Das alte Haus

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Aledi

Mitglied
Das alte Haus

Das alte Haus mit der hohen Hecke gibt es noch immer,
zu sehen auf dem vergilbten Foto in meinem Zimmer.
Ganz allein sitze ich hier in der tristen Umgebung,
abgeschoben ohne Liebe und Zuwendung.

Auch ich war einmal eine hübsche junge Frau,
hatte eine Familie und die Welt strahlte himmelblau.
Oft denke ich zurück an die Zeit in unserem Haus,
weinend wache ich auf und nähme am liebsten Reißaus.

Unser Haus war einmal voller Leben,
Neid und Missgunst hat es nicht gegeben.
Kinder gingen lärmend ein und aus,
gerne kamen Freunde zu uns nach Haus.

Das Weihnachtsfest feierte man zusammen,
die ganze Familie saß fröhlich beisammen.
Alles ist nun Vergangenheit, keiner ist mehr da,
der sich kümmert um mich, die Großmama.

Lieber Gott, hab Erbarmen mit mir,
und sag: Was soll ich noch hier?
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

wüstenrose

Mitglied
Hallo Aledi,
du sprichst in deinem Gedicht ein sehr trauriges, aber weit verbreitetes Phänomen an: die Einsamkeit im Alter.
Die Thematik zog mich in ihren Bann und dein Gedicht hat mich dazu animiert, eine Variante zu Papier zu bringen:

Das Haus auf dem Foto, das gibt es noch immer.
Das Foto hängt jetzt im Seniorenheimzimmer,
die Farben sind wohl mit den Jahren verblichen,
das fröhliche Treiben den Tränen gewichen.

Auch ich war einmal eine bildhübsche Frau,
verliebt und verlobt und der Himmel war blau,
der Hausbau, Familie, die glücklichen Dramen,
jetzt hängt die Vergangenheit leblos im Rahmen.

Vergilbte Erinnerung, Spuren vom Glück.
Ich schau auf das Haus, doch es schaut nicht zurück.
Zu Großmamas Leben auf Fotopapier
hat keiner mehr Fragen. Was soll ich noch hier?


liebe Grüße,
wüstenrose
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Sind die Kinder und Kindeskinder schon vor der Oma gestorben?

und sie hat ein Haus, ein ganzes?

Gejammer auf schwindelerregend hohem Niveau. Oder Persiflage?
 

wüstenrose

Mitglied
Gewiss gibt es in Aledis Gedicht in qualitativer Hinsicht Spielraum nach oben.
Dennoch finde ich, dass Eines gut eingfangen ist: das Gefühl, abgekoppelt, abgetrennt zu sein, nicht mehr dazuzugehören. Das Unverständnis, wie es dazu kommen konnte, das Nichtbegreifen, warum Angehörige nicht die Zeit finden, vorbeizukommen oder deren Lebensentwürfe dergestalt sind, dass sie räumlich ganz woanders stattfinden.
Vielleicht manchmal unfreiwillig komisch. Aber von Persiflage keine Spur.
 

Aledi

Mitglied
Hallo Wüsenrose,

zunächst einmal herzlichen Dank für dein Feedback. Deine Variante zu meinem Gedicht gefällt mir sehr. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich keine Gedichte-Schreiberin bin. Natürlich gibt es in qualitativer Sicht noch Spielraum nach oben.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie unterschiedlich die Menschen reagieren. Stellt man ein Gedicht oder eine Kurzgeschichte in den Mittelpunkt und zehn Leute sollen es bewerten, bekommt man zehn verschiedene Antworten.

Liebe Grüße von Aledi
 

Aledi

Mitglied
Hallo Mondnein,

danke für dein Feedback. Ich glaube, dass du den Sinn des Gedichtes nicht verstanden hast. Würde ich deine Fragen nach Kinder und Kindeskinder beantworten, müsste ich eine Kurzgeschichte schreiben. Es ist nur ein Gedicht. Ein Gejammer auf schwindelerregenden hohem Niveau ist etwas anderes. Es ist auch keine Persiflage. Die Einsamkeit im Alter ist nun mal Realität. An deinen Ausführungen sehe ich, dass du es nicht verstanden hast, um was es hier im Wesentlichen geht.

Ich setzte beim Leser voraus, dass er in der Lage ist, den Sinngehalt zu verstehen.

Liebe Grüße von Aledi
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Ich setzte beim Leser voraus, dass er in der Lage ist, den Sinngehalt zu verstehen.
Mag ja sein, Aledi,
aber Du kannst nicht verlangen, daß der zweite, dritte usw. Leser den Sinngehalt genauso versteht wie der erste Leser, der Du bist.

Ich verstehe in diesem Gedicht nicht den Widerspruch zwischen dem einsamen Alter des lyrischen Ichs und dem Sachverhalt, daß sie ihr Haus nicht an ihre Kinder vererbt hat. Angeblich hat sie ja Kinder. Sie tut aber, als wären die schon vor ihr gestorben, und deren Kinder auch.
Dieser Widerspruch kann natürlich bewußt so gesetzt sein, gewissermaßen naiv surrealistisch. Wie auf Lummerland eine Frau mit einem gut gefüllten Laden ihr Geschäft betreibt, für die anderen vier Insulaner. Kann als Bild für die inneren Rollen der Seele stehen, zu denen man sich auseinanderlegen kann.
Aber in naiv-realistischer Sicht ist das völlig unmöglich.

Die Frage ist, ob Du selbst Dein Gedicht verstehst? Ich vermute "ja", nur kannst Du es nicht gut mitteilen. Aber das macht nichts. Du mußt es nicht genauso verstehen wie ein anderer Leser.

grusz, hansz
 

James Blond

Mitglied
Ich denke, dass nahezu jeder Leser in der Lage sein wird, den Sinngehalt dieses Gedichtes in ähnlicher Weise wie Wüstenrose zu erfassen. Es mag vereinzelte Ausnahmen geben, aber die sind nicht der Rede wert. Die Thematik des Alters in erinnerungsträchtiger Vereinsamung ist nicht nur häufiger Gegenstand lyrischer Betrachtungen, sie ist für unzählige Menschen auch Realität. Mögen sich dabei die jeweiligen Umstände unterscheiden, so steht doch das Gefühl des Verlassen- und Überflüssigseins bei allen im Vordergrund.

Und das finde ich hier in diesem Gedicht, von seinen technischen Mängeln einmal abgesehen, sehr treffend eingefangen. Dabei spielt es keine Rolle, durch welche konkreten Ereignisse der Verlust eintrat; es bedarf keiner plausiblen Erklärung, weil Verluste - sei es an Besitz, sei es an Personen - leider keine schwer vorstellbaren Ausnahmen darstellen, sondern sich in fast jeder Biografie wiederfinden.

Was mich für dieses Gedicht einnimmt, ist die doppelte Funktion des vergilbten Hausfotos als Symbol eines vormals erfahrenen Familienglücks und gegenwärtig als Metapher eines verblassenden Lebens.

Was mich ganz besonders freut, ist wüstenroses intensive, konstruktive, fruchtbare Beschäftigung mit dem Text.

Grüße
JB
 

Aledi

Mitglied
Guten Abend James Blond,

es freut mich, dass du dir die Zeit genommen hast, einen Kommentar zu meinem Gedicht zu schreiben. Da ich hier neu bin, muss ich mich an die Gepflogenheiten des Forums erst gewöhnen.

Liebe Grüße Aledi
 



 
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