Fensterblick
Grüß dich, blacksparrow,
habe grade großes Vergnügen an Deinem schönen Text:
Das Ende
Ich lehne aus dem Fenster
und betrachte
die Silhouette der Stadt,
die von Ost nach West
wie ein aufgeklappter Stadtplan
vor mir liegt,
Bahnhof, Puff, Post,
Banken, Shoppingmeile,
das große gelbe U
der Brauereiruine
und die Kneipe,
in der ich,
wenn ich lese,
umsonst trinken kann.
Das alles passt in eine Hand,
schnell erreichbar und praktisch,
aber heute
seh ich nur aus dem Fenster
und fühl mich alt und leer,
ein Zeichen meines Untergangs.
Fehlt nur eine Zigarre,
Stoppeln und ein Hängebauch,
oder ein Kissen
unter meinen Armen,
so ein grünbraunes
mit goldenen Fransen-
das Ende.
Hätte hier ein paar vorsichtige Vorschläge in einer Textvariante - zu diskutieren. Hier erst mal die gesamte Variante im Überblick:
Am Ende
Ich lehne aus dem Fenster
und betrachte
die Silhouette der Stadt,
die von Ost nach West
wie ein aufgeklappter Stadtplan
vor mir liegt,
Bahnhof, Puff, Post,
Banken, Shoppingmeile,
das große gelbe U
der Brauereiruine
und die Kneipe,
in der ich,
wenn ich lese,
umsonst trinken kann.
Das alles passt in eine Hand,
schnell erreichbar und praktisch,
aber heute
seh ich nur aus dem Fenster
und fühl mich schlaff -
ein Zeichen meines Untergangs.
Fehlt nur eine Zigarre,
Stoppeln und ein Hängebauch,
oder ein Kissen
unter meinen Armen,
so ein grünbraunes
mit goldenen Fransen -
am Ende.
Dem Eulenschwinger sagt bereits der Einstieg mit dem Fensterausblick sehr zu, da wird eine Observationswarte ohne verkniffene Anstrengung geliefert. Dann stellt das lyrische Ich seine bisherige Vitalität und die momentane Trübnis aus, schließlich federt es sich in einer humorig-depressiven Sprunglage hinreichend mit dem Kissen ab. Das ließe sich durch die Strophenbildung graphisch vielleicht stützen.
So als Diskussion zur Mikrostruktur ein paar Detailüberlegungen. Das „alt und leer“ ist vielleicht ein bisschen übermarkiert, das vorgeschlagene „schlaff“ steht so in Opposition zu „schnell erreichbar und praktisch“, dass der Leser zwischen den Zeilen vergnügt und mitfühlend folgern kann, welche Depri den Krallengriff noch nicht lockert.
Das Ende der beiden letzten Strophen mit Gedankenstrich-Passagen bringt eine vielleicht erwünschte Parallele: da das abstrakt-wertende „Zeichen meines Unterganges“ mit Gedankenstrich gesetzt wird, ist dann eine konkrete Lesart (Kissen mit Fransen am Ende) und eine biographische Lesart gleichzeitig möglich, dann spielt es auch noch mit dem „Textende“ und stellt außerdem den Titel so auf, dass die konkret-abstrakte Fenstersituation und die konkret (Kissen) – abstraktere (Lebensphase) Ende-Imagination ineinanderhaken.
Macht mir im Moment am leicht lektorierten Text ziemlich Spaß, genauer: erhöht im Moment meine Freude an brillanten Original-Text. Vielleicht geht es dem Autor ähnlich?