Das Gespräch

Johnson

Mitglied
Ich sitze so, dass ich einfach aus dem Fenster schauen kann. Das Büro ist natürlich ganz oben. Alles Wichtige muss ganz oben gebaut werden. Das ist die sogenannte symbolische Ordnung. Ich schaue also die ganze Zeit aus dem Fenster, während die anderen mit mir reden. Ich lüge natürlich, wenn ich behaupte, dass ich nicht auch mal woanders hingeschaut habe. Zum Beispiel auf sie. Sie hat mehrere Pferde und entwickelt sich selbst zum Pferd. Ich muss den Verdacht äußern, dass sie etwas mit Pferden hat. Das passiert, wenn man zu viel Wendy liest. Ich habe Pferde kotzen sehen, das fällt mir ein — warum gerade das, egal. Nun ja, sie dokumentiert irgendwas, sitzt dabei schief auf dem Stuhl. Er trägt immer denselben Pulli. Er redet. Er hört gar nicht mehr auf zu reden. Er sagt: „Wir haben den Verdacht, dass du massiv überfordert bist.“ Er betont „massiv“ extra deutlich. „Wir haben den Verdacht, dass du massiv überfordert bist.“ Das muss er zweimal sagen, weil er sich nun mal im oberen Büro befindet. Sein Büro ist nämlich eine Etage tiefer. Aber jetzt ist er hier oben. Er macht es sich doch schon gemütlich hier, davon kann ich ausgehen. Und die Pferdelady? Natürlich nicht sowas — sie streichelt später ihre Pferde und gibt ihnen Möhren und Kohlrüben. Währenddessen schaue ich wieder Mal aus dem Fenster und philosophiere darüber, jede Art von Fehlverhalten, auch das der Pferdelady und des Massiv-Sagers, zu übernehmen und einen auf Jesus Christus zu machen.
 

petrasmiles

Mitglied
Eine beklemmende Situationsbeschreibung, in der der Protagonist das Geschehen nur aushält, wenn er stumm für sich die Beklemmung aufbricht und umadressiert.Eine Kompensation für Hilflosigkeit. Sehr eingängig.

Ich frage mich nur, was denn mit solchen Gesprächen ist, wenn man zurecht der Überforderung geziehen wird; wenn es einem eigentlich helfen sollte, gesagt zu bekommen, dass man am falschen Ort ist, wenn man selbst schon längst zu diesem Schluss gekommen sein sollte. In einer idealen Welt findet sich das, so lange probieren, bis man das Passende gefunden hat. Jeder hat ein inneres Ziel und ist unterwegs, es zu erreichen. Aber im richtigen Leben wollen die meisten einfach nur überleben.

Liebe Grüße
Petra
 



 
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