Das Leben eine Sitcom

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1. Vorspiel

Da er Wolfgang hieß, nannten sie ihn daheim anfangs Wolferl. Später passte es nicht mehr, er war ein kräftiger und hübscher Kerl geworden. Seine Eltern betrieben ein kleines Hotel in Gmunden, er sollte es einmal übernehmen. Sie ließen ihn Koch lernen und waren hocherfreut, als er Magda, ihre Kellnerin, zur Frau nahm. Für alle kam es überraschend, was hatte er sich nur dabei gedacht?
Wenn die beiden einmal in Salzburg waren und durch die Getreidegasse schlenderten, gingen ihre Blicke in verschiedene Richtungen. Magda fiel jede Frau unangenehm auf, die den Gemahl freudig musterte. Dafür entgingen ihr die Augenaufschläge, die Wolfgang von Seiten mancher Männer erhielt. Wolfgang nahm sie gelassen hin und fand bestätigt, dass Magda ahnungslos sei.
Bald empfand er die Ehe dennoch als Gefängnis. Magda erfuhr, sie könne nicht bei ihm bleiben. Sie drohte daraufhin, sich in den Traunsee zu stürzen. Stattdessen siedelte sie nach München über, wo sie auch besser verdiente. Sie betrieben beide die Scheidung.


2. Wels

Wolfgang zog nach Wels, zu seinem älteren Bruder, der dort einen Gasthof hatte. Es war der Stammsitz der Familie. Er richtete sich unter dem Dach ein Studio ein und wurde Vertreter für Hotelwäsche. Gäste kommen immer, Wäsche wird stets verschlissen. Er fing an, übers Wochenende nach München zu fahren und die andere Seite kennenzulernen. Um sich passend einzukleiden, ließ er in Deutschland von einem Lederschneider Maß nehmen. Das Paket mit den fertigen Sachen blieb zunächst bei der Post hängen. Er machte Spektakel, es sei eine Kollektion, die er für die Messe in Brünn benötige. Da suchten sie natürlich mit Nachdruck.
Neu ausstaffiert fuhr er erstmals nach Köln und lernte prompt Carlo kennen. Er lud ihn ein, seinen Urlaub bei ihm in Österreich zu verbringen. Musst doch nicht immer nach New York fliegen, sagte er ihm, und für Carlo war Wels ein genügend exotisches Reiseziel.
Mein Bruder hat keine Ahnung, sagte Wolfgang bei Carlos Ankunft. Die Schwägerin begegnete dem Gast mit großer Zurückhaltung. Wenn sie einmal zu Hause aßen, dann nur im Studio. Der Kochlehrling brachte ihnen die fertigen Speisen und übertrieb es dabei mit der Diskretion seiner Blicke. Wolfgangs Bruder war viel beschäftigt, Carlo bekam ihn kaum zu Gesicht. Gast und Gastgeber besuchten Cafés in der Stadt und langweilten sich dort ein wenig.


3. Wien

Also fuhren sie in die Bundeshauptstadt und nahmen ein Zimmer nahe am Graben. Die Pensionswirtin: Aus Wels kommen Sie? Na, geschenkt … Carlo schlug vor, seinen alten Freund Svoboda zu besuchen. Er meldete sie telefonisch an, sie gingen zu Fuß in den 7. Bezirk. Svoboda ließ sie herein und lachte: Aus Wels bist du? Na, so was! – Wolfgang hatte sich ihm gegenüber neulich in München für einen Salzburger ausgegeben. Er entschuldigte sich jetzt: In München bin ich halt nur inkognito.
Sie gingen zusammen essen. Dann besuchten sie noch eine Bar. Als Svoboda nicht in der Nähe war, behauptete Wolfgang vor anderen Gästen wieder, er komme aus Salzburg und sein Name sei Thomas.
Sie sahen das Übliche: Schönbrunn, den Wurstlprater und das Belvedere. Dann fuhren sie durch die Alpen ins Salzkammergut.


4. Gmunden

Wolfgangs Eltern waren zuvorkommend, beinahe herzlich und vor allem neugierig. Wolfgang sagte auch von ihnen: Sie haben keine Ahnung. Da das Zimmer des Sohnes zu klein für beide war, bekamen sie ein Gästedoppelzimmer. Dem Hotel war ein Nachtlokal angeschlossen. Am ersten Abend besuchten sie es und sahen einen Striptease ländlicher Art. Sie täuschen amüsiertes Interesse vor und Wolfgang sagte nachher: Um Gäste zu bedienen, wäre sie auch weniger geeignet.
Am Tag darauf nahmen sie ein Elektroboot und fuhren auf dem Traunsee herum. Wolfgang zeigte auf die riesige Kalkpyramide über dem See und sagte: So wie der Traunstein, so ist später mal das Alter. Carlo war anderer Ansicht: Zu einer Altersdepression passe eher eine Tiefebene.
Dann stand Salzburg am Abend auf dem Programm. Sie besuchten zwei Bars, an die Carlo sich bald nicht mehr erinnern sollte. Wolfgang sagte dort, sein Name sei Bernhard und er wohne in Wien. Tags darauf wurde seine Mutter beim Frühstück etwas lästig. Sie wollte durchaus die Namen der von ihnen besuchten Lokale erfahren. Doch ihrem Sohn waren sie angeblich entfallen, er sprach lieber über die Parkplatzsuche in Salzburg. Die Mutter blickte unbefriedigt drein.


5. München

Am Schluss verbrachten beide einige Tage in München. Sie wohnten erst bei einem von Wolfgangs Freunden und siedelten schon nach einer Nacht in ein Hotel über – der Gastgeber war übergriffig geworden. Carlo musste aufpassen, dass er nicht die Wahrheit verriet, wenn sie abends ausgingen. Wolfgang war jetzt angeblich wieder in Salzburg zu Hause. Immerhin duldete er es, dass Carlo ihn weiter Wolf nannte. Im Gespräch mit einem anderen Gast behauptete er, Carlo und er hätten sich gerade erst getroffen und würden bald durch die Alpen nach Wien fahren. Der andere: Dann schaut euch unbedingt auch das Gesäuse an. Und er begann ihnen etwas vom Ennsdurchbruch vorzuschwärmen, den sie doch auf dem Weg nach Gmunden schon besucht hatten. Wolfgang lachte hinterher: Der hat das geglaubt!
Als Carlo in den Zug nach Köln stieg, kam die Frage: Willst du nicht ganz nach Österreich kommen? Wir finden schon etwas für dich … - In der Wäschebranche? – Na, ich dachte eher an Brotaufstrich. Frühstücken tun die Leute immer.


6. Nachspiel

Sie telefonierten ab und zu. Carlo erfuhr, Wolfgangs Eltern rechneten nicht mehr mit ihm als Nachfolger und suchten einen Käufer für ihr kleines Hotel. Und sein Bruder hatte ihm gesagt, er wisse längst über ihn Bescheid.
Auch von Magda gab es Neues zu berichten. Sie war jetzt schwanger. Wolfgang sagte: Sie will das Kind nicht. Ich habe ihr Geld für die Abtreibung angeboten, ihr Freund gibt nichts dazu. Du, ich glaube, ich gehe ganz nach München. Dann kann ich mich wieder mehr um die Frau kümmern. Und du, hättest du nicht auch Lust zu kommen? Nein? Pourquoi pas?
 



 
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