Das Amt

Das Amt


2001, alle Rechte bei Serge Deinzer



Robert betrat die Eingangshalle des Verwaltungsreferates Süd, einem der vier Bauämter der Stadt. Er hasste diese Ämter. Seit Tagen schob er den Antrag schon hinaus, aber in zwei Tagen wurde die Baustelle begonnen, und wenn Robert die Straßensperrung heute nicht beantragte, hätte er spätestens am Mittwoch die Polizei am Hals.
Auch so würde es schwer genug werden. Bei so kurzfristigen Anträgen kam man sich in der Behörde vor wie im Raubtierhaus. Man konnte froh sein, wenn man es schaffte, den Laden ohne Nervenzusammenbruch zu verlassen, davon konnte Robert ein Lied singen. Seine Abneigung gegen solche Einrichtungen hatte ihm schon einige Schwierigkeiten bereitet.
Robert betrachtete die große Auskunftstafel, die mit einer Größe von sechs Quadratmetern wohl die größte war, die er kannte. Hinter den römischen Ziffern waren die Zimmernummern des jeweiligen Stockwerks angegeben, sie reichten von 1001 bis hin zu 9999 im obersten Stockwerk.
Nummern unter 1001 konnte man allerdings nirgends finden, Robert fragte sich, was dort wohl versteckt wurde, wahrscheinlich die Schnapsvorräte der Beamten.
<O.k., Auf in den Kampf> murmelte er vor sich hin und suchte auf der Tafel nach der Unterabteilung Straßenverkehrsaufsicht, dort wollte Robert als erstes sein Glück versuchen.
Im dritten Stock in Zimmernummer 3320, ein Herr Schneider war dort wohl der zuständige Mann.
Robert ging in Richtung Wendeltreppe , welche die halbe Eingangshalle für sich beanspruchte. Das Gebäude stammte aus dem neunzehnten Jahrhundert. Die Außenfassade hatte man erst letztes Jahr komplett renoviert, ein Prachtschloß in der ansonsten etwas faden Innenstadt. Parkplätze vor dem Gebäude fehlten, doch das störte weiter keinen. Beim ihrem Pilgermarsch wurden die Antragstellenden gleich in die richtige Bittstimmung gebracht. Kurzum, dem Gebäude fehlte nur noch die Glaskuppel aus Berlin, um den Reichstag in den Schatten zu stellen.
Robert betrat die breiten Marmorstufen, die halbkreisförmig von Stockwerk zu Stockwerk führten. Ein schmiedeeisernes Geländer verhinderte den Absturz in das gewaltige Treppenauge.
Irgendwann hatte man in das alte Gemäuer einen Paternoster Aufzug eingebaut. Jedoch nicht, wie es vielleicht sinnvoll gewesen wäre, im eh vorhandenen Treppenauge, nein, der Aufzug war links neben dem Treppenhaus durch alle Stockwerke gebrochen worden. So konnte man die Optik des Treppenhauses weiter geniesen, den dieses suchte seinesgleichen in Bayern.
Im dritten Stock angelangt wandte sich Robert den Schildern folgend nach links, Zimmer 3001-3500.
Nach ein paar Metern kam er durch eine dicke Glastür, die man nachträglich in sämtliche Flure eingezogen hatte. Robert kannte diese Türen nur zu gut. Das waren Rauchschutztüren, die in sämtlichen größeren Gebäuden Vorschrift waren, Robert hatte dies schmerzlich erfahren, nachdem er auf seiner letzten Baustelle alle Flurtüren nachträglich austauschen mußte, inklusiv Rahmen, da beides nicht den Feuerschutzbestimmungen entsprochen hatte. Außerdem mußte er einen elektrischen Anschluß verlegen, um die automatischen Türschließer zu installieren.
Solche Türen mußten immer geschlossen sein, das war Vorschrift.
Die schwere Glastür hier war unterkeilt, damit sie offenstand. Ein Zettel prangerte in ihrer Mitte, „Vorsicht, frisch gestrichen“. Robert blickte erstaunt nach vorn und erkannte, daß alle Brandschutztüren offenstanden, und überall prangerte der selbe kleine gelbe Zettel.
Robert konnte sich ein kurzes Kichern nicht verkneifen, verstummte jedoch sofort, als ihm eine schon etwas ältere Dame entgegen kam, die einen Stapel Akten vor sich her trug. Die Dame war außerdem etwas korpulent, Robert stellte sich deshalb ganz rechts an die Wand, um die Frau in dem engen Flur vorbeizulassen.
<Mahlzeit> sagte er pflichtbewußt, denn er wußte, daß es etwa schon 11Uhr durch, und dieser Gruß damit passend war. Schweigend tippelte die fette Schwarte weiter ihres Weges, Der Boden unter Roberts Füßen bebte kurz und beruhigte sich dann wieder.
Zimmernummer 3310, er war fast am Ziel.
Plötzlich tauchte vor ihm ein großer schwarzer Hund auf. Die Gänge verliefen alle leicht gebogen, so daß man immer nur in etwa zehn Zimmer vorausblicken konnte. Dahinter konnte wer weiß was lauern.
Der Hund, eine Schäferhund- Doggenmischung hockte sich mitten in den Flur, kratzte sich kurz und richtete seinen Blick dann auf Robert, der abrupt stehen blieb. Beide fixierten mit ihren Augen den anderen, bis Robert ein kurzes Lachen aus einem Zimmer weiter vorne hörte, wo sich Kollegen anscheinend bei offener Tür verabschiedeten, immerhin war es fast halb zwölf, und die ersten gingen bereits.
Robert beschloß, das der Hund einem von denen gehören mußte, anders war das gar nicht möglich. Allerdings kam es ihm schon etwas komisch vor, das die Beamten hier solche Hunde, oder überhaupt Tiere, mit in die Arbeit nahmen.
Robert ging langsam in Richtung des Hundes weiter und hoffte, das sein Ziel noch vor dem Hund liegen würde. Und so war es auch. Während der Hund ihn weiter beobachtete, ohne recht freßbegierigen Blick wie Robert fand, kam er an Zimmer 3320 wandte sich nach links und studierte zur Sicherheit das kleine Schild neben der Tür. Herr Schneider saß hier, wie angekündigt.
Robert klopfte.
Er klopfte nochmal, etwas lauter.
Nachdem sich nach etwa zwanzig Sekunden nichts tat öffnete Robert die Tür, er kannte das Amt und seine Bewohner.
Im Zimmer war niemand. Zwei Schreibtische standen in Richtung Tür, und auf beiden stapelten sich die Akten. Eine große Palme stand mitten vor dem riesigen Sprossenfenster, daß das Zimmer freundlich hell wirken ließ. Da niemand zu sehen war versuchte es Robert mit den Seitentüren, die in die anderen Zimmer führte. Sie standen beidseitig offen.
Etwa drei Zimmer weiter stand eine kleine Gruppe, sie waren anscheinend gerade beim Kuchen essen, anscheinend hatte jemand Geburtstag.
<Entschuldigung, ich suche einen Herrn Schneider> machte Robert auf sich aufmerksam. Die ganze Gruppe drehte sich zu ihm um, Robert wurde es heiß und kalt gleichzeitig. Einer von ihnen ergriff das Wort <Was wollen sie denn von ihm>, fragte er unfreundlich. <Ich muß eine Straßensperrung beantragen, für übermorgen in der Sudetenstraße> antwortete er brav. <Für übermorgen, und da kommen sie jetzt> eisig betrachtete ihn der Mann von oben bis unten. <Na, mich geht’s Gott sei dank nichts an, Oli, machst du mal>.
Oli erhob sich stöhnend von seinem Stuhl, auf dem er vorher von zwei Frauen verdeckt wurde, so daß Robert ihn erst jetzt wahrnahm. Er folgte ihm in das Zimmer 3320. <Eine Straßensperrung wollen sie?> fragte der Mann. <Ja, für die Sudetenstraße> antwortete Robert und machte sich auf einen weiteren Anschiß gefasst. <Da haben sie den Antrag, den müssen sie ausfüllen, und an der Kasse vorlegen, die Dame sagt ihnen dann, wieviel der Antrag kostet.> mit diesen Worten reichte der Mann ihm das Formular.<Wenn sie fertig sind, müssen sie wieder zu mir, mit der Quittung>.
Robert war erstaunt wie gut das ging. Er schnappte sich das Papier, bedankte sich zweimal bei Herrn Schneider und ging rückwärts aus der Tür, die er leise zumachte.
Mittlerweile mußte es fast dreiviertel zwölf sein, höchste Zeit sich zu beeilen. Robert wußte, das die Kasse sich in der Eingangshalle befand, er konnte sich also ohne zu zögern dorthin aufmachen.
Den Paternoster ließ Robert wieder links liegen, er konnte Aufzüge eh nicht leiden, und dieser hier war ihm ganz besonders suspekt. Er rannte deshalb das Treppenhaus hinunter zur Kasse.
Vor der Tür fiel ihm ein, daß er den Antrag noch ausfüllen mußte. Er setzte sich auf einen der Wartestühle in der Halle und füllte an dem dazugehörigen Tisch sein Formular aus, einen Kugelschreiber hatte er zum Glück immer in der Jacke.
Er wurde nach seinem ersten Klopfen hereingelassen, daß lies Robert hoffen, daß er es vielleicht noch bis zwölf Uhr schaffen konnte, seinen Antrag abzugeben.
Doch da hatte er seine Rechnung ohne die zuständige Dame gemacht.
Diese vergeudete mehrere Minuten, weil sie mit ihrer Mammutbrille angeblich seine Schrift nicht entziffern konnte diese Brillenschlange.
Nach langem hin und her, in dem Robert verzweifelt versuchte, der Kuh nicht an die Kehle zu gehen einigten sie sich darauf, daß sie den Antrag ausnahmsweise bearbeiten würde, aber das nächste mal würde sie so ein Geschmier nicht mehr annehmen, wo kämen wir denn da hin. Als Robert schon frohgemut das Zimmer der alten Beißzange verlassen wollte versetzte sie ihm mit einem höhnischen Grinsen noch einen letzten Hieb. <Mit dem Antrag müssen sie zuerst ins Tiefbauamt im neunten Stock bevor sie ihn in Zimmer 3320 abgeben können, Zimmer 9998, Frau Teller ist da zuständig, ich weiß aber nicht, ob die Dame noch im Haus ist>.
<Wieso ins Tiefbauamt> rief Robert erschrocken. <Weil sie mit ihren Fahrzeugen die Straße nicht nur sperren wollen sondern auch den Gehsteig überfahren und der könnte dabei beschädigt werden. Das Tiefbauamt muß hierfür erst seine Genehmigung erteilen, sie brauchen deren Stempel oder der Antrag kann nicht bearbeitet werden> teilte sie ihm mit einem Zwinkern mit und verschwand dann mit ihrer Handtasche nach hinten ins Nebenzimmer.
Robert beriet sich mit seiner Uhr. Noch sieben Minuten und jetzt auch noch hoch in den neunten Stock, das konnte ja heiter werden.
Er stürmte aus dem Zimmer und hetzte Richtung Treppenhaus. <Neun Stockwerke, verdammt> keuchte er und entschied sich schweren Herzens für den Paternoster Aufzug.
Robert sprang in die Kabine, er hatte Angst beim Einsteigen hängenzubleiben und von der Kabine beim hochfahren in zwei Hälften zerteilt zu werden.
Kaum als er sich in die Kabine gezwängt hatte erklang ein dumpfes Knurren durchs Treppenhaus herunter in die Eingangshalle. Der Hund, dachte Robert schockiert bis ihm sein Verstand mitteilte daß es sich bei diesem Geräusch nie und nimmer um einen Hund handelte, daß war wahrscheinlich das Krächzen der alten Aufzuganlage, als er sie mit seinem Gewicht belastete.
Das stimmte, außerdem war der Hund beim Hinausgehen aus 3320 nicht mehr da gewesen. Wahrscheinlich war er auf dem Heimweg mit seinem Herrchen.
Robert stand stocksteif im Aufzug, er wartete darauf, daß die Kabine mit ihm in die Tiefe rauschen würde. Die Treppenhauswand glitt an ihm vorbei, unterbrochen von den Öffnungen in den einzelnen Geschossen.
Ab dem sechsten Stock war zwischen den Stockwerken ein Hinweis auf die Wand gesprüht „Achtung, im neunten Stock bitte aussteigen“ und darunter „Weiterfahrt ungefährlich“ beide Hinweise waren mit blauer Farbe durch eine Schablone gesprüht worden, sah aus wie die Hinweise in einer Tiefgarage.
<Darauf könnt ihr euch verlassen, daß ich aussteigen werde> flüsterte Robert und blickte nach oben, jeden Moment mußte der Neunte vor ihm auftauchen.
Er hechtete sich im richtigen Moment aus der Kabine, in der Erwartung daß diese ihn mit Gewalt zurückhalten und zweiteilen würde.
Robert stolperte bei der Landung und rutschte den schmalen Flur entlang. Seine Papiere wurden bei dem Sturz in schwere Mitleidenschaft gezogen.
Nachdem er sich aufgerappelt hatte prüfte Robert seinen Körper auf Verletzungen, außer einem verstauchten Knöchel war anscheinend nichts geschehen.
Er folgte den Schildern nach rechts, als plötzlich ein gewaltiges Brüllen die Flure durchflutete. Robert setzte sich vor Schreck wieder auf den Hosenboden. <Was war denn das> fragte er sich laut und kämpfte sich erneut hoch. Sein Adrenalinspiegel stieg sprunghaft an und er begann am ganzen Körper zu zittern.
Er blickte sich langsam um. Das Treppenhaus war hier oben gesperrt, man konnte das Stockwerk also nur mit dem Aufzug verlassen, und bevor Robert wieder in diese Todesfalle stieg müßte schon einiges mehr geschehen, als das Gebrüll vom sterbenden Motor des Aufzugs.
Langsam schlich er den Gang entlang, es herrschte Totenstille. Ein Blick auf seine Uhr verriet ihm, daß er sich zum Teufel beeilen mußte, wenn er Herrn Schneider noch antreffen wollte. Also zwang er seine Beine ihn schneller zu tragen als diese wollten. Robert begann der Schweiß in Strömen herunter zu laufen, und seine eh nicht starken Nerven begannen zu vibrieren.
Zimmer 9780, 9789.....9854, ein lautes Kratzen durchbrach urplötzlich die Stille, es kam aus der Tiefe des Flures vor ihm, wie das Kreischen von Kreide an der Tafel.
Es wahr eh egal, er würde ohne seinen Stempel von Frau Teller (wie konnte man nur Teller heißen) hier nicht wieder verschwinden, also versuchte Robert das Geräusch aus seinem Kopf zu verbannen und ging zielstrebig weiter in Richtung 9998.
9980, nicht mehr weit, und er hatte es geschafft.
9985, die Geräusche vor ihm werden stetig lauter, und Robert hat Mühe seinen widerspenstigen Körper unter Kontrolle zu halten.
9990, es war soweit, die letzten zehn. Es kam ihm vor, als würde er schon eine Ewigkeit den Gang entlanghetzen, nur anhand der Zimmernummern konnte er sich noch orientieren, und der Schweiß in seinen Augen trübte ihm zusätzlich die Sicht.
9995, Robert holte ein Taschentuch hervor um sich den Schweiß aus den Augen zu wischen, er konnte fast nichts mehr sehen. Er schaute langsam nach vorne um nach 9998 zu suchen, die liebe Frau Teller. Wenn diese Dame nicht mehr anzutreffen war würde er ihr auf den Stuhl scheißen, darauf konnte sie sich verlassen, das hatte er sich redlich verdient.
Plötzlich bemerkte Robert eine Bewegung am Ende des ewiglangen Flures und erstarrte.
Der Hund war wieder da, doch er hatte sich ziemlich verändert. Ein jetzt riesiges Monstrum, das mit seinem Körper fast den halben Flur ausfüllte. Der Geifer lief ihm aus dem Maul und aus den Nasenlöchern, eine große Pfütze hatte sich schon vor seinem Kopf gebildet. Schwarzes Fell, das nur noch in Fetzen an dem Monstrum klebte, als hätte das Untier seine Haut abgeworfen. Ein ekliges Schmatzen drang aus seinem Maul, als sich der leibhaftige Hund von Baskeville schüttelte, daß der Geifer selbst noch an der Decke kleben blieb und in dünnen Fäden herabtropfte.
Roberts Reaktionszeit war erstaunlich lange, er stand sekundenlang dem Monstrum gegenüber und starrte im in sein außerordentlich häßliches Antlitz. Erst als das Urvieh das Maul zu einem entsetzlichen Brüllen aufriß und dabei seine vielreihigen schräg nach innen stehenden Hauer zeigte, fiel bei Robert der Groschen. Ganz einfach, er mußte weg, schnell weg, bevor er sich das Monstrum von innen ansehen konnte.
Er machte auf dem Absatz kehrt und jagte so schnell er konnte den Flur entlang Richtung Treppenhaus. Hinter sich hörte er wieder das Kratzen, jetzt kannte er auch die wahre Ursache für dieses Geräusch. Das Monstrum schnellte aus dem Stand nach vorne und hieb dabei seine spitzen Raubtierkrallen in den Boden.
Robert rannte um sein Leben, der verstauchte Knöchel funktionierte so gut wie noch nie, das Adrenalin jagte durch seinen Körper und verlieh ihm ungeahnte Fähigkeiten. Er konnte sich nicht erinnern, jemals eine solche Geschwindigkeit erreicht zu haben wie jetzt in diesem scheiß Amt. Er hatte schon gewußt warum er hier nur ungern seine Zeit verbrachte, aber der riesige Schatten, der ihm langsam von hinten einholte, war mehr, als Robert sich in seinen schlimmsten Alpträumen erträumte.
Die Kreatur holte auf, sie fetzte den Gang entlang, als wäre sie eine Kugel in einem Lauf. Robert mobilisierte die letzten Reserven. Das Formular in seiner rechten Hand zerfletterte. Plötzlich Spürte er einen reißenden Schmerz quer über den Rücken, eine Hieb der Bestie zerfetzte ihm seinen Anzug und schnitt ihm vier tiefe Wunden in den Rücken, gleich der Anzahl der scharfen Krallen der Kreatur.
Robert wurde nach vorn geschleudert und strauchelte, wenn er jetzt stürzte würde es über ihn herfallen und ihm den Garaus machen. Es gelang ihm, das Gleichgewicht zu halten, knallte dabei aber mit voller Wucht gegen einen Feuermelder und der Feueralarm heulte los. Vor sich konnte er bereits das Treppenhaus erkennen.
Die Kreatur stoppte kurz, verwirrt von der Sirene, drehte sich zweimal Kreis und nahm die Verfolgung seines Opfers wieder auf. Die Glastüren summten, die Schließer versuchten die Türen dicht zu machen. Die Keile verhinderten, daß sich die Schotte schließen konnten. An einer Tür sprang der Keil zur Seite und etwa fünf Meter vor Robert begann sich die Tür zu schließen. Roland hechtete sich durch den schmalen Spalt, und die Feuerschutztür fiel hinter ihm ins Schloß. Er rollte sich ab und startete wieder durch in Richtung Treppenhaus, jetzt konnte er es schaffen.
In dem Moment donnerte es und das dicke Panzerglas splitterte in tausend Scherben, die wie Geschosse durch den Flur sprangen, der „Hund von Baskeville“
brach durch die Glastür ohne auch nur einen Deut langsamer zu werden. Er riß bei seinem Durchbruch den kompletten Rahmen aus den Verankerungen und schleifte ihn hinter sich her.
Das Monster schien mit Robert spielen zu wollen wie die Katze mit einer Maus, es verpaßte ihm urplötzlich einen weiteren Hieb an den Kopf. Die Krallen erwischten ihn Gott sei dank nicht, er wurde jedoch nach vorne geschleudert und schlitterte quer durch das in dem Moment erreichte Treppenhaus.
Robert wurde direkt in die Kabine des Paternosters geschleudert und knallte an dessen Rückwand. Der Schmerz raste schier unerträglich durch seinen Körper.
Das Monstrum mußte ihn jeden Moment erreicht haben, Robert drehte sich blitzartig um und sprang auf um dem Vieh im Augenblick des Todes in seine rot flammenden Augen zu spucken.
Das Untier kam, es bremste einen Augenblick vor der Kabine um sich für den entscheidenden Sprung vorzubereiten.
Die Kabine stieg langsam nach oben. <Scheiße>, Robert war in der falschen Kabine, über ihm gab es kein Stockwerk mehr, und selbst wenn Robert schnell genug nach oben gekommen wäre, das Monster brauchte nur in aller Seelen Ruhe hier auf ihn zu warten, denn er würde unweigerlich zurückkommen.
Es sprang. Die Kreatur riß das blutige Maul auf und schnellte auf ihn zu. Als es jedoch bereits gefährlich nahe vor Roberts Gesicht die Kiefer ausrenkte, um Robert auf einen Haps zu verschlingen löste es sich erst in millionen kleiner Teilchen und schließlich in Luft auf. Robert erkannte die blaue Aufschrift „Weiterfahrt ungefährlich“, fragte sich noch ob dies wohl ein makaberer Scherz sein sollte und sackte bewußtlos in sich zusammen.

Er erwachte einige Zeit später, er hatte keine Ahnung wieviel Zeit vergangen war, mit tödlichen Kopfschmerzen. Er hatte das Gefühl, das Monstrum hätte ihn doch gefressen und ihn dann wieder ausgespuckt. Sein ganzer Körper brannte wie Feuer, sein Rücken klebte an der Rückwand fest, als Robert sich losriß erfüllte ein gequälter Schrei die enge Kabine.
Vor sich sah Roland immer noch die Treppenhauswand vorbeigleiten, es war verdammt heiß in diesem verdammten Sarg.
Ein Hinweis erreichte sein Sichtfeld. „Willkommen“ stand da in verlaufener Farbe. So weit sich Robert erinnern konnte lauteten die Hinweise eigentlich anders, und er fragte sich langsam, wohin der Aufzug ihn denn entführt hatte.
Ein Wahnsinn, was einem in so einem Amt alles begegnete. Roland konnte die Geschichten unter Kollegen über durchgeknallte Irre, die zu oft dem Irrtum erlegen waren, auf dem Amt etwas erledigen zu müssen, sehr gut nachvollziehen. Seine Nervenstränge hatten sich auch zum Großteil verabschiedet, er konnte außerdem ein dauerndes Zwinkern des linken Auges nicht mehr abstellen, ein eindeutiges Zeichen dafür, daß er fürs erste bedient war.
Eine Öffnung tauchte plötzlich vor ihm auf, der Paternoster passierte ein weiteres Stockwerk, obwohl Robert auf der Hinweistafel in der Eingangshalle eindeutig neun Stockwerke gezählt hatte, eine Gänsehaut bildete sich selbst noch an seiner intimsten Stelle.
Ein düsterer Flur breitete sich vor ihm aus, er sah von der Form her eigentlich aus wie alle anderen, einige entscheidende Details kennzeichneten ihn allerdings als etwas besonderes. Die Gänge waren raumhoch gefliest, mit weißen Krankenhausfliesen. Genauso der Boden. Die Türen an den Seiten bestanden aus dickem Eichenholz und erinnerten Robert an Gefängnistüren. Das Licht in diesem Flur flackerte, und aus den einzelnen Zimmern waren Geräusche zu hören.
Wenigstens ist hier noch jemand der mir helfen kann, dachte sich Robert. Außerdem werde ich hier hoffentlich diesem anhänglichen Köter nicht begegnen, denn das Treppenhaus endete definitiv im neunten Stock, und das Monstrum war zu groß um ihn mit dem Paternoster zu verfolgen, falls es überhaupt noch existierte.
Robert sprang aus der Kabine auf den gefliesten Boden.
Er schlich den Flur entlang und richtete seinen Blick auf die schweren Zellentüren, er glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Die Zimmernummern in diesem Stockwerk begannen bei 600 und gemäß dem eisernen Wegweiser, der mit Moos bewachsen in den Flur ragte gingen sie bis 699, aufgeteilt in zwei Richtungen.
<Da haben wir ja die Schnapskammern> dachte er sich und ging in Richtung 666, das letzte Zimmer auf dieser Seite, auf eine Tür zu. Diese hatten wie echte Gefängniszellen in der Mitte eine Klappe, die beim Öffnen einen Blick ins Zelleninnere freigab.
In 622 lag eine anscheinend jüngere Frau, die im Krankenhaushemd in einer Ecke kauerte und anfing wie wahnsinnig zu schreien, als Robert die Klappe aufmachte.
<Beruhigen sie sich, ich will ihnen doch nichts tun> versuchte Robert die Frau zu beruhigen, doch die fetzte auf einmal wie wild durch ihre Zelle, rammte ihren Kopf in die ebenfalls gekachelten Wände und schrie laufend <lieber töte ich mich selbst>.
Um nicht daran schuld zu sein schloß Robert ruckartig die Klappe, und drehte sich eines vernünftigen Gedanken unfähig im Kreis. Was war hier bloß los, warum waren hier anscheinend Leute eingesperrt, und weshalb geschah das in einem fiktiven Stockwerk des Verwaltungsreferates Süd seiner Stadt, ohne daß irgend jemand etwas wußte?
Es gab nur eine Erklärung, <Es war doch nicht so ungefährlich wie alle dachten, in einem Paternoster einfach weiterzufahren und zu hoffen, daß man auf der anderen Seite wieder heil herauskam. Jeder, der es wagte wird hier eingekerkert und dem Schreien der Frau nach zu urteilen wurden auch noch schreckliche Dinge mit einem angestellt. Alles in allem nicht das, was man sich im allgemeinen unter einem Behördengang vorstellt. Damit wollte man sich wahrscheinlich Antragsteller vom Hals schaffen, die grundsätzlich zu spät kamen, und dann alles gleich erledigt haben wollten>, dachte sich Robert und ging weiter den Flur entlang.
Aus
Aus 646 drang ein gräßliches Stöhnen, der Arme hatte das schlimmste anscheinend schon hinter sich. Seine beiden Zellennachbarn hämmerten ununterbrochen an die Türen und riefen heißer um Hilfe. Wahrscheinlich hatten sie vergessen, ihre Sperrung rechtzeitig anzumelden, Robert lachte bitter und pirschte sich in Richtung 666.
Die Tür zu 656 stand offen, Robert konnte ungehindert einen Blick ins innere werfen.
Die Zelle war leer. Nur eine Pritsche diente als Einrichtung, wie bei allen anderen Zellen. Der Unterschied bestand in den Blutspritzern, welche die Wandkacheln verschönerten. Das ganze Zimmer wimmelte davon, vor dem Eingang glänzte eine riesige Blutlache. <Wahrscheinlich hatte es hier jemand besonders eilig> dachte sich Robert, kotzte direkt vor die Zellentür und stützte sich dabei auf den eichenen Türrahmen.
Das konnte doch kein Mensch verkraften. Robert war hier in einer Gegend, wie man sie nur aus schlechten Filmen kannte, der blanke Horror sprang ihm aus jeder Richtung entgegen, und wahrscheinlich würde er ein weiteres Opfer in diesem Gruselkabinett bilden. Er spuckte die letzten Brocken aus und wandte sich wieder seinem Ziel zu. Er mußte hier raus kommen, irgend wo mußte es einen Ausgang aus dieser Hölle geben.
Robert stand nun direkt vor 666, die Tür befand sich am Ende des Flures, Sie war im Gegensatz zu den anderen aus Eisen mit gewaltigen Beschlägen und nur einem winzigen Guckloch in der Mitte. Die Tür bezeichnete sozusagen sein Ende. Das des Ganges und auch das von Robert. Hier ging es nicht weiter, und er hatte nicht die Kraft noch einmal durch den Gang, an den Zellen vorbei, wo die grauslichsten Geräusche einen zum Wahnsinn trieben, zurückzugehen.
Er öffnete die Klappe zu 666!
Was er innerhalb der letzten Zelle vorfand ließ seinen Verstand platzen wie einen explodierenden Kürbis.
Eine riesenhafte, nur aus blutigen Muskeln bestehende Kreatur war gerade dabei, die Gedärme eines auf einem Eichentisch festgeschnalltem Mädchens herauszuziehen und zu verschlingen.
Riesige Hörner ragten ihm seitlich aus dem Kopf, sein langer Rattenschwanz wedelte aufgeregt.
Seine fliegenähnlichen Insektenaugen waren mit Blutschleiern überzogen, wahrscheinlich hatte die Kreatur zu tief ins Essen geguckt.
Ein Schlund, kein Maul, saugte gierig an den Gedärmen. Die Hände waren dabei, den Brustkorb aufzubrechen, um an die Innereien zu kommen.
Im Hintergrund des Zimmers lagen Berge von abgenagten Knochen in einer Ecke, in einer anderen lagen angenagte Körper, die wahrscheinlich nicht ganz dem Geschmack dieser Gestalt entsprachen. Das Monster erstarrte in seiner Bewegung, als es das Quitschen der metallenen Klappe am Guckloch vernahm.
Robert stand mit herabhängenden Glieder gebeugt vor dem Loch und starrte abwesend hinein.
Ein breites Grinsen bildete sich auf dem Gesicht der Kreatur. Die Gedärme wurden sauber abgebissen und die Mahlzeit unterbrochen. Schlagartig zischte das Monster an die Tür und blickte direkt durch Roberts Sehnerven in sein Innerstes.
Die Kreatur zerrte an den Türangeln und kreischte, daß einem das Blut in den Adern gefror.
Doch Robert bekam nichts mehr davon mit, er begann wild mit den Armen zu rudern und wippte unregelmäßig mit den Füßen.
<Unglaublich>teilte ihm sein Verstand noch mit, bevor die Sicherungen explodierten
<Der Antichrist höchstpersönlich hieß ihn da willkommen, und er wollte sich anscheinend näher mit Robert über zu spät gestellte Anträge unterhalten.>
Torkelnd steuerte Roberts Körper rückwärts, krachte an 665 und taumelte dann den Flur entlang zurück.
Die Kreatur donnerte gegen die Eisenbeschläge und kreischte in einer Lautstärke, die Roberts Trommelfelle um die Schnecken wickelte.
Die anderen Zelleninsassen stimmten in diesen Gesang mit ein, so daß der Flur von wildem Geheul und Gekreische widerhallte.
Roberts Körper taumelte hilflos den Flur entlang bis er wieder das Treppenhaus erreichte. Das der Paternoster sich in ein riesiges Räderwerk verwandelt hatte, hatte für ihn keine Bedeutung mehr. Robert taumelte an den Rand des Treppenauges und blickte hinunter in die gewaltigen Zahnräder, die sich unter ihm bewegten. Hunderte von ihnen bildeten eine Einheit, die am Ende etwas mit Energie versorgten, dessen Anblick Robert erspart blieb. Seine glasigen, wild rollenden, blutunterlaufenen Augäpfel hatten ihre ursprüngliche Funktion aufgegeben.
Robert breitete die Arme weit aus und sprang mit einem perfekt vorgeführten Hechtsprung in die Tiefe.


Ende
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Hi Serge,

ich bin dummerweise in deinen Text geraten und habe bis zum Schluss auf die im Thema versprochene SciFi gewartet. Ist sie vom Hund verschlungen worden? Ich halte nicht viel von Horror-Geschichten und lese sie eigentlich nur, wenn ich durch irgendwas in sie "hineinge-mogel-zogen" werde – ich habe also keine Ahnung, ob dein Text den Standards, die ich nicht kenne, entspricht. Was mir aber auffiel: Der Anfang (vor den Horrorszenen) ist zu lang oder – falls er falsche Sicherheit suggieren sollte – schon zu hektisch. Die Horrorszenen selbst waren zu…plakativ? klischeehaft? oberflächlich? um auch nur das leiseste Gruseln in mir zu wecken. Die Sprache bewegt sich zu sehr im cool-trashigen Bereich, um Bilder zu erzeugen. Die „witzigen“ Einschübe wirken deplaziert. Angesichts dessen lohnt sich kaum, über unstimmige / unglückliche / verschusselte Details zu reden
         wie "Roland" statt "Robert"
         wie „Plötzlich Spürte er einen reißenden Schmerz quer über den Rücken, eine Hieb der Bestie zerfetzte ihm seinen Anzug und schnitt ihm vier tiefe Wunden in den Rücken, gleich der Anzahl der scharfen Krallen der Kreatur.“  – bei DEM Schmerz merkt keiner, ob es vier, drei oder fünf Wunden sind. Und keiner prüft, ob der Hund vier Krallen hat, oder nur mit vier von eigentlich fünf kratzte.
         wie: “Plötzlich tauchte vor ihm ein großer schwarzer Hund auf. Die Gänge verliefen alle leicht gebogen, so daß man immer nur in etwa zehn Zimmer vorausblicken konnte. Dahinter konnte wer weiß was lauern.“ – So gründlich hab ich selten Spannung verpuffen sehen…

Kann es sein, dass du den Text am Stück runtergschrieben und dann faktisch unbesehen in die LL gestellt hast? Er klingt jedenfalls so hastig (das passiert, wenn man schneller denkt, als man tippt) und unausgegoren. Ich an deiner Stelle würde den Text noch mal neu schreiben, ihn reifen lassen.

Viel Spaß dabei!
jon
 
J

josipeters

Gast
für meine Begriffe

sehr anschaulich dargestellt und für nicht so abgebrühte Leute wie jon auch recht spannend
 



 
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