Dichter Erdling
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Es sagt etwas aus über unsere Zeit, wie die Leute in den Öffis reden.
Worte wie „Krieg“ oder „Aufrüstung“ haben sich schon hörbar in den alltäglichen Wortschatz eingeschlichen. Über Waffengattungen wird heute palavert wie seinerzeit übers Wetter. Manch einer zeigt sich noch besorgt ob des schwindenden Friedens, andere sind schon strikt dazu übergegangen, militärstrategisch zu denken.
Ich weiß es, ich fahre viel mit den Öffis und höre den Menschen zu.
Gestern saßen in der Reihe hinter mir: Vater und Sohn.
Der Sohn war noch klein. Volksschulalter.
Das Kind hatte Fragen. Kinderfragen.
Der Vater, das kann man sagen, war ehrlich bemüht, die Fragen kindgerecht zu beantworten. Er war bedacht und einfühlsam, vom Prinzip her. In dieser Hinsicht vorbildlich, das muss man ihm lassen.
Zunächst ging es um Banalitäten. Hausaufgaben. Computerspiele. Essen.
Die beiden scherzten und lachten.
Dann brachen sie mir das Herz.
Warum wir keine Atombomben hätten? - fragte der Knirps allen Ernstes aus dem Nichts heraus.
Es schien ihn stark zu betrüben, dass unser Land, dass Österreich keine solchen Waffen stationiert hat. Sehr schien er sich zu wünschen, es wäre anders.
„Kann man die nicht einfach bauen?“ - schob er nach, als wäre tatsächlich dies sein vorderdringlichster Wunsch. Als ginge es um ein farbenfrohes Spielzeug, das ihm noch fehlte.
Das sei nicht so einfach, hob der Vater zu einer Erklärung an. „Weißt du, dafür braucht es die Wissenschaft. Es braucht Physiker. Wenn die daran arbeiten und forschen, dann können sie Atombomben bauen. Da müsste man halt investieren…“ Ebenfalls sprach der Vater so, als wäre der Ausblick auf ein stattliches Atomwaffenarsenal ein lichter.
„Warum geben uns die Amerikaner nicht einfach ein paar Atombomben ab?“ lautete die nächste Kinder-Frage, die mich fertig machte. Dass wir die Atombombe wegen „den Russen“ bräuchten, wusste der Dreikäsehoch natürlich auch.
Der Vater: „Das geht leider nicht, weil die USA brauchen ihre Atombomben selber, die müssen sich ja auch gegen Russland verteidigen…“
Auch diese Erklärung erfolgte in sanfter Vaterstimme, die es nicht und nicht hinterfragen wollte, warum der winzig kleine Sohn vom Wunsch nach Atombomben beseelt ist.
Am liebsten wollte ich mich umdrehen, um die beiden zu schütteln, auf dass ihnen die Gedanken, die offenbar nur noch um apokalyptische Zerstörungsmittel kreisen, wieder aus dem Kopf fallen.
Ich meine, da sitzt ein Sechsjähriger mit Piepsstimme und haut solche Sachen raus als ginge es um nichts. Anstatt an Spielplätze, Blumenwiesen und Zeichentrickserien zu denken, dachte er – DARAN.
„Atombombe“, „die Amerikaner“ und „die Russen“ waren wie selbstverständlich in seinem Sprachgebrauch drin. Diese Vokabeln hatte der Winzling bereits gelernt und verinnerlicht, von wo auch immer.
Und der Vater?
Der konnte sich noch so sanftmütig und gewissenhaft gebärden: Mich widerte er an.
NICHT hat er gesagt: Mein Kind, Atombomben – und was sie bewirken - sind so ziemlich das Schrecklichste, was man sich vorstellen kann. Mit allen Mitteln muss verhindert werden, dass solche Waffen zum Einsatz kommen. Am besten, sie wären gar nicht da. So schrecklich sind sie! Kinder wie du hätten keine Zukunft, keine Spielplätze, keine Blumenwiesen mehr, wenn…
Und vergiss nicht: Immer sollte man sich vor allem um Frieden bemühen, um Völkerverständigung und Entspannung und davon ausgehen, dass jedes Leben gleich viel zählt – anstatt die Menschheit in Freund und Feind aufzudröseln…
Natürlich nichts davon hat er gesagt.
Das war ja das Widerliche.
Gewiss: Er war sehr verständnisvoll, dieser Vater.
Verstanden hat er aber kaum was.
(Erlebt am 07. 03. 2025)
Worte wie „Krieg“ oder „Aufrüstung“ haben sich schon hörbar in den alltäglichen Wortschatz eingeschlichen. Über Waffengattungen wird heute palavert wie seinerzeit übers Wetter. Manch einer zeigt sich noch besorgt ob des schwindenden Friedens, andere sind schon strikt dazu übergegangen, militärstrategisch zu denken.
Ich weiß es, ich fahre viel mit den Öffis und höre den Menschen zu.
Gestern saßen in der Reihe hinter mir: Vater und Sohn.
Der Sohn war noch klein. Volksschulalter.
Das Kind hatte Fragen. Kinderfragen.
Der Vater, das kann man sagen, war ehrlich bemüht, die Fragen kindgerecht zu beantworten. Er war bedacht und einfühlsam, vom Prinzip her. In dieser Hinsicht vorbildlich, das muss man ihm lassen.
Zunächst ging es um Banalitäten. Hausaufgaben. Computerspiele. Essen.
Die beiden scherzten und lachten.
Dann brachen sie mir das Herz.
Warum wir keine Atombomben hätten? - fragte der Knirps allen Ernstes aus dem Nichts heraus.
Es schien ihn stark zu betrüben, dass unser Land, dass Österreich keine solchen Waffen stationiert hat. Sehr schien er sich zu wünschen, es wäre anders.
„Kann man die nicht einfach bauen?“ - schob er nach, als wäre tatsächlich dies sein vorderdringlichster Wunsch. Als ginge es um ein farbenfrohes Spielzeug, das ihm noch fehlte.
Das sei nicht so einfach, hob der Vater zu einer Erklärung an. „Weißt du, dafür braucht es die Wissenschaft. Es braucht Physiker. Wenn die daran arbeiten und forschen, dann können sie Atombomben bauen. Da müsste man halt investieren…“ Ebenfalls sprach der Vater so, als wäre der Ausblick auf ein stattliches Atomwaffenarsenal ein lichter.
„Warum geben uns die Amerikaner nicht einfach ein paar Atombomben ab?“ lautete die nächste Kinder-Frage, die mich fertig machte. Dass wir die Atombombe wegen „den Russen“ bräuchten, wusste der Dreikäsehoch natürlich auch.
Der Vater: „Das geht leider nicht, weil die USA brauchen ihre Atombomben selber, die müssen sich ja auch gegen Russland verteidigen…“
Auch diese Erklärung erfolgte in sanfter Vaterstimme, die es nicht und nicht hinterfragen wollte, warum der winzig kleine Sohn vom Wunsch nach Atombomben beseelt ist.
Am liebsten wollte ich mich umdrehen, um die beiden zu schütteln, auf dass ihnen die Gedanken, die offenbar nur noch um apokalyptische Zerstörungsmittel kreisen, wieder aus dem Kopf fallen.
Ich meine, da sitzt ein Sechsjähriger mit Piepsstimme und haut solche Sachen raus als ginge es um nichts. Anstatt an Spielplätze, Blumenwiesen und Zeichentrickserien zu denken, dachte er – DARAN.
„Atombombe“, „die Amerikaner“ und „die Russen“ waren wie selbstverständlich in seinem Sprachgebrauch drin. Diese Vokabeln hatte der Winzling bereits gelernt und verinnerlicht, von wo auch immer.
Und der Vater?
Der konnte sich noch so sanftmütig und gewissenhaft gebärden: Mich widerte er an.
NICHT hat er gesagt: Mein Kind, Atombomben – und was sie bewirken - sind so ziemlich das Schrecklichste, was man sich vorstellen kann. Mit allen Mitteln muss verhindert werden, dass solche Waffen zum Einsatz kommen. Am besten, sie wären gar nicht da. So schrecklich sind sie! Kinder wie du hätten keine Zukunft, keine Spielplätze, keine Blumenwiesen mehr, wenn…
Und vergiss nicht: Immer sollte man sich vor allem um Frieden bemühen, um Völkerverständigung und Entspannung und davon ausgehen, dass jedes Leben gleich viel zählt – anstatt die Menschheit in Freund und Feind aufzudröseln…
Natürlich nichts davon hat er gesagt.
Das war ja das Widerliche.
Gewiss: Er war sehr verständnisvoll, dieser Vater.
Verstanden hat er aber kaum was.
(Erlebt am 07. 03. 2025)
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