das ganze (konkrete poesie)

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G

Gelöschtes Mitglied 21589

Gast
Hallo Patrick,

ich habe jetzt, nachdem ich das Puzzle zusammen gesetzt habe, eine ganze Weile über das weniger nachgedacht - und es fühlt sich an wie früher eine Matheaufgabe in der Schule, die ich nicht lösen konnte. Ich finde den zugrunde liegenden Spruch sehr schön - deine Abwandlung verstehe ich in ihrer Logik aber (noch) nicht.

Etwas ratlose Grüße
Frodomir
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo Patrick,

„ das Ganze ist weniger als die Summe der Teile“

Was ist denn das „Ganze“.
Ich glaube die menschliche Wahrnehmung kommt nicht nur dem Worte nach immer wieder an seine Grenzen.
Unsere Sinne sind doch eher oberflächlicher Natur. Das hat die „Evolution“ so eingerichtet. Nur unser Verstand sucht nach tieferer „gänzlicher“Erkenntnis.
Wir sehen einen Eisberg im Wasser. Und sagen „Eisberg voraus“
Natürlich sehen wir nur die Spitze des Eisberges. Unsere Sinne enden an der Wasseroberfläche.


Wir sehen nur ein winziges Teil und denken uns den Rest.

Das Ganze was wir sehen - nämlich die Spitze des Eisberges – ist weniger als der ganze Eisberg.

In deinem Stück ist das Ganze was wir sehen – nämlich die Buchstaben – weniger als der vollständige Satz. Und doch kommen wir zu der Erkenntnis der weiteren Teile, weil wir sie zu Ende Denken können. Ein anderer Begriff für zu Ende? - Aus(denken)

Ein interessanter Widerspruch.

Oder die natürlichen Zahlen. Natürliche Zahlen sind „Einheiten“.

1 + 1 = 2

Aber ist es nicht so, das nachdem wir begreifen das díe Summe von einzelnen Einheiten eine neue Einheit, nämlich Zwei ergeben. Das wir dann die ursprünglich erkannten unteilbaren Einheiten nur noch als Teile der neuen Zweiheit erkennen?


Vielleicht haben wir die Einheit verloren als wir uns dachten das diese aus der Summe von Teilen bestehen.

1 + 1 = 2

Ja, ein Apfel plus ein Apfel sind zwei Äpfel, aber schon bei einer leichten Änderung der Objekte müsste man doch ins straucheln kommen:

Ein Apfel plus eine Birne ist ? Ja was ?

Wir denken uns eine neue Zweiheit die eine Einheit bildet. Wir nennen sie „Obst“

Eine fintenreiche Erfindung?


Am Ende „bestimmen“ wir das neue Ganze. Nicht nur der Bedeutung nach, das wir einen Entschluss fällen, das dieses so zu sein hat, nein auch ganz ursprünglich:

Man (er) findet ein Wort. Das Wort kommt zum Ausdruck, es hat einen Ton, einen Klang, weil es Stimme hat.

Heidegger würde vielleicht sagen: „ Alles was stimmt ist bestimmt“.


Meine Herren...

Lg

Ralf
 
Zuletzt bearbeitet:

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
hey ho in die runde :)

der text hat natürlich mehrere ebenen, je nachdem wie man das ganze definiert. ich möchte die ebene auf die ich hinaus wollte, an ralfs satz erklären;

In deinem Stück ist das Ganze was wir sehen – nämlich die Buchstaben – weniger als der vollständige Satz
das ist zwar nicht falsch, aber nur die eine seite der münze. fassen wir das ganze nämlich auf als den satz; "das ganze ist weniger als die summe seiner teile" ist das ganze eben kein gedicht. erst durch das aufbrechen des satzes in seine bestandteile, entsteht das gedicht. das ganze (der vollständige satz) ist in dem fall weniger als seine teile, die in der (visuell) dargestellten summe, das gedicht sind.

lg
patrick
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich habe heute in einem Lyrikbuch gelesen, dass ca. 10% der Zeichen reichen, wenn Anfangs- und Endbuchstaben da seien,
Ich denke eher 20%, aber der Unterschied ist nicht entscheidend.

Viele Grüße
Bernd
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo Bernd, das stimmt wohl. Wenn Anfangs und Endbuchstabe an der richtigen Stelle stehen ist das ein "Kinderspiel"

Unser Gehirn ist eine Sinnfindungsmaschine.
 
G

Gelöschtes Mitglied 16867

Gast
Lieber Pat,

allein schon der Titel wirkt auf mich überheblich-diktatorisch, wobei ich glaube, in Dir einen unverkrampften Schriftsteller zu sehen, der vielleicht noch aufgrund seiner Jugend zum Übertreiben neigt.

Aron
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Patrick hat ja keinen Buchstaben weggelassen. Einige sind nach unten gerutscht.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
(lateinisch concretus ‚dicht, fest‘; altgriechisch ποίησις poiesis, deutsch ‚Dichtung‘) bezeichnet in der Dichtung eine bestimmte Herangehensweise an die Sprache. Die Sprache dient nicht mehr der Beschreibung eines Sachverhalts, eines Gedankens oder einer Stimmung, sondern sie wird selbst zum Zweck und Gegenstand des Gedichts. Die Sprache stellt sich also selbst dar. Dabei wird allerdings sehr viel Wert auf die Gestaltung gelegt.
Die Wikipedia beschreibt es ausführlicher, ich habe nur den Anfang zitiert.

Es geht dann bis dahin, dass man auf Zeichensprache ganz verzichtet und Bildsprache verwendet (Visuelle Poesie).


Im vorliegenden Gedicht geht es um Sprache. Einige Buchstaben und Buchstabengruppen fallen herunter, wie Herbstlaub im Wind.
Wortgerippe bleiben übrig. Aber die Buchstaben sind noch da, man kann sie oben wieder einfügen.
 
G

Gelöschtes Mitglied 22614

Gast
Vielen Dank, Bernd. Allerdings lese ich in Patricks Text schon noch einen Sachverhalt - klingt philosophisch, irgendwie nach Wittgenstein. (?)
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ja, das stimmt. Aber die Sprache entschwindet, weht langsam aus dem Text heraus und wandelt sich in Bilder.
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
das ist auch unglücklich ausgedrückt. natürlich bearbeitet die konkrete posie sachverhalte (hey wittgenstein), aber sie tut das durch die visuelle, oder klangliche darstellung des sprachmaterials, der buchstaben, wörter, sätze, interpunktion.

falls du etwas näher begreifen möchtest, was das anliegen der konkreten poesie ist, empfehle ich dir folgendes video, in dem der konkrete dichter claus bremer einige seiner texte interpretiert und erklärt. sehr spannend und nach den 20 minuten wirst du das genre besser verstanden haben! versprochen ;)
 

SánchezP

Mitglied
Hallo Patrick,

gefällt mir gut, sehr originell und kreativ.

Beim ersten Lesen musste ich direkt ans Banach-Tarski-Paradoxon aus der Mathematik denken:cool:. Dein Werk würde jedenfalls jedes Lehrbuch über dieses Thema bereichern!

Viele Grüße
Sánchez
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Die übliche Form ist ja: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. "Weniger" ist eine Abwandlung.

Ich kannte es mit "weniger" noch nicht, obwohl es naheliegend ist.

Ich habe eine Abhandlung gefunden:


Das Ganze ist weniger als die Summe seiner Teile Fragmente zu einer Universalphilosophie
von Robert Lauritsch

Es ist recht lang und teilweise verschwurbelt, aber auch interessant.

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