Das goldene Kätzchen

Marian.b

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Es war einmal ein gestiefelter Kater, der in aller Welt berühmt war. Seitdem er den bösen Zauberer überlistet hatte, war er die rechte Hand des Menschenkönigs. Das hatte bislang noch keine Katze vollbracht.

Eines Tages kam eine Katzendame an den Hof, dessen Fell golden glitzerte. Sie war egoistisch und in sich selbst verliebt. Es ging das Gerücht um, sie hätte ihre eigenen Kätzchen zurückgelassen, um ein Leben am Hof zu führen.

Doch der gestiefelte Kater sah sie, verliebte sich sofort und lud sie zu einem Mauseschmaus ein. Denn er war ein Damenheld und interessierte sich mehr für das Aussehen als für den Charakter.

Ein paar Monate später gebar die Katzendame ein kleines Kätzchen. Sein Fell glänzte golden. Viel bedeutete ihr das nicht – sie hatte schon viele Kätzchen zur Adoption freigegeben.

Etwa zur gleichen Zeit musste sie erkennen, dass der gestiefelte Kater seinem Ruf als Damenheld gerecht wurde. Neben ihr hatte er noch viele weitere Katzendamen, mit denen er heimlich ausging. Voller Wut stellte sie ihn zur Rede:

„Was fällt dir ein? Wie kannst du mich betrügen? Ich bin doch die hübscheste von allen!“

Der gestiefelte Kater schaute sie mitleidig an. Die Verliebtheit war schnell wieder verflogen und diese Reaktion hatte er schon häufig erlebt.

„Hast du wirklich geglaubt, ich würde mich nicht mit anderen Damen treffen? Ich bin der gestiefelte Kater! Die rechte Hand des Menschenkönigs. Und so hübsch bist du nun auch wieder nicht, meine Liebe.“

„Du eingebildeter Kater! Wie kannst du es wagen! Ich ekle mich vor dir und deine Liebe bin ich schon recht nicht! Hier, nimm dein Kind, ich kann es nicht länger sehen. Würde es mich doch immer an dich erinnern. Pfui!“

Sie warf ihm das neugeborene Kätzchen hin. Dann verschwand sie und ward nie wieder im Land gesehen. Ob sie wohl zu einem anderen Hof aufgebrochen war?

Er schaute das Kätzchen an – es war ein Kater - und staunte über das Gold glänzende Fell. Aber aufnehmen wollte er es nicht, viel zu beschäftigt war er mit seinen Aufgaben am Hof und den verlockenden Katzendamen, die ihn umschwärmten. Also nahm er das Kätzchen und setzte es aus in den dunklen Wald, der bekannt war für seine dunklen, magischen Geschöpfe.

Wenn es stark ist, wird es sich seinen eigenen Weg suchen und wenn es allein nach Hause zurückkommt, werde ich es als meinen Erstgeborenen in Ehren halten. Wenn nicht, ist das Problem gelöst – dachte er bei sich. Schließlich war diese Welt hart. Dann ging er zum Palast zurück.

Das Kätzchen jaulte herzzerreißend auf, aber niemand hörte es. Leise rauschten die Bäume und der Wald wurde immer dunkler. Dann blitzte es hell.

Für einen kurzen Moment erschien eine Hütte, in der eine bucklige Hexe leise vor sich her kochte. Sie bereitete ihre Spezialtinktur vor, denn an diesem Abend wollte ihre Schwester zu Besuch kommen. Alle neun Jahre trafen sie sich, um miteinander zu essen. An diesen Tagen gewitterte es für gewöhnlich.

Leise pfiff sie vor sich hin. Johannisbeerkraut, Petersilie und ein wenig Knoblauch. Dazu Schweinsohren, Hundepfoten und kleingeriebene Schmetterlingsflügel. Der Kessel blubberte, sie lachte wirr.

Plötzlich hörte sie ein Kratzen an der Tür. Aufgeschreckt schaute sie hoch. War das etwas schon ihre Schwester? Sie war noch nicht mit dem Essen fertig, es war noch zu früh.

„Wer da?“, rief sie abweisend. Doch es kam keine Antwort. Langsam näherte sie sich der Tür, riss sie auf.

„Haaa!“, rief sie laut in Erwartung ihrer arroganten Schwester, die sich mächtig etwas auf sich einbildete. Ein Lachen gluckste aus ihr hervor.

„Na, wen haben wir denn da?“

Es ertönte ein leises Jaulen. Das Kätzchen war dem Tod nahe. Ein lauter Donnerschlag ertönte. Das goldene Fell erstrahlte im Licht des Gewitters.

„Na komm her, ich will dich auf meinen Arm nehmen. Kleine Kätzchen essen wir besonders gerne. Und dein Fell wird sich schön an meiner Wand machen. Aber nun will ich dich erst ein wenig mästen – du bist ja ganz abgemagert.“

Sie fütterte das Kätzchen mit einem Stärkungstrank. Voller Vorfreude sah sie, wie es zunahm. „Das wird ein richtiges, kleines Festmahl. Meine Schwester wird mich lieben.“, sie juchzte vor Freude.

Dann klopfte es erneut. Das musste sie sein und das Kätzchen war noch nicht im Ofen! Schnell sperrte sie es in einen Käfig. Das konnte doch nicht sein, dachte sie bei sich.

„Ah, da bist du ja.“

„Pünktlich, wie es sich für eine Hexe meines Standes gehört. Ist das Essen für mich bereitet?“, antwortete die Schwester überheblich. Ihr ganzer Körper war mit Schmuck bedeckt, an den Fingern glänzten goldene Ringe. Sie war das genaue Gegenteil ihrer hässlichen und buckligen Schwester.

„Nun, komm‘ erstmal rein. Und ja, bis auf einen kleinen Leckerbissen ist alles fertig.“

So gingen beide Schwestern hinein in die Hütte – unterschiedlicher hätten sie nicht sein können.

Draußen prasselte der Regen auf das Dach herab.

„Ich habe dir einen ganz besonderen Leckerbissen besorgt, liebes Schwesterlein“, sagte die Bucklige.

Sie öffnete den Käfig, griff das Kätzchen am Nacken und setzte es auf die Herdplatte. Das kleine Kätzchen heulte vor Schmerz.

„Schlag ihm das Köpfchen ab, Schwesterchen.“, sagte die Bucklige.

Aber die arrogante Schwester hörte ihr nicht zu. Sie hatte nur noch Augen für das gold glänzende Fell. Ein Ausdruck von Gier trat in ihr Gesicht.

„Schlag ihm nicht den Kopf ab, du dumme Hexe! Gib es mir. Ich will es häuten und mich in dem Gold seines Fells sonnen.“, sie sagte das in einem herrischen Ton. Die Bucklige zuckte zusammen.

„Was fällt dir ein! Fressen wollen wir es, blutig gebraten mit knusprigem Fell! Was fällt dir ein.“ Insgeheim fühltete sie sich minderwertig, weil sie nicht selbst auf diese Idee gekommen war. Sie musste zugeben, das goldenen Fell leuchtete atemberaubend schön.

„Was mir einfällt? Das fällt mir ein!“, mit einem gewaltigen Ruck entriss sie der Buckligen das goldene Kätzchen. Gierig starrte sie auf das Fell.

Das konnte sich die Bucklige nicht gefallen lassen und schlug. Sie legte all ihre Wut und Minderwertigkeitsgefühle ihrer Schwester gegenüber in den Schlag.

Ein heulende Wutgeschrei ertönte und es entbrannte ein Kampf.

In dem nun entstehenden Durcheinander konnte sich das Kätzchen losreißen. Schnell entfloh es in das Gewitter, lief so weit es konnte und versteckte sich unter einem Stein am Rande des Waldes.

Am nächsten Morgen stand die Sonne am Himmel und es trug sich zu, dass die Jäger des Königs in den Wald aufbrachen. Da fanden sie das kleine goldene Kätzchen und brachten es zum König, weil das Fell so hell glänzte in der Sonne.

Als der gestiefelte Kater sah, wie die Jäger das Kätzchen hineintrugen, machte er große Augen. Schnell nahm er es den Jägern ab und stellte es selbst dem König vor. Seit diesem Tage an, ehrte er seinen Sohn. Niemals wieder gab er ein Kätzchen weg.

Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute.
 



 
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