Das Kinderrad

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hermannknehr

Mitglied
Das Kinderrad

Ein Kinderrad auf dem Asphalt,
getreten von zwei kleinen Beinen,
die emsig strampeln, ohne Halt
im Lauf zu suchen durch die kleinen

Stützräder, die man aufgesteckt;
der helle, blonde Lockenschopf,
gebändigt kaum durch einen Zopf,
das Näschen in den Wind gereckt.

So fährt das Kind an dir vorbei
mit silberhellem Lachen und
dir zugewandtem Kindermund,

ein selig hergeworfener Blick
in atemlosem Kinderglück,
ganz losgelassen froh und frei.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Hermann, ich lese es immer wieder, seit Tagen, und jedesmal komme ich aus dem Rhythmus.
Der erste Vers gibt den Rhythmus vor, die folgenden sind aber dann völlig anders.

Ich müsste "dem" betonen, dann wird es aber zu einem Demonstrativ, das ergibt keinen Sinn, es würde bedeuten, dass Du verschiedene Asphalte einführst.
Also nicht jambisch:
Ein Kinderrad auf dem Asphalt,


Und dann folgt Rhythmuswechsel.
2. Vers jambisch
3. Vers jambisch
4. Vers jambisch

Bei "Stützräder" wieder Wechsel, hier stört es nicht so.

Das Gedicht ist eigentlich jambisch gebaut, nur der erste Vers nicht.

Vielleicht:

Ein Kinderrad befährt Asphalt, ...

Aber es muss noch besser gehen.
 

hermannknehr

Mitglied
Hallo Bernd, hallo rogathe,
Vielen Dank für Eure Interesse. Ja, ich habe ganz bewusst den starren Jambus-Rhythmus aufgebrochen (der ja oftmals zum "Leiern" verführt), um das Gedicht lockerer, leichter zu machen. Das war auch der Sinn meines Kommentars für das Gedicht "Die graue Zeit" von Walter. Also nichts für ungut, ich kann nicht anders, d.h. ich könnte schon, will aber nicht.
LG Hermann
 
O

orlando

Gast
Bewertet hatte ich das Gedicht bereits und kann deine eigene Einschätzung, Hermann, (diesmal) nur teilen.
Das Gedicht zeigt durchgängig einen schönen Rhythmus, die "Brüche" im Takt gelten mir hier als Zeichen beonderer Qualität, denn sie sind begründbar und - betrachte ich den Inhalt - sogar notwendig.

Das Kinderrad

Ein [blue]Kinderrad auf dem Asphalt,[/blue]
getreten von zwei kleinen Beinen,
die emsig strampeln, ohne Halt
im Lauf zu suchen durch die kleinen
Hier dokumentiert der Wechsel vom Jambus in den Daktylus auf bezaubernde Weise die wenig ausbalancierte, doch kühne Fortbewegung des arglosen Kindes.

[blue]Stützräder[/blue], die man aufgesteckt;
der helle, blonde Lockenschopf,
gebändigt kaum durch einen Zopf,
das Näschen in den Wind gereckt.
Ähnlich verhält es sich bei den Stützrädern ... gerade durch den Wechsel wird wiederum das leicht Taumelige des Lernprozesses verdeutlicht.

Für mich erübrigt sich deshalb eine Änderung. - Letztendlich ist das wohl Geschmackssache; aber für mich wird gerade durch den Wechsel die Unsicherheit des Kindes und irgendwie auch sein Vertrauen in die Welt sichtbar.

Um ein weiteres Beispiel eines zeitgenössischen, bekannten Dichters anzuführen (Jan Wagner - Mondnein berichtete über ihn):

ein laut zuviel nur, und der beifall rauscht
als fallbeil herab
Hier wird gleichsam das Fallen des Beils verdeutlicht.

Das führe ich nur an, um nicht den Eindruck zu erwecken ich dächte mir solche ungewohnten Freiheiten aus. ;)

Inhaltlich gibt es für mich ebenfalls nix zu meckern.
Das Gedicht löst Gefühle aus, ist metaphorisch (beispielsweise durch die "Stützräder"), zeigt gute Enjambements und - gefällt mir einfach.

Freundliche Grüße
orlando
 

hermannknehr

Mitglied
Hallo Orlando,
vielen Dank für Deine anerkennenden Worte. Ich bin positiv überrascht über so viel Lob. Dein Kommentar trifft genau meine Motive; ich hätte es nicht besser formulieren können.
LG
Hermann
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich würde es gern mal gesprochen hören. Vielleicht bin ich ja in eine Betonung reingerutscht, die sich in mir verfestigt hat, aber nicht zum Gedicht passt.
Was mich bei meiner Betonung stört, ist nicht die Unregelmäßigkeit, sondern der erste Vers.
Die anderen funktionieren.

Der erste Vers klingt wie der erste Vers im Limerick, wenn ich ihn vortrage.
Dazu passt der Ton aller anderen Verse nicht.
 

hermannknehr

Mitglied
Hallo Bernd,
ich würde Dir das Gedicht ja gerne vorlesen, aber ich bin technisch nicht so versiert, dass ich das übers Internet schicken kann.
Ich habe offensichtlich eine völlig andere Art, Gedichte zu schreiben und zu lesen. Dabei halte ich mich durchaus streng an das Versmaß (manchmal zu streng für ein modernes Gedicht), nur darf die Betonung der Worte nicht sklavisch an den Hebungen und Senkungen festgemacht werden. Sonst verliert das Gedicht seine Leichtigkeit, seine Melodie und wirkt eintönig, obwohl die Metrik absolut korrekt ist.
Schade, dass Dir mein Gedicht nicht gefällt. Aber mir geht es bei so manchen Gedichten ebenso, die in der Leselupe hoch gelobt werden.
Trotzdem vielen Dank für Deine Interesse.
LG
Hermann
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Hermann,
danke für die Nachricht.
Dein Gedicht gefällt mir durchaus, ich komme nur nicht mit dem ersten Vers klar.
Das Gedicht nach Inhalt vorzutragen, finde ich völlig richtig.
Und das passte in allen anderen Versen.
Ich denke, beim ersten bin ich irgendwie geblockt.
Vielleicht können wir morgen nachmittag oder abends mal telefonieren.
 



 
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