Das Gehirn und die Rechtschreibung

Heute ist es für viele wohl die große Frage, wie was geschrieben wird. Dabei spielt für den Leser eines Textes die Rechtschreibung nur eine untergeordnete Rolle, für ihn ist eine sinnvolle Kommasetzung beispielsweise wichtiger. Das liegt einfach daran, dass das Gehirn beim flüssigen Lesen darauf fixiert ist, den Inhalt eines Textes aufzunehmen. Auf auftretende Rechtschreibfehler wird dabei kaum geachtet. Auf der Titelseite (!) einer - schon ziemlich alten - Ausgabe eines bekannten Magazins war beispielsweise dieses geschrieben: "Was soll man eigentlich vom einem Land halten..." Der Rechtschreibfehler darin wurde zu spät erkannt, dass Magazin ging so in den Druck. Überraschend ist allerdings, das der Fehler einem kaum auffällt, selbst wenn dieser Satz in großen farbigen Buchstaben auf der Titelseite steht. Ist einem der Fehler aber einmal aufgefallen, springt er sofort ins Auge, und man fragt sich, wie man jemals darüber hinweglesen konnte. Dass das Gehirn beim Lesen den Inhalt erfasst, und nicht mühsam Buchstabe für Buchstabe vorgeht, beweist auch folgender Text - trotz einer Fehlerhäufung ist er flüssig zu lesen:

Enier Stidue der Cmabgidre Uvinresity zugofle spelit es kenie Rlloe, wie ewats gerieschebn wrid. Solnage der esrte und der ltztee Bustachbe enines Wroets ritichg gerischeben wreedn, knan der gnaze Rset tatol flasch sien. Das leigt draan, dsas das Gheirn den Snin enines Wrots erssaft und es nchit Bustabche für Bustabche erlseit.

Unser Gehirn ist darauf programmiert, den Inhalt eines Textes aufzunehmen, und das möglichst schnell, deshalb wird nicht jedes Wort einzeln gelesen, vielmehr werden nur charakteristische Merkmale eines Wortes erfasst, wie Anfangs- und Endbuchstabe. Der Rest wird gewissermaßen überlesen, das Gehirn nimmt nur soviel auf, wie es unbedingt braucht, um den Inhalt zu verstehen.
Ich selbst hatte schon immer Probleme damit, Texte Korrektur zu lesen, weil ich zu sehr an schnelles lesen gewöhnt bin. Richtig aufmerksam geworden auf das Problem bin ich allerdings erst bei der Lektüre von "Berlin Alexanderplatz". Hier taucht des öfteren der Strafentlassene auf; ich erfasste dieses Wort zunächst als Straßenlaterne, was natürlich kaum Sinn ergab. Allerdings ist die Ähnlichkeit beider Wörter vom Schriftbild her ziemlich groß: Die ersten vier Buchstaben stimmen überein und ebenso die beiden letzten, im Wort selber tauchen dann auch noch einmal gleiche Buchstaben auf und f und ß ähneln sich zumindest, was ihre Höhe im Druckbild angeht. Nachdem ich darüber gestolpert war, habe ich den entsprechenden Satz noch einmal langsamer nachgelesen, wobei ich auf meinen Fehler aufmerksam wurde, danach konnte das Wort im Text so oft auftauchen, wie es wollte, ich konnte es dann auch schnell richtig lesen.
 



 
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