscheint. Oder wie er dem Apokalyptiker erscheint, dem entrückten, verrückten, entzückten: zugleich als "löwenadlerengelstier" und "blutig schaf". Nun sind prophetische und apokalyptische Texte extrem verdichtete Gedichte. Die hebräischen sind immer in Parallelismen gegliedert, als Gedanke und Antwortgedanke, Vers und Variationsvers; also schon von der Form her Dichtung. Zugleich sind sie durch und durch metaphorisch imaginiert, fast bis ans Extrem der absoluten Metapher, die nur musikalisch sich selbst "bedeutet", in Siebenerschritten wie die Tonleitern, in Zwölferräumen wie die temperierte Harmonik unserer Musikwelten.

grusz, hansz