Kapitel 23
„He, und das ist nun der richtige Weg?“ Erkan wandte sich nach Frank und Trude um. Diese nickten ihm abermals zu. Waren reichlich wortkarg in letzter Zeit, sonderten sich auch dann und wann so komisch von ihm ab. Man hatte dabei den Eindruck, sie tuschelten miteinander.
Gesenkten Hauptes lief er weiter. Eigentlich war Trude schon immer reichlich komisch gewesen, aber Frank? Der hatte doch sonst ein paar flotte Sprüche für jede Gelegenheit parat gehabt? Allerdings kannte er die beiden Spinnenguerillas nicht so gut wie Mike und wenn der das nicht merkwürdig fand, sollte er sich eigentlich auch beruhigen, oder?
Mike, Christian, Jonas und die vier Senizen, welche die Gruppe beständig in einen Tarnnebel hüllten, waren leider auch für ihn nicht zu sehen. Das war ja das Verzwickte an diesen komischen Nebeln. Er konnte nur heraushören wohin sie liefen. Aber jene Senizen, die seine Gruppe begleiteten, hatten besondere Hörgeräte in ihren Ohrkapseln verborgen. Sie hielten die Gewehre in ihren schmalen, feingliedrigen Händen die ganze Zeit schuss¬bereit. Es war schon seltsam, dass auch die Senizen zur jeder Jahreszeit feste Handschuhe tragen mussten, die ihre Finger stützten. Nur die Trowes trugen keine, hatten dafür aber sechs Finger an jeder Pranke. Welche son¬derbare Krankheit musste diese Völker überfallen haben?
Gerade als er so mit seinen Gedanken vom eigentlichen Geschehen abgelenkt war, meinte er plötzlich, gleich dreimal kurz hinter einander leises, jedoch recht merkwürdiges Zischeln hinter sich innerhalb der Nebelglocke vernommen zu haben. Verdutzt drehte er sich um und sah, dass die drei Senizen nacheinander stöhnend und mit zusammen gekrümmten Körpern zu Boden stürzten. Auch der Tarnnebel, der sie alle bisher beschützt hatte, war mit einem Male verschwunden.
„Nanu?“ fragte er Trude und Frank verwirrt. „Ich sehe gar keine Hajeps, wie ist das passiert?“
„Auf diese Weise, du erbärmlicher Lumanti!“ zischelte Trude mit kleinen, boshaften Augen.
Erkan hatte keine Zeit, mit seiner bereits gezogenen Waffe auf Trude und Frank, der ebenso hämisch sein Gesicht verzerrt hatte, zu feuern. Die Kugeln aus Erkans Revolver machten auch Trude gar nichts aus, fetzten ihr nur ein bisschen die Trowenkleidung vom stahlharten Roboterkörper und fast gleichzeitig zischelte es aus Trudes und auch aus Franks weiten Ärmeln hervor und Erkan spürte einen stechenden Schmerz in seiner Brust und in seinem Bauch.
„Hilfe!“ schrie Erkan noch aus Leibeskräften. „Hiiiilfe, Mike, Christian, Jona ...!” Doch dann verließ ihn vollends die Kraft, stürzte er, wie vor ihm die drei Senizen, sterbend zu Boden.
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Die kreisförmige Tür schloss sich sofort und Margrit schaute sich im schwachen, rötlichen Licht angstvoll um. Es roch - oder konnte man direkt sagen stank? - hier irgendwie nach Tier. Die vier unterschiedlich großen und kräftigen Punsis, welche Margrit ebenso skeptisch anstarrten, waren still geworden, denn man hörte draußen Stimmen, verdutzte Ausrufe in hajeptischer Sprache. Die Jimaros konnten sich wohl nicht erklären, wohin Margrit so plötzlich entschwunden war.
Nach kurzer Beratschlagung hetzten die Soldaten schließlich weiter und eine der Punsis, sie war ganz besonders breitschultrig, strich nun über ein kleines, blaues Sensorenfeld an der Wand. Dabei war ihr die weite Kapuze ein wenig vom Kopf gerutscht und Margrit konnte - ihr stockte das Herz - das ganze Gesicht im Profil erkennen.
Noch nie hatte sie weibliche Trowes aus nächster Nähe gesehen und daher war dieser Anblick im wahrsten Sinne des Wortes einfach atemberaubend!
Die Züge dieser Trowin waren tatsächlich so grobschlächtig, wie ihr Munjafkurin Punsiweiber beschrieben hatte. Auch die übrigen Frauen ähnelten eher derben Kerlen als Wesen weiblichen Geschlechts und man konnte kaum erkennen, wer von den Damen eigentlich jünger oder älter war. Alle hatten einen kurzen, flauschigen Bart und eine niedrige, fliehende Stirn. Zwar war das Kopfhaar lang, aber es wuchs knapp über den üppig wuchernden Augenbrauen. Die Lippen waren derart schmal geschnitten, dass man unsicher werden konnte, ob diese Frauen überhaupt welche hatten. Ihre Augen waren sehr klein, bunt gescheckt, lagen tief in den Höhlen und glänzten gelb und rund.
Margrit vermutete, dass man sie nur deswegen gerettet hatte, weil man der Annahme gewesen war, dass sie eine echte Punsi sei, die sich - aus welchen Gründen auch immer - in großer Not befand. Sie betrachtete die breiten Handgelenke und muskelbepackten Unterarme der Punsis mit einigem Respekt und fürchtete den Moment der Aufdeckung ihres Geheimnisses. Warum stand man hier eigentlich so lange dumm herum und öffnete nicht wieder Tür? Es war hier schließlich eng, ungemütlich und vor allen Dingen - stinkig! Margrit drückte nachdenklich den kleinen Trommler an sich, den sie noch immer unter ihrem weiten Mantel verborgen hatte, da machte es plötzlich - klick - und zwei kleine Teile fielen daraus leise klackend zu Boden. Sie hatte also unwissentlich die richtige Stelle gedrückt und dadurch einen kleinen Mechanismus in Gang gesetzt, welcher die in den Trommeln des Bären befestigten Gegenstände daraufhin frei gab.
Margrit stellte möglichst unauffällig den nackten Fuß auf die beiden kleinen, anscheinend steinernen Gegenstände und die wuchtigen Brauen der Punsi, die ihr gegenüberstand, schnellten hoch, da sie Margrits blasse, zier¬liche Zehen unter dem Saum des derben Mantels für einen kurzen Augenblick hatte hervorblitzen sehen.
"Kos to foro kontriglus ae trowe?“ erkundigte sich nuschelnd die Anführerin des kleinen Trupps, welche sich wohl ihrer Sache nicht ganz sicher zu sein schien.
Margrits Kinnlade hing herunter, denn sie wusste nicht, was sie jetzt machen sollte. Die Punsi wiederholte ihre Frage, die sie nur ein wenig anders formulierte. Margrit überlegte und nickte dann zögernd. Es folgte eine kurze Beratschlagung der vier Trowenweiber und dann ein zorniges Geschrei von allen Seiten und drei Pranken schnellten fast gleichzeitig in Margrits Richtung, fetzten ihr die Kapuze samt Mantel von den mageren Schultern.
Da stand Margrit nun zitternd und bebend in ihrem spärlichen Tanzkostüm, das nur noch von einem hauchzarten, weißen Schleier verhüllt wurde und Margrit war plötzlich schlecht ... ach Gott, ach Gott, was war ihr schlecht! Jetzt erst reagierte sie wohl auch auf all das Furchtbare, welches sie vorhin hatte mit erleben müssen. Es kam wohl alles nach.
Sie sackte langsam in die Knie, rutschte dabei mit dem Rücken an der Wand der kleinen Kabine entlang, kauerte schließlich auf dem Boden und rang nach Atem, heimlich dabei jedoch die zwei kleinen Steinstückchen, die sie endlich wieder erkannt hatte, zwischen ihre Finger nehmend.
Die vier Trowes starrten Margrit indes fassungslos, ja beinahe ängstlich an. Offensichtlich hatten sie noch nie eine Lumanti ganz aus der Nähe gesehen. Sie betrachteten mit flatternden Lidern Margrits rosafarbene Haut, deren zierliche, unbehandschuhten Hände und starrten danach entgeistert auf die roten Lippen und hellblauen Augen in diesem feingeschnittenem Gesicht und stießen dabei verdutzte, keckernde Laute aus.
Zwei von ihnen hatten sogar solche Angst vor Margrit, dass sie sich in ihrem Eckchen zitternd aneinander klammerten. Die Frechste des kleinen Trupps beruhigte sich jedoch bald und zeigte einige Neugierde. Am meisten schien die Trowes wohl dabei das komische golden schimmernde und zu einer prächtigen Frisur hochgesteckte Haar zu interessieren, denn diese Punsi streckte vorsichtig einen Finger aus, berührte diese seltsam wei¬chen Haare kurz, bewundernde Grunzlaute von sich gebend. Da schöpften auch die übrigen Trowes Mut und alsbald schnellte Finger um Finger vor, um die komischen Spangen in diesem Haar zu betasten.
Die Griffe wiederholten sich und Margrit ließ inzwischen die beiden Teile von Danox, welche sie bisher unter ihrem zarten Schleier verborgen hatte, unauffällig in ihrem Ausschnitt verschwinden.
Die Trowes wurden immer schneller und kecker, eine wollte schließlich gleich zwei der bunten Spangen herausreißen und dabei musste sich die Perücke wohl von Margrits Kopf gelöst haben, denn zu Tode erschrocken hielt diese Punsi nun ihre Perücke in der Hand, während ihre Genossinnen laut kreischend auseinander stoben, die hocherhobene Haarpracht dabei fassungslos anstarrend.
Die Perücke klatschte schließlich zu Boden und jene Punsi warf dabei einen bedauernswerten Blick in Richtung Margrit, wo sie wohl einen blutigen, kahlen Schädel erwartete und erstarrte ... Empörung verdrängte sofort das Schuldgefühl und sie wollte sich wutschnaubend auf Margrit stürzen, doch diese hatte inzwischen den kleinen Trommler aufgezogen und den Bären auf den Boden gestellt.
Ratternd bewegte er sich nun auf die vor ihm fort hopsenden Trowes zu und wieder kreischten die überlaut von allen Seiten. Als das Bärchen still stand, ergriff es sich Margrit, zog es von neuem auf und ließ es laufen. Dann setzte sie sich fast feierlich wieder ihre Perücke auf und von neuem ward der kleine Bär aufgezogen und watschelte trommelnd auf die Punsis zu. Immer wieder ließ sie ihn laufen, aber den Schlüssel behielt sie jedes Mal bei sich.
Schließlich gewöhnten sich die Trowes an das ungewöhnliche Bild, die ersten fröhlich glucksenden Laute ertönten und dann näherte sich Margrit schon wieder die Frechste, indem sie das Bärchen sogar für einen kurzen Augenblick festhielt, es hochhob ... aber als es zappelte, gleich wieder laut quieksend losließ. Schließlich machte es den Trowes so viel Spaß, dass es die Führerin des Trupps behalten wollte, und sie versteckte es in ihrem Mantel, ihr Ansinnen auf diese Weise Margrit verdeutlichend
Doch Margrit schüttelte den Kopf. „Denda!“ sagte sie gebieterisch. „Ihr bekommt diesen Trommler nur
... en jusels tes pir, wenn ihr mich zu Oworlotep bringt ... ault enne mai ir Oworlotep jewalo ... versteht ihr? Nenulon enne? OWORLOTEP ... O-WOR-LO-TEP ... chesso?”
Die Trowenweiber waren zunächst erstaunt, dass Margrit ihre Sprache beherrschte, doch dann wurden sie sehr laut, redeten reichlich nervös aufeinander ein, und verschiedene Meinungen traten dabei wohl zu Tage. „Tep ...“, nuschelte dabei eine von ihnen, „Ow ...“, hörte Margrit wieder aus dem Stimmenwirrwarr heraus.
Alles nickte schließlich und die Anführerin verzog ihr Gesicht zu einer hämischen Maske. Fest wickelte sie den Mantel um das kleine Spielzeug, damit verdeutlichend, dass sie das ja behalten konnte, ob Margrit nun wollte oder nicht.
Margrit schüttelte wieder den Kopf, hielt ihr den blinkenden Schlüssel entgegen und wies damit kurz auf den Boden. Die Trowe stellte den kleinen Trommler dort hin und wartete, schließlich gab sie ihm ärgerlich einen Schubs, doch es passierte nichts weiter als dass er umfiel.
Daraufhin begann sie nach Margrits Schlüssel zu haschen, doch diese legte sich den winzigen Schlüssel einfach auf die Zunge, verschloss fest den Mund, weiterhin den Kopf schüttelnd und machte dabei mit dem Finger eine Bewegung an ihrem Hals hinunter.
Verdutzt starrten die Trowes, die sich eben noch gemeinschaftlich auf die zierliche Lumanti hatten stürzen wollen, einander an. Was sollten sie nun tun? Die Lumanti würde anscheinend den Schlüssel hinunter schlucken, noch bevor sie die überwältigt hatten. Außerdem mussten sie dringend weg. Sie hatten daher wenig Zeit. Selbst wenn sie die Lumanti töteten und ihr den Bauch aufschlitzten, würden sie den Schlüssel nur sehr mühsam irgendwo im Hals oder gar schon im Magen finden. Das war zu umständlich und auch zu eklig ... kurz, man musste sogar aufpassen, dass die Lumanti den Schlüssel nicht einmal versehentlich verschluckte.
Und so wurde man sehr höflich, grunzte Margrit sogar nett an und dann ging endlich die Tür auf und Margrit schritt hinaus. Verwundert blickte sie sich um, denn sie befand sich in einer ganz anderen Etage. Also war die kleine Kammer ein Fahrstuhl und dessen Technik so perfekt, dass man weder Anrucken, noch Fahrgeräusche, noch die geringsten Zeichen von Druck oder Fliehkraft hatte spüren können.
Wie viele Stockwerke mochte sie wohl inzwischen hinabgesaust sein? Hier war jedenfalls alles nicht mehr schön und prächtig ausgestattet, verliefen Rohre, besonders an der Decke und es rauschte und dröhnte. Margrit befand sich also im Keller von Lakeme. Inzwischen hatten auch die Trowes den Fahrstuhl verlassen und standen abwartend hinter Margrit.
Diese schob den Schlüssel in die linke Backe und wendete sich nach ihnen um. „Oworlotep?“ erkundigte sie sich ein wenig nuschelnd und wies nach vorn.
Die Trowes schüttelten die Köpfe.
Margrit war es eigentlich völlig schleierhaft, was Oworlotep ausgerechnet in Kellergewölben zu suchen hatte, noch dazu in solch einer Nacht, denn die Bombe war ja gefunden, alles feierte inzwischen sicherlich wieder und war lustiger Dinge. Dennoch wiederholte sie tapfer ihre Frage und wies diesmal in die gegenüberliegende Richtung.
„Tep, Tep, Tep!“ wiederholte die Meute keckernd und alles nickte eifrig.
Belogen sie die Trowes oder war es die Wahrheit? Wussten sie vielleicht gar nicht Bescheid, ja, woher sollten einfache Trowes eigentlich wissen, wo solch ein hohes Oberhaupt wie Oworlotep steckte? Wodurch war sie nur auf diesen verrückten Gedanken gekommen? Es war eine absurde Eingebung gewesen, wie sie die manchmal hatte. Sie war Schuld, klarer Fall, hatte die Punsis regelrecht dazu verführt, sie zu belügen und die hatten nun vor, sie hier in aller Stille umzubringen, um endlich an den Schlüssel zu gelangen!
Sie schaute zur Decke ... es war hier so technisch und so kalt, überall tickten verschiedene befremdliche Geräte, surrten unheimliche Apparate, dröhnten in der Ferne Maschinen. Mit klopfendem Herzen folgte Margrit dennoch den Trowes. Denn - was blieb ihr anderes übrig?
Irgendwie hohl hallten ihre Schritte über den glatten Boden. War es Margrits letzter Gang? Wenn ja, hatte sie ihren Auftrag nicht erfüllt, hatte sie versagt, waren ihre Freunde ganz umsonst gestorben! Kamen dann ihre Kinder niemals frei? Sie durfte nicht daran denken. Tatsächlich ... oh Gott, oh Gott ... hier war eine Sackgasse und die Trowes blieben eifrig miteinander debattierend davor stehen. Einige von ihnen starrten dabei zu Boden. Unwillkürlich schaute Margrit auch dorthin, und erkannte die Umrisse einer Tür.
„Tepp!“ knurrte die Anführerin und wies auf den seltsam geformten Umriss. Sie kauerte sich davor und lehnte ein kleines Gerät daran. Surrend erhob sich der quadratische Deckel.
„Tep!“ wiederholte sie und wies nach dort hinab, dann streckte sie ihre dunkelgrüne Pranke aus, verlangte wohl, dass Margrit ihr den dort Schlüssel hineinspuckte. Margrit zögerte, denn allzu tückisch hatten die gelben, gefleckten Augen der Trowe dabei aufgeleuchtet.
Sie sah sich nach allen Seiten um, blickte prüfend in jedes Gesicht, griff schließlich in ihren Mund und warf den Schlüssel in hohem Bogen weit von sich.
Kreischend stürzte die Meute von Margrit fort, balgte sich heftig um das kleine Schlüsselchen und so konnte Margrit in aller Ruhe durch das quadratische Loch im Boden blicken. Sie erstarrte vor Entsetzen, denn dort gab es weder eine Leiter noch führten Treppen hinunter, dort gab es nur Rohre - Rohre - Rohre! Der Fall lag klar, man hatte sie belogen! Verdammt, was konnte sie jetzt noch tun? Ehe sie noch denken konnte, hörte sie patschende Schritte. Sie sah die nackten, haarigen Trowenbeine einer Punsi hinter sich, die unverhofft schnell zurückgekommen war, hörte, dass sie leise etwas sprach und dann – kaum, dass Margrit Zeit hatte, sich zu wehren - spürte sie einen kräftigen Tritt im Rücken.
Im Bruchteil einer Sekunde, hatte Margrit das Gleichgewicht verloren und war durch die Luke in die Tiefe gesaust. Sie hörte ihren eigenen gellenden Schrei, das seltsame Keckern der Trowengruppe von oben, dann fühlte sie unter sich etwas Hartes und krallte sich instinktiv daran fest.
Margrit war auf eines der etwa schenkelbreiten Rohre, die es ja hier in Hülle und Fülle gab, geprallt. Über sich hörte wieder das eigenartig aufgeregte Trowenmeckern und nun das Klappen der Tür und dann ein Klicken, als Zeichen dass nun oben alles fest verschlossen war.
Margrit war also eingesperrt. Immer noch schlug ihr Herz wie rasend und sie atmete heftig, während sie sich nach allen Seiten umschaute.
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Mike hatte mehrere Schüsse gehört und auch die letzten warnenden Rufe Erkans und dann wieder Schüsse vernommen, jedoch nicht gesehen, was eigentlich passiert war. Aber nun sah er Trude und Frank um die Ecke tau¬meln. Kein Tarnnebel hüllte die beiden mehr ein, sie schienen sich wohl vorhin in einem heftigen Kampf mit Hajeps befunden zu haben und dabei ganz erheblich verletzt worden zu sein.
„Alle tot?“ fragte Mike schon von weitem.
Die beiden nickten.
Frank und Trude schauten wirklich nicht gut aus. Ihre Trowenkleider waren zerfetzt. Besonders der Kittel von Trude war nur noch ein einziger Lappen und deshalb hielt sie sich wohl auch die Fetzen so krampfhaft mit beiden Händen am Körper zusammen. Frank schien sehr geblutet zu haben, denn er hatte dunkelrote, noch feuchte Krusten im Gesicht. Klar, dass man den beiden jetzt helfen musste. Also gab er den Senizen ein Zeichen, dass sie warten sollten.
„Und wie steht`s mit Erkan? Ist er etwa auch ...“, nun musste Mike doch ein bisschen schlucken, „... tot?“
Ein abermaliges Nicken der beiden bestätigte ihm die traurige Gewissheit.
„Schade um Erkan!“ bemerkte Mike dumpf, während die beiden ihm näher kamen. „Hab ihn irgendwie gemocht!“
Die beiden zögerten plötzlich.
„He, kommt ruhig rein in die Tarnglocke“, ermunterte er sie und legte dabei den Arm um Trude und zog sie näher zu sich heran, aber seltsamerweise kicherte sie diesmal nicht, wie sie das eigentlich sonst immer tat, wenn sie Mike derart nahe kam. Na ja, das sollte ihn eigentlich nicht weiter stören - oder doch? Denn Frank schwatzte plötzlich leise und ziemlich munter mit einem der Senizen, als ob er den schon ewig kennen würde. He, seit wann sprach ausgerechnet Frank ein derart flüssiges hajeptisch?
„Trude“, sagte Mike daher plötzlich, „lehn dich bitte nicht dermaßen eng an mich, denn ich kann dir sonst mein Geheimnis nicht verraten, wenn ich nicht genug Luft bekomme!“
Da blitzten Trudes seltsam, kalte Augen plötzlich neugierig auf und sofort ließ sie Mike los. „Rede!“ verlangte sie im Befehlston. Diese Stimme glich zwar ganz jener Trudes, doch sie hatte einen feinen, sonderbaren Nachhall, den man zwar nur heraushören konnte, wenn man ganz genau aufpasste, jedoch Mikes Wachsamkeit war der leicht blecherne Ton nicht entgangen. Verdammt, also hatten sich seine beiden Freunde gar nicht in Zara¬kuma verlaufen. Sie waren unterwegs gefangen und getötet worden und sie waren nur deswegen so spät an der verabredeten Stelle erschienen, weil ihre Körper erst einmal von den Howanen in Pajonite umgewandelt werden mussten. Mikes Herz krampfte sich in anbetracht dieser grausigen Tatsache schmerzhaft zusammen. Er wandte sein Gesicht ab, damit ´Trude´ die plötzliche Blässe darin nicht erkennen konnte, sah aber aus dem Augenwinkel noch, wie ´Trude´ ´Frank´ ein Zeichen gab.
Dieser hatte zwar bereits seine Hand mitsamt Waffe, verborgen in dem weiten Ärmel, Richtung Jonas erhoben, senkte ihn jetzt jedoch wieder.
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Margrit konnte so leicht nicht wieder von hier oben herunter, denn die Rohre waren etwa sechs Meter vom Fußboden entfernt und gehörten offensichtlich zu einem Abwasser- oder Heizungssystem, welches von hier aus in die oberen Etagen führte. Unten, in den verschiedenen Kellerräumen, arbeiteten besondere Maschinen, das konnte Margrit an den Geräuschen erkennen. Es gab auch schmalere Rohre hier oben an der Decke und dazwischen hingen, wie Lianen, dicke Taue, an denen sich wohl die gelenkigen Trowes von Rohr zu Rohr schwingen konnten, um mal eines zu reparieren oder zu überprüfen. Margrit hatte so viel Platz, dass sie sich auf ihrem Rohr aufstellen und von dort zum nächsten wandern konnte, um zu solch einem Tau zu gelangen, doch sie traute sich kaum die Gelenkigkeit einer Trowe zu.
Sie wusste also nicht, wie sie von hier aus hinuntergelangen konnte, und so dachte sie für ein Weilchen darüber nach, erprobte diesen und jenen Weg in Gedanken, doch nur mit dem Resultat, dass ihr das letzte Stück fehlte, das ihr hinabhelfen konnte - selbst die Stricke erschienen ihr zu kurz. Sie ahnte, dass jeder Trowe, der für die Rohre zuständig war, wohl ein weiteres Seil bei sich trug und so saß sie hier erst einmal fest. Und plötzlich hatte sie wieder diese sonderbaren Krämpfe. Oh Mann, tat ihr mit einem Male der Bauch wieder weh! Sie krampfte sich zusammen, konnte sich dabei nur mit größter Mühe seitwärts an dem Rohr festhalten. Zudem wurde ihr auch noch schwummerig. So etwas hatte sie noch nie zuvor erlebt! Ihr ganzer Körper schien mit einem Male völlig in Aufruhr zu sein, sich mit dem tödlichem Serum in einem heftigen Kampf zu befinden. Dabei wurde ihr immer wieder schwarz vor Augen und dann begann sich der ganze Raum um sie zu drehen.
Als auch das zu Ende war, zuckten plötzlich wirre erotische Phantasien durch ihr ohnehin schon so aufgepeitschtes Gehirn und dann trat entgültige Ruhe ein. Sie wartete und als nichts geschah, atmete sie erst langsam und zögerlich ein und aus, dann immer heftiger, um endlich völlig ins Leben zurück zu finden. Aber so richtig klar im Kopfe wurde sie trotzdem nicht mehr. Man konnte fast sagen, sie fühlte sich nicht nur benommen, auch irgendwie angeheitert – ja fast betrunken! Sämtliche Angst, sogar die tiefe Trauer um all ihre getöteten Freunde war mit einem Male wie weggeweht. Sie kicherte plötzlich unsinnig in sich hinein und hatte das dringende Bedürfnis, ein Liedchen zu singen und dabei auf den Rohren zu tanzen.
Da hörte sie, dass sich in den benachbarten Kellerräumen eine Tür geöffnet hatte und sie hielt erschreckt inne und lauschte aufmerksam. Tatsächlich - diese hatte sich jetzt wieder geschlossen und jemand schlenderte von rechts durch den Flur. Würde derjenige ausgerechnet den Raum aufsuchen, in welchem Margrit festsaß? Hoffentlich nicht!
Wieder gluckste sie ob dieses grotesken Gedankens in sich hinein. He, sie hatte nicht vor, hier auf ewig zu schmoren, zumal ihre Lebenszeit ja stark begrenzt war. Gewiss würde man sie, sollte man sie entdecken, einer Leibesvisitation unterziehen oder sogar gleich die Teile von Danox durch ihr Netzoberteil hindurchschimmern sehen. Wohin also damit? Sie versuchte ihr träges Gehirn zu wecken und griff sich dabei mit spitzen Fingern zwischen ihre Brüste und legte die kleinen, steinähnlichen Teile in ihre geöffnete Handfläche.
„Danox, moa scibura!“ nuschelte sie etwas undeutlich. „Mein kleiner Freund!“ Sie betrachtete die beiden Teile fast zärtlich aber auch ehrfurchtsvoll, denn ihr Verstand, der nun ein wenig zu arbeiten begonnen hatte, war sich bewusst, dass Danox noch immer für viele eine große Hoffnung war, doch wo konnte ihn Margrit nur am besten verbergen?
Die Person nebenan schlenderte nämlich gerade leichtfüßig die Kellertreppe hinunter, dabei leise, unrhythmische Pfeiftöne von sich gebend. Margrit umklammerte das Rohr jetzt sehr fest mit ihren Schenkeln, um die Balance zu halten, denn sie war noch immer furchtbar benommen, streckte den Arm weit aus zur linken Seite, wo sich an der Wand ein kleiner Teil der hautähnlichen, leicht geschuppten Tapete ein wenig gelöst und der Putz dahinter herausgebröckelt war. Ob das Loch wohl groß genug für die beiden Stücken war? Margrit probierte es einfach und ihre Bemühung war tatsächlich von Erfolg gekrönt, denn es passten beide Teile hinein. Sie atmete erleichtert aus und dann zog sie die weiche, schlangenhautähnliche Tapete einfach darüber. Erstaunlich, das Material schien zu gehorchen, wuchs zu Margrits leisem Schrecken selbsttätig wieder zu.
„Tolle Art etwas zu reparieren!“ keuchte sie verwirrt, aber doch recht zufrieden.
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Mike jagte inzwischen mit blutendem Arm durch die Flure. Verdammt, warum war ihm denn vorhin kein vernünftiges Geheimnis eingefallen? Günther Arendt hatte doch Recht, wenn er immer wieder behauptete, Mike würde zwar in allem recht begabt aber reichlich phantasielos sein!
Der Anführer der Spinnen hatte zum ersten Male in seinem Leben Tränen in den Augen. Zwar war es ihm gelungen, den beiden Pajoniten mit Mühe und Not zu entkommen - eine Horde Trowes war versehentlich in die Schießerei hinein geraten und er hatte sich unter sie mischen können und an seiner statt war ein echter Trowe erschossen worden – doch seine Freunde, die sich so tapfer gewehrt hatten, waren wohl inzwischen alle tot. Ach, er schämte sich ja so, dass er ihnen nicht geholfen, nur die günstige Gelegenheit genutzt und einfach davon gerannt war.
Doch was hätte er tun sollen? Die zwei Pajonite waren nicht nur bei den Planungen unten am Jachthafen dabei gewesen, sie hatten wohl auch die Sprengsätze bereits auf dem Schiff entschärft, denn vorhin, als Mike einen gezündet und nach ´Trude´ geworfen hatte, war überhaupt nichts passiert!
Sollte er nun trotzdem zur Zentrale? Vielleicht konnte man die sonderbaren Geräte dort ja auch auf andere Weise zerstören? Schließlich befand sich ja Atimok, das technische Genie, unter ihnen. Aber wenn nun Atimok gar nicht Atimok war, sondern auch nur solch ein ...? Erschrocken riss er sich aus seinen Gedanken, nicht nur wegen dieser grässlichen Möglichkeit, sondern auch, weil er gerade jemanden direkt zu ihm hin um die Ecke flitzen sah.
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Margrit lauschte regungslos, denn mit einem Male öffnete sich die Tür des Kellers unter ihr und ein großes, breitschulteriges Wesen, gekleidet in einer festlichen, dunkelroten Uniform, betrat hoch erhobenen Hauptes den Raum.
Sie hätte darüber beinahe die Balance verloren, so sehr hatte sie der Anblick überrascht, vielleicht auch der Umstand, dass dieser gut aussehende Kerl schon nach wenigen Schritten direkt unter Margrit gehalten hatte. Er trug zum Anlass der Feierlichkeiten sein dichtes, dunkelblaues und mit vielen Talismanen geschmücktes Haar zum Teil offen und bis zum Kinn kurz geschnitten, hinten jedoch zu einem langen, komplizierten Zopf gebunden, der ihm tief den Rücken hinab fiel. Außerdem zierte die Mitte seines Schädels ein zwar dünner, jedoch bis über die Augen fallender Haarkamm.
Margrit hielt sich mit beiden Händen an ihrem Rohr fest und atmete vorsichtig aus. Da stand er nun und wirkte auf Margrit irgendwie benommen, denn er schwankte mit dem Oberkörper ein wenig vor und zurück, schaute nicht hinauf, dachte wohl nur nach, warf dabei eine kleine, hellblaue Kugel scheinbar gelangweilt in die Luft und fing sie wieder auf, dann schritt er endlich weiter, wendete sich der Ecke zu, wo der seltsame Schreibtisch stand und das noch viel merkwürdigere, helmartige Gerät, das oben an der Wand befestigt war.
Die Melodie, die er pfiff, wurde ein bisschen zufriedener, er warf sich in den halbkugelförmigen Sessel, schlug die langen Beine übereinander und winkte dem Helm zu, dabei laut rufend: „Show me the way to the light! Come on!“
Er hatte den Satz noch nicht beendet als Margrit von oben zu ihrer Verwunderung einfach hinunter wisperte.
„Das wollen wir Menschen ja gerne tun, wenn du uns nur lässt! Gib für all das Licht, was wir euch geben können, den blauen Planeten, den du so fest umkrallst, endlich an uns Menschen zurück, Oworlotep, denn diese Kugel ist nicht dein ... du hast sie gestohlen!“
Wie der Blitz verschwand der kleine Ball, in dem sie Tobias Blaui erkannt hatte, in Oworloteps Hosentasche, war er, wenn auch ein wenig taumelig, wieder auf den Beinen, hatte die kleine Handfeuerwaffe gezogen, diese hochgerissen und die schlangenförmige Lampe an seinem Haarkamm suchte die Decke ab.
Da gewahrte er über sich eine zarte Gestalt, die zum Teil in einen weißen Schleier gehüllt war und die sich auf ziemlich erotische Weise mit ihren Schenkeln an einem der Rohre festgeklammert hatte. Der Schleier war ein wenig zur Seite geschlagen und gab den Blick, auf eines der langen Beine frei, die völlig nackt waren bis zu den Zehspitzen.
„Hich, ein Engel!“ stotterte Oworlotep halb wie in Trance. „Und ... er ist zu uns Hajeps hernieder gekommen ... zu uns ...“, Oworlotep schluckte. „Bringt er uns Rettung? Sollen wir endlich erlöst werden von all unseren Qualen ... oder bist du nur ein Todesengel, welcher uns lediglich noch mehr Finsternis bringen will?“ Er krauste seine mit einem pfeilähnlichem Muster tätowierte Stirn und schwieg für einen Augenblick. „Xorr, da ich kein Mensch bin, bist du für mich auch kein Engel, sondern lediglich eine freche Lumanti, die jetzt eigentlich in Moga Pukto vor den Jastra zu tanzen hätte und sich nur mit mir einen ausgesprochen üblen Scherz erlaubt.“ Er schnaufte unlustig gleich durch alle drei Nasenlöcher. „Hiat Ubeka, du stiehlst mir die Zeit und das habe ich gar nicht gern, daher rate ich dir, mir lieblich – xorr - lieber zu sagen, wie du da oben hingekommen bist, wer dich zu mir schickte und vor allen Dingen, woher du weißt, wie ich heiße und zwar schnellstens oder es knallt!“
Er hob die Rinjat noch ein wenig höher und visierte Margrit dabei an. Diese schwieg aber nur, nicht etwa vor Angst, das Gegenteil war eher der Fall, denn sie war einfach fassungslos vor lauter Glück, Oworlotep endlich gefunden zu haben. Er blinzelte als er sie betrachtete – hatte er sie erkannt? - und schoss nicht.
„Kannst du nicht reden?“ fauchte er. „Xorr, denke nicht, dass ich deswegen mit den Augen klimpere, weil mir dein furchtloses Gehabe imponieren könnte!“ murrte er. „Deine baren Füße sind nur krümelig. Du musst wohlig – xorr - wohl vorhin über arg schmutzigen Boden gelatscht sein!“
„Ttzisssisss, Oworlotep“, krächzte sie immer noch irgendwie benommen. „Wer wird denn so gehässig einher schwatzen, selbst wenn er inzwischen hervorragend Deutsch sprechen kann“, und sie lachte dabei leise gluckernd in sich hinein.
„Xorr, stört uns das?“ fragte er verdrießlich, da er ihr Lachen wohl als Hohngelächter deutete.
„Nein, wir staunen nur, ganz besonders darüber, dass sich solch ein mächtiger Mann in die untersten Räume zurückziehen muss, nur weil er mal seine Ruhe haben will ... sicher ist dieses Plätzchen geheim.“
Er seufzte. „Kontriglusi! Das war es bis heute.“ Und er schaute sich mit trostlosem Blick um. „Jemand muss mich schon wieder verraten haben. Wer hat geplaudert ... los rede!“ Doch dann fügte er einfach wie zu sich selbst hinzu. „Das eigene Blut ... Hajeps haben dich sicherlich zu mir geschickt, denken, wenn ich tot bin, dann würde alles anders.“
„Ich weiß nicht, wovon du sprichst Oworlotep?“ versuchte sie nun zu lügen, denn ihr war mit einem Male wieder der grässliche Auftrag eingefallen, den sie zu erfüllen hatte.
„Mosje! Nenne mich nicht immer Oworlotep!“ Er ließ seine herrlichen Zähne gefährlich wie ein Raubtier aufblitzen. „Dos! Rede! Könnten sich der hinterhältige Warabaku, Baxargedion oder gar Trodara schon so weit erniedrigt haben, dass sie sich mit den Menschen gegen mich verbunden haben?“
„Ich ... ich kenne keinen von denen!“
„Zai bao, ich kriege das ohnehin aus dir heraus, sobald ich dich hier unten habe.“ Er wippte ungeduldig auf den Zehen. „Hinji? Also, mach schon ... komm endlich von da herunter!“
„K ... kann ich nicht. Ist doch viel zu hoch!“
Er maß den Abstand. “Stimmt!“ stellte er fest.
„Aber warum bist du nicht in Moga Pukto?“ erkundigte er sich.
„Ich habe dich gesucht!“
„Mich?“ er tippte sich an die Brust. „Xorr, kann mir schon denken weshalb.“
Verdammt, ahnte er etwa ...? Ach, sie wusste gar nicht, was sie jetzt dazu sagen sollte.
„Weil er mich über dich wieder nach oben in den Saal zurück locken will!“ beantwortete Oworlotep zu Margrits Überraschung einfach selber seine Frage.
„Äh ... ja, genau!“ ächzte sie zutiefst erleichtert. „Aber warum bist du nicht dort? Ich denke, alle Hajeps feiern so gern?“
„Wer sagt das über uns?“
„Die Menschen!"
„Die Menschen, die Menschen, die Menschen ... pwi ... sind ja so dumm, die Lumantis.“
„Aber irgendwie sinnlich sind wir für euch doch, nicht wahr?“ Sie lehnte sich jetzt zur anderen Seite ihres Rohres, streckte den nackten Arm aus und wedelte dabei mit einem Zipfel ihres Schleiers zu ihm hinab. „Sonst wür¬den wir ja nicht in Moga Pukto für euch tanzen!“
„Ken ... wo seid ihr sinnlich? Jeder hier sagt inzwischen, dass Lumantis ausgesprochen langerweilisch sind.“
„Ach, und warum tanzen die Menschen jetzt?“
„Pwi!“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung. „Die können doch gar nicht tanzen, deswegen haben wir sie ja auch nur als Topatis, putzige Einlage, denn nicht einmal richtigen, zünftigen Sex können die mit uns machen, kommt man nur ein bisschen in Fahrt, steeeerben die gleich. Kannst du denn wenigstens vernünftigen Sex?“ Er blinzelte nun ziemlich interessiert zu ihr hinauf, während er sie mit kleinen Schritten von unten umkreiste, den Kopf dabei fragend schiefhaltend.
„Ich ... äh ... glaube nicht!“ stammelte sie und zog sich das Gewand über Hinterteil und Schenkel, damit er nichts davon von unten sehen konnte. Verdammt, warum machte sie das nur ... und sie sagte auch ganz andere Dinge als man mit ihr vorher geübt hatte.
„Hab ich`s mir doch gedacht!“ erwiderte er, dann schaute er nachdenklich drein. „Xorr, ihr Lumantis taugt eben zu nichts!“
Sie begann sich nun völlig, wie eine Raupe in den Kokon, in ihren Schleier einzuspinnen und er schaute deshalb ziemlich murrig drein. „Tja, dann ist es wohl schade, dass ich nur so etwas wie ein Mensch bin!“ sagte sie.
Er nickte gleich drei mal.
„Solch ein Mensch mit einem inneren Auge“, fuhr sie sehr ruhig fort, „der die Sprache des Lichtes erkennen kann, solch ein Mensch mit einer inneren Haut, welche die Sprache des Lichtes spüren kann, ein Mensch mit einem innerem Ohr, das die Sprache des Lichtes verstehen kann.“ Sie schwieg für ein Weilchen, ehe sie fortfuhr. „Tja, du hast wirklich Recht, es besteht doch ein großer Unterschied zwischen den Menschen und Hajeps! Denn ihr seht nicht das Licht, spürt kaum Wärme und eines Tages werdet ihr alle an eurer eigenen Kälte erfroren sein.“
Margrit meinte plötzlich, in Oworloteps roten Augen so etwas wie Hoffnung aufleuchten zu sehen.
„Und welchen Weg wollt ihr Menschen gehen, damit wir Hajeps wieder ein wenig Licht erkennen können?
„Ihr könntet es von uns erlernen!“
„Erlernen ... ausgerechnet von euch? Pwi ...unsere Gefühllosigkeit ist wohl eher eine Gen-Frage. Leider hat die Genmanipulation mit unseren und eueren Genen nicht geklappt!“
„Das wird euch auch nie gelingen, doch es gibt eine andere Möglichkeit, eure Sinne wieder zu erwecken. Ich würde euch diesen Weg zum Licht zeigen, würdest du mir eine Chance dafür geben!“ Himmel, sie redete ja wieder etwas völlig anderes als sie mit Günther Arendt geplant hatte!
„Poko! Du scheinst mit einem gewissen Verstand und auch Humor behaftet zu sein. Ich nehme an, dass Atabolaka dich deswegen zu mir geschickt hat.“ Er seufzte. „Er mag es nicht, wenn ich mich zurückziehe. Es lohnt sich also, sich mit dir dann und wann zu unterhalten und daher werde ich dir diese Chance geben!“
Eigentlich hatte sie nichts weiter zu befürchten, denn sie war ja ohnehin bereits im Morgengrauen tot, daher fragte sie mit ruhiger, beinahe schläfriger Stimme einfach weiter: „Und wie viel Zeit gibst du mir dafür, Oworlotep?“
„Na, so ein halbes Jahr?“ gab er zur Antwort,
„So lang?“ entfuhr es ihr verdutzt. „Äh, ich meine ... he, prima!“
„Allerdings muss es dir in dieser Zeit gelingen, mindestens einen von uns so weit verändert zu haben, dass es dem nachweisbar besser geht!“
„Und wenn nicht?“
„Dann hast du versagt und bist des Todes! Willst du dennoch auf diesen Pakt eingehen?“
„Was bleibt mir anderes übr ... he, klar doch, will ich!“
„Nuni?“
„Was nuni?“
„Ziehe dich aus!“
„Hatten wir dass nicht schon ma ... äh .. ich meine, ist doch gar nicht nötig!“
„Warum nicht?“ fragte er hinauf. „Erstens bin ich neugierig – aber nur so ein bisschen!“ schränkte er schon wieder ein. „Und zweitens ist das für mich recht praktisch, weil ich dann endlich deine grässlichen Waffen entdecke, mit denen du mich in Wahrheit schon die ganze Zeit murksen wolltest!“
„Ich denke, ich komme von Atabolaka?“
„Weiß man`s?“
„Ich ... ich bin unbewaffnet ...“
„Ach, das sagen alle!“
„Wirklich, du wirst überrascht sein, Oworlotep.“
„Kaum, denn ich schieße schneller als du!“
„Das mit dem Ausziehen geht aber richtig schwierig hier oben!“ protestierte sie nun doch. „Außerdem möchte ich ohnehin lieber zu Atabolaka als mich mit dir unterhalten, wie du es nennst.“ Sie beugte sich vor und stützte sich auf den Ellenbogen.
„Galet ... warum?“ fragte er. „Ich denke du kommst grad von dem?“
„Ach, ja?“ keuchte sie. Hatte das etwa ein bisschen zu fragend geklungen? „Ach, ja!“ wiederholte sie darum bestätigend. „Ich habe eine Idee“, begann sie von neuem. „Ich springe einfach von hier runter und ...“
„Kannst du ja machen“, fiel er ihr einfach ins Wort, „aber eine gute Idee wird das dann wohl kaum sein!“
„.. und du fängst mich auf?“ fügte sie etwas leiser hinzu.
Nun verschränkte ER die Arme. „Nein!“ sagte er kalt.
„Nein?“ erkundigte sie sich kleinlaut.
Er nickte.
„Scheint ein recht gängiges Wort zu sein“, wisperte sie. „Ach, Oworlotep, nun sei doch nicht soooo.“ Sie umklammerte mit beiden Armen das Rohr, lehnte ihre Wange dagegen und blickte so zu ihm hinab.
„XECH ... doch, doch, doch! Du ziehst dich aus, denn ich pflege niemals aufdringlich zu sein. Du enthüllst dich selbst ... hast du das jetzt begriffen?“
„Ja, leider! War ja laut genug!“ Sie richtete sich wieder auf und begann sich zögernd zu entschleiern. Das erste der hauchfeinen Tücher glitt dabei vom hochgetürmten Blondhaar, dann von den Schultern und segelte nun zu Boden. Bang schaute sie dem Tuch hinterher. Dann knotete sie das nächste von ihren Hüften, das wie fließendes Wasser über ihre Schenkel glitt und dann ebenfalls wie eine weiße, duftige Wolke hinunter segelte und direkt vor Oworloteps Füßen landete, der die beiden Schleier mit geringschätziger Miene einfach mit den Füßen beiseite schob. Er schaute nun hinauf, betrachtete Margrit für ein Weilchen gründlich ohne jeden Ausdruck im Gesicht. Hatte er sie erkannt ... hatte er sie nicht erkannt? Ach, ihr war das jetzt alles ganz egal. Sie seufzte und dann fingerte sie hinten an ihrem Rücken, um den Verschluss ihres netzartigen Oberteils zu öffnen, als er auch schon zu ihr hoch rief.
„Und jetzt spring!“
„Ach, ich sollte mich gar nicht ...?“
„Nur den Schleier. Was dachtest denn du?“
„Och ... äh ... nichts ... rein gar nichts, Oworlotep!“
„Aiiik!“ schrie er plötzlich gellend, denn etwas war auf ihn hinabgesaust, er verlor das Gleichgewicht, kippte nach hinten und anschließend rumpelte und polterte es.
Margrit war von oben in seine Arme gefallen, hatte ihn dabei der Länge nach umgerissen und jetzt lagen beide eng miteinander verschlungen auf dem Boden.
„Hich!“ Entfuhr es ihm, und er hob den Kopf und funkelte Margrit zornig mit seinen seltsamen Augen an. „Schäme dich!“ fauchte er.
„Äh, wieso?“ wisperte sie, behielt jedoch vorsichtshalber ihre Lider gesenkt, während sie seinen Hals sehr intensiv musterte. Diese neue Situation war eigentlich ganz praktisch, konnte sie doch dabei gleich ohne große Umstände in diesen kräftig hinein beißen. Gesagt getan ... schon senkte sie ihre feuchten, roten Lippen, öffnete den Mund und ... ach nein ... denn sicherlich würde er wütend darüber werden und dann konnte Atabolaka womöglich nicht mehr drankommen und der stand ja zuerst auf der Liste. Also fuhr sie zurück, klappte den Mund einfach wieder zu, sah ihn sehr freundlich an und fragte: “Was wolltest du doch gleich sagen, Oworlotep?“
„Kontriglusi!“ schnaufte er. „So etwas ist mir würgelisch – xorr - wirklich noch nie passiert! Bist du denn völlig lossi, mir derartig unvorbereitet in die Arme zu hopsen? Ich dachte, du wiegst vier Zentner!“
„Na, sagen wir drei!“ zweifelte sie nun doch ein bisschen. „Ach, das tut mir aber dann echt Leid, Oworlotep!“ und sie beleckte sich dabei die Lippen. Hm ... zu dumm, warum hatte sie die Trowes eigentlich nur nach Oworlotep und nicht aber nach Atabolaka gefragt? Na ja, man musste jetzt das beste aus allem machen. „Ach, Owor¬loteeeep?”" sagte sie gedehnt und spielte dabei leicht verträumt mit ihrem Ohrläppchen. „Ich kann doch jetzt wieder gehen, ja?“
„Ob du gehen kannst weiß ich nicht“, murrte er. „Mir scheint aber, dass deine Beine nicht verletzt sind. Bleibt nur die Frage zu klären, ob ich dich auch gehen lasse!“ fügte er sehr nachdenklich hinzu, denn er hielt Margrit schon die ganze Zeit mit beiden Händen gepackt. „Es könnte doch sein“, er presste seine breiten Pranken noch enger um ihre schmale Taille, „dass du eine Attentäterin bist ... wenn auch eine recht aparte mit vier Wimpern!“
„Wirklich? Äh, so ist`s gerade Mode bei uns, weißt du?“ Margrit versuchte sogleich, diese wieder an die richtige Stelle zu kleben.
„Aber du hasst mich!“
„Stimmt ja gar nicht!“ schnaufte sie unsicher.
„Doch, doch, du hast mich zu Boden gestoßen, auf dass ich mir mein Köpfschinn an diesem harten Boden aufschlagen soll. Dabei war ich so gut zu dir und du bist so ...“ Er sah plötzlich ziemlich ungehalten und beleidigt zur Seite. „Kep! Geh!“ zischelte er. „Verlasse meinen Schoß und zwar sooforta! Ich will dich nicht sehen, und bestelle Atabolaka, dass ich nicht mitfeiern werde, wenn er mir solche Geschenke hinunter schickt!“
„Bitte!“ erklärte sie nun richtig eingeschnappt, wollte sich aufrichten, kam aber irgendwie nicht von ihm weg, obwohl er sie losgelassen hatte. Sie schaute entsetzt an sich selbst hinunter. Nein, wie peinlich! Als sie vorhin Oworlotep in die Arme gesprungen war, musste sich wohl ihr Netzoberteil mit diesem komischen, etwa zwei Zentimeter großen Knopf, den er an seinem Hemd an der rechten Brustseite trug, verhakt haben! Die Maschen ihres Büstenhalters waren zwar kolossal dehnbar, doch je weiter sie sich von Oworlotep entfernte, umso mehr gab es von ihren Brüsten zu sehen. Also warf sie sich wieder an seine breite, muskelbepackte Brust.
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In diesem Augenblick huschten Dingawu, Tschumika und Ribari - drei wunderschöne Senizen - durch die Räume über den Kellergewölben. Sie waren zwar ein wenig taumelig, denn einige der Sklaven hatten ihnen Arabak, ein stark alkoholisches Getränk zukommen lassen, aber dennoch waren sie vorsichtig, fast ein wenig ängstlich, wussten sie doch, dass Warabakus Leute gerade in der Nähe auf der Suche nach ihnen waren. Nein, sie hatten nicht vor, gehorsam in dieser Nacht bei ihrem Befehlshaber zu erscheinen und sich für ihr Verschwinden exemplarisch bestrafen zu lassen, zumal die beiden Lumantis, welche sie in einer kleinen, geheimen Kammer unterhalb des prächtigen Daches von Lakeme gefangenen hielten, ihnen später mindestens zwei ein halb Klontis einbringen würden. Warabaku war doch ein Verrückter! Für die Drei stand fest, dass die Jastra im Nu wieder mal alle Aufständischen mitsamt Attentätern erwischt und diese dann auch wenig später hingerichtet haben würden.
Die Drei brauchten sich nur diese Nacht nicht sehen zu lassen und abzuwarten. Am nächsten Morgen schon würde Warabaku, sofern der dann noch nicht überführt und bereits getötet worden war, es gar nicht mehr wagen, seine Hand gegen sie zu erheben, aus Angst, sie könnten ihn verpfeifen.
Freilich würden sie dies nie tun, hassten sie doch genauso wie all die übrigen Sklaven und unteren Kasten ganz besonders die Jastra, doch ihr Leben auf`s Spiel setzen wollten sie deswegen noch lange nicht. Viele der Attentäter, seltsamerweise diesmal überwiegend Lumantis, waren bereits getötet worden.
Doch das viele Warten war ihnen irgendwie langweilig, außerdem war der Arabak alle und nun hörten sie plötzlich Stimmen unter sich – und zwar eine weibliche und eine männliche! Und dann entdeckten sie die Umrisse einer Öffnung im Boden. Sie berührten das Sensorfeld daneben und zischend öffnete sich die Tür.
Sie waren nicht schlecht erstaunt, dass sie Oworlotep in einer ziemlich eindeutigen Körperhaltung mit einer recht attraktiven Lumantitänzerin beschäftigt sahen. Die Drei schauten einander verwirrt an, denn Atabolaka hatte für Oworlotep bereits zwei sehr aparte Hajepas und eine besonders zierliche Senizin für die kommenden Stunden ausgesucht, wie sie von anderen Sklaven erfahren hatten, mit denen er nun auf Oworlotep wartete. Was war hier los?
Alle drei rafften sich daher ihre Schleier zurecht und legten sich einfach der Länge nach auf den Fußboden, um die Öffnung herum. In der Mitte lag dabei Tschumika, nicht weil sie eine Frau, sondern auch, weil sie die Frechste von den dreien war und deshalb diesen Platz für sich beanspruchte.
Wie Orwolotep plötzlich zu dieser Lumantitänzerin gekommen war, war ihnen wirklich mehr als rätselhaft. Vermutlich wollte er heute wohl ganz allein, so ein bisschen ... und aus diesem Grunde hatte er sich diese Lumanti in sein Versteck geholt. Es war ihm wohl peinlich gewesen, dass er als Jastra mit einem Male Appetit auf eine wertlose Lumanti bekommen hatte und darum sollte das wohl geheim bleiben. Ehrfurchtsvoll über so viel Klugheit schüttelten die drei Senizen stumm die Köpfe.
„Hiat Ubeka, dandu Antsorr“, sagte schließlich Tschumika leise zu ihren beiden Männern und fuhr in hajeptischer Sprache fort. „Solch eine Gottheit versteht sich bestimm, auf ganz besonders aparte Art und Weise Lust zu bereiten. Wir könnten womöglich etwas dazu lernen.“ Wieder nickten sie alle Drei und dann spähten sie aus ihren goldumrandeten Augen noch aufmerksamer hinab. Zum Glück waren sie dieser lumantischen Sprache kundig und so würden sie, obwohl sie noch immer ziemlich trunken vom Arabak waren, doch einiges verstehen.
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„Xorr, was heißt hier geht nicht!“ hörten sie Oworlotep ziemlich aufgebracht. „Wenn man will, geht eigentlich alles ... du willst nur nicht ... zaiii, kennt man ja ... ihr Weibchen wollt schon, doch immer nur das EINE!“ knurrte Oworlotep. „Xorr, warum fummelst du jetzt an meiner Brust herum?“
„Ach, ich will nur endlich mein Dings von deinem Ding lösen“, schnaufte Margrit völlig konzentriert. „Die beiden haben sich nämlich ineinander verheddert, weißt du ... aber dann gehe ich gleich, das verspreche ich dir!“
Eine steile Falte bildete sich zwischen Oworloteps schön geschwungenen Brauen, während er ausgesprochen misstrauisch Margrits Tun beobachtete. „Ich mache dich darauf aufmerksam, dass dieses sogenannte Ding hochempfindlich ist. Bei sämtlichen Göttern des Alls, gehe also vorsichtig damit um!“
„Ach, Oworlotep, kannst du dich vielleicht ein bisschen mehr nach vorne beugen, damit ich an deinen ... äh ... na, egal ... besser herankomme?“
„Hiat Ubeka, der heißt nicht egal“, knurrte Oworlotep empört, „weil er einfach einzigartig ist. Erspare mir die Mühe, dir sämtliche technische Raffinessen aufzuzählen, chem, chem?“
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„Habt ihr gehört? Seiner ist einzigartig!“ wisperte Dingawu indes von oben.
„Umpf!“ schnaufte Tschumika ehrfürchtig.
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Oworlotep schwieg für einen kurzen Augenblick und sah dann irgendwie neugierig drein. „Was mich allerdings interessiert, ist der ...“ er neigte den Kopf ein wenig zur Seite, streckte den Finger aus und tippte sacht gegen eine von Margrits mit goldenen Netzen verhüllten Brüste, die auf seinem Hemd ruhten und dabei ein wenig bebten. „Wie heißt dein ... dieses Dings doch gleich bei euch? Mir ist das irgendwie entfallen.“
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„Genial!“ ächzte Tschumika hingerissen von oben. „Er greift ihr an die Brüste!“
„Also, so genial ist das nun auch wieder nicht!“ bemängelte Dingawu nun doch. “Machen wir das nicht auch?“
„Aber bestimmt nicht so durchdacht!“ seufzte Tschumika hingerissen.
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„Stör mich jetzt bitte nicht!“ zischelte Margrit angespannt und mühte sich, den goldenen Faden des Netzes, der sich um das kleine Gerät gewickelt hatte, welches Oworlotep wie einen Orden an seinem Hemd trug, zu lösen. „Na gut, das ist ein Netzoberteil!“
„Lon, lon!“ murmelte Oworlotep fügte dann aber hastig hinzu. „Soll ich dir vielleicht dabei helfen? Ich würde es nicht ungern tun!“
„Kann ich mir denken. Nein, auf gar keinen Fall!“ fauchte sie.
„Was kannst du dir denken?“
„Na DAS ... du weißt schon was!“
„Nein, DAS weiß ich nicht!“
„Ach, Oworlotep, nun tu doch nicht so! Können wir nicht diesen ... diesen ...“
„Tochot!“ half er ihr.
„Ja, können wir den nicht irgendwie von deiner Jacke entfernen? Dann geht das vielleicht einfacher!“
„Denda!“ Er schüttelte heftig den Kopf. „Der Tochot ist fest mit meiner Jacke verschweißt, damit er besser sitzt und auch bei heftigsten Bewegungen nicht ver ... verrutscht.“
„Und was machst du, wenn du das Ding mal an einer anderen Jacke haben willst?“
„Es gibt ein Gerät, mit welchem man ihn lösen und an anderer Kleidung befestigen kann, das trage ich aber nicht bei mir.“
„Ach, Oworlotep, könntest du dann wohl die Jacke ausziehen, vielleicht geht es dadurch leichter?“
„Ahaaah! Ausziehen!“ zischelte Oworlotep erbost. „Und das hast du wohl auch vorhin mit ´DAS´ gemeint! Nööö, dazu kriegst mich nicht `rum.“
„Ach nein? Und was wolltest dann vorhin mit machen?“
„Auf keinen Fall DAS! Akir, du bekommst diesen Adoniskörper nicht nackischt zu Gesicht, magst du auch noch zu viel flehen und betteln ... außerdem wird mir dann vielleicht kalt!“ fügte er recht sachlich hinzu. „Und du bist Schuld! Schließlich hast du dich an mir verheddert und nicht ich an dir, und darum wirst du dich ganz alleine darum bemühen, schleunigst meinen einzigartigen Tochot von deinem hässlichen Netzdingens da zu befreien!“
„Na schön.“ Sie seufzte. „Du hast es nicht anders gewollt, Oworlotep.“ Da lagen sie nun ausgestreckt auf dem Fußboden und er hielt die Hände lässig im Nacken verschränkt, schaute Margrit bei der Arbeit zu, die ihren weichen, halbnackten Körper an dem seinigen beständig hin und herschob, weil sie gedachte, das Netzteil dadurch zu verschieben und es somit besser vom Tochot lösen zu können. Aber da Oworlotep nun mal ein Mann war, veränderte sich im Laufe der Zeit an ihm dabei so einiges – selbstverständlich ohne, dass er es wollte und er ärgerte sich deshalb.
„Hux, ich kann es gar nicht verstehen“, schnaufte er schließlich, „dass du so lange machen musst ... aber ich werde mal nicht so sein und dir helfen. Hast du gehört, du lässt mich endlich mal da ran!“ Und schon hatte er zugegriffen und zuckte sogleich zurück!
„Wenn du mich noch mal so ordinär begrabschst, haue ich doller zu“, zischelte Margrit aufgebracht.
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„Gazchin mezent ... sado-maso!“ flüsterten die beiden Männer begeistert, nachdem sie Margrits Worte vernommen hatten. “Die schöne Lumanti scheint ja eine richtige Begabung zu sein!“
„Pwi“, machte Tschumika, „was kann sie denn schon!“
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„Na gut!“ hörten sie weiter Oworlotep. „Ich sehe jetzt darüber hinweg, da du nicht weißt, dass es verboten ist mich zu schlagen!“
„Jetzt Oworlotep“, fiel ihm Margrit einfach ins Wort. „DAS halte mal fest ...“
Er hielt das goldene Fädchen mit zwei Fingern und fuhr leise knurrend fort: „Truxin ... warum reißt du diesen dämlichen Faden nicht einfach durch?“
„Das könnte dir so passen, dann rippelt sich doch mein ganzes Netzoberteil auf und ich stehe im Freien!“
„Zai dandu? Na und?“ brummte er und zog ordentlich kräftig an dem Faden. „Es gibt viele Mädchen, die ´oben ohne´ herumlaufen.“
„Oworlotep!“ kreischte Margrit laut. „Wirst du das wohl lassen!"
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„Würgelisch sehr begabt diese Lumanti!“ ächzten die beiden Freunde schon wieder von oben.
„Pwi!“ machte Tschumika abermals geringschätzig.
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Margrit nahm mit verdrießlicher Miene den Faden Oworlotep wieder aus der Hand. „Ich habe meine Grundsätze.“
„Xorr“, schnaufte Oworlotep, „dass ich nicht lächere! Du bist eine Karda und willst Grundsätze haben ... wie das?“
„Was ist eine Karda, Oworlotep?“ fragte Margrit beiläufig und bemühte sich, den kleinen Knoten in dem Goldfaden aufzubekommen.
„Das, was man bei euch eine Nutte nennt.“
„Eine Nutte?“ schnaufte sie empört, veränderte aber sofort ihre Tonlage, denn ihr war plötzlich eingefallen, weswegen sie ja eigentlich hier war. „Ja, das bin ich“, zwitscherte sie. „Aber Nutten dürfen auch ihre Grundsätze haben, nicht wahr?“
„NICHT wahr!“ Ein kleiner Schalk blitzte dabei in Oworloteps Augen auf und er schaute sie prüfend an, dann aber zuckte er zusammen. „Hich ... skirrko!“ brüllte er nun. „Bist du denn vollständig lossi geworden? Jetzt hast du ihn mir abgebissen!“ Er war aufgesprungen und jagte Margrit hinterher.
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„Sie hat ´IHN´ Orwolotep abgebissen!“ ächzten die drei Senizen von oben betroffen.
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„Ging ganz leicht, war erstaunlich weich!“ krächzte Margrit noch schnell. Sie war aufgesprungen und da die Kellertüre offen war jagte sie in den nächsten Raum.
„Du wirst gleich noch viel mehr staunen, wenn du ihn mir nicht wieder gibst und zwar sofort!“ brüllte Oworlotep. „Hiat Ubeka, ich brauche doch das Ding!“ fügte er jammernd hinzu.
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„Da hat er Recht!“ bestätigten die drei Senizen wieder leise von oben.
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„Und er war mein bestes Stück!“ brüllte Oworlotep Margrit wütend hinterher, während er durch den nächsten Keller jagte.
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„Auch das ist nicht unrichtig!“ wisperten die drei Senizen.
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„Er war mein Liebling!“ schrie Oworlotep.
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„Komisch, der meinige ist es auch!“ flüsterte Dingawu.
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„Was willst du denn damit, du kannst ja doch nichts damit anfangen!“ kreischte Oworlotep.
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„Das stimmt!“ bestätigte Tschumika.
„Und was machen wir nun?“ fand Ribari als erster die Kraft zu einer vernünftigen Entscheidung wieder. „Oworlotep wird verbluten! Irgendwie müssen wir doch jetzt Hilfe holen, oder?“
„Wo er ein Jastra ist?“ fiel es den Dreien plötzlich ein und dann zuckten sie irgendwie hilflos mit ihren Schultern. „Tja, schade ... jammerschade, dass er ein Jastra ist“, bemerkte Tschumika leise seufzend und ihre Männer nickten dazu bestätigend und verschlossen nicht nur sorgsam die Öffnung, sondern legten auch noch den dicken Teppich darauf, der hinten in der Ecke gelegen hatte, damit man Oworloteps fürchterliches Geschrei nicht mehr hören konnte!
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„Es setzt Prügel, wenn du nicht sofort stehen bleibst!“ kreischte Oworlotep indes Margrit hinterher.
„Ach, Oworlotep, wer wird denn? Denke an deine Grundsätze ... ein Mann läuft keiner Frau hinterher!“
„Das ... das tue ich auch nicht!“
„Ach, nein?“" feixte sie. „Was machst du denn dann?“
„Ich jage diese Frau nur so ein bisschen vor mir her!“
Schon hatte er sie beim Ellenbogen ergriffen. Komisch, sie fühlte sich mit einem Male so seltsam schwach auf den Beinen.
„Solche Spielchen halten mich einfach zu lange auf, da ich noch zu Atabolaka muss, weißt du?“
„Bitte?“ wiederholte er nun richtig empört. „Hier hat nur einer wenig Zeit und der bin ich, chesso? Hiat Ubeka, rück endlich meinen Tochot heraus!“
Sie atmete erleichtert aus und gehorchte sofort. Er ließ sie tatsächlich los und betrachtete das Ding nun mit sorgenvoller Miene.
„Du ... du hast ihn kapudding ... xorr ... kaputt gemacht“, fauchte er entgeistert. „Horch ... es klappert ... hörst du es?“
„A ... aber nur so ein ganz winziges bisschen!“ räumte sie recht verängstigt ein.
„Das habe ich befürchtet ... xach ... warum musstest du vorhin auch so herzhaftig zubeißen und ...“
Sie wollte wieder fortlaufen, um seinem schrecklichen Zorn zu entgehen, aber mit einem Male hatte sie wieder diese entsetzlichen Magenkrämpfe. Verdammt, das wurde ja immer schlimmer!
Zu ihrer Überraschung beachtete er sie jedoch nicht, drehte sich nur auf dem Absatz um und machte sogar kehrt.
„He, nanu? Äh wo ... wo willst du denn so plötzlich hin?“ ächzte sie und krampfte sich unauffällig zusammen.
Er blieb stehen, schaute sich aber nicht nach ihr um. „Zai, Atabolaka wartet schon lange oben auf mich!“
„Oh ... äh .. das trifft sich aber gut, dann könnten wir ja zusammen zu ihm gehen.“ Verdammt, sie taumelte ja jetzt richtig, hustete!
Nun endlich wendete er sich nach ihr um, sah aber dabei zu Boden. „Wer sagt, dass ich zu ihm gehen will? Ich habe lediglich behauptet, dass er auf mich wartet.“
„Puh ... oh ... uuuh .. aber ich muss doch dort hin.“ Weiter konnte sie nicht reden, denn sie war mit einem Male hingeschlagen. Wie peinlich, sie kam nicht mehr vom Boden hoch, die Beine versagten buchstäblich ihren Dienst. “Ich muss doch zu ihm.“
„Das musst du nicht ... noch nicht jedenfalls.“ Ganz langsam kam er zu ihr zurück gelaufen und dann sah Margrit seine komischen Stiefel direkt vor ihrem Gesicht. Verdammt, er sagte nichts, aber sie ahnte, dass er mehr wusste, als sie die ganze Zeit von ihm gedacht hatte. Ach, bestimmt war er wütend. Ganz gewiss hasste er die hinterhältige Lumanti, die eine Seuche unter seinem Volk hatte verbreiten wollen und nun so erbärmlich auf dem Fußbo¬den lag. Würde er sie zertreten wie einen widerlichen Wurm? Oder würde er ihr erst den Mund zukleben, sie dann noch für ein Weilchen quälen und sich daran erfreuen? Sie wagte nicht, zu ihm hoch zu schauen. Tränen liefen ihr die Wangen hinab, tropften auf den kalten, steinernen Boden. Verdammt, warum machte er so lange und erschoss sie nicht ganz einfach? Langsam, sehr langsam wagte sie nun doch einen Blick zu ihm empor. Breitbeinig, mit vor der Brust verschränkten Armen, schaute er fast königlich zu ihr hinab. „Du musst es nicht tun!“ hörte sie ihn wieder. „Noch hast du Zeit, wenn du es nicht wirklich tun willst!“
„Ich ... ich soll aber doch ...“ krächzte sie verzweifelt zu ihm hinauf. „... sonst ist doch alles verloren!“
„Verloren!“ wiederholte er trübsinnig. „Akir, alles Leben ist doch im Grunde irgendwann einmal verloren!“ Und dann bückte er sich, sah ihr dabei scharf in die Augen und fragte: „Was willst du wirklich? Willst du uns helfen oder willst du ...“ er brach ab, suchte wieder ihre Augen.
Doch diesmal wich sie seinem Blick nicht aus, sagte plötzlich fest entschlossen: „Euch mit ganzem Herzen helfen, Oworlotep, das kannst du mir wirklich glauben!“
„Glauben?“ wiederholte er zweifelnd, doch er nahm sie, wenn auch zögernd, einfach in seine Arme und nach kurzer Überlegung hob er sie hoch. „Wir sind ein Volk ohne Glauben ... ohne jede Hoffnung auf Licht!“ wisperte er traurig.
„Und weshalb nennt ihr uns dann Lumantis, wenn ihr nicht in Wahrheit doch auf Licht hofft?“
Er erwiderte nichts und irgendwie spürte sie sonderbarer Weise, dass er nun Angst bekam. Margrit hatte sich nämlich nicht nur eng an ihn gekuschelt, sie starrte, wenn auch ganz unbewusst, plötzlich wieder auf seinen Hals. Oworloteps Jacke war vom vielen herumlaufen fast bis zum Bauch aufgesprungen und Margrit erblickte deshalb viel nackte Haut. Feine Härchen kringelten sich auf seiner Brust. Sie strich sacht darüber und er zuckte deshalb ein bisschen zusammen, keuchte dabei leise. Ach, Hajeps waren ja den Menschen im Grunde verdammt ähnlich.
Doch seltsam, kaum hatte sie das zweite Mal über seine Haut gestrichen, lief ihr das Wasser förmlich im Munde zusammen und wilde erotische Phantasien plagten sie. Ihre Schenkel zitterten, ihre Schultern bebten und noch enger umschlang sie plötzlich Oworloteps Körper mit ihrem weichen, nackten Armen.
Die Angst in Oworloteps Blick hatte sich dabei in regelrechte Panik verwandelt, sein Atem ging heftig, doch tapfer trug er Margrit einfach weiter durch die düsteren Kellergewölbe und dann die Treppe nach oben.
Die unwahrscheinliche Sehnsucht, Oworlotep küssen, eigentlich beißen zu wollen, war dennoch für Margrit so zwingend geworden, dass sie ihre roten Lippen öffnen und sich dieser verführerischen Stelle am Hals direkt unter seinem süßen Kinn nähern musste. Aber sie wollte es doch gar nicht! Verdammt, was war jetzt los? Das war gewiss das Werk des scheußlichen Refenins. ´Nein, nein!´ schrie ihr Innerstes hilflos auf. Ihre Hand tastete sich trotzdem weiter vor, zitternd strichen ihre Finger immer wieder und wieder seinen Hals entlang und Oworlotep beobachte all dies mit Entsetzen, tat jedoch gar nichts dagegen, lief lediglich nun durch die obere Etage schneller als zuvor.
Margrit versuchte indes verzweifelt und mit letzter Kraft, gegen sich selbst anzukämpfen und dann, ganz plötzlich, biss sie zu! Jedoch nicht Oworlotep zuckte schmerzerfüllt zusammen, sondern Margrit! Sie hatte sich in letzter Sekunde einfach in ihre eigene Hand gebissen.
Es war ein sehr tiefer Biss! Dunkelrotes Blut quoll jetzt aus Margrits Hand und besudelte Oworloteps entblößte Brust. Doch durch diesen wahnsinnigen Schmerz war sie wieder völlig zu Verstande gekommen. Die wilden Phantasien waren wie weggeweht. Unsicher schaute sie Oworlotep nun ins Gesicht und er erwiderte ihren Blick. „Margrit“, krächzte er heiser und zutiefst bewegt. „Ich habe gehofft, dass du so handeln würdest und wurde nicht enttäuscht. Vielleicht haben wir Hajeps doch eine Chance, denn ich habe mit eigenen Augen den ersten Schimmer des Lichtes gesehen!“
„He, und das ist nun der richtige Weg?“ Erkan wandte sich nach Frank und Trude um. Diese nickten ihm abermals zu. Waren reichlich wortkarg in letzter Zeit, sonderten sich auch dann und wann so komisch von ihm ab. Man hatte dabei den Eindruck, sie tuschelten miteinander.
Gesenkten Hauptes lief er weiter. Eigentlich war Trude schon immer reichlich komisch gewesen, aber Frank? Der hatte doch sonst ein paar flotte Sprüche für jede Gelegenheit parat gehabt? Allerdings kannte er die beiden Spinnenguerillas nicht so gut wie Mike und wenn der das nicht merkwürdig fand, sollte er sich eigentlich auch beruhigen, oder?
Mike, Christian, Jonas und die vier Senizen, welche die Gruppe beständig in einen Tarnnebel hüllten, waren leider auch für ihn nicht zu sehen. Das war ja das Verzwickte an diesen komischen Nebeln. Er konnte nur heraushören wohin sie liefen. Aber jene Senizen, die seine Gruppe begleiteten, hatten besondere Hörgeräte in ihren Ohrkapseln verborgen. Sie hielten die Gewehre in ihren schmalen, feingliedrigen Händen die ganze Zeit schuss¬bereit. Es war schon seltsam, dass auch die Senizen zur jeder Jahreszeit feste Handschuhe tragen mussten, die ihre Finger stützten. Nur die Trowes trugen keine, hatten dafür aber sechs Finger an jeder Pranke. Welche son¬derbare Krankheit musste diese Völker überfallen haben?
Gerade als er so mit seinen Gedanken vom eigentlichen Geschehen abgelenkt war, meinte er plötzlich, gleich dreimal kurz hinter einander leises, jedoch recht merkwürdiges Zischeln hinter sich innerhalb der Nebelglocke vernommen zu haben. Verdutzt drehte er sich um und sah, dass die drei Senizen nacheinander stöhnend und mit zusammen gekrümmten Körpern zu Boden stürzten. Auch der Tarnnebel, der sie alle bisher beschützt hatte, war mit einem Male verschwunden.
„Nanu?“ fragte er Trude und Frank verwirrt. „Ich sehe gar keine Hajeps, wie ist das passiert?“
„Auf diese Weise, du erbärmlicher Lumanti!“ zischelte Trude mit kleinen, boshaften Augen.
Erkan hatte keine Zeit, mit seiner bereits gezogenen Waffe auf Trude und Frank, der ebenso hämisch sein Gesicht verzerrt hatte, zu feuern. Die Kugeln aus Erkans Revolver machten auch Trude gar nichts aus, fetzten ihr nur ein bisschen die Trowenkleidung vom stahlharten Roboterkörper und fast gleichzeitig zischelte es aus Trudes und auch aus Franks weiten Ärmeln hervor und Erkan spürte einen stechenden Schmerz in seiner Brust und in seinem Bauch.
„Hilfe!“ schrie Erkan noch aus Leibeskräften. „Hiiiilfe, Mike, Christian, Jona ...!” Doch dann verließ ihn vollends die Kraft, stürzte er, wie vor ihm die drei Senizen, sterbend zu Boden.
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Die kreisförmige Tür schloss sich sofort und Margrit schaute sich im schwachen, rötlichen Licht angstvoll um. Es roch - oder konnte man direkt sagen stank? - hier irgendwie nach Tier. Die vier unterschiedlich großen und kräftigen Punsis, welche Margrit ebenso skeptisch anstarrten, waren still geworden, denn man hörte draußen Stimmen, verdutzte Ausrufe in hajeptischer Sprache. Die Jimaros konnten sich wohl nicht erklären, wohin Margrit so plötzlich entschwunden war.
Nach kurzer Beratschlagung hetzten die Soldaten schließlich weiter und eine der Punsis, sie war ganz besonders breitschultrig, strich nun über ein kleines, blaues Sensorenfeld an der Wand. Dabei war ihr die weite Kapuze ein wenig vom Kopf gerutscht und Margrit konnte - ihr stockte das Herz - das ganze Gesicht im Profil erkennen.
Noch nie hatte sie weibliche Trowes aus nächster Nähe gesehen und daher war dieser Anblick im wahrsten Sinne des Wortes einfach atemberaubend!
Die Züge dieser Trowin waren tatsächlich so grobschlächtig, wie ihr Munjafkurin Punsiweiber beschrieben hatte. Auch die übrigen Frauen ähnelten eher derben Kerlen als Wesen weiblichen Geschlechts und man konnte kaum erkennen, wer von den Damen eigentlich jünger oder älter war. Alle hatten einen kurzen, flauschigen Bart und eine niedrige, fliehende Stirn. Zwar war das Kopfhaar lang, aber es wuchs knapp über den üppig wuchernden Augenbrauen. Die Lippen waren derart schmal geschnitten, dass man unsicher werden konnte, ob diese Frauen überhaupt welche hatten. Ihre Augen waren sehr klein, bunt gescheckt, lagen tief in den Höhlen und glänzten gelb und rund.
Margrit vermutete, dass man sie nur deswegen gerettet hatte, weil man der Annahme gewesen war, dass sie eine echte Punsi sei, die sich - aus welchen Gründen auch immer - in großer Not befand. Sie betrachtete die breiten Handgelenke und muskelbepackten Unterarme der Punsis mit einigem Respekt und fürchtete den Moment der Aufdeckung ihres Geheimnisses. Warum stand man hier eigentlich so lange dumm herum und öffnete nicht wieder Tür? Es war hier schließlich eng, ungemütlich und vor allen Dingen - stinkig! Margrit drückte nachdenklich den kleinen Trommler an sich, den sie noch immer unter ihrem weiten Mantel verborgen hatte, da machte es plötzlich - klick - und zwei kleine Teile fielen daraus leise klackend zu Boden. Sie hatte also unwissentlich die richtige Stelle gedrückt und dadurch einen kleinen Mechanismus in Gang gesetzt, welcher die in den Trommeln des Bären befestigten Gegenstände daraufhin frei gab.
Margrit stellte möglichst unauffällig den nackten Fuß auf die beiden kleinen, anscheinend steinernen Gegenstände und die wuchtigen Brauen der Punsi, die ihr gegenüberstand, schnellten hoch, da sie Margrits blasse, zier¬liche Zehen unter dem Saum des derben Mantels für einen kurzen Augenblick hatte hervorblitzen sehen.
"Kos to foro kontriglus ae trowe?“ erkundigte sich nuschelnd die Anführerin des kleinen Trupps, welche sich wohl ihrer Sache nicht ganz sicher zu sein schien.
Margrits Kinnlade hing herunter, denn sie wusste nicht, was sie jetzt machen sollte. Die Punsi wiederholte ihre Frage, die sie nur ein wenig anders formulierte. Margrit überlegte und nickte dann zögernd. Es folgte eine kurze Beratschlagung der vier Trowenweiber und dann ein zorniges Geschrei von allen Seiten und drei Pranken schnellten fast gleichzeitig in Margrits Richtung, fetzten ihr die Kapuze samt Mantel von den mageren Schultern.
Da stand Margrit nun zitternd und bebend in ihrem spärlichen Tanzkostüm, das nur noch von einem hauchzarten, weißen Schleier verhüllt wurde und Margrit war plötzlich schlecht ... ach Gott, ach Gott, was war ihr schlecht! Jetzt erst reagierte sie wohl auch auf all das Furchtbare, welches sie vorhin hatte mit erleben müssen. Es kam wohl alles nach.
Sie sackte langsam in die Knie, rutschte dabei mit dem Rücken an der Wand der kleinen Kabine entlang, kauerte schließlich auf dem Boden und rang nach Atem, heimlich dabei jedoch die zwei kleinen Steinstückchen, die sie endlich wieder erkannt hatte, zwischen ihre Finger nehmend.
Die vier Trowes starrten Margrit indes fassungslos, ja beinahe ängstlich an. Offensichtlich hatten sie noch nie eine Lumanti ganz aus der Nähe gesehen. Sie betrachteten mit flatternden Lidern Margrits rosafarbene Haut, deren zierliche, unbehandschuhten Hände und starrten danach entgeistert auf die roten Lippen und hellblauen Augen in diesem feingeschnittenem Gesicht und stießen dabei verdutzte, keckernde Laute aus.
Zwei von ihnen hatten sogar solche Angst vor Margrit, dass sie sich in ihrem Eckchen zitternd aneinander klammerten. Die Frechste des kleinen Trupps beruhigte sich jedoch bald und zeigte einige Neugierde. Am meisten schien die Trowes wohl dabei das komische golden schimmernde und zu einer prächtigen Frisur hochgesteckte Haar zu interessieren, denn diese Punsi streckte vorsichtig einen Finger aus, berührte diese seltsam wei¬chen Haare kurz, bewundernde Grunzlaute von sich gebend. Da schöpften auch die übrigen Trowes Mut und alsbald schnellte Finger um Finger vor, um die komischen Spangen in diesem Haar zu betasten.
Die Griffe wiederholten sich und Margrit ließ inzwischen die beiden Teile von Danox, welche sie bisher unter ihrem zarten Schleier verborgen hatte, unauffällig in ihrem Ausschnitt verschwinden.
Die Trowes wurden immer schneller und kecker, eine wollte schließlich gleich zwei der bunten Spangen herausreißen und dabei musste sich die Perücke wohl von Margrits Kopf gelöst haben, denn zu Tode erschrocken hielt diese Punsi nun ihre Perücke in der Hand, während ihre Genossinnen laut kreischend auseinander stoben, die hocherhobene Haarpracht dabei fassungslos anstarrend.
Die Perücke klatschte schließlich zu Boden und jene Punsi warf dabei einen bedauernswerten Blick in Richtung Margrit, wo sie wohl einen blutigen, kahlen Schädel erwartete und erstarrte ... Empörung verdrängte sofort das Schuldgefühl und sie wollte sich wutschnaubend auf Margrit stürzen, doch diese hatte inzwischen den kleinen Trommler aufgezogen und den Bären auf den Boden gestellt.
Ratternd bewegte er sich nun auf die vor ihm fort hopsenden Trowes zu und wieder kreischten die überlaut von allen Seiten. Als das Bärchen still stand, ergriff es sich Margrit, zog es von neuem auf und ließ es laufen. Dann setzte sie sich fast feierlich wieder ihre Perücke auf und von neuem ward der kleine Bär aufgezogen und watschelte trommelnd auf die Punsis zu. Immer wieder ließ sie ihn laufen, aber den Schlüssel behielt sie jedes Mal bei sich.
Schließlich gewöhnten sich die Trowes an das ungewöhnliche Bild, die ersten fröhlich glucksenden Laute ertönten und dann näherte sich Margrit schon wieder die Frechste, indem sie das Bärchen sogar für einen kurzen Augenblick festhielt, es hochhob ... aber als es zappelte, gleich wieder laut quieksend losließ. Schließlich machte es den Trowes so viel Spaß, dass es die Führerin des Trupps behalten wollte, und sie versteckte es in ihrem Mantel, ihr Ansinnen auf diese Weise Margrit verdeutlichend
Doch Margrit schüttelte den Kopf. „Denda!“ sagte sie gebieterisch. „Ihr bekommt diesen Trommler nur
... en jusels tes pir, wenn ihr mich zu Oworlotep bringt ... ault enne mai ir Oworlotep jewalo ... versteht ihr? Nenulon enne? OWORLOTEP ... O-WOR-LO-TEP ... chesso?”
Die Trowenweiber waren zunächst erstaunt, dass Margrit ihre Sprache beherrschte, doch dann wurden sie sehr laut, redeten reichlich nervös aufeinander ein, und verschiedene Meinungen traten dabei wohl zu Tage. „Tep ...“, nuschelte dabei eine von ihnen, „Ow ...“, hörte Margrit wieder aus dem Stimmenwirrwarr heraus.
Alles nickte schließlich und die Anführerin verzog ihr Gesicht zu einer hämischen Maske. Fest wickelte sie den Mantel um das kleine Spielzeug, damit verdeutlichend, dass sie das ja behalten konnte, ob Margrit nun wollte oder nicht.
Margrit schüttelte wieder den Kopf, hielt ihr den blinkenden Schlüssel entgegen und wies damit kurz auf den Boden. Die Trowe stellte den kleinen Trommler dort hin und wartete, schließlich gab sie ihm ärgerlich einen Schubs, doch es passierte nichts weiter als dass er umfiel.
Daraufhin begann sie nach Margrits Schlüssel zu haschen, doch diese legte sich den winzigen Schlüssel einfach auf die Zunge, verschloss fest den Mund, weiterhin den Kopf schüttelnd und machte dabei mit dem Finger eine Bewegung an ihrem Hals hinunter.
Verdutzt starrten die Trowes, die sich eben noch gemeinschaftlich auf die zierliche Lumanti hatten stürzen wollen, einander an. Was sollten sie nun tun? Die Lumanti würde anscheinend den Schlüssel hinunter schlucken, noch bevor sie die überwältigt hatten. Außerdem mussten sie dringend weg. Sie hatten daher wenig Zeit. Selbst wenn sie die Lumanti töteten und ihr den Bauch aufschlitzten, würden sie den Schlüssel nur sehr mühsam irgendwo im Hals oder gar schon im Magen finden. Das war zu umständlich und auch zu eklig ... kurz, man musste sogar aufpassen, dass die Lumanti den Schlüssel nicht einmal versehentlich verschluckte.
Und so wurde man sehr höflich, grunzte Margrit sogar nett an und dann ging endlich die Tür auf und Margrit schritt hinaus. Verwundert blickte sie sich um, denn sie befand sich in einer ganz anderen Etage. Also war die kleine Kammer ein Fahrstuhl und dessen Technik so perfekt, dass man weder Anrucken, noch Fahrgeräusche, noch die geringsten Zeichen von Druck oder Fliehkraft hatte spüren können.
Wie viele Stockwerke mochte sie wohl inzwischen hinabgesaust sein? Hier war jedenfalls alles nicht mehr schön und prächtig ausgestattet, verliefen Rohre, besonders an der Decke und es rauschte und dröhnte. Margrit befand sich also im Keller von Lakeme. Inzwischen hatten auch die Trowes den Fahrstuhl verlassen und standen abwartend hinter Margrit.
Diese schob den Schlüssel in die linke Backe und wendete sich nach ihnen um. „Oworlotep?“ erkundigte sie sich ein wenig nuschelnd und wies nach vorn.
Die Trowes schüttelten die Köpfe.
Margrit war es eigentlich völlig schleierhaft, was Oworlotep ausgerechnet in Kellergewölben zu suchen hatte, noch dazu in solch einer Nacht, denn die Bombe war ja gefunden, alles feierte inzwischen sicherlich wieder und war lustiger Dinge. Dennoch wiederholte sie tapfer ihre Frage und wies diesmal in die gegenüberliegende Richtung.
„Tep, Tep, Tep!“ wiederholte die Meute keckernd und alles nickte eifrig.
Belogen sie die Trowes oder war es die Wahrheit? Wussten sie vielleicht gar nicht Bescheid, ja, woher sollten einfache Trowes eigentlich wissen, wo solch ein hohes Oberhaupt wie Oworlotep steckte? Wodurch war sie nur auf diesen verrückten Gedanken gekommen? Es war eine absurde Eingebung gewesen, wie sie die manchmal hatte. Sie war Schuld, klarer Fall, hatte die Punsis regelrecht dazu verführt, sie zu belügen und die hatten nun vor, sie hier in aller Stille umzubringen, um endlich an den Schlüssel zu gelangen!
Sie schaute zur Decke ... es war hier so technisch und so kalt, überall tickten verschiedene befremdliche Geräte, surrten unheimliche Apparate, dröhnten in der Ferne Maschinen. Mit klopfendem Herzen folgte Margrit dennoch den Trowes. Denn - was blieb ihr anderes übrig?
Irgendwie hohl hallten ihre Schritte über den glatten Boden. War es Margrits letzter Gang? Wenn ja, hatte sie ihren Auftrag nicht erfüllt, hatte sie versagt, waren ihre Freunde ganz umsonst gestorben! Kamen dann ihre Kinder niemals frei? Sie durfte nicht daran denken. Tatsächlich ... oh Gott, oh Gott ... hier war eine Sackgasse und die Trowes blieben eifrig miteinander debattierend davor stehen. Einige von ihnen starrten dabei zu Boden. Unwillkürlich schaute Margrit auch dorthin, und erkannte die Umrisse einer Tür.
„Tepp!“ knurrte die Anführerin und wies auf den seltsam geformten Umriss. Sie kauerte sich davor und lehnte ein kleines Gerät daran. Surrend erhob sich der quadratische Deckel.
„Tep!“ wiederholte sie und wies nach dort hinab, dann streckte sie ihre dunkelgrüne Pranke aus, verlangte wohl, dass Margrit ihr den dort Schlüssel hineinspuckte. Margrit zögerte, denn allzu tückisch hatten die gelben, gefleckten Augen der Trowe dabei aufgeleuchtet.
Sie sah sich nach allen Seiten um, blickte prüfend in jedes Gesicht, griff schließlich in ihren Mund und warf den Schlüssel in hohem Bogen weit von sich.
Kreischend stürzte die Meute von Margrit fort, balgte sich heftig um das kleine Schlüsselchen und so konnte Margrit in aller Ruhe durch das quadratische Loch im Boden blicken. Sie erstarrte vor Entsetzen, denn dort gab es weder eine Leiter noch führten Treppen hinunter, dort gab es nur Rohre - Rohre - Rohre! Der Fall lag klar, man hatte sie belogen! Verdammt, was konnte sie jetzt noch tun? Ehe sie noch denken konnte, hörte sie patschende Schritte. Sie sah die nackten, haarigen Trowenbeine einer Punsi hinter sich, die unverhofft schnell zurückgekommen war, hörte, dass sie leise etwas sprach und dann – kaum, dass Margrit Zeit hatte, sich zu wehren - spürte sie einen kräftigen Tritt im Rücken.
Im Bruchteil einer Sekunde, hatte Margrit das Gleichgewicht verloren und war durch die Luke in die Tiefe gesaust. Sie hörte ihren eigenen gellenden Schrei, das seltsame Keckern der Trowengruppe von oben, dann fühlte sie unter sich etwas Hartes und krallte sich instinktiv daran fest.
Margrit war auf eines der etwa schenkelbreiten Rohre, die es ja hier in Hülle und Fülle gab, geprallt. Über sich hörte wieder das eigenartig aufgeregte Trowenmeckern und nun das Klappen der Tür und dann ein Klicken, als Zeichen dass nun oben alles fest verschlossen war.
Margrit war also eingesperrt. Immer noch schlug ihr Herz wie rasend und sie atmete heftig, während sie sich nach allen Seiten umschaute.
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Mike hatte mehrere Schüsse gehört und auch die letzten warnenden Rufe Erkans und dann wieder Schüsse vernommen, jedoch nicht gesehen, was eigentlich passiert war. Aber nun sah er Trude und Frank um die Ecke tau¬meln. Kein Tarnnebel hüllte die beiden mehr ein, sie schienen sich wohl vorhin in einem heftigen Kampf mit Hajeps befunden zu haben und dabei ganz erheblich verletzt worden zu sein.
„Alle tot?“ fragte Mike schon von weitem.
Die beiden nickten.
Frank und Trude schauten wirklich nicht gut aus. Ihre Trowenkleider waren zerfetzt. Besonders der Kittel von Trude war nur noch ein einziger Lappen und deshalb hielt sie sich wohl auch die Fetzen so krampfhaft mit beiden Händen am Körper zusammen. Frank schien sehr geblutet zu haben, denn er hatte dunkelrote, noch feuchte Krusten im Gesicht. Klar, dass man den beiden jetzt helfen musste. Also gab er den Senizen ein Zeichen, dass sie warten sollten.
„Und wie steht`s mit Erkan? Ist er etwa auch ...“, nun musste Mike doch ein bisschen schlucken, „... tot?“
Ein abermaliges Nicken der beiden bestätigte ihm die traurige Gewissheit.
„Schade um Erkan!“ bemerkte Mike dumpf, während die beiden ihm näher kamen. „Hab ihn irgendwie gemocht!“
Die beiden zögerten plötzlich.
„He, kommt ruhig rein in die Tarnglocke“, ermunterte er sie und legte dabei den Arm um Trude und zog sie näher zu sich heran, aber seltsamerweise kicherte sie diesmal nicht, wie sie das eigentlich sonst immer tat, wenn sie Mike derart nahe kam. Na ja, das sollte ihn eigentlich nicht weiter stören - oder doch? Denn Frank schwatzte plötzlich leise und ziemlich munter mit einem der Senizen, als ob er den schon ewig kennen würde. He, seit wann sprach ausgerechnet Frank ein derart flüssiges hajeptisch?
„Trude“, sagte Mike daher plötzlich, „lehn dich bitte nicht dermaßen eng an mich, denn ich kann dir sonst mein Geheimnis nicht verraten, wenn ich nicht genug Luft bekomme!“
Da blitzten Trudes seltsam, kalte Augen plötzlich neugierig auf und sofort ließ sie Mike los. „Rede!“ verlangte sie im Befehlston. Diese Stimme glich zwar ganz jener Trudes, doch sie hatte einen feinen, sonderbaren Nachhall, den man zwar nur heraushören konnte, wenn man ganz genau aufpasste, jedoch Mikes Wachsamkeit war der leicht blecherne Ton nicht entgangen. Verdammt, also hatten sich seine beiden Freunde gar nicht in Zara¬kuma verlaufen. Sie waren unterwegs gefangen und getötet worden und sie waren nur deswegen so spät an der verabredeten Stelle erschienen, weil ihre Körper erst einmal von den Howanen in Pajonite umgewandelt werden mussten. Mikes Herz krampfte sich in anbetracht dieser grausigen Tatsache schmerzhaft zusammen. Er wandte sein Gesicht ab, damit ´Trude´ die plötzliche Blässe darin nicht erkennen konnte, sah aber aus dem Augenwinkel noch, wie ´Trude´ ´Frank´ ein Zeichen gab.
Dieser hatte zwar bereits seine Hand mitsamt Waffe, verborgen in dem weiten Ärmel, Richtung Jonas erhoben, senkte ihn jetzt jedoch wieder.
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Margrit konnte so leicht nicht wieder von hier oben herunter, denn die Rohre waren etwa sechs Meter vom Fußboden entfernt und gehörten offensichtlich zu einem Abwasser- oder Heizungssystem, welches von hier aus in die oberen Etagen führte. Unten, in den verschiedenen Kellerräumen, arbeiteten besondere Maschinen, das konnte Margrit an den Geräuschen erkennen. Es gab auch schmalere Rohre hier oben an der Decke und dazwischen hingen, wie Lianen, dicke Taue, an denen sich wohl die gelenkigen Trowes von Rohr zu Rohr schwingen konnten, um mal eines zu reparieren oder zu überprüfen. Margrit hatte so viel Platz, dass sie sich auf ihrem Rohr aufstellen und von dort zum nächsten wandern konnte, um zu solch einem Tau zu gelangen, doch sie traute sich kaum die Gelenkigkeit einer Trowe zu.
Sie wusste also nicht, wie sie von hier aus hinuntergelangen konnte, und so dachte sie für ein Weilchen darüber nach, erprobte diesen und jenen Weg in Gedanken, doch nur mit dem Resultat, dass ihr das letzte Stück fehlte, das ihr hinabhelfen konnte - selbst die Stricke erschienen ihr zu kurz. Sie ahnte, dass jeder Trowe, der für die Rohre zuständig war, wohl ein weiteres Seil bei sich trug und so saß sie hier erst einmal fest. Und plötzlich hatte sie wieder diese sonderbaren Krämpfe. Oh Mann, tat ihr mit einem Male der Bauch wieder weh! Sie krampfte sich zusammen, konnte sich dabei nur mit größter Mühe seitwärts an dem Rohr festhalten. Zudem wurde ihr auch noch schwummerig. So etwas hatte sie noch nie zuvor erlebt! Ihr ganzer Körper schien mit einem Male völlig in Aufruhr zu sein, sich mit dem tödlichem Serum in einem heftigen Kampf zu befinden. Dabei wurde ihr immer wieder schwarz vor Augen und dann begann sich der ganze Raum um sie zu drehen.
Als auch das zu Ende war, zuckten plötzlich wirre erotische Phantasien durch ihr ohnehin schon so aufgepeitschtes Gehirn und dann trat entgültige Ruhe ein. Sie wartete und als nichts geschah, atmete sie erst langsam und zögerlich ein und aus, dann immer heftiger, um endlich völlig ins Leben zurück zu finden. Aber so richtig klar im Kopfe wurde sie trotzdem nicht mehr. Man konnte fast sagen, sie fühlte sich nicht nur benommen, auch irgendwie angeheitert – ja fast betrunken! Sämtliche Angst, sogar die tiefe Trauer um all ihre getöteten Freunde war mit einem Male wie weggeweht. Sie kicherte plötzlich unsinnig in sich hinein und hatte das dringende Bedürfnis, ein Liedchen zu singen und dabei auf den Rohren zu tanzen.
Da hörte sie, dass sich in den benachbarten Kellerräumen eine Tür geöffnet hatte und sie hielt erschreckt inne und lauschte aufmerksam. Tatsächlich - diese hatte sich jetzt wieder geschlossen und jemand schlenderte von rechts durch den Flur. Würde derjenige ausgerechnet den Raum aufsuchen, in welchem Margrit festsaß? Hoffentlich nicht!
Wieder gluckste sie ob dieses grotesken Gedankens in sich hinein. He, sie hatte nicht vor, hier auf ewig zu schmoren, zumal ihre Lebenszeit ja stark begrenzt war. Gewiss würde man sie, sollte man sie entdecken, einer Leibesvisitation unterziehen oder sogar gleich die Teile von Danox durch ihr Netzoberteil hindurchschimmern sehen. Wohin also damit? Sie versuchte ihr träges Gehirn zu wecken und griff sich dabei mit spitzen Fingern zwischen ihre Brüste und legte die kleinen, steinähnlichen Teile in ihre geöffnete Handfläche.
„Danox, moa scibura!“ nuschelte sie etwas undeutlich. „Mein kleiner Freund!“ Sie betrachtete die beiden Teile fast zärtlich aber auch ehrfurchtsvoll, denn ihr Verstand, der nun ein wenig zu arbeiten begonnen hatte, war sich bewusst, dass Danox noch immer für viele eine große Hoffnung war, doch wo konnte ihn Margrit nur am besten verbergen?
Die Person nebenan schlenderte nämlich gerade leichtfüßig die Kellertreppe hinunter, dabei leise, unrhythmische Pfeiftöne von sich gebend. Margrit umklammerte das Rohr jetzt sehr fest mit ihren Schenkeln, um die Balance zu halten, denn sie war noch immer furchtbar benommen, streckte den Arm weit aus zur linken Seite, wo sich an der Wand ein kleiner Teil der hautähnlichen, leicht geschuppten Tapete ein wenig gelöst und der Putz dahinter herausgebröckelt war. Ob das Loch wohl groß genug für die beiden Stücken war? Margrit probierte es einfach und ihre Bemühung war tatsächlich von Erfolg gekrönt, denn es passten beide Teile hinein. Sie atmete erleichtert aus und dann zog sie die weiche, schlangenhautähnliche Tapete einfach darüber. Erstaunlich, das Material schien zu gehorchen, wuchs zu Margrits leisem Schrecken selbsttätig wieder zu.
„Tolle Art etwas zu reparieren!“ keuchte sie verwirrt, aber doch recht zufrieden.
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Mike jagte inzwischen mit blutendem Arm durch die Flure. Verdammt, warum war ihm denn vorhin kein vernünftiges Geheimnis eingefallen? Günther Arendt hatte doch Recht, wenn er immer wieder behauptete, Mike würde zwar in allem recht begabt aber reichlich phantasielos sein!
Der Anführer der Spinnen hatte zum ersten Male in seinem Leben Tränen in den Augen. Zwar war es ihm gelungen, den beiden Pajoniten mit Mühe und Not zu entkommen - eine Horde Trowes war versehentlich in die Schießerei hinein geraten und er hatte sich unter sie mischen können und an seiner statt war ein echter Trowe erschossen worden – doch seine Freunde, die sich so tapfer gewehrt hatten, waren wohl inzwischen alle tot. Ach, er schämte sich ja so, dass er ihnen nicht geholfen, nur die günstige Gelegenheit genutzt und einfach davon gerannt war.
Doch was hätte er tun sollen? Die zwei Pajonite waren nicht nur bei den Planungen unten am Jachthafen dabei gewesen, sie hatten wohl auch die Sprengsätze bereits auf dem Schiff entschärft, denn vorhin, als Mike einen gezündet und nach ´Trude´ geworfen hatte, war überhaupt nichts passiert!
Sollte er nun trotzdem zur Zentrale? Vielleicht konnte man die sonderbaren Geräte dort ja auch auf andere Weise zerstören? Schließlich befand sich ja Atimok, das technische Genie, unter ihnen. Aber wenn nun Atimok gar nicht Atimok war, sondern auch nur solch ein ...? Erschrocken riss er sich aus seinen Gedanken, nicht nur wegen dieser grässlichen Möglichkeit, sondern auch, weil er gerade jemanden direkt zu ihm hin um die Ecke flitzen sah.
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Margrit lauschte regungslos, denn mit einem Male öffnete sich die Tür des Kellers unter ihr und ein großes, breitschulteriges Wesen, gekleidet in einer festlichen, dunkelroten Uniform, betrat hoch erhobenen Hauptes den Raum.
Sie hätte darüber beinahe die Balance verloren, so sehr hatte sie der Anblick überrascht, vielleicht auch der Umstand, dass dieser gut aussehende Kerl schon nach wenigen Schritten direkt unter Margrit gehalten hatte. Er trug zum Anlass der Feierlichkeiten sein dichtes, dunkelblaues und mit vielen Talismanen geschmücktes Haar zum Teil offen und bis zum Kinn kurz geschnitten, hinten jedoch zu einem langen, komplizierten Zopf gebunden, der ihm tief den Rücken hinab fiel. Außerdem zierte die Mitte seines Schädels ein zwar dünner, jedoch bis über die Augen fallender Haarkamm.
Margrit hielt sich mit beiden Händen an ihrem Rohr fest und atmete vorsichtig aus. Da stand er nun und wirkte auf Margrit irgendwie benommen, denn er schwankte mit dem Oberkörper ein wenig vor und zurück, schaute nicht hinauf, dachte wohl nur nach, warf dabei eine kleine, hellblaue Kugel scheinbar gelangweilt in die Luft und fing sie wieder auf, dann schritt er endlich weiter, wendete sich der Ecke zu, wo der seltsame Schreibtisch stand und das noch viel merkwürdigere, helmartige Gerät, das oben an der Wand befestigt war.
Die Melodie, die er pfiff, wurde ein bisschen zufriedener, er warf sich in den halbkugelförmigen Sessel, schlug die langen Beine übereinander und winkte dem Helm zu, dabei laut rufend: „Show me the way to the light! Come on!“
Er hatte den Satz noch nicht beendet als Margrit von oben zu ihrer Verwunderung einfach hinunter wisperte.
„Das wollen wir Menschen ja gerne tun, wenn du uns nur lässt! Gib für all das Licht, was wir euch geben können, den blauen Planeten, den du so fest umkrallst, endlich an uns Menschen zurück, Oworlotep, denn diese Kugel ist nicht dein ... du hast sie gestohlen!“
Wie der Blitz verschwand der kleine Ball, in dem sie Tobias Blaui erkannt hatte, in Oworloteps Hosentasche, war er, wenn auch ein wenig taumelig, wieder auf den Beinen, hatte die kleine Handfeuerwaffe gezogen, diese hochgerissen und die schlangenförmige Lampe an seinem Haarkamm suchte die Decke ab.
Da gewahrte er über sich eine zarte Gestalt, die zum Teil in einen weißen Schleier gehüllt war und die sich auf ziemlich erotische Weise mit ihren Schenkeln an einem der Rohre festgeklammert hatte. Der Schleier war ein wenig zur Seite geschlagen und gab den Blick, auf eines der langen Beine frei, die völlig nackt waren bis zu den Zehspitzen.
„Hich, ein Engel!“ stotterte Oworlotep halb wie in Trance. „Und ... er ist zu uns Hajeps hernieder gekommen ... zu uns ...“, Oworlotep schluckte. „Bringt er uns Rettung? Sollen wir endlich erlöst werden von all unseren Qualen ... oder bist du nur ein Todesengel, welcher uns lediglich noch mehr Finsternis bringen will?“ Er krauste seine mit einem pfeilähnlichem Muster tätowierte Stirn und schwieg für einen Augenblick. „Xorr, da ich kein Mensch bin, bist du für mich auch kein Engel, sondern lediglich eine freche Lumanti, die jetzt eigentlich in Moga Pukto vor den Jastra zu tanzen hätte und sich nur mit mir einen ausgesprochen üblen Scherz erlaubt.“ Er schnaufte unlustig gleich durch alle drei Nasenlöcher. „Hiat Ubeka, du stiehlst mir die Zeit und das habe ich gar nicht gern, daher rate ich dir, mir lieblich – xorr - lieber zu sagen, wie du da oben hingekommen bist, wer dich zu mir schickte und vor allen Dingen, woher du weißt, wie ich heiße und zwar schnellstens oder es knallt!“
Er hob die Rinjat noch ein wenig höher und visierte Margrit dabei an. Diese schwieg aber nur, nicht etwa vor Angst, das Gegenteil war eher der Fall, denn sie war einfach fassungslos vor lauter Glück, Oworlotep endlich gefunden zu haben. Er blinzelte als er sie betrachtete – hatte er sie erkannt? - und schoss nicht.
„Kannst du nicht reden?“ fauchte er. „Xorr, denke nicht, dass ich deswegen mit den Augen klimpere, weil mir dein furchtloses Gehabe imponieren könnte!“ murrte er. „Deine baren Füße sind nur krümelig. Du musst wohlig – xorr - wohl vorhin über arg schmutzigen Boden gelatscht sein!“
„Ttzisssisss, Oworlotep“, krächzte sie immer noch irgendwie benommen. „Wer wird denn so gehässig einher schwatzen, selbst wenn er inzwischen hervorragend Deutsch sprechen kann“, und sie lachte dabei leise gluckernd in sich hinein.
„Xorr, stört uns das?“ fragte er verdrießlich, da er ihr Lachen wohl als Hohngelächter deutete.
„Nein, wir staunen nur, ganz besonders darüber, dass sich solch ein mächtiger Mann in die untersten Räume zurückziehen muss, nur weil er mal seine Ruhe haben will ... sicher ist dieses Plätzchen geheim.“
Er seufzte. „Kontriglusi! Das war es bis heute.“ Und er schaute sich mit trostlosem Blick um. „Jemand muss mich schon wieder verraten haben. Wer hat geplaudert ... los rede!“ Doch dann fügte er einfach wie zu sich selbst hinzu. „Das eigene Blut ... Hajeps haben dich sicherlich zu mir geschickt, denken, wenn ich tot bin, dann würde alles anders.“
„Ich weiß nicht, wovon du sprichst Oworlotep?“ versuchte sie nun zu lügen, denn ihr war mit einem Male wieder der grässliche Auftrag eingefallen, den sie zu erfüllen hatte.
„Mosje! Nenne mich nicht immer Oworlotep!“ Er ließ seine herrlichen Zähne gefährlich wie ein Raubtier aufblitzen. „Dos! Rede! Könnten sich der hinterhältige Warabaku, Baxargedion oder gar Trodara schon so weit erniedrigt haben, dass sie sich mit den Menschen gegen mich verbunden haben?“
„Ich ... ich kenne keinen von denen!“
„Zai bao, ich kriege das ohnehin aus dir heraus, sobald ich dich hier unten habe.“ Er wippte ungeduldig auf den Zehen. „Hinji? Also, mach schon ... komm endlich von da herunter!“
„K ... kann ich nicht. Ist doch viel zu hoch!“
Er maß den Abstand. “Stimmt!“ stellte er fest.
„Aber warum bist du nicht in Moga Pukto?“ erkundigte er sich.
„Ich habe dich gesucht!“
„Mich?“ er tippte sich an die Brust. „Xorr, kann mir schon denken weshalb.“
Verdammt, ahnte er etwa ...? Ach, sie wusste gar nicht, was sie jetzt dazu sagen sollte.
„Weil er mich über dich wieder nach oben in den Saal zurück locken will!“ beantwortete Oworlotep zu Margrits Überraschung einfach selber seine Frage.
„Äh ... ja, genau!“ ächzte sie zutiefst erleichtert. „Aber warum bist du nicht dort? Ich denke, alle Hajeps feiern so gern?“
„Wer sagt das über uns?“
„Die Menschen!"
„Die Menschen, die Menschen, die Menschen ... pwi ... sind ja so dumm, die Lumantis.“
„Aber irgendwie sinnlich sind wir für euch doch, nicht wahr?“ Sie lehnte sich jetzt zur anderen Seite ihres Rohres, streckte den nackten Arm aus und wedelte dabei mit einem Zipfel ihres Schleiers zu ihm hinab. „Sonst wür¬den wir ja nicht in Moga Pukto für euch tanzen!“
„Ken ... wo seid ihr sinnlich? Jeder hier sagt inzwischen, dass Lumantis ausgesprochen langerweilisch sind.“
„Ach, und warum tanzen die Menschen jetzt?“
„Pwi!“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung. „Die können doch gar nicht tanzen, deswegen haben wir sie ja auch nur als Topatis, putzige Einlage, denn nicht einmal richtigen, zünftigen Sex können die mit uns machen, kommt man nur ein bisschen in Fahrt, steeeerben die gleich. Kannst du denn wenigstens vernünftigen Sex?“ Er blinzelte nun ziemlich interessiert zu ihr hinauf, während er sie mit kleinen Schritten von unten umkreiste, den Kopf dabei fragend schiefhaltend.
„Ich ... äh ... glaube nicht!“ stammelte sie und zog sich das Gewand über Hinterteil und Schenkel, damit er nichts davon von unten sehen konnte. Verdammt, warum machte sie das nur ... und sie sagte auch ganz andere Dinge als man mit ihr vorher geübt hatte.
„Hab ich`s mir doch gedacht!“ erwiderte er, dann schaute er nachdenklich drein. „Xorr, ihr Lumantis taugt eben zu nichts!“
Sie begann sich nun völlig, wie eine Raupe in den Kokon, in ihren Schleier einzuspinnen und er schaute deshalb ziemlich murrig drein. „Tja, dann ist es wohl schade, dass ich nur so etwas wie ein Mensch bin!“ sagte sie.
Er nickte gleich drei mal.
„Solch ein Mensch mit einem inneren Auge“, fuhr sie sehr ruhig fort, „der die Sprache des Lichtes erkennen kann, solch ein Mensch mit einer inneren Haut, welche die Sprache des Lichtes spüren kann, ein Mensch mit einem innerem Ohr, das die Sprache des Lichtes verstehen kann.“ Sie schwieg für ein Weilchen, ehe sie fortfuhr. „Tja, du hast wirklich Recht, es besteht doch ein großer Unterschied zwischen den Menschen und Hajeps! Denn ihr seht nicht das Licht, spürt kaum Wärme und eines Tages werdet ihr alle an eurer eigenen Kälte erfroren sein.“
Margrit meinte plötzlich, in Oworloteps roten Augen so etwas wie Hoffnung aufleuchten zu sehen.
„Und welchen Weg wollt ihr Menschen gehen, damit wir Hajeps wieder ein wenig Licht erkennen können?
„Ihr könntet es von uns erlernen!“
„Erlernen ... ausgerechnet von euch? Pwi ...unsere Gefühllosigkeit ist wohl eher eine Gen-Frage. Leider hat die Genmanipulation mit unseren und eueren Genen nicht geklappt!“
„Das wird euch auch nie gelingen, doch es gibt eine andere Möglichkeit, eure Sinne wieder zu erwecken. Ich würde euch diesen Weg zum Licht zeigen, würdest du mir eine Chance dafür geben!“ Himmel, sie redete ja wieder etwas völlig anderes als sie mit Günther Arendt geplant hatte!
„Poko! Du scheinst mit einem gewissen Verstand und auch Humor behaftet zu sein. Ich nehme an, dass Atabolaka dich deswegen zu mir geschickt hat.“ Er seufzte. „Er mag es nicht, wenn ich mich zurückziehe. Es lohnt sich also, sich mit dir dann und wann zu unterhalten und daher werde ich dir diese Chance geben!“
Eigentlich hatte sie nichts weiter zu befürchten, denn sie war ja ohnehin bereits im Morgengrauen tot, daher fragte sie mit ruhiger, beinahe schläfriger Stimme einfach weiter: „Und wie viel Zeit gibst du mir dafür, Oworlotep?“
„Na, so ein halbes Jahr?“ gab er zur Antwort,
„So lang?“ entfuhr es ihr verdutzt. „Äh, ich meine ... he, prima!“
„Allerdings muss es dir in dieser Zeit gelingen, mindestens einen von uns so weit verändert zu haben, dass es dem nachweisbar besser geht!“
„Und wenn nicht?“
„Dann hast du versagt und bist des Todes! Willst du dennoch auf diesen Pakt eingehen?“
„Was bleibt mir anderes übr ... he, klar doch, will ich!“
„Nuni?“
„Was nuni?“
„Ziehe dich aus!“
„Hatten wir dass nicht schon ma ... äh .. ich meine, ist doch gar nicht nötig!“
„Warum nicht?“ fragte er hinauf. „Erstens bin ich neugierig – aber nur so ein bisschen!“ schränkte er schon wieder ein. „Und zweitens ist das für mich recht praktisch, weil ich dann endlich deine grässlichen Waffen entdecke, mit denen du mich in Wahrheit schon die ganze Zeit murksen wolltest!“
„Ich denke, ich komme von Atabolaka?“
„Weiß man`s?“
„Ich ... ich bin unbewaffnet ...“
„Ach, das sagen alle!“
„Wirklich, du wirst überrascht sein, Oworlotep.“
„Kaum, denn ich schieße schneller als du!“
„Das mit dem Ausziehen geht aber richtig schwierig hier oben!“ protestierte sie nun doch. „Außerdem möchte ich ohnehin lieber zu Atabolaka als mich mit dir unterhalten, wie du es nennst.“ Sie beugte sich vor und stützte sich auf den Ellenbogen.
„Galet ... warum?“ fragte er. „Ich denke du kommst grad von dem?“
„Ach, ja?“ keuchte sie. Hatte das etwa ein bisschen zu fragend geklungen? „Ach, ja!“ wiederholte sie darum bestätigend. „Ich habe eine Idee“, begann sie von neuem. „Ich springe einfach von hier runter und ...“
„Kannst du ja machen“, fiel er ihr einfach ins Wort, „aber eine gute Idee wird das dann wohl kaum sein!“
„.. und du fängst mich auf?“ fügte sie etwas leiser hinzu.
Nun verschränkte ER die Arme. „Nein!“ sagte er kalt.
„Nein?“ erkundigte sie sich kleinlaut.
Er nickte.
„Scheint ein recht gängiges Wort zu sein“, wisperte sie. „Ach, Oworlotep, nun sei doch nicht soooo.“ Sie umklammerte mit beiden Armen das Rohr, lehnte ihre Wange dagegen und blickte so zu ihm hinab.
„XECH ... doch, doch, doch! Du ziehst dich aus, denn ich pflege niemals aufdringlich zu sein. Du enthüllst dich selbst ... hast du das jetzt begriffen?“
„Ja, leider! War ja laut genug!“ Sie richtete sich wieder auf und begann sich zögernd zu entschleiern. Das erste der hauchfeinen Tücher glitt dabei vom hochgetürmten Blondhaar, dann von den Schultern und segelte nun zu Boden. Bang schaute sie dem Tuch hinterher. Dann knotete sie das nächste von ihren Hüften, das wie fließendes Wasser über ihre Schenkel glitt und dann ebenfalls wie eine weiße, duftige Wolke hinunter segelte und direkt vor Oworloteps Füßen landete, der die beiden Schleier mit geringschätziger Miene einfach mit den Füßen beiseite schob. Er schaute nun hinauf, betrachtete Margrit für ein Weilchen gründlich ohne jeden Ausdruck im Gesicht. Hatte er sie erkannt ... hatte er sie nicht erkannt? Ach, ihr war das jetzt alles ganz egal. Sie seufzte und dann fingerte sie hinten an ihrem Rücken, um den Verschluss ihres netzartigen Oberteils zu öffnen, als er auch schon zu ihr hoch rief.
„Und jetzt spring!“
„Ach, ich sollte mich gar nicht ...?“
„Nur den Schleier. Was dachtest denn du?“
„Och ... äh ... nichts ... rein gar nichts, Oworlotep!“
„Aiiik!“ schrie er plötzlich gellend, denn etwas war auf ihn hinabgesaust, er verlor das Gleichgewicht, kippte nach hinten und anschließend rumpelte und polterte es.
Margrit war von oben in seine Arme gefallen, hatte ihn dabei der Länge nach umgerissen und jetzt lagen beide eng miteinander verschlungen auf dem Boden.
„Hich!“ Entfuhr es ihm, und er hob den Kopf und funkelte Margrit zornig mit seinen seltsamen Augen an. „Schäme dich!“ fauchte er.
„Äh, wieso?“ wisperte sie, behielt jedoch vorsichtshalber ihre Lider gesenkt, während sie seinen Hals sehr intensiv musterte. Diese neue Situation war eigentlich ganz praktisch, konnte sie doch dabei gleich ohne große Umstände in diesen kräftig hinein beißen. Gesagt getan ... schon senkte sie ihre feuchten, roten Lippen, öffnete den Mund und ... ach nein ... denn sicherlich würde er wütend darüber werden und dann konnte Atabolaka womöglich nicht mehr drankommen und der stand ja zuerst auf der Liste. Also fuhr sie zurück, klappte den Mund einfach wieder zu, sah ihn sehr freundlich an und fragte: “Was wolltest du doch gleich sagen, Oworlotep?“
„Kontriglusi!“ schnaufte er. „So etwas ist mir würgelisch – xorr - wirklich noch nie passiert! Bist du denn völlig lossi, mir derartig unvorbereitet in die Arme zu hopsen? Ich dachte, du wiegst vier Zentner!“
„Na, sagen wir drei!“ zweifelte sie nun doch ein bisschen. „Ach, das tut mir aber dann echt Leid, Oworlotep!“ und sie beleckte sich dabei die Lippen. Hm ... zu dumm, warum hatte sie die Trowes eigentlich nur nach Oworlotep und nicht aber nach Atabolaka gefragt? Na ja, man musste jetzt das beste aus allem machen. „Ach, Owor¬loteeeep?”" sagte sie gedehnt und spielte dabei leicht verträumt mit ihrem Ohrläppchen. „Ich kann doch jetzt wieder gehen, ja?“
„Ob du gehen kannst weiß ich nicht“, murrte er. „Mir scheint aber, dass deine Beine nicht verletzt sind. Bleibt nur die Frage zu klären, ob ich dich auch gehen lasse!“ fügte er sehr nachdenklich hinzu, denn er hielt Margrit schon die ganze Zeit mit beiden Händen gepackt. „Es könnte doch sein“, er presste seine breiten Pranken noch enger um ihre schmale Taille, „dass du eine Attentäterin bist ... wenn auch eine recht aparte mit vier Wimpern!“
„Wirklich? Äh, so ist`s gerade Mode bei uns, weißt du?“ Margrit versuchte sogleich, diese wieder an die richtige Stelle zu kleben.
„Aber du hasst mich!“
„Stimmt ja gar nicht!“ schnaufte sie unsicher.
„Doch, doch, du hast mich zu Boden gestoßen, auf dass ich mir mein Köpfschinn an diesem harten Boden aufschlagen soll. Dabei war ich so gut zu dir und du bist so ...“ Er sah plötzlich ziemlich ungehalten und beleidigt zur Seite. „Kep! Geh!“ zischelte er. „Verlasse meinen Schoß und zwar sooforta! Ich will dich nicht sehen, und bestelle Atabolaka, dass ich nicht mitfeiern werde, wenn er mir solche Geschenke hinunter schickt!“
„Bitte!“ erklärte sie nun richtig eingeschnappt, wollte sich aufrichten, kam aber irgendwie nicht von ihm weg, obwohl er sie losgelassen hatte. Sie schaute entsetzt an sich selbst hinunter. Nein, wie peinlich! Als sie vorhin Oworlotep in die Arme gesprungen war, musste sich wohl ihr Netzoberteil mit diesem komischen, etwa zwei Zentimeter großen Knopf, den er an seinem Hemd an der rechten Brustseite trug, verhakt haben! Die Maschen ihres Büstenhalters waren zwar kolossal dehnbar, doch je weiter sie sich von Oworlotep entfernte, umso mehr gab es von ihren Brüsten zu sehen. Also warf sie sich wieder an seine breite, muskelbepackte Brust.
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In diesem Augenblick huschten Dingawu, Tschumika und Ribari - drei wunderschöne Senizen - durch die Räume über den Kellergewölben. Sie waren zwar ein wenig taumelig, denn einige der Sklaven hatten ihnen Arabak, ein stark alkoholisches Getränk zukommen lassen, aber dennoch waren sie vorsichtig, fast ein wenig ängstlich, wussten sie doch, dass Warabakus Leute gerade in der Nähe auf der Suche nach ihnen waren. Nein, sie hatten nicht vor, gehorsam in dieser Nacht bei ihrem Befehlshaber zu erscheinen und sich für ihr Verschwinden exemplarisch bestrafen zu lassen, zumal die beiden Lumantis, welche sie in einer kleinen, geheimen Kammer unterhalb des prächtigen Daches von Lakeme gefangenen hielten, ihnen später mindestens zwei ein halb Klontis einbringen würden. Warabaku war doch ein Verrückter! Für die Drei stand fest, dass die Jastra im Nu wieder mal alle Aufständischen mitsamt Attentätern erwischt und diese dann auch wenig später hingerichtet haben würden.
Die Drei brauchten sich nur diese Nacht nicht sehen zu lassen und abzuwarten. Am nächsten Morgen schon würde Warabaku, sofern der dann noch nicht überführt und bereits getötet worden war, es gar nicht mehr wagen, seine Hand gegen sie zu erheben, aus Angst, sie könnten ihn verpfeifen.
Freilich würden sie dies nie tun, hassten sie doch genauso wie all die übrigen Sklaven und unteren Kasten ganz besonders die Jastra, doch ihr Leben auf`s Spiel setzen wollten sie deswegen noch lange nicht. Viele der Attentäter, seltsamerweise diesmal überwiegend Lumantis, waren bereits getötet worden.
Doch das viele Warten war ihnen irgendwie langweilig, außerdem war der Arabak alle und nun hörten sie plötzlich Stimmen unter sich – und zwar eine weibliche und eine männliche! Und dann entdeckten sie die Umrisse einer Öffnung im Boden. Sie berührten das Sensorfeld daneben und zischend öffnete sich die Tür.
Sie waren nicht schlecht erstaunt, dass sie Oworlotep in einer ziemlich eindeutigen Körperhaltung mit einer recht attraktiven Lumantitänzerin beschäftigt sahen. Die Drei schauten einander verwirrt an, denn Atabolaka hatte für Oworlotep bereits zwei sehr aparte Hajepas und eine besonders zierliche Senizin für die kommenden Stunden ausgesucht, wie sie von anderen Sklaven erfahren hatten, mit denen er nun auf Oworlotep wartete. Was war hier los?
Alle drei rafften sich daher ihre Schleier zurecht und legten sich einfach der Länge nach auf den Fußboden, um die Öffnung herum. In der Mitte lag dabei Tschumika, nicht weil sie eine Frau, sondern auch, weil sie die Frechste von den dreien war und deshalb diesen Platz für sich beanspruchte.
Wie Orwolotep plötzlich zu dieser Lumantitänzerin gekommen war, war ihnen wirklich mehr als rätselhaft. Vermutlich wollte er heute wohl ganz allein, so ein bisschen ... und aus diesem Grunde hatte er sich diese Lumanti in sein Versteck geholt. Es war ihm wohl peinlich gewesen, dass er als Jastra mit einem Male Appetit auf eine wertlose Lumanti bekommen hatte und darum sollte das wohl geheim bleiben. Ehrfurchtsvoll über so viel Klugheit schüttelten die drei Senizen stumm die Köpfe.
„Hiat Ubeka, dandu Antsorr“, sagte schließlich Tschumika leise zu ihren beiden Männern und fuhr in hajeptischer Sprache fort. „Solch eine Gottheit versteht sich bestimm, auf ganz besonders aparte Art und Weise Lust zu bereiten. Wir könnten womöglich etwas dazu lernen.“ Wieder nickten sie alle Drei und dann spähten sie aus ihren goldumrandeten Augen noch aufmerksamer hinab. Zum Glück waren sie dieser lumantischen Sprache kundig und so würden sie, obwohl sie noch immer ziemlich trunken vom Arabak waren, doch einiges verstehen.
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„Xorr, was heißt hier geht nicht!“ hörten sie Oworlotep ziemlich aufgebracht. „Wenn man will, geht eigentlich alles ... du willst nur nicht ... zaiii, kennt man ja ... ihr Weibchen wollt schon, doch immer nur das EINE!“ knurrte Oworlotep. „Xorr, warum fummelst du jetzt an meiner Brust herum?“
„Ach, ich will nur endlich mein Dings von deinem Ding lösen“, schnaufte Margrit völlig konzentriert. „Die beiden haben sich nämlich ineinander verheddert, weißt du ... aber dann gehe ich gleich, das verspreche ich dir!“
Eine steile Falte bildete sich zwischen Oworloteps schön geschwungenen Brauen, während er ausgesprochen misstrauisch Margrits Tun beobachtete. „Ich mache dich darauf aufmerksam, dass dieses sogenannte Ding hochempfindlich ist. Bei sämtlichen Göttern des Alls, gehe also vorsichtig damit um!“
„Ach, Oworlotep, kannst du dich vielleicht ein bisschen mehr nach vorne beugen, damit ich an deinen ... äh ... na, egal ... besser herankomme?“
„Hiat Ubeka, der heißt nicht egal“, knurrte Oworlotep empört, „weil er einfach einzigartig ist. Erspare mir die Mühe, dir sämtliche technische Raffinessen aufzuzählen, chem, chem?“
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„Habt ihr gehört? Seiner ist einzigartig!“ wisperte Dingawu indes von oben.
„Umpf!“ schnaufte Tschumika ehrfürchtig.
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Oworlotep schwieg für einen kurzen Augenblick und sah dann irgendwie neugierig drein. „Was mich allerdings interessiert, ist der ...“ er neigte den Kopf ein wenig zur Seite, streckte den Finger aus und tippte sacht gegen eine von Margrits mit goldenen Netzen verhüllten Brüste, die auf seinem Hemd ruhten und dabei ein wenig bebten. „Wie heißt dein ... dieses Dings doch gleich bei euch? Mir ist das irgendwie entfallen.“
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„Genial!“ ächzte Tschumika hingerissen von oben. „Er greift ihr an die Brüste!“
„Also, so genial ist das nun auch wieder nicht!“ bemängelte Dingawu nun doch. “Machen wir das nicht auch?“
„Aber bestimmt nicht so durchdacht!“ seufzte Tschumika hingerissen.
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„Stör mich jetzt bitte nicht!“ zischelte Margrit angespannt und mühte sich, den goldenen Faden des Netzes, der sich um das kleine Gerät gewickelt hatte, welches Oworlotep wie einen Orden an seinem Hemd trug, zu lösen. „Na gut, das ist ein Netzoberteil!“
„Lon, lon!“ murmelte Oworlotep fügte dann aber hastig hinzu. „Soll ich dir vielleicht dabei helfen? Ich würde es nicht ungern tun!“
„Kann ich mir denken. Nein, auf gar keinen Fall!“ fauchte sie.
„Was kannst du dir denken?“
„Na DAS ... du weißt schon was!“
„Nein, DAS weiß ich nicht!“
„Ach, Oworlotep, nun tu doch nicht so! Können wir nicht diesen ... diesen ...“
„Tochot!“ half er ihr.
„Ja, können wir den nicht irgendwie von deiner Jacke entfernen? Dann geht das vielleicht einfacher!“
„Denda!“ Er schüttelte heftig den Kopf. „Der Tochot ist fest mit meiner Jacke verschweißt, damit er besser sitzt und auch bei heftigsten Bewegungen nicht ver ... verrutscht.“
„Und was machst du, wenn du das Ding mal an einer anderen Jacke haben willst?“
„Es gibt ein Gerät, mit welchem man ihn lösen und an anderer Kleidung befestigen kann, das trage ich aber nicht bei mir.“
„Ach, Oworlotep, könntest du dann wohl die Jacke ausziehen, vielleicht geht es dadurch leichter?“
„Ahaaah! Ausziehen!“ zischelte Oworlotep erbost. „Und das hast du wohl auch vorhin mit ´DAS´ gemeint! Nööö, dazu kriegst mich nicht `rum.“
„Ach nein? Und was wolltest dann vorhin mit machen?“
„Auf keinen Fall DAS! Akir, du bekommst diesen Adoniskörper nicht nackischt zu Gesicht, magst du auch noch zu viel flehen und betteln ... außerdem wird mir dann vielleicht kalt!“ fügte er recht sachlich hinzu. „Und du bist Schuld! Schließlich hast du dich an mir verheddert und nicht ich an dir, und darum wirst du dich ganz alleine darum bemühen, schleunigst meinen einzigartigen Tochot von deinem hässlichen Netzdingens da zu befreien!“
„Na schön.“ Sie seufzte. „Du hast es nicht anders gewollt, Oworlotep.“ Da lagen sie nun ausgestreckt auf dem Fußboden und er hielt die Hände lässig im Nacken verschränkt, schaute Margrit bei der Arbeit zu, die ihren weichen, halbnackten Körper an dem seinigen beständig hin und herschob, weil sie gedachte, das Netzteil dadurch zu verschieben und es somit besser vom Tochot lösen zu können. Aber da Oworlotep nun mal ein Mann war, veränderte sich im Laufe der Zeit an ihm dabei so einiges – selbstverständlich ohne, dass er es wollte und er ärgerte sich deshalb.
„Hux, ich kann es gar nicht verstehen“, schnaufte er schließlich, „dass du so lange machen musst ... aber ich werde mal nicht so sein und dir helfen. Hast du gehört, du lässt mich endlich mal da ran!“ Und schon hatte er zugegriffen und zuckte sogleich zurück!
„Wenn du mich noch mal so ordinär begrabschst, haue ich doller zu“, zischelte Margrit aufgebracht.
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„Gazchin mezent ... sado-maso!“ flüsterten die beiden Männer begeistert, nachdem sie Margrits Worte vernommen hatten. “Die schöne Lumanti scheint ja eine richtige Begabung zu sein!“
„Pwi“, machte Tschumika, „was kann sie denn schon!“
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„Na gut!“ hörten sie weiter Oworlotep. „Ich sehe jetzt darüber hinweg, da du nicht weißt, dass es verboten ist mich zu schlagen!“
„Jetzt Oworlotep“, fiel ihm Margrit einfach ins Wort. „DAS halte mal fest ...“
Er hielt das goldene Fädchen mit zwei Fingern und fuhr leise knurrend fort: „Truxin ... warum reißt du diesen dämlichen Faden nicht einfach durch?“
„Das könnte dir so passen, dann rippelt sich doch mein ganzes Netzoberteil auf und ich stehe im Freien!“
„Zai dandu? Na und?“ brummte er und zog ordentlich kräftig an dem Faden. „Es gibt viele Mädchen, die ´oben ohne´ herumlaufen.“
„Oworlotep!“ kreischte Margrit laut. „Wirst du das wohl lassen!"
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„Würgelisch sehr begabt diese Lumanti!“ ächzten die beiden Freunde schon wieder von oben.
„Pwi!“ machte Tschumika abermals geringschätzig.
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Margrit nahm mit verdrießlicher Miene den Faden Oworlotep wieder aus der Hand. „Ich habe meine Grundsätze.“
„Xorr“, schnaufte Oworlotep, „dass ich nicht lächere! Du bist eine Karda und willst Grundsätze haben ... wie das?“
„Was ist eine Karda, Oworlotep?“ fragte Margrit beiläufig und bemühte sich, den kleinen Knoten in dem Goldfaden aufzubekommen.
„Das, was man bei euch eine Nutte nennt.“
„Eine Nutte?“ schnaufte sie empört, veränderte aber sofort ihre Tonlage, denn ihr war plötzlich eingefallen, weswegen sie ja eigentlich hier war. „Ja, das bin ich“, zwitscherte sie. „Aber Nutten dürfen auch ihre Grundsätze haben, nicht wahr?“
„NICHT wahr!“ Ein kleiner Schalk blitzte dabei in Oworloteps Augen auf und er schaute sie prüfend an, dann aber zuckte er zusammen. „Hich ... skirrko!“ brüllte er nun. „Bist du denn vollständig lossi geworden? Jetzt hast du ihn mir abgebissen!“ Er war aufgesprungen und jagte Margrit hinterher.
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„Sie hat ´IHN´ Orwolotep abgebissen!“ ächzten die drei Senizen von oben betroffen.
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„Ging ganz leicht, war erstaunlich weich!“ krächzte Margrit noch schnell. Sie war aufgesprungen und da die Kellertüre offen war jagte sie in den nächsten Raum.
„Du wirst gleich noch viel mehr staunen, wenn du ihn mir nicht wieder gibst und zwar sofort!“ brüllte Oworlotep. „Hiat Ubeka, ich brauche doch das Ding!“ fügte er jammernd hinzu.
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„Da hat er Recht!“ bestätigten die drei Senizen wieder leise von oben.
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„Und er war mein bestes Stück!“ brüllte Oworlotep Margrit wütend hinterher, während er durch den nächsten Keller jagte.
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„Auch das ist nicht unrichtig!“ wisperten die drei Senizen.
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„Er war mein Liebling!“ schrie Oworlotep.
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„Komisch, der meinige ist es auch!“ flüsterte Dingawu.
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„Was willst du denn damit, du kannst ja doch nichts damit anfangen!“ kreischte Oworlotep.
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„Das stimmt!“ bestätigte Tschumika.
„Und was machen wir nun?“ fand Ribari als erster die Kraft zu einer vernünftigen Entscheidung wieder. „Oworlotep wird verbluten! Irgendwie müssen wir doch jetzt Hilfe holen, oder?“
„Wo er ein Jastra ist?“ fiel es den Dreien plötzlich ein und dann zuckten sie irgendwie hilflos mit ihren Schultern. „Tja, schade ... jammerschade, dass er ein Jastra ist“, bemerkte Tschumika leise seufzend und ihre Männer nickten dazu bestätigend und verschlossen nicht nur sorgsam die Öffnung, sondern legten auch noch den dicken Teppich darauf, der hinten in der Ecke gelegen hatte, damit man Oworloteps fürchterliches Geschrei nicht mehr hören konnte!
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„Es setzt Prügel, wenn du nicht sofort stehen bleibst!“ kreischte Oworlotep indes Margrit hinterher.
„Ach, Oworlotep, wer wird denn? Denke an deine Grundsätze ... ein Mann läuft keiner Frau hinterher!“
„Das ... das tue ich auch nicht!“
„Ach, nein?“" feixte sie. „Was machst du denn dann?“
„Ich jage diese Frau nur so ein bisschen vor mir her!“
Schon hatte er sie beim Ellenbogen ergriffen. Komisch, sie fühlte sich mit einem Male so seltsam schwach auf den Beinen.
„Solche Spielchen halten mich einfach zu lange auf, da ich noch zu Atabolaka muss, weißt du?“
„Bitte?“ wiederholte er nun richtig empört. „Hier hat nur einer wenig Zeit und der bin ich, chesso? Hiat Ubeka, rück endlich meinen Tochot heraus!“
Sie atmete erleichtert aus und gehorchte sofort. Er ließ sie tatsächlich los und betrachtete das Ding nun mit sorgenvoller Miene.
„Du ... du hast ihn kapudding ... xorr ... kaputt gemacht“, fauchte er entgeistert. „Horch ... es klappert ... hörst du es?“
„A ... aber nur so ein ganz winziges bisschen!“ räumte sie recht verängstigt ein.
„Das habe ich befürchtet ... xach ... warum musstest du vorhin auch so herzhaftig zubeißen und ...“
Sie wollte wieder fortlaufen, um seinem schrecklichen Zorn zu entgehen, aber mit einem Male hatte sie wieder diese entsetzlichen Magenkrämpfe. Verdammt, das wurde ja immer schlimmer!
Zu ihrer Überraschung beachtete er sie jedoch nicht, drehte sich nur auf dem Absatz um und machte sogar kehrt.
„He, nanu? Äh wo ... wo willst du denn so plötzlich hin?“ ächzte sie und krampfte sich unauffällig zusammen.
Er blieb stehen, schaute sich aber nicht nach ihr um. „Zai, Atabolaka wartet schon lange oben auf mich!“
„Oh ... äh .. das trifft sich aber gut, dann könnten wir ja zusammen zu ihm gehen.“ Verdammt, sie taumelte ja jetzt richtig, hustete!
Nun endlich wendete er sich nach ihr um, sah aber dabei zu Boden. „Wer sagt, dass ich zu ihm gehen will? Ich habe lediglich behauptet, dass er auf mich wartet.“
„Puh ... oh ... uuuh .. aber ich muss doch dort hin.“ Weiter konnte sie nicht reden, denn sie war mit einem Male hingeschlagen. Wie peinlich, sie kam nicht mehr vom Boden hoch, die Beine versagten buchstäblich ihren Dienst. “Ich muss doch zu ihm.“
„Das musst du nicht ... noch nicht jedenfalls.“ Ganz langsam kam er zu ihr zurück gelaufen und dann sah Margrit seine komischen Stiefel direkt vor ihrem Gesicht. Verdammt, er sagte nichts, aber sie ahnte, dass er mehr wusste, als sie die ganze Zeit von ihm gedacht hatte. Ach, bestimmt war er wütend. Ganz gewiss hasste er die hinterhältige Lumanti, die eine Seuche unter seinem Volk hatte verbreiten wollen und nun so erbärmlich auf dem Fußbo¬den lag. Würde er sie zertreten wie einen widerlichen Wurm? Oder würde er ihr erst den Mund zukleben, sie dann noch für ein Weilchen quälen und sich daran erfreuen? Sie wagte nicht, zu ihm hoch zu schauen. Tränen liefen ihr die Wangen hinab, tropften auf den kalten, steinernen Boden. Verdammt, warum machte er so lange und erschoss sie nicht ganz einfach? Langsam, sehr langsam wagte sie nun doch einen Blick zu ihm empor. Breitbeinig, mit vor der Brust verschränkten Armen, schaute er fast königlich zu ihr hinab. „Du musst es nicht tun!“ hörte sie ihn wieder. „Noch hast du Zeit, wenn du es nicht wirklich tun willst!“
„Ich ... ich soll aber doch ...“ krächzte sie verzweifelt zu ihm hinauf. „... sonst ist doch alles verloren!“
„Verloren!“ wiederholte er trübsinnig. „Akir, alles Leben ist doch im Grunde irgendwann einmal verloren!“ Und dann bückte er sich, sah ihr dabei scharf in die Augen und fragte: „Was willst du wirklich? Willst du uns helfen oder willst du ...“ er brach ab, suchte wieder ihre Augen.
Doch diesmal wich sie seinem Blick nicht aus, sagte plötzlich fest entschlossen: „Euch mit ganzem Herzen helfen, Oworlotep, das kannst du mir wirklich glauben!“
„Glauben?“ wiederholte er zweifelnd, doch er nahm sie, wenn auch zögernd, einfach in seine Arme und nach kurzer Überlegung hob er sie hoch. „Wir sind ein Volk ohne Glauben ... ohne jede Hoffnung auf Licht!“ wisperte er traurig.
„Und weshalb nennt ihr uns dann Lumantis, wenn ihr nicht in Wahrheit doch auf Licht hofft?“
Er erwiderte nichts und irgendwie spürte sie sonderbarer Weise, dass er nun Angst bekam. Margrit hatte sich nämlich nicht nur eng an ihn gekuschelt, sie starrte, wenn auch ganz unbewusst, plötzlich wieder auf seinen Hals. Oworloteps Jacke war vom vielen herumlaufen fast bis zum Bauch aufgesprungen und Margrit erblickte deshalb viel nackte Haut. Feine Härchen kringelten sich auf seiner Brust. Sie strich sacht darüber und er zuckte deshalb ein bisschen zusammen, keuchte dabei leise. Ach, Hajeps waren ja den Menschen im Grunde verdammt ähnlich.
Doch seltsam, kaum hatte sie das zweite Mal über seine Haut gestrichen, lief ihr das Wasser förmlich im Munde zusammen und wilde erotische Phantasien plagten sie. Ihre Schenkel zitterten, ihre Schultern bebten und noch enger umschlang sie plötzlich Oworloteps Körper mit ihrem weichen, nackten Armen.
Die Angst in Oworloteps Blick hatte sich dabei in regelrechte Panik verwandelt, sein Atem ging heftig, doch tapfer trug er Margrit einfach weiter durch die düsteren Kellergewölbe und dann die Treppe nach oben.
Die unwahrscheinliche Sehnsucht, Oworlotep küssen, eigentlich beißen zu wollen, war dennoch für Margrit so zwingend geworden, dass sie ihre roten Lippen öffnen und sich dieser verführerischen Stelle am Hals direkt unter seinem süßen Kinn nähern musste. Aber sie wollte es doch gar nicht! Verdammt, was war jetzt los? Das war gewiss das Werk des scheußlichen Refenins. ´Nein, nein!´ schrie ihr Innerstes hilflos auf. Ihre Hand tastete sich trotzdem weiter vor, zitternd strichen ihre Finger immer wieder und wieder seinen Hals entlang und Oworlotep beobachte all dies mit Entsetzen, tat jedoch gar nichts dagegen, lief lediglich nun durch die obere Etage schneller als zuvor.
Margrit versuchte indes verzweifelt und mit letzter Kraft, gegen sich selbst anzukämpfen und dann, ganz plötzlich, biss sie zu! Jedoch nicht Oworlotep zuckte schmerzerfüllt zusammen, sondern Margrit! Sie hatte sich in letzter Sekunde einfach in ihre eigene Hand gebissen.
Es war ein sehr tiefer Biss! Dunkelrotes Blut quoll jetzt aus Margrits Hand und besudelte Oworloteps entblößte Brust. Doch durch diesen wahnsinnigen Schmerz war sie wieder völlig zu Verstande gekommen. Die wilden Phantasien waren wie weggeweht. Unsicher schaute sie Oworlotep nun ins Gesicht und er erwiderte ihren Blick. „Margrit“, krächzte er heiser und zutiefst bewegt. „Ich habe gehofft, dass du so handeln würdest und wurde nicht enttäuscht. Vielleicht haben wir Hajeps doch eine Chance, denn ich habe mit eigenen Augen den ersten Schimmer des Lichtes gesehen!“