Das Ende von das Welt

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lietzensee

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Das Ende von das Welt

Aus dem FAZ Feuilleton, November 2029

"Das Ende der Welt ist leicht zu begreifen", lautet der gerade meistzitierte Satz von Abdul Alhazred. Wenn es doch nur so einfach wäre! Der Autor war lange als fiktiv verschmäht worden. Nun wurde er von dem eingeholt, was Pop-Philosophen gerne als Zeitgeist bezeichnen. Darum war es wohl unvermeidlich, dass neben dem Necronomicon auch Abdul Alhazreds weniger bekanntes Werk ins Deutsche übertragen wird. Franz Bartels hat genau dies getan. So viel sei vorweg verraten, sein gerade erschienenes Buch "Die Prophezeiung vom Ende der Welt in modernem Deutsch" ist auf fünfhundertsiebenundfünfzig Seiten ein konsequentes und spektakuläres Desaster.
Natürlich ist jedem halbwegs gebildeten Menschen klar, dass die korrekte Übersetzung eines Textes eh eine vergebliche Anstrengung bleiben muss. Auf dem Weg von der Ausgangs- in die Zielsprache müssen Inhalt, Ton und Gefühl jeden Werkes voneinander Abschied nehmen. Sie wissen, dass sie in dieser Runde nicht wieder aufeinander treffen werden. Geht es um einen so alten Text, dann kommt noch hinzu, dass die Denkweise des Autors zusammen mit seiner Generation ausgestorben ist. Um an diesen Klippen nicht komplett Schiffbruch zu erleiden, braucht es einen Menschen mit breit gefächerter und zugleich wohl verdauter Bildung. Bekommen haben wir stattdessen Bartels. Er übersetzt den Text für die Massen, aber nicht für die Leute, ihn wirklich verstehen wollen.
Abdul Alhazred bediente sich eines raffinierten Sprachstils mit vielschichtigen Verweisen auf die antiken Klassiker. Das sei hier noch mal betont, weil davon in Bartels Werk kaum Spuren zurückbleiben. Dafür sei hier nur ein Beispiel aufgeführt, dem man leider noch zahlreiche Weitere beifügen könnte. Bartels übersetzt im Kapitel vom Schrecken des Untergangs: "Monster aus dem Meer werden die Menschheit zermalmen." Hier erschrickt man natürlich sofort über das Wort Monster, das Bartels anstatt des eigentlich korrekten Monstrum gewählt hat. Monstrum, von lateinisch mōnstrum knüpft an die klassisch römische Mythologie an und verweist über das noch ursprünglichere monēre auf das Begriffsfeld warnen und mahnen. Monster dagegen verweist auf schlechte Gruselfilme. So enthält Bartels seinen Lesern den Text vor, den er doch eigentlich zu übersetzen vorgibt.
Regelrecht peinlich wird es dann durch die Anbiederung an moderne Marotten, ohne die heutzutage kein für die Massen bestimmtes Buch mehr auszukommen scheint. Vor dem Gendern schreckt er gerade noch zurück - Gott sei Dank, wenigstens das. Zu lesen, dass alte Götter die Boote von Fischer*innen verschlingen, hätte einem wohl endgültig den Glauben an die Zukunft der Menschheit geraubt. Ansonsten will Bartels aber so modern wirken, wie ihm die Entstehungsumstände des Ursprungstextes egal sind. Er schreibt von Farbigen und Menschen vorderasiatischer Herkunft, deren Heimatkontinente verwüstet werden. Ob der Araber Alhazred wohl verstanden hätte, wer damit gemeint ist?
Das Schlimmste ist, dass dieses Buch trotzdem seine Leser finden wird. Es braucht Bildung und Kultur, um die Schwächen eines Werkes zu erkennen. Es braucht 52 Euro, um Bartels Machwerk beim Buchhändler zur Kasse zu tragen. Jetzt kann man spekulieren, welche Resource in diesem Land eher verfügbar sein wird. Die aktuellen Berichte über Heimsuchungen tentakelbewehrter Giganten wecken natürlich das Interesse aller Bevölkerungsschichten - wer will es den Menschen verdenken? Werden weltbekannte Städte ausgelöscht, will natürlich jeder wissen, was die Literatur dazu zu sagen hat. Aber was bringt es, wenn der einfache Mensch ein Buch aufschlägt und dann sofort mit stilistischem Barbarentum konfrontiert wird? Es bringt gar nichts. Im Gegenteil, es verschlimmert die Sache, weil es Wünsche weckt, die nicht erfüllt werden können. Man kann halt den Anspruch eines Texte nicht wegdiskutieren, mit dem sich bisher nur die intellektuellen Eliten beschäftigt haben. Wohin das führt, ist nun überall zu beobachten. Heute habe ich einen ganzen Pulk junger Leute gesehen. Alle trugen Schilder mit der Aufschrift: "Das ist das Ende von das Welt". Seitdem fürchte ich wirklich um unsere Zukunft!


Franz Heinrich Bartels: "Die Prophezeiung vom Ende der Welt in modernem Deutsch". Lovecraft Verlag, München 2029. 557 S., Abb., geb., 52,-€. (Über etwaige Lieferengpässe informieren Sie sich bitte bei ihrem lokalen Buchhändler. Massenpsychosen und die Auslöschung von Hafenstädten können das Warenangebot kurzfristig beeinflussen)
 
Zuletzt bearbeitet:
Heute habe ich einen ganzen Pulk junger Leute gesehen. Alle trugen Schilder mit der Aufschrift: "Das ist das Ende von das Welt". Seitdem fürchte ich wirklich um unsere Zukunft!
Tja, man braucht sich nur Sendungen im Fernsehen anzuschauen (Talkshows, Doku-Soaps, manchmal auch schlecht übersetzte Filme z. B.), da fragt man sich, von weches Planeten dieses Sprache kommt...

Schöne Grüße
SilberneDelfine
 
Hallo lietzensee,

... aber nicht für die Leute, die ihn wirklich verstehen wollen.

Oh, ja, das ist erschreckend. Genau deshalb schaue ich mir solchen Unfug gar nicht an. Das mit den schlecht übersetzten Filmen kann ich nicht umgehen, weil mein Englisch dafür nicht gut genug ist. Aber trotzdem fallen mir solche Ungereimtheiten manchmal auf, wo ich mich frage, was denn die eigentliche Aussage gemeint hatte.
Das passt auch zu dem aktuellen Thema 'Jugendwort des Jahres'. Man kann nur spekulieren, wie viele nicht in der Lage wären, die damit gemeinte Bedeutung im Deutschen korrekt niederzuschreiben, wie sollen diese dann das neue Wort, das nicht der eigenen Muttersprache entspringt, fehlerfrei zu Papier bringen? Und sowas landet womöglich auch noch im Duden!

Schöne Grüße,
Rainer Zufall
 



 
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