Das Komma vorm "und" - oder: Sind Kommas wichtig?

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ergänzung: das amtliches Regelwer findet man auf der Homepage des Instituts für Deutsche Sprache unter: http://www.ids-mannheim.de/grammis/reform/download.html )



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1. Nach der Rechtschreibreform ist die Kommasetzung wesentlich freizügiger geworden. Es sind wesentlich weniger Kommas erforderlich, ohne die Rechtschreibung zu verletzen.
Zunächst grämte es mich, als ich annahm, nunmehr Kommas weglassen zu müssen.
Bei genauerem Studieren stellt sich heraus, dass Kommas gesetzt werden dürfen, um die Satzstruktur zu verdeutlichen.

Für mich bedeutet es: die Wichtigkeit der Kommasetzung hat sich erhöht, nicht verringert, denn die Kommas haben nunmehr eine Bedeutung.

In einem rein formalen System haben sie das weniger, ihr Informationsgehalt ist eher gering.

Ich kann weiterhin logisch zusammengehörende Satzteile durch Kommas einklammern.

Es heißt: Grundsätzlich werden vor einem und keine Kommas mehr gesetzt. Durch die Ausnahme ist es mir aber gestattet, das weiterhin zu tun.
Insbesondere bei langen Sätzen, die aus mehreren Hauptsätzen und zusätzlichen Aufzählungen bestehen, erleichtern Kommas das Lesen sehr.

2. Kommas können eine erhebliche rechtliche Bedeutung erlangen. Je nachdem, wo sie gesetzt werden, kann es sogar ein Todesurteil bedeuten.

3. Die Kommasetzung ist wichtig bei Zahlen. Eine böse Falle:

1,000 kann in einem Land Eins bedeuten, in einem anderen Eintausend.

(1.000 bedeutet ebenfalls Eins, kann aber auch Eintausend bedeuten.)

Das soll es jetzt erst mal sein. Es sind Gedanken und Anregungen, und es gibt noch mehr Wissenswertes über das Komma.

Grüße von Bernd
 
sehr geehrter herr dadaist aus dresden,

bitte berichtigen sie mich, wenn meine nun fogende annahme von grund auf falsch ist. ich möchte behaupten, ein komma vor einem "und" darf und muss überhaupt und sowieso nur in dem falle stehen, wenn sich davor ein nebensatz befindet.
beispielsweise: er mag die blauen, lilafarbenen, gelben, braunen, auch wenn diese nicht hübsch sind, und roten murmeln.

mit freundlichen grüßen
dadaist-lehrling
bowa
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Danke für den Kommentar, hochverehrter Rainbow Warrier,

ich möchte darauf antworten, wie der Sender Jerewan: Im Prinzip kann man es so halten, aber es gibt weitere Möglichkeiten.


Offiziell gilt das amtliche Regelwerk: (allerdings gelten für Dichter andere Regeln, die offiziellen Regeln gelten nur, wo der Staat Weisungsbefugnis hat, sonst sind es nur Empfehlungen, paradox: da das in der amtlichen Regelung drin steht, gilt sie auch hier ;) .)


Ich zitiere hier die entsprechenden Regeln aus dem amtlichen Regelwerk mit Beispielen.
(sie sind erhältlich auf http://www.ids-mannheim.de/grammis/reform/download.html )
2.1 Komma
§ 71
Gleichrangige (nebengeordnete) Teilsätze, Wortgruppen oder Wör­ter grenzt man mit Komma voneinander ab.
Dies betrifft (siehe aber § 72)
(1) gleichrangige Teilsätze:
Im Hausflur war es still, ich drückte erwartungsvoll auf die Klingel. Die Musik wird leiser, der Vorhang hebt sich, das Spiel beginnt. Er dachte an­gestrengt nach, aber ihr Name fiel ihm nicht ein. Ich wollte ihm helfen, doch er ließ es nicht zu. Ich wollte ihm helfen, er ließ es jedoch nicht zu. Das ist ja großartig, welch ein Glück! Ist das nicht großartig, ist das nicht ein Glück?
Zur Möglichkeit der Wahl zwischen Komma, Semikolon oder Punkt siehe § 80(1).
Er log beharrlich, er wisse von nichts, er sei es nicht gewesen. Wenn das wahr ist, wenn du ihn wirklich nicht gesehen hast, brauchst du dir keine Vorwürfe zu machen. Er erkundigte sich, was es Neues gebe, ob Post ge­kommen sei. Dass sie ihn nicht nur übersah, sondern dass sie auch noch mit anderen flirtete, kränkte ihn sehr.
(2) gleichrangige Wortgruppen oder Wörter in Aufzählungen:
Der Nachbar hatte versprochen den Briefkasten zu leeren, die Blumen zu gießen, hin und wieder zu lüften. Völlig erschöpft, hungrig und frierend, vom Regen durchnässt kamen sie nach Hause. Er hat nicht behauptet in Berlin gewesen zu sein, sondern in Mainz seinen Onkel besucht zu haben. Sie ärgerte sich ständig über ihren Mann, über die Kinder, über die Haus­bewohner.
Er trug einen schwarzen, breitkrempigen Hut. Das ist ein ausgespro­chen süßes, widerlich klebriges Getränk. (Siehe aber unten E1.)
Zu Fällen wie den folgenden siehe § 77(4): Auf der Ausstellung waren viele ausländische, insbesondere holländische Firmen vertreten. Als er sein Herz ausgeschüttet, das heißt alles erzählt hatte, fühlte er sich besser.
Die Buchstaben x, y, z bilden den Schluss des Alphabets. Frühling, Sommer, Herbst, Winter.
Er fährt nicht mit dem Auto, sondern mit dem Zug. Er ist klug, (dabei) aber faul. Einerseits ist er klug, andererseits faul. Der März war teils freundlich, teils regnerisch, aber im Ganzen zu kalt. Sie lächelte halb verlegen, halb belustigt.
Nein, nein! Warum, weshalb, weswegen?
Zum Ausrufe- oder Fragezeichen siehe § 69 bzw. § 70.
Zum Komma bei mehrteiligen Orts-, Wohnungs-, Zeit- und Literaturangaben siehe § 77(3).
E1: Sind zwei Adjektive nicht gleichrangig, so setzt man kein Komma.
die letzten großen Ferien, eine neue blaue Bluse, dunkles bayerisches Bier, die allgemeine wirtschaftliche Lage, zahlreiche wertende Stellungnahmen
Gelegentlich kann der Schreibende dadurch, dass er ein Komma setzt oder nicht, deutlich machen, ob er die Adjektive als gleichrangig verstanden wissen will oder nicht.
Gleichrangig: neue, umweltfreundliche Verfahren (neben den bisherigen Verfahren, die nicht umweltfreundlich sind, gibt es nunmehr neue und um­weltfreundliche Verfahren)
Nicht gleichrangig: neue umweltfreundliche Verfahren (zusätzlich zu den bis­herigen um­weltfreundlichen Verfahren gibt es weitere umweltfreundliche Verfahren)
E2: Das Komma und der Schlusspunkt können in kolumnen­artigen Aufzäh­lungen fehlen, zum Beispiel:
Unser Sonderangebot:
- Äpfel
- Birnen
- Orangen
§ 72
Sind die gleichrangigen Teilsätze, Wortgruppen oder Wörter durch und, oder, beziehungsweise/bzw., sowie (= und), wie (= und), entweder ... oder, nicht ... noch, sowohl ... als (auch), sowohl ... wie (auch) oder durch weder ... noch verbunden, so setzt man kein Komma.

Dies betrifft
(1) gleichrangige Teilsätze (siehe aber § 73):
Die Musik wird leiser und der Vorhang hebt sich und das Spiel beginnt. Ich habe sie oft besucht und wir saßen bis spät in die Nacht zusammen. Seid ihr mit meinem Vorschlag einverstanden oder habt ihr Einwände vorzubringen?
Sie wisse Bescheid und der Vorgang sei ihr völlig klar, sagte sie. Er erkun­digte sich, was es Neues gebe und ob Post gekommen sei. Alle wollten wis­sen, wie es gewesen sei und warum es so lange gedauert habe. Ich hoffe, dass es dir gefällt und dass du zufrieden bist.
(2) gleichrangige Wortgruppen oder Wörter in Aufzählungen:
Der Nachbar hatte versprochen den Briefkasten zu leeren und die Blumen zu gießen und hin und wieder zu lüften. Völlig erschöpft und vom Regen durch­nässt kamen sie nach Hause.
Sie fährt sowohl bei gutem als auch bei schlechtem Wetter. Der März war kalt und unfreundlich. Das ist ein ausgesprochen süßes sowie widerlich kleb­riges Getränk. Feuer, Wasser, Luft und Erde
Sie fährt entweder mit dem Auto oder mit dem Zug. Er ist klug und dabei faul. Nein und abermals nein! Wie und warum und wozu?
E1: Ein Komma vor und usw. kann dadurch begründet sein, dass mit ihm ent­sprechend § 74 ein Nebensatz, entsprechend § 77 ein Zusatz oder Nachtrag bzw. entsprechend § 93 ein wörtlich wiedergegebener Satz abgeschlossen wird:
Er sagte, dass er morgen komme, und verabschiedete sich. Mein Onkel, ein großer Tier­freund, und seine Katzen leben in einer alten Mühle. Sie fragte: ?Brauchen Sie die Unter­lagen??, und öffnete die Schublade.
E2: Bei entgegenstellenden Konjunktionen wie aber, doch, jedoch, sondern steht nach der Grundregel (§ 71) ein Komma, wenn sie zwischen gleichrangi­gen Wörtern oder Wortgrup­pen stehen:
Sie fährt nicht nur bei gutem, sondern auch bei schlechtem Wetter. Der März war sonnig, aber kalt. Er hat mir ein süßes, jedoch wohlschmeckendes Ge­tränk eingeschenkt.

§ 73
Bei gleichrangigen Teilsätzen, die durch und, oder usw. verbunden sind, kann man ein Komma setzen, um die Gliederung des Ganzsatzes deutlich zu machen.
Ich habe sie oft besucht(,) und wir saßen bis spät in die Nacht zusammen, wenn sie in guter Stimmung war. Es war nicht selten, dass er sie besuchte(,) und dass sie bis spät in die Nacht zusammensaßen, wenn sie in guter Stim­mung war.
Er traf sich mit meiner Schwester(,) und deren Freundin war auch mitge­kommen. Wir warten auf euch(,) oder die Kinder gehen schon voraus. Ich fotografierte die Berge(,) und meine Frau lag in der Sonne.
Wie sich auch hieraus ergibt, ist es möglich, begründete Kommas auch vor "und" zu setzen.

Hierfür sind Beispiele angegeben.
Die weiteren Regeln kann man im Original nachlesen, ich zitiere hier nur auszugsweise.

Viele Grüße von Bernd

PS: Wenn durch Gedichtform die Struktur des ganzen klar ist, kann man unter Umständen auch alle Satzzeichen weglassen, sofern man nicht dem Weisungsrecht des Staates unterliegt, wie z.B. als Behörde.
 
M

Monfou

Gast
Hallo,

da haben wir nun viele Kommaprobleme zusammen.

Zur Titelfrage zurück: Das Komma vor "und" bei Hauptsätzen.

Zwei einfache Hauptsätze mussten auch nach der alten Regel nicht durch Kommata getrennt werden:

1. "Sie kommt und er geht."


Die neue Regel verstehe ich graduell. Werden die beiden Hauptsätze länger, hätte früher ein Komma auftauchen müssen.

2. "Sie kommt gern in die Stadt(,) und er geht gern zu Fuß durch den Wald"
Hier ist ein Komma jetzt nicht mehr nötig. Und ich würde auch keins setzen.


Folgt dem zweiten Hauptsatz beispielsweise noch ein Nebensatz - ist er also wesentlich erweitert -, würde ich ein Komma setzen. Es darf, muss aber nicht stehen:

3. "Sie, seine Frau, kommt gern in die Stadt, und er geht sehr häufig - alltags und sonntags - durch den Wald, den er sehr liebt, ja, den er mehr liebt als seine Frau."

Hier würde ich wie gesagt vor "und" das Komma setzen, weil zwei komplexere Hauptsätze verbunden werden. Das Komma signalisiert gewissermaßen die Fuge zwsichen den Satzgebilden.

Hinter Dadda würde ich NIE ein Komma setzen. Aber jetzt mache ich einen PUNKT.

Im Kommarausch

Monfou
 

Renee Hawk

Mitglied
eine Frage zwischendurch ... ist es ok, wenn ich meine Kommas Anzahlmäßig im Text verteile um diese dann von einem Experten an die richtige Stelle platzieren zulasse?

Ich habe irgendwo gelesen, dass das Komma nur eingeführt wurde, weil es eine Lesepause verdeutlichen soll. Es war damals nur für die Schriftsteller erforderlich, deren Texte laut vorgelesen wurden.

eine mit dem Komma auf Kriegsfuss stehende Reneè grüßt Euch

°_°

*lächel*
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das weiss ich nicht genau, kann es mir aber vorstellen, da dann das Komma an einer logisch richtigen Stelle stand. Sprechpausen gliedern die Sätze häfig logisch.

In alten Texten gab es teilweise nicht mal Leerzeichen, da stand dann hinter jedem Wort eine Art Wortendemarke.

Nach der Rechtschreibreform dient das Komma wohl hauptsächlich dazu, die logische Struktur eines Satzes zu verdeutlichen, vorher wohl eher, die grammatische Struktur darzustellen, was aber (sofern die Grammatik was taugt) weitgehend identisch ist.

Viele Grüße von Bernd.
Zahlenmäßig verteilen? Wenn es konsistent bleibt -- ;)

Kommas sind auch eine Frage des Stils.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Für mich ist die wesentliche Frage, dass ich sie noch entsprechend der Bedeutung richtig setzen "darf".

Abgesehen von Fehlern und dichterischer Freiheit in manchen Texten messe ich den Satzzeichen eine große Bedeutung bei. Sie erleichtern das Verständnis und bilden auch eine ästhetische Kategorie.

Mein Anliegen ist, selbst auch nicht ausgelacht zu werden. Ich bin eher für Toleranz.

Grüße von Bernd
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
PS:

Das siehst Du auch dann, wenn ich alle Satzzeichen weglasse, das mache ich doch nur, weil ich ihnen eine große Bedeutung beimesse, und der Leser ergänzt sie innerlich, wird aber an schnellem Lesefluss gehindert.
 



 
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