Das Dorf der tanzenden Toten

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In einem kleinen Gebirge, weit abgelegen von den größeren Ansiedlungen der Menschen, liegt in einem schönen Tal ein Dorf. Es ist eines der bestgehüteten Geheimnisse dieser Welt, aber wenn man lange genug sucht, findet man einige, die davon gehört haben und sogar ein paar, die die Wunder des Dorfes mit ihren eigenen Augen gesehen haben und noch in der Lage sind, von ihnen zu berichten. So erzählen manche Wanderer, nachts am Lagerfeuer, wenn gruselige Geschichten die Runde machen, von den seltsamen Ereignissen, die an diesem Ort stattfinden. Doch nur wenige der Geschichten kommen der Wahrheit nahe und noch weniger der Erzähler begreifen, was sie eigentlich beschreiben.

Die folgende Sage wurde von einem Bewohner des Dorfes niedergeschrieben, nachdem er es für immer verlassen hatte:



Festumors war ein Stück Paradies auf Erden. Große Kirschbäume wuchsen im Dorf und wenn im Frühling alles zu blühen begann, bedeckten die Blütenblätter jede Fläche, wie eine sanfte und duftende Decke. Es war ein magischer Anblick und erfüllte die Dorfbewohner mit Freude für die kommende Zeit. Nach den kalten und stürmischen Wintern waren die wärmeren Jahreszeiten umso willkommener. Die Menschen wagten sich wieder aus den Häusern heraus, die Kinder konnten endlich draußen spielen und die Felder wurden bestellt. Doch in diesem Frühjahr war die Stimmung nicht heiter wie sonst. Die Menschen schliefen unruhig und voller Sorge, wenn sie es überhaupt taten. Eltern verbaten ihren Kindern abends noch draußen zu spielen und so mancher, der gerne nachts den Sternenhimmel beobachtete, verzichtete auf die frische Nachtluft und schloss sich lieber in seinem Haus ein. Grund dafür waren die Gestalten, die das Dorf nach Sonnenuntergang besuchten. Nun muss man wissen, dass im Dorf Festumors die Leute nicht auf normale Weise starben. Es gab keine Krankheiten, keine Unfälle und auch schlief niemand ein und wachte nicht wieder auf. Alle Bewohner lebten lange, ausgefüllte Leben und wenn es Zeit war für sie ins nächste überzutreten, dann taten sie das meist mit Freude und voller Zufriedenheit. Denn nachts besuchten die Verstorbenen das Dorf und führten feierliche Tänze auf. Die Bewohner fürchteten sich nicht vor diesem Ereignis, im Gegenteil: Sie empfingen sie mit offenen Armen und einige trafen während der Nacht auf verstorbene Geliebte, alte Freunde, Eltern, Großeltern und anderen Vorfahren. Sie tanzten mit ihnen und, auch wenn die Toten stumm blieben, erzählten von ihrem Leben. Wer spürte, dass sich sein Leben dem Ende näherte, schloss sich dem Zug der Toten an und verschwand mit dem ersten Sonnenlicht mit ihnen in den Bergen. In der nächsten Nacht waren sie Teil der tanzenden Gruppe. Manchmal in der Gestalt in der sie fortgingen, manchmal aber auch in jüngerer Gestalt ihrer Selbst.

Doch eines Nachts veränderte sich alles.
Die Toten waren nicht wie sonst langsam und friedlich wiegend ins Dorf eingezogen. Stattdessen kamen sie wild und kreischend angestürmt, packten Nichtsahnende, die eigentlich auf sie warteten und versuchten, sie mit sich zu ziehen. Sie waren grimmig und gewalttätig, zerstörten die Felder, kratzten an Türen, fauchten und heulten. Sie führten wilde Tänze auf, ohne Sinn für Schönheit und Frieden. Den Dorfbewohnern war klar, dass etwas die Toten verärgert haben musste, nur was es war, konnte sich niemand erklären.
Also rief Bürgermeisterin Salta alle Bewohner auf dem Dorfplatz zusammen. Alle, bis auf den alten Animo, aber dieser hatte sein Haus seit Jahren nicht mehr verlassen.
Salta ergriff das Wort:
„Unser Dorf war ein glücklicher und friedlicher Ort, wir lebten in Harmonie mit unseren Vorfahren. Für mich ist es offensichtlich, dass wir ihre Ruhe gestört haben müssen. Hat jemand in letzter Zeit etwas beobachtet?“
Die Versammelten sahen sich ratlos an. Sie hatten die letzten Wochen normal gelebt und gearbeitet, nichts Außergewöhnliches war vorgefallen. Schließlich meldete sich ein älterer Herr:
„Ich glaube, die Toten suchen etwas und sie kommen nicht an es heran.“
„Erkläre dich“, forderte ihn die Bürgermeisterin auf.
„Ich weiß, dass in den letzten Tagen alle ihre Fenster fest versiegelt haben, damit die Toten sie nicht erspähen können. Ich aber habe durch einen Spalt in einem von meinen gelunzt“, gestand er. „Meine Frau ging mit dem Geistertanz kurz vor dem Frühling und seitdem habe ich sie nicht mehr zu Gesicht bekommen. Ich hoffte, sie beim Tanzen wiedersehen zu können, aber dann begann dieses seltsame Ereignis. Also versuchte ich sie heimlich zu erblicken.“
Er zeigte mit seiner Hand in die Richtung seines Hauses und fuhr fort:
„Mir schien es, als seien die Toten an einer Stelle besonders aufgebracht. Dort tanzen sie besonders wild und schreien, als würde ihnen etwas furchtbare Qualen antun.“
„Dann werde ich heute Nacht von deinem Haus aus die Tanzenden beobachten“, entschied Salta.



Kurz vor Sonnenuntergang klopfte sie an die Tür des Alten. Er ließ sie ein und zeigte ihr das Fenster, durch dessen Spalt man nachts die Toten sehen konnte. Sie setzte sich davor und gemeinsam warteten sie darauf, dass der Geisterzug durchs Dorf ziehen würde. Als das letzte Sonnenlicht verschwunden war, begann ein fürchterliches Gepolter: Die Toten kamen.
Wild kreischend und hüpfend, stürmten sie durch die nun leeren Straßen des Dorfes. Ihre sonst sanften Gesichter waren zu grauenvollen Grimassen verzerrt und sie begannen einen schrecklichen Tanz. Sie wirbelten herum, sprangen hoch in die Luft und zappelten wild mit Armen und Beinen. Dabei stießen sie an Häuserwände, hinterließen wüste Spuren auf dem Boden und heulten, als wäre der Wahnsinn über sie gekommen.
Doch der Alte behielt recht. An einer Stelle wurden die Tänzer besonders wild. Sie warfen sich auf den Boden, rollten umher und schlugen gegen die Bretter der Häuser. Nein, Salta sah, dass sie sich leicht getäuscht hatte. Sie schlugen nicht gegen die Bretter mehrerer Häuser, sie alle schienen nur ein Haus als Ziel zu haben. Das Haus des griesgrämigen Animo.
Anscheinend hatte Salta einen wichtigen Hinweis entdeckt.



Am nächsten Tag klopfte sie in aller Frühe an die Tür von Animo. Er ließ sie warten, doch sie blieb geduldig stehen und klopfte weiter. Schließlich öffnete er, sah sie missmutig an und ließ sie herein. Sie setzte sich in einen abgenutzten Sessel und erzählte ihm von ihrer Beobachtung. Als sie geendet hatte, zuckte er nur mit den Schultern.
„Und?“, fragte er.
Sie sah ihn leicht verwirrt an.
„Du musst etwas mit der Wut der Toten zu tun haben“, erklärte sie. „Weißt du, was es sein könnte?“
Er zuckte wieder nur mit den Schultern. Salta versuchte weiter, aus ihm etwas herauszubekommen, aber es wurde schnell klar, dass er kein Interesse daran hatte, das Gespräch weiterzuführen. Also verließ sie sein Haus wieder, ohne etwas Wichtiges erfahren zu haben. Ihr blieb nichts übrig, als erneut das Dorf zusammenzurufen. Sie berichtete von dem, was sie erfahren hatte. Eine junge Frau meldete sich zu Wort:
„Die Toten wirken, als würden sie etwas wollen, oder? Vielleicht wollen sie ihn.“
Der Rest der Bewohner schwieg. Die junge Frau sprach weiter:
„Am Anfang, als die Toten zum ersten Mal so gewalttätig ins Dorf kamen, versuchten sie andere mit sich zu ziehen. Vielleicht hätte schon längst einer zu ihnen stoßen sollen.“
„Animo ist schon sehr alt“, meldete sich jemand anderes zu Wort. „Es macht Sinn, dass es für ihn an der Zeit ist.“
„Aber warum sollte er sich weigern, mit ihnen zu gehen?“, fragte jemand anderes. „Noch nie hat sich jemand geweigert.“
„Auf jeden Fall habe ich ihn noch nie während des Totentanzes draußen gesehen“, sagte Salta.
Aufgeregt wisperten die Leute miteinander. Allgemeines Unverständnis breitete sich aus.

Tatsächlich war es für die Bewohner von Festumors völlig unverständlich, dass man den Ruf der Tanzenden ignorieren konnte. In diesem Dorf ging niemand ewig fort, man begegnete sich immer wieder und die Toten schienen froh und zufrieden während ihres Tanzes zu sein. Also fürchtete sich niemand vor diesem Schicksal, nein, viele erwarteten es sogar mit Sehnsucht. Dass sich jemand weigerte, sich diesem Festzug anzuschließen, schien unbegreiflich.
Fest stand, dass man Animo davon überzeugen musste, mit den Toten in die Berge zu ziehen. Also besuchte Salta ihn erneut und berichtete ihm von der Vermutung des Dorfes, und dass es wahrscheinlich an ihm war, das Dorf von diesem Fluch zu erlösen. Doch Animo sah sie nur ausdruckslos an. Schließlich wurde sie wütend.
„Sie sind ein egoistischer alter Mann“, fuhr sie ihn an. „Nie haben sie sich für andere interessiert. Immer hocken sie in diesem Haus, einsam und missmutig, während alle anderen für ihren Starrsinn leiden müssen.“
Kurz schwieg er, dann sah er sie trotzig an und fragte:
„Wissen Sie, wie ich aufgewachsen bin, Frau Bürgermeisterin?“
Salta wusste es nicht.
„Sie sind auch zu jung, um es mitbekommen zu haben“, sagte er. „Ich wurde nicht im Dorf geboren. Ich komme aus einer Stadt, in der, wie in diesem Dorf, der Wohlstand blühte. Ich wuchs auf mit wundervollen Eltern und vielen lieben Freunden. Wir hatten alles, was man für ein gutes Leben brauchte.“
Seine Miene verdunkelte sich und er starrte in die Flammen des brennenden Kamins.
„Dann brach eine Krankheit aus. Die Tiere wurden krank, dann die Menschen. Alle in der Stadt wurden krank. Meine Freunde starben, mein Vater auch. Meine Mutter und ich waren ebenfalls krank, doch wir verließen die Stadt in der verzweifelten Hoffnung, irgendwo Heilung zu finden. Durch Glück erfuhren wir von diesem Dorf, in dem es keine Kranken gab und wo der Tod etwas Wunderbares sein sollte. Doch für meine Mutter kam das Wissen zu spät. Sie starb in den Bergen, kurz bevor wir das Dorf erreichten.“
Seine Stimme war leise geworden. In ihr klang ein alter Schmerz mit.
„Da sie nicht mit den Toten fortging“, erklärte Animo, „kommt sie auch nicht mit ihnen zurück.“
Er sah wieder Salta an und diese verstand.
„Deswegen sind Sie nachts nie draußen, so wie die meisten anderen.“
„Ich habe niemanden, den ich begrüßen könnte“, sagte er. „Ich kam im Dorf an und meine Krankheit verschwand, einfach so. Aber die Menschen, die ich verloren habe … Wissen Sie, ich habe in diesem Dorf sogar Liebe gefunden. Eine wunderbare Frau, starrsinnig und lebensfroh. Sie gab mir wieder etwas, an dem ich Halt finden konnte.“
Er seufzte schwer. Salta kannte die Geschichte. Sie war noch klein gewesen, als es passierte, aber ihre Eltern hatten ihr davon erzählt.
„Sie starb außerhalb des Dorfes, nicht wahr?“, fragte sie.
Animo nickte, er hatte Tränen in den Augen.
„Wir wollten uns die Welt ansehen, reisten viel umher und beschlossen schließlich zu heiraten. Aber es kam nie dazu. Sie starb während eines Sturms. Wir waren in den Bergen und versuchten Schutz zu finden. Sie wurde einfach den Hang hinab geweht.“
Er sah die Bürgermeisterin mit traurigen alten Augen, die zu viel Leid in der Welt gesehen hatten, an.
„Ich kehrte zurück, in der Hoffnung sie wäre unter den Tanzenden. Dass sie allein dadurch, dass sie hier geboren wurde, unter ihnen sein würde. Aber sie kam nicht. Ich wartete viele Nächte, alle vergebens.“
Lange saßen sie schweigend beieinander. Salta wusste nicht, was sie sagen sollte. Ja, ob sie etwas sagen sollte. Sie hatte nie Verlust erlebt, das Gefühl war fast allen Dorfbewohnern fremd. Kaum einer starb außerhalb des Dorfes und schloss sich so nicht dem Geisterzug an. Somit hatte sie keine Ahnung, wie man jemanden tröstete, der so viel verloren hatte. Für immer verloren hatte.
„Die Toten haben mir nichts zu bieten. Warum sollte ich mich ihnen also anschließen?“, fragte er.
„Was wenn du sie wiedersiehst?“, erwiderte Salta. „Auch wenn sie nachts nicht unser Dorf besuchen kommen. Vielleicht triffst du sie trotzdem wieder.“
„Das Problem ist meine Angst davor, dass es nicht so sein könnte“, gestand er.



So sehr die Bürgermeisterin es auch versuchte, Animo ließ sich nicht überzeugen. Seine Furcht, seine Lieben nie wiederzusehen, war zu groß. Die Leute im Dorf reagierten verschieden. Manche, die selbst die Welt außerhalb der Dorfgrenzen erlebt hatten, verstanden ihn. Andere konnten sich gar nicht vorstellen, wie schlimm es sein musste, jemanden für immer zu verlieren und hatten Mitleid. Wieder andere wurden wütend. Sie forderten, man solle ihn den Toten vorwerfen, ihn, wenn sie kamen, aus dem Haus zerren. Salta verbat jegliche Gedanken an so eine Tat. Sie hatten bisher friedlich gelebt, sie würden es auch weiterhin tun.
Doch die Toten würden sich nicht von allein beruhigen und so geschah, was geschehen musste.

Eines nachts kam ein kleiner Junge zu spät nach Hause. Vielleicht hatte er einfach die Zeit vergessen, vielleicht war er draußen eingeschlafen, aber als es zurück zum Dorf wollte, kamen die Toten bereits an. Er geriet mitten zwischen sie, verängstigt und allein. Die Eltern konnten ihm nicht helfen, sie selbst waren abgeschnitten durch eine Horde wild tanzender Toter. Der Junge kauerte sich auf den Boden und vergrub das Gesicht in den Händen, so als könnten ihn die Toten dann nicht mehr sehen. Doch sie rissen ihn vom Boden weg, umklammerten ihn und wollten ihn mit sich schleifen. Doch plötzlich wurde es still und die Verstorbenen hielten inne. Animo war aus seinem Haus getreten.
Die nun stille Menge machte ihm Platz, ließ ihn durch, bis er in ihrer Mitte stand. Dann begann er mit ihnen loszuziehen.
„Du musst das nicht tun“, rief ihm Salta hinterher. „Wenn du nicht möchtest, finden wir einen anderen Weg.“
Animo sah sie an und zum ersten Mal seit Langem lächelte er.
„Nein!" Animo sah sie an und zum ersten Mal seit Langem lächelte er. „Jeder muss sterben, dass ist der Lauf der Dinge. Und lieber tue ich es ohne Angst, hier und jetzt, als dass es jemand anderes für mich tun muss, der noch so viel vor sich hat.“
Mit diesen Worten ging er davon und der ganze Geisterzug folgte ihm.
Der Junge wurde von den erleichterten Eltern in die Arme geschlossen und alle Bewohner genossen die erste ruhige Nacht, seitdem der Fluch begonnen hatte.



Der Frieden kehrte zurück ins Dorf. Die Kinder konnten erneut ohne Sorge bis Sonnenuntergang draußen spielen und die Erwachsenen verbarrikadierten sich nicht mehr in ihren Häusern. Auch die Toten waren wieder zu ihrem gewohnten Ablauf zurückgekehrt. Jetzt führten sie erneut ihren stillen und frohen Tanz auf und die Dorfbewohner hießen sie willkommen.
Auch der alte Animo kam mit ihnen, doch er war nicht mehr alt und auch nicht allein. Gleich in der nächsten Nacht kehrte er zusammen mit den anderen Verstorbenen zurück. Er erschien als junger Mann und bei ihm waren viele neue Gesichter. Er tanzte zusammen mit einer jungen Frau, voller Freude, dass sie sich wiedergefunden hatten, umringt von zahlreichen anderen Menschen, die alte Freunde und Familie zu sein schienen.
Denn man ist niemals für immer von seinen Geliebten getrennt. Es spielt keine Rolle, wo man ist und was man tut, man findet immer wieder zueinander. Eine der wichtigsten Lektionen, die man von den feiernden Toten lernen kann.



Dies ist eine der Geschichten, die man sich von Festumors erzählt und es gibt noch viele weitere. So mancher hat ein wichtiges Erlebnis dort gehabt und nur wenige sind, wie der alte Animo, von weit her dort hingezogen, um etwas über das Leben zu erfahren. Doch dies sind alles Geschichten für eine andere Zeit. Denn auch wenn nicht viele von ihm wissen, so gibt es doch einige Geschichten, aus dem Dorf der tanzenden Toten.
 
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Basti50

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo @Mephistopholes,

und ein verspätetes Willkommen bei uns auf der Leselupe!

Muss mich entschuldigen, die verzögerte Freischaltung hat bestimmt nix mit der Qualität deines Textes zu tun, den ich als unterhaltsame kleine Schauermär ohne große Überraschungen empfand aber mit aufbauendem Happy End.

Es gab lediglich drei Sachen, die mir im Allgemeinen beim Lesen negativ aufgestoßen sind. Einmal ist die Formatierung mit den zusätzlichen Leerzeilen eher verwirrend zu lesen. Normalerweise markieren solche einen klaren Bruch innerhalb der Geschichte, wie z.B. ein Szenenwechsel oder größeren Zeitsprung etc.
Außerdem benutzt du bei der wörtlichen Rede für mich auffällig oft eher belanglose Begleitsätze, wie fragte sie, sagte er etc.
Ist vielleicht dem Genre geschuldet. So viele Märchen lese ich nicht mehr, zu denen ich auch deinen Text zähle, zumindest im eigenen Kopf. Aber diese Einschübe empfand ich nach einer Weile eher als störende Stolpersteine, ohne die Geschichte an sich besonders aufzuwerten. Ich bin durchaus der Meinung, dass sich Dialoge oft effektiver verpacken lassen, wenn du mehr Abwechslung reinbringen willst.

Beispiel:
Animo sah sie an und zum ersten Mal seit Langem lächelte er.
„Nein“, sagte er. „Jeder muss sterben, dass ist der Lauf der Dinge. Und lieber tue ich es ohne Angst, hier und jetzt, als dass es jemand anderes für mich tun muss, der noch so viel vor sich hat.“
könnte man eigentlich genauso gut zusammenfassen (hoffentlich grammatisch korrekt):

„Nein.“ Animo sah sie an und zum ersten Mal seit Langem lächelte er. „Jeder muss sterben, dass ist der Lauf der Dinge. Und lieber tue ich es ohne Angst, hier und jetzt, als dass es jemand anderes für mich tun muss, der noch so viel vor sich hat.“
Mein letzter Kritikpunkt wäre ein einfaches „Weniger ist mehr“. Ich fand jedenfalls durchaus, dass sich einige Adjektive und sich wiederholende Informationen auch kürzen lassen könnten. Überlasse die unnötig aufgeblähte Prosa ruhig den Fantasy Schinken :D


So viel dazu. Hier noch der Kleinkram:

Es ist eines der bestgehüteten Geheimnisse dieser Welt, aber wenn man lange genug sucht, findet man Einige, die davon gehört haben […]
Bin zwar etwas wacklig mit der Meinung, aber hier würde ich eher zur Kleinschreibung tendieren. Es ist zwar möglich, Zahlenadjektive als Substantivierung auch groß zuschreiben. Bei einige liegt aber, glaube ich, eher ein Indefinitpronomen vor, was üblicherweise klein geschrieben wird. Wäre mir jedenfalls neu, wenn man z.B. etwas schreiben könnten wie Es gibt Manche, die behaupten etc.

Doch nur wenige der Geschichten kommen der Wahrheit nahe und noch weniger der Erzähler begreifen, was sie eigentlich beschreiben[Punkt]
Manchmal in der Gestalt in der sie fortgingen, manchmal aber auch als jüngere Version ihrer Selbst.
Finde die Wortwahl hier eigentlich zu modern. Würde das eher umschiffen, z.B. Manchmal sogar in jüngerer Gestalt ihrer Selbst.

Die Toten waren nicht wie sonst langsam und friedlich wiegend ins Dorf eingezogen, stattdessen kamen sie wild und kreischend angestürmt [...]. Sie waren grimmig und gewalttätig, zerstörten die Felder,[...]
Eher Punkt und mit Großschreibung weiter?

Also rief Bürgermeisterin Salta die Bewohner zusammen und alle versammelten sich auf dem Dorfplatz.
Könnte man ggf. verkürzen, z.B. Also rief Bürgermeisterin Salta alle Bewohner auf dem Dorfplatz zusammen.

Als das letzte Sonnenlicht verschwunden war[Komma] begann ein fürchterliches Gepolter: Die Toten kamen.
Wild kreischend und hüpfend[Komma] stürmten sie die nun leeren Straßen des Dorfes.
Kann man Straße an sich stürmen? Kenne eher durch die Straßen stürmen und Ähnliches.

Salta versuchte weiter, aus ihm etwas herauszubekommen, aber es wurde schnell klar, dass er kein Interesse daran hatte, weiter mit ihr zu reden.
Für mich unschöne Wortwiederholung. Eher z.B. nach dem vierten Komma einfach das Gespräch weiterzuführen?

„Auf jeden Fall habe ich ihn noch nie während des Totentanzes draußen gesehen.“
Wer sagt das?

Also besuchte Salta ihn erneut und berichtete ihm von der Vermutung des Dorfes. und dass es wahrscheinlich an ihm war, das Dorf von diesem Fluch zu erlösen.
Punkt vor und dass mit Komma ersetzen.

„Wissen sie[Komma] wie ich aufgewachsen bin, Frau Bürgermeisterin?“ Salta wusste es nicht, also schüttelte sie den Kopf.
Das Kopfschütteln an sich ist hier, denke ich, schon selbst erklärend genug :p

Sie wurde einfach den Hang hinabgeweht.
Hinab und geweht müsste nach meinem Verständnis auseinander.

Somit hatte sie keine Ahnung, wie man jemanden tröstete, der jemanden verloren hatte.
Wieder unschöne Wiederholung.

Gegenvorschlag: Somit hatte sie keine Ahnung, wie man jemanden trösten konnte, der so viel verloren hatte.

So mancher hat ein wichtiges Erlebnis dort gehabt und nur Wenige sind wie der alte Animo von weit her dort hingezogen, um etwas über das Leben zu erfahren.
Hier hätte ich dasselbe Problem, wie mit dem Einige am Anfang. Wenn du hier allerdings z.B. einige Wenige schreibst, sollte es auf jeden Fall Regelkonform sein.
 
Vielen Dank für das viele Feedback.
Es ist alles sehr hilfreich und ich konnte noch ein paar Sachen an der Geschichte verbessern.
Toll, dass ihr euch beim Drüberlesen so viel Mühe gebt.

Ich freue mich schon darauf mehr hochzuladen.
 

Basti50

Foren-Redakteur
Teammitglied
Tag auch @Mephistopholes,

freut mich wirklich sehr, dass dich die lange Wartezeit nicht bereits im Vorfeld vergrault hat :p

Der Text liest sich zusammengerückt nun schon deutlich besser, obwohl ich bei den Leerzeilen etwas rigoroser vorgegangen wäre. Also alle einzelnen Leerzeilen entfernt und die drei Leerzeilen hintereinander auf eine Leerzeile reduziert hätte. Hier findest du einen Hinweis, falls dir die Formatierung Probleme bereiten sollte, wenn du deine Texte aus einem Editor direkt hier rein kopierst.

Ich freue mich schon darauf mehr hochzuladen.
Auch wenn ich mich gefühlt langsam anhöre wie ein betrunkener Prediger: Bitte denke daran, dass sich andere Mitglieder auch sehr über tatkräftige Unterstützung freuen. Gerade bei allem, was über einen Einzeiler-Kommentar wie "Finde ich gut" und "Finde ich schlecht" hinausgeht (auch wenn beide Variationen bestimmt auch nett gemeint sind :D).
Es wird oft unterschätzt, von mir wurde es das lange Zeit jedenfalls, wie sehr die Auseinandersetzung mit fremden Texten und das Ausformulieren eigener Gedanken dazu auch der eigenen Schreibe helfen kann.
 



 
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