Das Bodega in der Marienburger oder Blues und Anarchie im Prenzelberg

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Vier Tage später lud uns John zur Bandbesprechung ins Bodega in der Marienburger Straße ein, das er auch gleich in den Rang unserer neuen Stammkneipe erhob. Wir schüttelten bei seiner Verkündung ungläubig mit den Köpfen, da der Laden die absolute Hippiehochburg im Prenzlauer Berg war... Es war später Vormittag und die Kneipe noch spärlich besetzt. Wir suchten uns einen Platz am Fenster, doch selbst hier war der Geruch von bierdurchtränkten Dielen, Bohnerwachs und kaltem Rauch kaum auszuhalten.

Lutter, Kay. Bluessommer: Eine Geschichte von Freiheit, Liebe und Musik jenseits des Eisernen Vorhangs

„Letztens war ich mal wieder drin. Es gibt ja dort sogar noch den alten Tresen.“ erzählte mir eine Bekannte Anfang der Neunziger. Ihre Stimme klang traurig. Ich kenne sie noch von alten Zeiten her, wo sie fast jeden Abend im Bodega war. „Sie gehört doch hier schon zum Inventar.“ bemerkte ein Kumpel mal scherzhaft.

Aber die Begegnung ist schon viele Jahre her. Ich weiß nicht, was heute in dem Haus ist, in dem früher unser Treff war.

Wenn ich wirklich mal einen Lieblingsort in Berlin hatte, dann war es das Bodega in der Marienburger. Hatte deshalb, weil dort schon 1988 geschlossen wurde und danach in den Räumlichkeiten eine Schwulenkneipe aufmachte. Wenn ich nachrechne, dann sind es noch nicht mal auf drei Jahre gewesen sein, in denen ich dort ein und aus gegangen bin. Es kommt mir aber vor wie eine Ewigkeit.

Als unser Bodega schloß, ging eine Ära zuende und die Bluesfans verloren ihren wichtigsten Treffpunkt. Das war schon ein erstes Anzeichen dafür, dass es mit unserer Szene langsam auslief, und die Wende warf ihre Schatten voraus. Elf Monate später, am 9. November 89, fiel die Mauer.

An die Wand meiner ersten Berliner Wohnung in der Käthe Niederkirchnerstraße im Prenzlauer Berg schrieb eine Freundin den Satz „Der Blues ist die Musik einer unterdrückten Minderheit ohne Geld, ohne Liebe, aber nicht ohne Hoffung.“ Er stammt übrigens aus dem Buch „Amerikanische Bilder“ von Jacob Holdt, das ein Kultbuch in der DDR war.

Nirgendwo hat der Blues so gut reingepasst wie die Enge, das Stimmengewirr und die rauchgeschwängerte Luft im „Bodega“ nach Mitternacht.
Das „Bodega“, in der Marienburger Straße in Ost-Berlin, das genau an Heiligabend 1988 seine Pforten für immer schloss, war in den Achtzigern meine Stammkneipe.

Trotz des Namens, der Weinstube bedeutet, gab es dort nur Bier, Braunen, Klaren, Pfeffi und Kirsch. Wenn du nach Kaffee, Tee, Limonade, Cola oder etwa nach Wein verlangt hättest, würdest du in erstaunte Gesichter geblickt haben.

Es gab aber die berühmten Bodegabouletten. Keiner wusste, wie ihre merkwürdige Kegelform zustande kam. Sie schmeckten so, wie man sich den Geschmack von eingeweichtem Zeitungspapier vorstellt, das zerkleinert, in Form gepresst, paniert und gebraten wird, aber sie fanden, in Ermangelung von etwas anderem Essbarem, reißenden Absatz.

Bewundern musste man auch die Kellnerin Hanne, die sich ungerührt ihren Weg durch die Menge bahnte. Sie und die beiden Wirte hatten mit dem langhaarigen Volk, das sich jeden Abend bei ihnen versammelte, überhaupt nichts im Sinn und ertrugen die Hottentottenmusik wohl nur zähneknirschend. Aber sie konnten ganz gut davon leben.

Auf dem Kachelofen lagen immer die zusammengerollten Schlafsäcke der Berlin- Besucher, denn die angereisten Bluesfans aus ganz Ostdeutschland wußten, wohin sie sich in Berlin zu wenden hatten, um Gleichgesinnte zu treffen und eine Penne zu finden. Ich wohnte ja ganz in der Nähe vom Bodega, in der Käthe Niederkirchnerstraße und nahm deshalb oft einen ganzen Schwung Übernachtungsgäste mit. Die Nachbarn tippten auf Swingerparty.

Das „Bodega“ war die lustigste Kneipe von der ganzen Welt, voll mit den offenen, kontaktfreudigen Hippies und Bluesern, die aus der ganzen DDR stammten, die echten Berliner waren eher in der Minderheit.

Man betrat diese Kneipe als Fremder, war nach 10 Minuten schon mit Hinz und Kunz in Gespräche vertieft und ging nach Kneipenschluss um 1 Uhr noch mit Leuten, die man gerade erst kennengelernt hatte, nach Hause zu einer Party.

Jemand kippte mal ausversehen sein Bierglas über mich. Mein Kumpel zog einfach seinen Ledermantel aus, breitete ihn über unsere Stühle, und wir saßen zusammen in der Pfütze und tranken fröhlich weiter. Mir troff das Bier aus den Haaren. „Eine Bierspülung soll sehr gesund sein.“ rief jemand.

Das war eine ganz andere Atmosphäre als in den coolen Hausbesetzerkneipen, die eine Freundin von mir schon mal als begehbare Kühlschränke bezeichnete.

Umso weiter der Abend fortschritt, umso besser wurde im Bodega die Musik. Wenn man kam, lief meist die Diskoplatte von ZZ Top, die scheinbar dem Wirt gefiel. Das steigerte sich über Gary Moore, den Twisted Sisters, Jonny Winter bis in der letzten Stunde endlich die Stones kamen, die alle liebten, natürlich die alten Sachen.

Eines Nachts, als man im Bodega gerade die Türen hinter uns abgeschlossen hatte, stand ein Mann auf der Marienburger Straße und spielte auf der Teufelsgeige. Das Instrument war so groß wie er selbst. „Sie hat jahrelang im Keller gelegen.“ erzählte er uns.

Seine Frau redete auf ihn ein und versuchte ihn nach Hause zu bugsieren, aber er blieb standhaft.

„Früher, als die Mauer noch nicht stand, haben meine Freunde und ich oft nachts am Wannseestrand gesessen und auf unseren Teufelsgeigen gespielt. Natürlich alles Eigenbau.“ erzählte er uns mit leuchtenden Augen.

Unser Interesse tat ihm echt gut.

Mein Kumpel, der immer seine selbstgebastelte Maultrommel bei sich trug, zu kaufen gab es so was bei uns nicht und er jammten zusammen, und die anderen Bodegabesucher, die auf dem Weg nach Hause waren, blieben vor uns stehen und hörten zu.

Einen echten Berliner, der sogar noch den Wannsee kannte, traf man auch nicht alle Tage. Meine Freunde waren alle genausolche Zugezogenenen wie ich.

Niemals hätte ich an dem Abend daran geglaubt, dass ich nur anderthalb Jahre später selber am Wannsee stehen würde.

Ich erinnere mich noch an einen bestimmten Augenblick, als ich mich über einen Tisch beugte, um meinem Kumpel, der auf einem Stuhl saß, etwas ins Ohr zu schreien. Wegen des Lärmes konnte man sich nicht anders verständigen.

Plötzlich umfasste jemand, der in dem Gedränge hinter mir stand, meine Beine und hob mich hoch. Ich schwebte zu „Honky Tonk Women“* von den Rolling Stones hoch über dem Rauch, den Bierlachen und den lachenden und knutschenden Leuten und fühlte mich wunschlos glücklich.

Ich wunderte mich, dass solch ein Hort der Anarchie im Prenzlauer Berg von den Organen toleriert wurde.

„Die dulden doch sowas wie das Bodega nur, weil die Stasi von hier aus über alles eine gute Kontrolle hat.“ sagte mal jemand zu mir. Vielleicht hatte er recht. Bestimmt waren dort einige, die IM waren.

Die meisten von uns hatten es nicht einfach. Viele waren aus der Lehre, von der Penne oder aus dem Studium geflogen. Die meisten kamen aus dysfunktionalen Familien, wie man es heute bezeichnet, viele hatten Erfahrungen mit Kinderheimen und Jugendwerkhöfen und einige sogar mit dem Knast. Das waren aber keine schweren Jungs. In der DDR wurden auch kleinere Jugenddelikte sehr hart bestraft.

Ich habe mir später mal überlegt, dass viele von meinen Kumpels, oft, ohne die Texte zu verstehen, rein gefühlsmäßig, nur durch das Hören des Blues, eine starke Übereinstimmung zwischen ihrem Leben und dem Leben von jungen schwarzen Männern, die in der ersten Hälfte des 20 Jahrhunderts in den Großstädten Amerikas lebten, spürten. (Übrigens nicht nur meine Kumpels fühlten das, sondern auch Mike Jagger, Jimmy Page, Peter Green von Fleetwood Mac und wie sie alle heißen und machten aus diesem Gefühl allerhand.)
Wir waren genauso wie sie vom Land in die Stadt gekommen, bloß nicht aus dem Mississippidelta nach St. Louis sondern von Thüringen nach Berlin, oder wie ich aus Mecklenburg.

Beide Gruppen wurden von starker Heimatsehnsucht gequält, und das Fußfassen in der Großstadt gestaltete sich ohne Hilfe und Beziehungen von Familienmitgliedern natürlich sehr schwer oder sogar unmöglich.

Viele kamen wohl vom Regen in die Traufe. In die alte Heimat haben sie nicht reingepaßt, und in der Großstadt hatten sie es schwer Wurzeln zu schlagen. So blieben sie Außenseiter. Die Gruppe Gleichgesinnter, die in der selben Situation waren, bildete einen starken Halt.
Frust und Existenzängste ließen sie in ihre Musik einfließen. In Amerika hießen die Musiker dann Robert Johnson und John Lee Hooker (und natürlich viele, viele andere), in der DDR Stefan Diestelmann (2007 von allen unbemerkt verstorbener DDR Bluessänger), Freygang, Engerling und Monokel.

Ein gewisser Selbsthass spielte wohl auch eine Rolle. Viele verurteilten sich dafür, dass es ihnen nicht gelang, in Berlin Fuß zu fassen und bei dem exzessiven Trinken spielte auch autoaggressives Verhalten eine Rolle.

Sie waren einfach den frechen Berlinern nicht gewachsen und hielten sich und andere für Loser.

Jeder machte auf cool, was aber in Anbetracht der Schwierigkeiten, die sich auftürmen, wenn man auf sich gestellt, ohne viel Connections in der Großstadt anlandet, nicht leicht durchzuhalten war.

Meine Freundin floh aus der Lehre nach Berlin, weil ein Lehrmeister sie schikanierte.

Mein bester Kumpel kam hier an, nachdem seine Freundin ihn verlassen hatte.

Die Frauen hatten es wohl am schwersten, siehe auch der Text vom St. Louis Blues. Ein Mädchen aus dem Delta macht allein und unangemeldet einen langen Roadtrip nach St. Louis, um ihrem Freund zu folgen und muss erleben, dass er schon gute Freunde und eine andere Frau gefunden hat und in seinem Leben kein Platz mehr für sie ist. Ähnliches hatten wohl viele Frauen im Bodega auch schon erlebt.

Man sollte, um in der Fremde allein zurecht zu kommen möglichst ein Mann sein. Unter Männern gibt es doch erheblich mehr Solidarität.

Viele Kumpel von mir haben auch tolle Frauen gefunden, die mit ihnen durch dick und dünn gehen und zur Not auch mal die Miete bezahlen. Meine Freundinnen, die meist auch alle von außerhalb sind, sind dagegen oft allein bzw. mit ein oder auch mehreren Kindern alleinerziehend.

Die Berliner heiraten wohl unter sich, und es ist wohl schwer für Leute von außerhalb in einer fremden Umgebung tragfähige, haltbare zwischenmenschliche Beziehungen zu knüpfen. Und damit meine ich nicht nur Liebesbeziehungen.

Dann sollte der Heimatort am bestennicht zu weit von Berlin entfernt sein, also nicht weiter entfernt als das Oderbruch oder der Spreewald und nicht wie bei mir an der nördlichsten Spitze der Republik gelegen. Dann kann man öfter mal in schlechten Zeiten nach Hause fahren, zwecks Auftanken von Reserven und sich seine Wunden lecken lassen und bei Oma in den Kühlschrank kucken.

Drittens sollte man eine Bezugsperson ersten Grades in Berlin haben, also jemand der sich durch Familienbande verpflichtet fühlt, einem zu helfen. Freundschaften zerbrechen ja oft, wenn ein Freund ernsthafte Probleme hat.

Jemand der durchhängt wird oft schnell gemieden.

Eine Freundin, die ebenfalls aus Meckenburg/Vorpommern ist, hatte zum Beispiel ihre Tante und ihre Schwestern mit Familie hier, bei einer anderen aus dem Spreewald arbeitete der Vater in Berlin. Da war dann Hilfe vorhanden, wenn Probleme auftraten.

Wenn man in das Bodega eintrat, fühlt man sich in das Musical „Hair“ (Film von Milos Forman aus dem Jahre 1979) versetzt. So viele langhaarige Männer auf einem Fleck hatte ich bis dahin noch nie gesehen. Im Osten Deutschlands gab es Ende der 70 ziger, Anfang der Achtziger ein starkes Hippierevival.

Zur selben Zeit regierte in den westlichen Ländern der Punk. Mein spanischer Freund, der ja so alt ist wie ich, wurde als Teenager mit „Never mind the bollocks“ von den Sex Pistols und „Horses“ von Patti Smith in die Welt der Musik eingeführt und bekommt dabei heute dabei noch glänzende Augen. Ich kannte davon nichts, unsere Helden waren Neil Young, Bob Dylan und Deep Purple. Was für ihn „Gloria“ von Patti Smith ist, ist für mich „Smoke on the water“ von Deep Purple.

Mit 19, 20 hat man natürlich nur Augen für das andere Geschlecht. Ich war eigentlich völlig unpolitisch.

Die meisten DDR Blueser waren sehr offen. Unser Leitspruch war: „Vertrauen wagen“. Unser Schönheitsideal: Haare bis zur Hüfte, ein Shellparker bis zur Wade und ein Hirschbeutel, der über den Boden schliff.

Im Bodega hörte man extrem viel thüringische und sächsische Dialekte. Im stark industrialisierten Süden der DDR gab es eine sehr große Bluesszene. Dort lebt ein aufmüpfiges Völkchen mit starken musikalischen Genen. Übrigens auch Bach kommt aus Thüringen.

Nach der Wende hat sich unsere Bluesszene ziemlich in Luft aufgelöst. Einige Kumpels von mir haben das wohl nicht so richtig verkraftet und sich das Leben genommen beziehungsweise sind am Alkohol verstorben.

Ich habe als Frau auch nicht nur positive Erinnerungen an früher. Die Bluesszene war sehr Machoorientiert, das heißt die Männer hatten das Sagen, und die Frauen hatten sich unterzuordnen, sonst wurden sie ausgegrenzt.

Die Mädels, die sich bemühten als gleichberechtigte Kumpels akzeptiert zu werden, versuchten sich wohl an der Quadratur des Kreises. Da waren Enttäuschungen und Scheitern oft schon vorprogrammiert.
Es gab natürlich auch arrivierte Szenefrauen, aber die hatten oft mit anderen Frauen überhaupt nichts am Hut.

Unter den Frauen im Bodega gab es wenig Solidarität. Viele versuchten sich durch Überanpassung in dieser Männerdomäne zu behaupten und sahen in den anderen Frauen nur die Konkurrenz.

Sie waren Antifeministinnen, ohne es zu wissen. Mit Emma Goldmann und Shulamith Firestone (amerikanische Feministinnen) hatten sie nichts im Sinn. Oft verhielten sich Frauen anderen Frauen gegenüber so wie Marisa aus dem Film „Kriegerin“ (vom Regisseur David Wnendt aus dem Jahre 2011) gegenüber dem Neuzugang Svenja. Ich sollte zwar noch nicht vom Balkon runter gestoßen werden, aber viel gefehlt hat auch nicht.

Ich sehe in so einem Verhalten eine Reaktion auf eine starke Unterdrückung durch die Männerwelt. Man läßt den daraus resultierenden Frust an seinem eigenen Geschlecht aus. Vielen ist gar nicht bewußt, dass sie, wenn sie anderen Frauen gegenüber die Solidarität verweigern, nur sich selbst schaden.
Wenn Freundinnen von damals das lesen könnten, würden sie mich teeren und federn (Scherz, hoffentlich). Sie hätten das Genderthema ja nicht mal mit der Kneifzange angefaßt.
Die ganze Szene ist vielleicht auch dadurch baden gegangen, weil in ihr die Frauen, die ja nach Freiheit und Entfaltung suchten, manchmal noch stärker unterdrückt wurden als in der restlichen Gesellschaft. Viele Männer hielten nichts von dem Scherbensong: "Ich will niemandens Sklave sein und niemandens Herr."

Wer jetzt neugierig geworden ist auf die alten DDR Blueszeiten oder das von früher her noch kennt, sollte sich mal das Buch von Kai Luther (Ich kenne ihn noch aus den 80 zigern als Basser von Freygang) „Bluessommer“ besorgen. Er hat auch you tube videos ins Netz gestellt, wo er mit dem Motorrad viele ehemaligen Blueshochburgen, Dorfgasthöfe, wie Ebersbrünn, Sankt Niklas, Freiwalde oder Röderau abfährt.

Fazit:
Ich habe mal im Hinterkopf folgendes Szenario entwickelt bzw. so was ähnliches hat mir mal ein Kumpel erzählt: Jemand von früher, der alte Kontakte aus der Bluesszene lange vernachlässigt hat, kommt nach Berlin, und will die alten Zeiten nochmal aufleben lassen.
Er klopft als erstes an der Tür an, hinter der früher sein bester Kumpel gewohnt hat. Eine junge Frau öffnet ihm. "Es tut mir leid, den, den sie suchen kenne ich nicht. Mir wurde aber gesagt, dass mein Vormieter sich aufgehängt hat."
Die zweite Station ist das Bodega, unsere ehemalige Stammkneipe. Er muss entsetzt feststelle, dass daraus eine Schwulenkeipe geworden ist.
Als nächstes besucht er Moni, eine gutmütige, liebeslustige Kumpeline, an deren einem ihrer vier Kinder er auch beteiligt ist. Genaues weiß man nicht. Es stellt sich heraus, dass Moni in der Psychiatrie ist, wozu wohl entscheidend die Tatsache, dass sie als Kind mißbraucht worden ist, was einige der Mädels im Bodega erlebt hatten, beigetragen hat, und ihre vier Kinder im Heim sind.
Den Rest gibt dem Berlinbesucher, der eigentlich alte Zeiten wiederbeleben wollte, der Besuch bei einem anderen Kumpel, mit dem er früher durch dick und dünn gegangen ist.
Der öffnet die Tür nur ungern, und sein Gast muss in der Küche Platz nehmen. "Aber du kannst nur so lange bleiben, bis meine Frau kommt." "Hast du was zu trinken?" fragt der Berlinbesucher ihn, und rechnet mit einem Bier. "Du kannst höchstens ein Glas Wasser haben, aber die Wasserpreise steigen auch ständig. Wir müssen unsere Einbauküche abzahlen, die fünfzehntausend Mark gekostet hat." "Das hat sich wohl erledigt." denkt er, und steigt enttäuscht in den Zug.



* soll übrigens Spelunkenweib heißen, was mir zu denken gibt.
 
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Bo-ehd

Mitglied
Hallo Friedrichshainerin,
ein richtiges Stück Berliner Kulturgeschichte, die sich so auch in vielen anderen Städten abgespielt hat. Habe das selbst erlebt, als man noch reisen konnte.
Gruß Bo-ehd
 
Hallo Bo-ehd,
vielen Dank für die Bewertung. Es ist schon traurig, dass das Bodega nur noch ein Stück Berlingeschichte ist, niemals habe ich das Leben so intensiv wahrgenommen wie gerade dort. Und jetzt ist alles nur noch eine Erinnerung. Dort habe ich Leute getroffen, die mir stark ähnlich waren, leider auch in ihren Fehlern, und mit denen ich reden konnte. Ich habe immer gestaunt, wie sehr sich das was sie mir erzählten, mit meinen Erfahrungen überschnitt.

Mit dem Untergang der DDR ist auch unsere Bluesszene untergegangen, was ich nie vermutet hätte, natürlich nicht sofort, aber in den Jahren nach der Wende so schrittweise. Das ist ein Verlust, denn viele gar nicht so ermessen können. Das sich einige das Leben genommen haben, nachdem das Auffangbecken Bluesszene wegfiel.

Diese Jugendbewegung, in der DDR gab es besonders von Ende der Siebziger bis in die Achtziger ein großes Hippierevial, während im Westen schon lange der Punk regierte, hatte sich wohl in den Neunzigern überlebt.

Dafür mache ich auch die schwierige Stellung der Frau innerhalb dieser Jugendszene, die eigentlich mehr ein Männerbund, wie viele Jugendkulturen, war, verantwortlich. Das man als Schlampe und Alkoholikerin bezeichnet wurde, daran hatte man sich ja schon gewöhnt, aber als nach einer Vergewaltigung, den Täter, der alles abstritt, kenne ich auch, das Mädel als Lügnerin bezeichnet wurde, und keiner ihr half, erst recht nicht die Frauen, die nur die Konkurrenz sahen, kam ich doch ins Grübeln, ob hier nicht einiges schiefläuft.

Na ja, das war wohl meine Jugend. Die meisten meiner Kumpels von damals, sind übrigens nicht untergegangen, wie es uns damals alle vorausgesagt hatten, sondern total verkleinbürgerlicht. Ab und zu sehe ich auf der Straße noch mal ein Gesicht wieder, dass mir bekannt vorkommt, und in mir Erinnerungen hervorruft an eine bestimmte Fete, an ein bestimmtes open air. Warum haben sie aus ihrer Intelligenz und Begabung nichts gemacht. Mach ja sein, dass Kinder gezeugt worden sind, Frauen geheiratet wurden, Umschulungen gemacht wurden, aber früher so es so aus, als wäre das mehr drin gewesen.
Schönes Wochenende wünscht Friedrichshainerin
 



 
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