Das Büroklammermännchen (gelöscht)

blaustrumpf

Mitglied
das tut jetzt vielleicht ein bisschen weh...

Hallo, Katrin Campari

Das ist eine nette Idee, so ein Büroklammermännchen einmal zum Leben zu erwecken. Allerdings bin ich ein wenig eigen: Wenn schon etwas zum Leben erweckt wird, dann möchte ich auch, dass es lebendig wirkt. Und da hapert es bei deinem Drahtfigürchen etwas, zumindest in meinen Augen

Dass deine Geschichte auf mich ein bisschen betulich wirkt, stört mich nicht weiter. So etwas passiert mir in eigenen Texten zuweilen auch. Unangenehmer finde ich, dass ich mich nicht des Eindrucks erwehren kann, hier sollte eine pädagogisch wertvolle oder wenigstens unterhaltsame Geschichte für Kinder entstehen, ohne dass sich die die Autorin Gedanken darüber gemacht hat, für welche Altersgruppe genau sie nun schreibt.

Gut, das ist mein Eindruck, der muss ja nicht mit der Realität übereinstimmen. Es bleibt jedoch ein fader Beigeschmack, der sich verstärkt, wenn ich in dein Profil schaue. Die von dir gewählte Sprachebene ist mir von Geschichten vertraut, die deutlich jüngere Personen als du es bist, geschrieben haben. Nichts im Text erklärt mir diese Diskrepanz. Und so wirkt deine Kurzgeschichte auf mich erheblich irritierender, als es ihrem Inhalt entspricht.

Nein, ich habe nicht die Absicht, einer "Mit-Leselupine", die zudem noch recht kurz dabei ist, die Freude am Schreiben zu vergällen. Damit du auch von meinem Kommentar etwas hast außer dem Eindruck meines Missvergnügens, hänge ich ein Anfangslektorat an.

Schöne Grüße von blaustrumpf


Ein kleines Männchen, das nur aus Büroklammern bestand, entschloss sich eines Tages, zur Universität zu gehen, um Sprachen zu studieren.
[blue]Der Anfang ist klasse. Ich frag mich zwar vielleicht, wie klein das Männchen ist, und warum es ausgerechnet die Universität sein muss, aber die Vorstellung von der Drahtfigur ist so absurd, dass sie mich über diese Stolperstellen hinwegträgt.[/blue]
Es liebte Sprachen und hatte schon viele verschiedene gehört, aber er konnte sie nicht verstehen.
[blue]Ich verstehe den Zusammenhang nicht zwischen der Liebe zu Sprachen und dem Hinweis, dass das Männchen schon viele verschiedene gehört hat.[/blue]
Das Büroklammermännchen reiste gerne in fremde Länder und hörte zu, wenn sich andere Leute auf italienisch, französisch oder englisch unterhielten.
[blue]Warum nicht portugisisch, spanisch, griechisch, türkisch, serbo-kroatisch oder vielleicht auch eine nichteuropäische Sprache? Mit anderen Worten: Diese Aufzählung verkürzt den Wurf nur.[/blue]
Es fand die Sprachen so schön, auch wenn es kein Wort von dem verstand, was die Menschen dort sprachen.
[blue]Du berichtest als neutrale Beobachterin. "So schön" als Intensitäts-Adjektiv (ich weiß, das nennt man sicher anders) ist allerdings ein eher emotional besetzte Beschreibung. Und ich frage mich, warum du hier nachdoppelst. Das wissen wir doch schon, dass das Männchen Sprachen liebt.[/blue]
So ging das Männlein aus Büroklammern zur Universität.
[blue]Du hast mir schon zweimal gesagt, aus was das Männchen besteht. Hier ist es nun wirklich überflüssig und zudem doppeldeutig. Das Männlein ist aus Büroklammern, ich aus Köln?[/blue]
Diese war so unglaublich groß, dass sich das Männlein ganz klein vorkam.
[blue]Diese Beschreibung fände ich weniger ungewandt, wenn sie vom Protagonisten selbst käme und nicht von der übergeordneten Autor-Ität. [/blue]
Nach langem Suchen hatte es das Büro für Sprachen gefunden und klopfte an die Tür.
[blue]Ein Büro für Sprachen in der Universität? Je absurder der Ausgangsentwurf ist, desto mehr schätze ich es, wenn der Rest plausibel ist. Eine Universität hat sicher kein Büro für Sprachen, sondern diverse Seminare. Aber wenn ich mich recht entsinne, werden noch nicht eingeschriebene Studierwillige in allen Seminaren weitergeschickt zum Studiensekretariat (oder wie das nun mittlerweile heißen mag).[/blue]
Eine unfreundliche Frauenstimme bat das Männchen herein.
[blue]Hier muss ich doch mal so richtig kategorisch werden: Eine Stimme ist nicht unfreundlich, sie klingt höchstens so.[/blue]
„Guten Tag, ich möchte an dieser Universität gerne Sprachen studieren, weil ich verstehen möchte, was die anderen Leute sagen.“
[blue]Interssante Begründung. Aber tut es da nicht eigentlich auch ein Abo bei der Volkshochschule des Vertrauens?[/blue]
Die Dame im Büro für Sprachen sah nicht sehr nett aus und fuhr das Büroklammermännchen an.
[blue]Auch diese Zusammenstellung wirkt auf mich eher plump. Da wären zwei Sätze sicher wirkungsvoller als die Verknüpfung durch "und".[/blue]
„Wie bitte? Sie wollen hier Sprachen studieren? Wie stellen Sie sich denn das vor?“
Das Männchen schaute ganz verunsichert aus.
[blue]Auch wenn ich mir schwer vorstellen kann, wie das nun ausgesehen haben mag: Entweder schaute es verunsichert, oder es sah verunsichert aus.[/blue]
„Aber sehen Sie sich doch bloß einmal an! Sie bestehen ja nur aus Büroklammern. Ihr Kopf ist eine Büroklammer, Ihre Arme und Beine sind Büroklammern, einfach der ganze Körper besteht nur aus Büroklammern.“
[blue]Müsste sie nicht erst einmal nach dem Abiturzeugnis oder der Hochschulzulassung fragen?[/blue]
„Ja aber, ist denn das schlimm?“, fragte das Männlein eingeschüchtert.
„Nun ja, schlimm ist das nicht. Aber so können Sie doch unmöglich studieren. Das können hier nur richtige Menschen.“
„Das ist aber sehr schade.“
„Ich weiß da etwas viel besseres für Sie, junger Mann“, entgegnete die unfreundliche Bürodame.
„Ich kann Sie hier gut in meinem Büro gebrauchen. Mir sind nämlich heute morgen die Büroklammern ausgegangen. Da kommen Sie wie gerufen!“
[blue]Den Dialog finde ich übrigens gelungen, möchte ich anmerken.[/blue]
„Nein, danke“, sagte das Büroklammermännchen, verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich.
[blue]Wie klein war das Männlein noch? Wieso kriegt es überhaupt die Türen auf und zu? Und wenn ich schon mal frage: Wie bewegt es sich eigentlich fort?[/blue]
Es wollte nicht in irgendwelchen staubigen alten Akten im Regal dieser unfreundlichen Bürodame landen.
Es wollte Sprachen studieren und endlich die Menschen verstehen, die sich auf englisch oder französisch unterhielten.
[blue]Warum nur diese beiden Sprachen?[/blue]
Mit gesenktem Kopf und herunterhängenden Büroklammerschultern wollte das Männlein gerade wieder enttäuscht nach Hause gehen, da kam es an einem Glaskasten vorbei.
[blue]Die Beschreibung der Schultern finde ich sehr schön bildhaft.[/blue]
Dieser Glaskasten war schon sehr alt und seit Jahren nicht mehr benutzt worden.
[blue]Dieser Glaskasten war schon sehr alt. Seit Jahren hatte man ihn nicht mehr benutzt. Und an einer richtigen Universität wäre a) mittlerweile mindestens eine der Scheiben zu Bruch gegangen, b) eine stattliche Sammlung von Staub und toten Fliegen im Kasten und c) das Ganze längst mit Plakaten und Flyern beklebt. Aber das nur am Rande.[/blue]
Früher hatte man dort Kunstwerke und Skulpturen ausgestellt.
[blue]Es wird da sicher anderslautende Ansichten geben, aber meiner Meinung nach sind Skulpturen Kunstwerke oder zumindest als solche beabsichtigt.[/blue]
Jetzt war der Kasten leer. Aber er stand in der großen Eingangshalle der Universität, und täglich kamen Tausende von Studenten daran vorbei.
[blue]Nie im Leben ist der sauber, leer, unbeschädigt und ohne mindestens drei Aushänge.[/blue]
Dem Büroklammermännchen kam eine Idee.
[blue]Dein Protagonist ist doch sonst nicht so passiv. Lass das Männlein eine Idee haben.[/blue]
Es stieg durch eine unverschlossene kleine Glastür in den Kasten und stellte sich mitten auf die Ausstellungsfläche, gerade so als wäre es ein Kunstwerk.
[blue]Der Kasten ist offen? Nie im Leben ist der ohne leere Kaffeebecher, Kippen oder sonstigen Müll![/blue]
Ab und zu blieben ein paar Leute stehen und fragten sich, von wem diese Skulptur denn wohl sei. Aber niemand machte sich große Gedanken darüber.
[blue]Das "darüber" ist in meinen Augen überflüssig.[/blue]
So konnte das Männlein unerkannt in dem Glaskasten stehen bleiben.
[blue]Warum unerkannt? Wird es nicht als Büroklammermännlein gesehen, hat es Bekannte, die es gerne einmal wiederträfen, aber nicht damit rechnen, es dort anzutreffen, oder ist es gar der große Fremde, der sich irgendwann als Gott zeigt? Mit anderen Worten: Meinst du nicht vielleicht eher "ungestört" oder "unbehelligt"?[/blue]
In den Pausen versammelten sich immerzu unzählige Studenten in der großen Eingangshalle und unterhielten sich miteinander.
[blue]Hier beschreibst du eher eine Schulatmosphäre. Und wann versammeln sich die Unzähligen denn nun, nur in den Pausen oder immerzu?[/blue]
Dabei sprachen sie auch oftmals in der Sprache, die sie zuvor gelernt hatten und diskutierten, ob ein bestimmtes Wort nun dies oder jenes bedeutete.
[blue]Holla, das gibt es, dass Studenten die Sprache, die sie gerade lernen, sofort untereinander außerhalb des Unterrichtsrahmens anwenden? Und die dann noch in der Lage sind, in der noch fremden Zunge die Feinheiten von Bedeutungsunterschieden ebendieser Sprache zu diskutieren? Respekt.[/blue]
So konnte das Büroklammermännchen zuhören und verfolgen, was die Studenten sich erzählten.
[blue]Der Lärm muss allerdings erheblich gewesen sein, wenn da unzählige Stundenten in diversen Sprachen diskutierten.[/blue]
Es vergingen einige Monate und das Büroklammermännchen hatte mit der Zeit immer mehr und mehr Sprachen erlernt und konnte nun die Studenten verstehen, wenn sie in der Pause um den Glaskasten herumstanden und sich unterhielten.
[blue]Abgesehen davon, dass ich das doch schon weiß, wo die Studenten waren und was sie taten (So lange ist der letzte Satz nun wirklich nicht her. Aber um noch mal auf die Menge zurückzukommen: Unzählige umstehen den Glaskasten? Doch wohl kaum.) - Also, das wird selbst für ein extrem begabtes Büroklammermännchen schwierig, in einigen Monaten gleich mehrere Sprachen von der Pike auf zu lernen. Und so schrecklich begabt schilderst du es vorher nicht, schließlich hat es auf seinen Reisen nichts gelernt.[/blue]
Da beschloss das Männlein wieder aus dem Glaskasten zu klettern und nach Hause zu gehen.
[blue]Oder rücken einfach die Semesterferien näher?[/blue]
Schließlich war es nun seit Monaten fort und seine Frau machte sich vermutlich schon große Sorgen.
[blue]Ist es nicht ein bisschen spät für Informationen über den Familienstand?[/blue]
Nun würde es mit ihr die ganze [red]Welt[/red] bereisen und überall die Menschen verstehen können, egal welche Sprache sie auch sprechen mochten.
[blue]Naja. Auf so eine Idee kommen vermutlich nur Büroklammermännchen, die zu lange in einem Glaskasten gesessen haben.[/blue]
Gerade als das Büroklammermännchen sich aus dem Glaskasten auf den Boden herabgelassen hatte und in Richtung Ausgang gehen wollte, kam ihm die unfreundliche Dame aus dem Büro für Sprachen entgegen.
[blue]Woran hat es sich denn herabgelassen?[/blue]
Sie schaute das Männlein argwöhnisch an. Als das Männchen an ihr vorbeilief, wollte es „Arrivederci“ sagen, tat es dann aber doch nicht, denn die Bürodame hätte ihn vermutlich sowieso nicht verstanden.
[blue]Ihn? Ist das Männlein zum Manne gereift?[/blue]

* * *
Hallo, danke, dass du bis hierher durchgehalten hast. Gewiss, in der Menge wirken meine Anmerkungen sehr nickelig, es ist zum Teil wirklich Kleinkram, der mich stört. Aber es ist mir einfach zuviel an diesen Auffälligkeiten, Stolperstellen und so weiter. Selbst (oder besser: Besonders), wenn du deine Geschichte eher an kleine Kinder richtest, solltest du sie noch einmal gründlich überarbeiten. Das ist meine Meinung.

Schöne Grüße von blaustrumpf
 
Danke für Deine konstruktive Kritik. Ich habe einfach versucht, einen kleinen Text nach einer Anleitung Gianni Rodaris zu schreiben, der Dir mit seiner "Grammatik der Phantasie" sicherlich bekannt sein dürfte. Bei diesen Schreibübungen entstehen nunmal kleine Geschichten dieser Art. Die Geschichte war eigentlich eher als Schreibübung gedacht. Wollte sie ursprünglich gar nicht veröffentlichen, fand es dann aber doch interessant zu erfahren, wie die Reaktionen darauf sein würden.
 

katia

Mitglied
gefallen!

liebe katrin campari,

ich habe diese geschichte einfach nur so genommen, wie ich sie gelesen habe - ohne große sinnsuche oder so. aber sie hat mich dennoch zum nachdenken angeregt (beispiel: warum ist die unfreundliche frau nicht einfach so nett, das männchen lernen zu lassen, statt es sofort für eigene zwecke verwenden zu wollen). die geschichte hat mir in ihrer einfachheit mit teilweisem tiefgang sehr gefallen.

zwei verbesserungsvorschläge habe ich, wenn du willst:

"Es liebte Sprachen und hatte schon viele verschiedene gehört, aber [red]es[/red] konnte sie nicht verstehen."

"Nun würde es mit ihr die ganze [red]Welt[/red] bereisen und überall die Menschen verstehen können, egal welche Sprache sie auch sprechen mochten."

lg
katia
 
Hallo Katia,

danke für Deinen Kommentar, der mich dann doch wieder ein wenig aufgebaut hat. Die Verbesserungsvorschläge habe ich mir schon zu Herzen genommen, da ich sie auch als sinnvoll ansehe.

Viele liebe Grüße,

Katrin
 



 
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