Das letzte Lied

Aufschreiber

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Benny saß am Klavier und starrte mit leerem Blick auf die Tasten. Schon bei seiner letzten CD hatte er das erlebt; für den letzten Song fehlte die Idee, stellte sich noch nicht einmal eine Tonfolge ein, die womöglich einmal zur Melodie reifen könnte.
Kraftlos ruhten die Finger der linken Hand auf der Klaviatur, ohne das Zucken der Inspiration.

Das Telefon unterbrach das atemlose Schweigen der inneren Leere, summte und schellte drauflos, als wolle es ihn erwecken.
Benno nahm das Gerät zur Hand.
Bille ...Sybille, wie sie eigentlich hieß, war ... Vielleicht-Geliebte, Vielleicht-Freundin, Vielleicht-Kumpel? Womöglich all das.
"Ja?", Bennos Stimme krächzte, nach dem mehrstündigen Schweigen.
"Hey", klang Billes tiefe Stimme aus dem Speaker. "Lust auf ein Kilkenny bei Otto?"
Für einen Sekundenbruchteil erschien das Bild des urigen Gastraumes vor seinem inneren Auge.
"Nein, ich bin beschäftigt!"
Er kopfschüttelte das Bild hinweg.
Nach einem Augenblick der Stille fragte Bille: "Der letzte Song?"
Benny schnaufte: "Hmm."
"Na dann viel Erfolg! - Melde Dich mal, wenn Du fertig bist, ich höre es mir dann an!"

*Klick! Tüt, tüt, ...*

Er warf das Fon auf die Liege neben dem Klavier. In seinem Kopf erklang e-Moll. Er würde das Lied jetzt machen, selbst, wenn es nur Bille hören wollte.
G-Dur drängte heran - und Billes Gesicht.
Er ließ die Finger laufen und plötzlich begann er, zu singen:

"Nun sitz ich wieder hier, alleine,
grüble mir Falten auf die Stirn.
Ich weiß, du weißt, wie ich es meine,
doch hallt noch nichts, in meinem Hirn.

Du willst mich hör'n, bist sicher, dass ich's bringe,
Du fragst nicht ob ich's schaffe, sondern wann.
Und wieder einmal sitz' ich hier und ringe
um dieses Lied, das ich Dir schenken kann."

Nun sitz ich wieder hier, alleine,
und ich bin soviel schwächer, als ich schein'.
Bring ohne dich ja eh nichts auf die Beine.
Und geh kaputt, lässt du mich hier allein..."

Der Computer signalisierte die erfolgreiche Aufnahme.
Wie im Traum griff Benno das Fon und rief an.
 
Hallo Steffen,

ja manchmal reicht der Eingebung bereits ein(e) einzige(r) Zuhoerer(in). Kleist hat geschrieben: "Es liegt ein sonderbarer Quell der Begeisterung für denjenigen, der spricht, in einem menschlichen Antlitz, das ihm gegenübersteht [...]" Vielleicht reicht schon die Vorstellung eines Gesichts (bzw. Ohrs).

LG,
Rolf-Peter
 

Aufschreiber

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Hallo Rolf-Peter,

ja, das stimmt wohl. Der andere Gedanke hinter dem Text ist, wie oft einem Menschen nicht klar ist, wie nahe er/sie einem anderen steht, ... vielleicht ..., dabei ist es eigentlich doch schon längst klar.

Beste Grüße,
Steffen
 



 
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