Das Lied der Sirene

galaxykarl

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Das Lied der Sirene

Miguel stand ganz still. Alles um ihn herum war still. Jetzt. Vor - einer Stunde? - war es ganz anders gewesen. Aber jetzt war es wirklich ruhig. Fast friedlich. Die Sonne strahlte zwar noch ihr grüngelbes Licht herab, aber den Strahlen fehlte längst die Wärme, geschweige denn die Hitze, die sie am Tag in voller grüner Pracht auf den Planeten ergossen hatte. Und trotzdem glühte Miguels Körper noch. Zu lange hatte der Kampf gedauert.

Kampf. Was für ein lächerliches Wort für das erbarmungslose Schlachten, das er überlebt hatte. Er war völlig erschöpft, die Muskeln verkrampft und sein Waffenarm hing kraftlos herab. Es fehlte nur noch ein winziges bisschen, um ihn die Waffe entfallen zu lassen. Aber noch hielt er sie in seiner Faust. Vielleicht war da ja doch noch ein Gegner, der ihn zu guter letzt anfallen könnte. Aber es war niemand in seiner Nähe. Weder Freund noch Feind.

Miguel sah nach oben. Der Nacken tat ihm dabei weh. Seine Muskeln waren völlig verspannt, aber das störte ihn nicht. Der Himmel war überzogen mit blassen, grünen Schlieren, wundervollen Pastellfarben. Wenn er ein Maler gewesen wäre, hätte er niemals diese Farbkombination gewählt, sie wirkte zu unnatürlich auf ihn. Aber er war ja auch nur ein Mensch, der nicht auf diesen Planeten gehörte. Trotzdem hätte er sich an den Anblick gewöhnen können. Vor einigen Wochen war er mit seiner Einheit gelandet und sofort fühlten sie sich angenehm berührt von der traumhaften Landschaft, den vielfältigsten Pflanzen und Tieren, die samt und sonders ungewohnt, aber vertrauenswürdig wirkten. Es war Miguel nicht ein Bericht in die Finger oder zu Ohren gekommen, der nicht in den höchsten Tönen die Friedfertigkeit der örtlichen Fauna und Flora gepriesen hätte. Ein Paradies. Wirklich friedlich.

Wenn man die unzähligen Toten ignorieren konnte, die ringsum, dicht an dicht, oft übereinander gefallen bis zum Horizont lagen. Hier lagen sie: Freund und Feind, oft eng umschlungen wie Liebespaare, aber nicht in Wonne verzückten Posen, sondern in schrecklich verzerrten Stellungen, manchmal nur durch die Waffen miteinander verbunden, die ihnen gegenseitig den Tod gebracht hatten. So weit seine Augen die Gegend überblicken konnten, regte sich nichts mehr. Er war der einzige Überlebende.

Als er etwas später in einiger Entfernung doch eine vage Bewegung wahrnahm, schöpfte er kurz Hoffnung, aber es war kein Verletzter oder weiterer Kämpfer, der die grauenvolle Schlächterei überstanden hatte, sondern nur ein paar Krähen ähnlichen Flugtiere, die begannen, den Toten die Augen auszupicken. Unwillkürlich hatte Miguel einen kleinen Schritt getan, aber wieder angehalten. Warum sollte er die Viecher davon abhalten? Kaum, dass er sich umdrehen würde, kämen sie erneut angeflogen, um ihr Mahl fortzusetzen. Also ließ er sie gewähren. Er hätte auch nicht die Energie aufgebracht, sie anhaltend zu vertreiben, von der dazu notwendigen Kraftanstrengung ganz zu schweigen.

Er sah an sich herab. Der Kampfanzug war an vielen Stellen beschädigt, aber noch funktionsfähig. Die Sperrfelder hatten ihn sicherlich vor Hunderten kleinerer Wunden bewahrt, die ihm den Lebenssaft gekostet hätten, ohne das er es in der Hitze des Gefechtes bemerkt hätte. Schließlich war das die Hauptaufgabe der Schutzfelder. Trotzdem hatte es der Gegner vermocht, einige Funktionen des Anzuges zumindest so zu beeinträchtigen, dass er das blinde Vertrauen, das er normalerweise solchen Anzügen entgegen brachte vergessen konnte. Aber es zeigte sich niemand, gegen den er in seinem leicht ramponierten Anzug hätte antreten müssen.

Sein Blick blieb an seinen Beinen hängen, denn die Füße, die in schweren Kampfstiefeln steckten, sah er nicht mehr. Eine Hand breit über seinen Knöcheln hörte die braune Farbe des Leders auf und wechselte abrupt in dunkles Rot über. Wie ein Pegelstand eines über die Ufer getretenen Flusses erschien ihm die konturscharfe Grenze zwischen Braun und Rot.

Wie viel Hektoliter Blut wohl heute auf diesem Schlachtfeld vergossen wurden? kam ihm die Frage in den Sinn. Völlig unwichtig, jeder einzelne Tropfen war zuviel. Er dankte Gott, dass von seinem eigenen Blut nur sehr wenig dazu beitrug, ihm bis über die Knöchel zu reichen. Wieder machte er einen zaghaften, fast prüfenden Schritt. Mit fast neugierigem Erstaunen beobachtete Miguel, wie das Häutchen aus geronnenem Blut zerriss. Wie lange stand er wirklich schon hier?

Mit dem letzten, was er an Antriebskraft mobilisieren konnte, zwang er sich, einen Schritt nach dem anderen zu machen. Es war gleichgültig, in welche Richtung er ging, denn längst hatte er die Orientierung verloren. Wahrscheinlich hatte er dies schon in den ersten Minuten des Kampfes. Im Augenblick wollte er nur noch das Schlachtfeld verlassen, um seinen Au-gen endlich einen anderen Anblick zu gönnen. Seinem Gehirn würde er nicht so einfach andere Bilder verschaffen können.

So stapfte er also los, mehr taumelnd, als gezielt schreitend. Die ersten paar Dutzend Meter versuchte er noch, zwischen die Leichen zu treten, was schwierig war, da alles gleich rot von Blut überströmt und glitschig war. Nach dem zweiten Ausrutscher, der ihn ebenfalls von oben bis unten rot färbte, achtete er nur noch darauf, einen sicheren Tritt zu finden. Auf was er trat, versuchte er zu ignorieren und richtete seinen Blick Halt suchend an den Horizont. Nach etwas länger als einer halben Stunde hatten sich die Schleier in seinem Gehirn so weit aufgeklart, das ihm sein Anzugkompass einfiel und beschämt sah er drauf. Gesplittert. Na schön. Also weiter in die eingeschlagene Richtung. Fast war er froh darüber, dass der Kompass demoliert war. So brauchte er nicht weiter darüber betroffen zu sein, nicht eher an das nahe liegende gedacht zu haben. Und das Gelände hatte keine markanten Punkte, die ihm den Weg zur Basis weisen konnten.

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Die Sirene hatte den Feind lange entdeckt, bevor dieser sich schwerfällig in Bewegung setzte. Es hatte keinen Sinn, ihn jetzt anzugreifen, da sie zu weit weg war und das Gelände fast keine Deckungsmöglichkeiten bot, um sich unbemerkt an ihn heranzuschleichen. Sie sah ihm an, dass er schwer angeschlagen war und vielleicht ohne große Gefahr zu erledigen wäre, aber das war ihr nicht sicher genug. Sie musste absolute Gewissheit haben, dass sie eine Auseinandersetzung überleben würde, da sie selbst in dieser Schlacht auch die letzte überlebende Sirene war. Dutzende ihrer Art waren vom Feind getötet worden, ohne dass dieser überhaupt ahnte, welcher Gefahr er damit entging. Zu sehr war der Feind damit beschäftigt gewesen, die Diener der Sirenen hinzumetzeln und von ihnen ebenfalls massakriert zu werden. Ohne Bedauern blickte die Sirene auf das blutüberströmte Schlachtfeld, das sich von einem Ende der Ebene zum anderen erstreckte.

Sie hatte keinen Blick für die verstümmelten Leichen, abgetrennten Körperteile, die verbrannten, zerstochenen und zerrissenen Leiber des Feindes und ihrer eigenen Kämpfer. Schließlich waren die Diener der Sirenen dafür da, speziell für diesen Zweck geschaffen worden.

Der letzte Gegner schleppte sich gerade über die Kuppe einer leichten Anhöhe und verschwand langsam dahinter. Aber das machte ihr keine Sorge, da sie seinen Geruch noch über viele Kilometer hinweg wahrnehmen konnte. Sie setzte sich ebenfalls in Bewegung und konzentrierte ihre Sinne dabei auf die Richtung des Windes. Sie musste unbedingt einen Weg einschlagen, der sie in eine Linie mit der Luftströmung und der Position des Feindes brachte. Wenn sie dies erreichte, bevor der Feind sich in seine Basis zurückziehen konnte, hatte sie bereits gewonnen.

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Miguel indes hatte auf seinem Marsch einen Punkt der Erschöpfung erreicht, in dem er einzelne Schritte nicht mehr bewusst tat, sondern sich in einem katatonischen Zustand befand. Seine Waffe hatte er längst unter Aufbietung seiner letzten Reserven auf den Rücken geschoben. Fast war es ihm gleich, dass er damit riskierte, vom Feind überrascht zu werden und nicht mehr rechtzeitig die Waffe abfeuern zu können. Einmal vergaß er, den Weg vor sich zu prüfen und fiel der Länge nach hin. Ohne die Hände zur Dämpfung des Falles zu gebrauchen, schlug er auf. Sein Glück war, das trotz des Randes des Schlachtfeldes, das er mittlerweile erreicht hatte, die Leichen immer noch so dicht lagen, das er mit dem Kopf auf den Bauch eines Menschen stürzte und weich abgefedert wurde. Seine Hände tapsten kraftlos umher und so rutschte er vom Körper des Mannes herab und tauchte halb im Matsch aus Erde, Blut und anderen eklig riechenden Resten des Kampfes ein. Nur der angeborene Reflex rettete ihn davor in der schleimigen Brühe zu ertrinken, doch damit war auch die letzte Portion an Adrenalin verbraucht und Miguel fiel in eine tiefe Bewusstlosigkeit.

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Triumph lag in den Augen der Sirene, als sie das halbe Schlachtfeld umrundet hatte und nun den Wind im Rücken spürte. Sie konnte den Feind zwar nicht mehr sehen, aber er musste sich jetzt in gerader Linie vor ihr befinden, da sie seine Spur ein Stück verfolgt hatte. Anhand vieler winziger Details hatte sie einen recht guten Eindruck über seinen Zustand. Männlich, unverletzt, völlig erschöpft und stur geradeaus marschierend. Es musste ein Exemplar mit eisernem Willen sein, denn trotz seiner Schwäche verlief sein Weg wie ein Strahl aus einer Ionenwaffe.

Gut. Je besser das Material, desto eher der endgültige Sieg.

Ihr eigener Zustand war ähnlich, wenngleich sie eine kleine Verletzung am linken hinteren Flügel hatte, die aber bereits am Verheilen war. Sie überlegte, ob sie jetzt versuchen sollte ihn einzuholen, wo er noch kraftlos war, um ihn dann aufzupäppeln, oder ob sie ihm Gelegenheit ließ, sich ein wenig zu erholen. Beides hatte Vor- und Nachteile, war verlockend oder hatte seine Risiken. Auf jeden Fall würde er ihr nicht mehr entkommen. Sie war stärker als er. Und sie brauchte nicht eine Basis zu erreichen, um zu überleben. Ganz im Gegenteil. Dieser letzte Feind garantierte ihr Überleben. Und wenn alles gut ausging, garantierte es seinen Tod. Und den seiner Spezies.

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Miguel erwachte und sofort stieg ihm der Gestank in die Nase. Noch bevor er sich erheben konnte, drehte sich sein Magen und mit harten Stößen kotzte er das bisschen heraus, was noch darin gewesen war. Mit verächtlichem Grunzen wischte er mit der behandschuhten Rechten das Erbrochene von seiner Brust und richtete sich in Sitzposition auf.

Er sah schrecklich aus. Die Schicht aus Dreck, Blut, Erbrochenem und feindlichen, wie auch menschlichen Ausscheidungen bedeckte ihn von Kopf bis Fuß. Wieder würgte ihn der fürchterliche Gestank, der vom Mittelpunkt des riesigen Schlachtfeldes zu ihm herüber wehte. Aber auch wenn kein Wind ginge, er selbst produzierte genug abstoßenden Geruch, um jedem den Magen umzudrehen. Aber außer ihm war niemand mehr da. Und sein Magen war längst leer.

Fast automatisch zog er mit der Linken seine Waffe am Lauf unter der Achsel hervor und begann, die Ladeanzeige und Funktionstüchtigkeit zu überprüfen. Die Waffe war nur zu einem Viertel geladen aber OK. Außerdem hatte er noch zwei Vibratormesser, eine Giftgasgranate und die kleine Nadelpistole mit vollem Magazin, die ihm aber nichts helfen würde, da sie beim Gegner nur mehr Aggressivität auslöste, als ihn ernsthaft zu verletzen. Mit hämischem Grinsen dachte er an die Waffentechniker, wenn er ihnen das Ding vor die Füße schmeißen würde. Wenn er in die Basis kommen würde.

Zu viele wenn’s, dachte er und hob vorsichtig den Kopf.

Während er einen direkten Rundumblick machte, nestelten seine Hände am Ausrüstungsgürtel herum und fischten das auseinander faltbare Fernglas heraus. Er setzte es an die Augen und stellte mit dem rechten Daumen die Farbfilter neu ein, die sich ein wenig verstellt hatten. Die satt-grüne Beleuchtung wechselte die Tönungen, während er langsam den Finger am Rad drehte. Bald zu Beginn der Erforschung des Planeten waren die Optiker auf die Methode gestoßen, dass sich hier bestimmte Geländeformationen und Tiere mit variierenden Farbfiltern besser entdecken ließen. Es hatte ihnen tatsächlich kurz vor der Schlacht gezeigt, dass sie eingekreist waren. Vielleicht wäre die Schlacht eher zu Ende gewesen, wenn sie die Umklammerung durch den Feind nicht rechtzeitig erkannt hätten. Schlussendlich genutzt hatte es nichts.

Miguel schob diese Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf das Bild, das sich seinen Augen bot. An Zahl und Größe zunehmende Anhöhen lösten die fast völlig flache Ebene ab, aus der er kam. In weiterer Distanz waren sogar zwei, drei kleinere Hügel und ein Berg zu sehen, dicht bewachsen mit exotisch anmutenden Pflanzen, deren Duft er manchmal zwischen den Schwaden aus Blutgestank zu riechen glaubte. Sein eingeschlagener Weg, von dem er ja nicht einmal mehr wusste, ob er richtig war, führte seitlich an den Hügeln vorbei, mitten durch eine dünn bewachsene Steppe. Wenig anziehend. Da konnte er genauso gut die Richtung durch die Hügel ansteuern, vielleicht fand er ja eine Quelle, einen Bach oder gar einen kleinen See, in dem er sich waschen konnte.

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Die Sirene bewegte sich nicht. Der Mensch vor ihr hatte eine Zeitlang geschlafen oder war bewusstlos gewesen. Trotzdem hatte sie sich ihm nicht genähert. So hatte die Sache keinen Sinn. Sie brauchte für ihre Zwecke einen ausgeruhten, ja kräftigen Gegner. So kräftig und erholt, dass sein Unterbewusstsein sich mit einem anderen Grundbedürfnis als Überleben und Nahrung befassen konnte. Aber noch war es nicht so weit. Ihm fehlte, wie ihr selbst auch, Wasser, Nahrung, Ruhe. Und etwas Zeit.

Sie beobachtete den Mann und tastete mit ihren Sinnen ganz zart nach seinen Gedanken. Der erste Kontakt war immer der schwierigste, da eine Sirene nicht wusste, auf welchen Geist sie stoßen würde. Primitiv oder intelligent, wachsam oder phlegmatisch. Es gab Tausende verschiedener Spezies und darüber hinaus unendlich viele individuelle Varianten. Die Sirenen hatten bei ihren Reisen durch den Raum festgestellt, das der überaus größte Teil fremder Intelligenzen leicht bis mittel schwierig zu beeinflussen war, nur sehr wenige Rassen machten ihnen ernsthafte Probleme. Und es war in der viele Tausend Jahre währenden Geschichte ihres Volkes noch nie vorgekommen, dass eine Spezies völlig resistent gegen die Einflüsse der Sirenen war.

Die Menschen gehörten zu den Rassen, bei denen es zwar schwierig, aber nicht problematisch war. Solange die Zielperson nicht gewarnt oder misstrauisch wurde. Dann benötigte es schon zweier oder bei ganz hartnäckigen Exemplaren vielleicht drei Sirenen, um das Ziel zu erreichen. Ganz vorsichtig schickte sie erste, nebelhafte Berührungen in den Geist des Mannes. Könnte man ihre Bemühungen in stoffliche Begriffe umsetzen, müsste man die samtige Weichheit schmusender Katzenpfoten um ein Tausendfaches verringern, um den Grad ihres Erstkontaktes zu beschreiben.

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Miguel spürte nichts davon und hatte deswegen in diesem Moment schon verloren. Zum einen, weil er nicht damit rechnete, dass jetzt noch ein Feind in der Nähe sein könnte. Zum anderen, weil er nichts von der Existenz der Si-rene oder deren Rasse wusste. Er hatte nur deren Diener kennen gelernt und ahnte nichts davon, dass sie nur Sklaven eines viel gefährlicheren Gegners darstellten.

Seine Gedanken kreisten um die Frage, in welcher Richtung er am ehesten Wasser finden könnte. Zwar hatten sie bei der Landung auf dem Planeten Aufnahmen gemacht, aber er hatte keine Karte erhalten. Er war schließlich kein Offizier, sondern nur einfacher Infanterist. Das wenige, was er noch aus der Grundausbildung wusste, war, dass in höheren Geländeformationen die Chance auf Quellen zu stoßen größer war, als in relativ flachem Gelände ein Wasserloch oder gar einen See zu finden. Also ging er auf die Hügelgruppe zu.

Die Dreckschicht an ihm war längst getrocknet und löste sich in Zentimeter großen Stücken. Ab und an wischte er über juckende Stellen und befreite sich nach und nach vom schlimmsten Schmutz. Trotzdem fühlte er in sich weiterhin Ekel vor dem Gemetzel und dem Zustand, in dem er sich befand. Je näher er den Hügeln kam, desto schneller wurden seine Schritte. Fast schien es so, als könne er wie ein Tier das Vorhandensein von Wasser riechen. Miguel war nicht übermäßig intelligent, aber auch bei weitem nicht dumm. Nach etwa einer halben Stunde wurde ihm sein Verhalten klar und er musste über sich selbst grinsen. Gleichzeitig stellte ein anderer Teil seines Gehirns völlig nüchtern fest, dass er nach all dem Blutbad, dem Verlust aller seiner Kameraden, dem Tatbestand, dass er womöglich der letzte Mensch auf diesem Planeten sein könnte fest, dass er bereits anfing, das erlebte Grauen zu verarbeiten.

Vielleicht ist es aber nur eine von der Natur gegebene Schutzfunktion unseres Gehirns, Schreckliches zu verdrängen und nach individuell verschiedener Zeit sogar zu vergessen, dachte er. Wahrscheinlich ist dies ein elementarer Bestandteil des Grundbedürfnisses Überleben.

Für einen Moment fühlte Miguel so etwas wie Stolz in sich. Stolz darauf, als einziger die Schlacht überlebt zu haben. Nicht die Superkämpfer, nicht die Elitesoldaten und schon gar nicht die Lamettaträger. Nein, er, der kleine, aber hartnäckige Infanterist hatte es geschafft. Und noch etwas nährte seine Empfindung: Die Tatsache, dass er, als Vertreter einer raumfahrenden, hochtechnisierten Zivilisation immer noch fähig war, Urinstinkte wahrzunehmen. Seine Freude steigerte sich um ein beträchtliches Stück, als er zweieinhalb Stunden später am Rand eines kleinen, aber blitzsauberen Sees stand. Er machte sich tatsächlich die Mühe, seinen Kampfanzug und sämtliche Kleidung abzulegen, bevor er in das erfrischend kalte Wasser stieg.

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Das geflügelte Wesen, das die Sirene im Augenblick darstellte, ließ keinen Blick von dem Mann, als dieser sich entkleidete und in den See ging. Sie ließ ihm ausreichend Zeit, sich gründlich zu reinigen und seinen Durst zu stillen. Nur ganz behutsam wob sie das Netz aus feinsten Fäden des Kontaktes zu einer spinnfadendünnen, aber dauerhaften Verbindung. Sie spürte seine Freude, sein Wohlbefinden, als er Schluck für Schluck seinen Wasserbedarf deckte. Sie versuchte mit vorsichtigen Strömungen seine Euphorie zu erhalten. Fast hätte sie sich, angesichts ihres sichtbaren Erfolges, dazu hinreißen lassen, ihn schon jetzt stärker zu beeinflussen. Aber dann hielt sie sich zurück. Zu wichtig war jetzt ihr weiteres Vorgehen. Zu entscheidend im Krieg gegen die Menschheit der nächste Schritt.

Als der Mann endlich mit glücklichem Gesichtsausdruck das Wasser verließ, bereitete sie den nächsten Akt des Dramas vor. Mit schlangenhaftem Blick und eiskalter Berechnung registrierte sie sein erschöpftes Zusammensinken neben dem Haufen dreckiger Kleidungsstücke und blutverschmierter Ausrüstung. Mit unendlicher Geduld wartete die Sirene, bis er in einen tiefen, der Bewusstlosigkeit nahen Schlaf versank. Erst dann näherte sie sich fast übertrieben leise ebenfalls dem See und trank selbst.

Auch sie hatte ein Bad nötig. Aber die Beschaffenheit ihrer Körperoberfläche, die nichts mit Haut, Fell oder Gefieder zu tun hatte, ermöglichte ihr es, diesen lästigen Akt der Reinigung auf einen extrem kurzen Zeitraum zu beschränken. Dabei behielt sie ständig den Mann in Augenschein und parallel dazu in telepathischem Kontakt. Sie überwachte seinen Schlaf, das Auf und Ab seines Geistes von leichten Perioden, nervösen Alpträumen, bis hin zu den Tiefschlafphasen. Mit einer Mischung aus Verachtung und Überlegenheit vermerkte sie den erstaunlich hohen menschlichen Bedarf an Schlaf. Zugegeben, nach dieser Schlacht sehnte sie sich auch nach Ruhe, aber diese Spezies benötigte viel mehr Erholung, als ihre eigene.

Sie ließ sich ohne Furcht direkt neben ihm nieder und studierte seinen Körper. Die Sirene hatte keine Angst, dass er womöglich überraschend aufwachen und sie angreifen könnte. Zu stark war schon die Bindung an sein Bewusstsein, zu intensiv die Beobachtung seiner Körperfunktionen, als dass sie nicht rechtzeitig vor seinem Erwachen gewarnt wäre. Behutsam drang sie tiefer in sein Gehirn ein, während sie sich selbst in das Vorstadium der Metamorphose versetzte. Dieses frühe Stadium der Wandlung war immer ein Schwachpunkt, aber auch ihr einziger. Doch jetzt bestand keinerlei Gefahr. Der Gegner schlief tief und fest und sie hatte sehr viel Zeit, sich vorzubereiten.

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Als Miguel erwachte, fühlte er sich wie neu geboren. Ein Blick auf sein Chrono verriet ihm, dass er mehr als fünfzehn Stunden geschlafen hatte. Es musste also längst ein neuer Tag sein, denn das blassgrüne Sonnenlicht zeigte keine Spuren von Morgendämmerung mehr. Er setzte sich auf und schnappte sich in einer antrainierten automatischen Bewegung seine Waffe. Noch bevor er sie in Anschlag gebracht hatte, verwarf sein Gehirn die Möglichkeit unmittelbarer Gefahr. Es erschien ihm unsinnig, fünfzehn Stunden hilflos dazuliegen, um just in dem Moment, wenn er erwachte, angegriffen zu werden.

Also verlegte er sich darauf, nach allen Seiten zu sichern, während er die paar Schritte zum See zurückging. Mit der linken Hand schöpfte er erneut Wasser zum Mund, während seine Rechte die Waffe hielt. Als er sich satt getrunken hatte und danach in geduckter Haltung zu seinem Kampfanzug zurückging, kam ihm sein Verhalten lächerlich vor. Weit und breit regte sich nichts. Nicht einmal Tiere waren zu sehen und dies erschien ihm schon wieder ungewöhnlich, da ja auch sie den kleinen See als Tränke nutzen würden. Mit selbstironischem Grinsen fummelte er eine Kampfration aus dem Gürtel seines Anzuges und stopfte sich die kleinen Riegel nach und nach in den Mund. Er hatte mehr als die Hälfte seines Vorrates verbraucht, als er endlich satt war.

Vielleicht hätte ich es mir besser eingeteilt, dachte er, schob sich aber wie zum Trotz noch einen weiteren Konzentratriegel in den Mund. Schließlich konnte es nicht zu weit zur Basis sein. Er ging einfach davon aus, dass wenn er die Basis nicht fand, deren Besatzung ihn finden würde.

Warum hörte er nicht längst das Summen eines Atmosphärengleiters oder zumindest eines Bodenfahrzeuges? Kam denn niemand, um zu sehen, wie die Schlacht ausgegangen war? Oder hatte man angesichts der tausenden Leichen die Suche nach möglichen Überlebenden erst gar nicht gestartet?

In diesem Moment sah er die Frau.

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Die Sirene spürte seine Verwirrung und beeilte sich, ihm beruhigende Empfindungen zu senden. Eingebettet in die Strömungen ihres Geistes legte sie vage Andeutungen, angebliche Details, Spuren, Beweise für die Natürlichkeit ihrer Erscheinung, ihrer Anwesenheit. Sofort erhielt sie eine positive Resonanz seiner Gedanken. Er hielt sie für eine Angehörige eines Suchkommandos. Gut so.

„Hallo, Miss. Hierher“, rief Miguel und kam sich wie ein Trottel vor. Selbstverständlich hatte sie ihn gesehen. Er beobachtete sie, wie sie langsam vom anderen Ufer des Sees zu ihm herüber ging.

Wieso antwortet sie nicht?, dachte er und winkte erneut.

„Hallo“, kam ihre Antwort zu ihm herüber. Nicht nur die kleine Wasserfläche trug den Klang ihrer angenehmen Stimme herüber, sondern auch die Zusammensetzung der Luft begünstigte die Schallübertragung.

„Wo sind die anderen Ihres Kommandos?“, fragte Miguel und sah sich um. Dabei stellte er fest, dass es ihm lästig war, den Blick von ihr wenden zu müssen. Musste er wirklich?

Als sie weiter näher schritt, erkannte er, dass sie atemberaubend war. Eine Schönheit. Nur zu dumm, das ihre Uniform das meiste ihres Körpers verbarg. Aber das was er sehen, eigentlich eher vermuten konnte, war umwerfend. Siedend heiß fiel ihm ein, dass er immer noch nackt war und sofort fühlte er das Blut in seinen Kopf schießen. Und nicht nur dorthin.

Sie sah es und lächelte einfach hinreißend. Ein perfektes Weib. Nein, nicht perfekt, dachte Miguel. Aber genau so, wie er sich immer seine Traumfrau vorgestellt hatte. Ganz genauso sogar. Der Körper fest und mit ausreichenden Rundungen an den richtigen Stellen. Die Haare lang und schwarz, in leichten Wellen weit bis auf den Rücken fallend. Das Gesicht schlank und oval, mit fein geschnittenen Zügen, dabei aber auf eine selbstbewusste Art strahlend. Und die Augen. Tiefe, dunkle Seen mit farbigen Sprenkeln, aus denen Charme, Intelligenz und Wärme sprühten.

„Ich heiße Isabel“, sagte die Fee und Miguel vergaß seine Nacktheit und seine aufkommende Geilheit.

„Miguel“, brachte er über seine Lippen und sein Blick saugte sich dabei an ihren fest.

Überhaupt ihre Lippen. Sie waren voll, aber nicht wulstig. Weiblich, wie sie nicht weiblicher sein konnten, aber nicht im Sinne von schwach oder weich, sondern eher wie ...
Ihm fiel nicht mehr ein, mit welchen Attributen er sie noch bezeichnen könnte. Er wünschte sich nur noch eines. Aber das war jetzt völlig unmöglich. Er konnte doch jetzt nicht ... Oder doch?

Isabel lächelte immer noch, als sie zu ihm trat und leicht ihren Mund öffnete. Nur noch ein halber Schritt trennte sie voneinander. Dann keiner mehr. Sie küsste ihn zart auf seine Stirn und sein Glied wurde dabei härter und härter. Er schämte sich nicht, sondern hoffte, dass sie weitermachen würde. Stattdessen bückte sie sich und hob seine Sachen auf.

„Ich glaube, das sollten wir zuerst reinigen, bevor Sie es wieder anziehen können.“ Dabei lächelte sie wieder in einer unbeschreiblichen Weise, das Miguel nur nicken und ihr die paar Schritte zum Ufer folgen konnte.

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Die Sirene triumphierte. Dieser Mann, Miguel, war ihr Gefangener. Er wusste es nicht, oder sah es - wenn überhaupt - aus romantischer Sicht. Mit dem Kuss auf seine Stirn hatte sie den ersten physikalischen Kontakt hergestellt und analysierte gerade seine Körperchemie. Tief in ihrem Leib arbeiteten mehrere Organe bereits an der Herstellung kompatibler Substanzen und Flüssigkeiten. Es hatte wenig Sinn, diesen Prozess beschleunigen zu wollen. Parallel dazu hatte der Mensch Miguel noch Zeit, um sich weiter zu erholen und zu stärken. Sie würde ihn dabei unterstützen, so schnell wie möglich wieder zu Kräften zu kommen. Mit Leichtigkeit erfüllte sie die Rolle seiner Idealpartnerin, die sie während seines Schlafes entdeckt und in die laufende Metamorphose integriert hatte. Ein wenig schwieriger war es gewesen, aus Bruchstücken seiner Erinnerung das weibliche Gegenstück seiner Uniform nachzubilden. Die Lücken seiner Gedankenbilder füllte sie einfach mit entsprechenden Stellen seiner Uniform.

Die folgenden Stunden verbrachten sie gemeinsam damit, seine Sachen zu waschen, zu essen und zu trinken. Sie unterhielten sich kaum, fast wie ein Ehepaar, das sich nach dreißig Jahren ohne viele Worte verstand. Von seiner Warte aus betrachtet, hatte er wenig Anlass zu reden, stand er doch längst soweit unter dem Einfluss der Sirene, dass sie sein natürliches Verlangen nach Rettung und Aufklärung erfolgreich unterdrücken konnte. Aus ihrer Sicht musste sie abwarten, bis sich in ihrem Körper die notwendigen Organe gebildet hatten, um ihren Plan mit Sicherheit gelingen zu lassen. Geduld. Alles braucht seine Zeit. Der Erfolg eines jeden Vorhabens wächst mit der richtigen Zeitspanne, die man in die Planung investiert.

Miguel hatte die Augen schon lange geöffnet, als die Sonne hinter dem Horizont aufstieg. Er begeisterte sich daran, wie die Strahlen der fremden Sonne Isabels in eine Decke gehüllten Körper umschmeichelten und langsam aus dem Grau der Dämmerung hoben. Doch Isabel schlief nicht, die Sirene schlief nicht. Sie war hellwach und wusste: Jetzt ist es soweit. Miguel wollte gerade nach ihr greifen, als sie sich scheinbar in erwachender Schläfrigkeit bewegte. Dabei rutschte ihr wie unbeabsichtigt die Decke herunter und zeigte ihm, dass sie nackt war. Sofort versteifte sich sein Glied und er konnte sich kaum zurückhalten. Er dachte, dass er sie durch irgendein Geräusch geweckt hatte, denn sie schlug die Augen auf und sah ihn direkt an. Weich, zärtlich, wie es ihm schien. Verführerisch. Und bereit.

Ja, sie will mich auch, dachte Miguel und sein Herz machte einen Sprung.

Ohne ein Wort zu sagen, schob sie den Rest der Decke beiseite und drehte sich ihm zu. Es verschlug ihm den Atem. Seine Ahnungen, was sie unter der Uniform verborgen hatte, wurden übertroffen. Sie war perfekt. Und sie wollte ihn, das erkannte er jetzt völlig klar. Auch die angebliche Klarheit dieses Gedankens stammte von der Sirene. Sie tat den nächsten Schritt. Sie schmiegte sich an ihn und begann, seinen Körper zu streicheln, zu erforschen, zu liebkosen.

Miguel konnte sein Glück kaum fassen und tat es ihr gleich.

Die Sirene nutzte die Berührungen, um ein letztes Mal eine Abstimmung vorzunehmen. Feinjustierung. Kapazitäten und Volumina. Belastung und Schwachpunkte. Analyse des eingeleiteten Prozesses und Verlaufsprognose. Und das voraussichtliche Ende der Handlung.

Miguel schien es wie eine Offenbarung, als er in sie eindrang. Heiß, beglückend, berauschend. Er nahm sich vor, ihr alles zu geben, was sie sich wünschte und hatte keine Chance zu erkennen, dass die Sirene es war, die dies in ihm hervorrief. Sie wollte alles von ihm. Möglichst jedes einzelne Spermium. Und er war bereit, es ihr zu geben. Mehr als bereit. Es war seine Pflicht. Er musste es tun. Er musste es einfach.

Die Sirene hatte während seines Schlafes tief in sein Bewusstsein gegriffen und seine Idealvorstellungen einer Kopulation entdeckt und ausgewertet. Sie hob und senkte ihr nachgebildetes Becken genau in dem Rhythmus und der Geschwindigkeit, die ihm zu höchster Lust verhelfen würde. Sie passte sich seinen Bewegungen an und wechselte die Stellung genau dann, wenn seine Vorstellung es ihr verriet. Sie registrierte seine wachsende Erregung, das Ansteigen des inneren Druckes seiner Gefäße und steuerte geschickt den Verlauf der Paarung. Exakt in den richtigen Momenten hielt sie inne, wartete, bewegte sich mal langsam, mal schneller, um das Maximum an Miguels Verzückung herauszuholen. Er spürte nicht, wie sie Sekunden vor seiner Ejakulation, einen letzten Schub starker Pheromone ausstieß, um auch das letzte Quäntchen seiner Geilheit auszunutzen.

Miguel erlebte den stärksten Orgasmus, denn er je in seinem Leben genossen hatte, und die Sirene erkannte dies mit der Gewissheit, dass es auch sein letzter sein würde. Sie knetete und walkte sein Glied wie das Euter einer Kuh. Dem Äquivalent einer irdischen Kuh auf ihrem Planeten. Eiskalt, völlig gefühllos, dabei die erhitzte Gespielin vortäuschend. Mit jedem Schub seines Samens triumphierte sie, versuchte die Menge an Einheiten zu schätzen, die sie in sich aufnahm und kalkulierte schon die Anzahl der daraus entstehenden Diener.

Diener einer neuen Art, einer bisher nicht da gewesenen Qualität. Ja, die Menschen waren etwas Besonderes. Mit diesem Vorrat an Spermien würde sie und Hunderte ihrer Art eine neue Rasse an Diener gebären. Fürchterlich, gewalttätig, alles andere Leben, dass sich den Sirenen entgegenstellen könnte, niederwalzend.

Während Miguel langsam zur Ruhe kam, dachte sie für einen kurzen Augenblick an die Option, ein paar Menschen als Samenlieferanten am Leben zu erhalten. Doch dann überwog ihre Einschätzung, dass es zu riskant wäre, diese gefährliche Rasse auch nur in Bruchteilen zu erhalten.

Sie wartete nicht einmal ab, bis Miguel sich erschöpft von ihr löste, sondern fuhr blitzschnell die in den Imitaten einer Frauenhand verborgenen, messerscharfen Hornklingen aus und zerfetzte ihm den Hals. Hätte sie den Begriff Dejá vu gekannt und auch nur die Spur menschlichen Zynismus besessen, so hätte sie vielleicht eine Parallele zwischen seinem hervorspritzenden Blut und dem unmittelbar davor seinen Körper verlassenden Samen gezogen.

So richtete sie sich nur auf und beobachtete sein entsetztes Gesicht, das sich im völligen Unverständnis der Tat zu einer geschockten Grimasse verzerrte und mit jedem Pulsen seines Blutes blasser wurde. Nach wenigen Augenblicken zuckten nur noch seine Hände hilflos in Richtung Hals, brachten aber nicht einmal mehr die Kontrolle auf, um auch nur den Versuch zu wagen, die zerrissene Halsschlagader schließen zu können.

Der letzte Blick der Sirene fiel auf sein immer noch steifes Glied. Welch eine primitive Art sich fortzupflanzen, dachte sie und wandte sich um. Während sie langsam davonging, setzte sie zwei neue Prozesse in sich in Gang. Die Rückverwandlung in ihre ursprüngliche Gestalt und die Vorbereitung des menschlichen Samenvorrates zu Verteilung an viele Ihre Artgenossinnen. Mit ein bisschen Glück konnten sie das Grundmuster des Spermiums klonen und so für viele Dekaden Nutzen aus dem Material ziehen. In jedem Fall würden die Chimären aus Sirenen und Menschen, die besten Kampfdiener darstellen, die je im Auftrag der Sirenen durch das All gezogen waren.

Und das allererste Ziel für die neue Armee würde dieser dritte Planet im Sonnensystem, nahe am Rand der Milchstrasse sein.

- Ende -

Copyright © 1999 by Werner Karl
Aus "Danger Zone - Science Fiction Stories" ISBN 978-3-86850-804-8
 

galaxykarl

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Dein Eindruck zu

Hallo jon,

aber natürlich, ich bitte darum. Deine Meinung hat mir auch bei meiner ersten Geschichte "Das goldene Licht ..." Schwachpunkte aufgezeigt und in der Überarbeitung mich einen Schritt vorangebracht. Ich lege Wert auf deine Meinung, da du nicht meine Scheuklappen hast.

Außerdem bilde ich mir ein, kritikfähig zu sein und freue mich auf deine Hinweise. Korinthe, wie ich nun mal bin, habe ich mehrere meiner Texte auf ähnliche Fehler wie o.g. gecheckt und tue es auch momentan. Erst wenn ich das Gefühl habe, es ließe sich nichts mehr verbessern, werde ich es wagen, mit einem möglichst professionellem Manuskript samt Exposé an einen passenden Verlag oder eine Agentur heranzutreten.

Alle drei Stories sind Teil eines Ebooks mit insgesamt 12 Kurzgeschichten, wurden also - leider - noch nicht gedruckt, aber ich arbeite daran.

Übrigens schreibe ich gerade unter meinem Fantasy-Pseudonym Cameo Flush einen Roman mit dem Titel "Die Spiegelkrieger des Druiden". Eine Leseprobe daraus findest du unter http://www.sfbasar.de, Rubrik Storys. Würde mich freuen, wenn ich dieses Textstück auch hier einstellen darf und auch dafür deinen Finger in meinen "Schreib"wunden spüren könnte.

Darüber hinaus habe ich den Artikel "Was kann ich tun, um ein berühmter Autor zu werden" im sfbasar auf aktuelle 25 Schritte ausgebaut und feile weiter dran. Ich hoffe, ihr habt kein Problem damit, das ich versuche auf mehreren Autorenplattformen Texte einzustellen und möglichst viel zu lernen.

Liebe Grüße
galaxykarl ;-))
 

jon

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Ooch, lernen ist doch immer gut. Ich hab kein Problem, wenn Texte an verschiedenen Stellen im Netz auftauchen; auch die andern Lupen-Offiziellen nicht. Wir müssen nur erkennen, dass du der Autor bist und nicht hier was Geklautes reinstellst.
Den Fantasy-Text kannst du in der Schreibwerkstatt einstellen (im Fantasy-Forum nur das ganze Werk {in Teilen}), da schau ich auch immer rein.

So, nun aber zum Feinlektorat, wie ich es machen würde, wenn ich in einem Verlag sitzen würde, der den Text drucken will.

Miguel stand ganz still. Alles um ihn herum war still. Jetzt. Vor - einer Stunde? - war es ganz anders gewesen. Aber jetzt war es wirklich ruhig. Fast friedlich. Die Sonne strahlte zwar noch ihr grüngelbes Licht herab, aber den Strahlen fehlte längst die Wärme, geschweige denn die Hitze, die sie am Tag in voller grüner Pracht auf den Planeten ergossen hatte. Und trotzdem glühte Miguels Körper noch. Zu lange hatte der Kampf gedauert.
„Still“ ist leiser/unbewegter als „ruhig“. Du betonst in den ersten beiden Sätzen das „still“ zudem so sehr, dass es fast wie Totenstille klingt – und dann weichst du es plötzlich zu „ruhig“ auf. Der Autor sollte nie zurückrudern (entweder etwas ist still oder doch nur ruhig), darf aber durchaus einen Eindruck vertiefen (es war ruhig, geradezu still). Das Dilemma: “Miguel steht ruhig da.“ hieße, er ist auch innerlich ruhig. Vorschlag (auch wenn dieser Satz nicht sonderlich originell ist) : Miguel sah sich um. Alles war ruhig. Vor – einer Stunde? – war es ganz anders gewesen. Aber jetzt war es wirklich still. Fast friedlich.


Kampf. Was für ein lächerliches Wort für das erbarmungslose Schlachten, das er überlebt hatte. Er war völlig erschöpft, die Muskeln verkrampft und sein Waffenarm hing kraftlos herab. Es fehlte nur noch ein winziges bisschen, um ihn die Waffe entfallen zu lassen. Aber noch hielt er sie in seiner Faust. Vielleicht war da ja doch noch ein Gegner, der ihn zu guter letzt anfallen könnte. Aber es war niemand in seiner Nähe. Weder Freund noch Feind.
Feinheit das „winzige bisschen“ klingt mir ein bisschen zu umgangssprachlich.

Fallfehler: um ihm die Waffe entfallen zu lassen

Inhalt: Entfällt/entgleitet die Waffe nun dem Arm oder der Hand?

Miguel sah nach oben. Der Nacken tat ihm dabei weh. Seine Muskeln waren völlig verspannt, aber das störte ihn nicht. Der Himmel war überzogen mit blassen, grünen Schlieren, wundervollen Pastellfarben. Wenn er ein Maler gewesen wäre, hätte er niemals diese Farbkombination gewählt, sie wirkte zu unnatürlich auf ihn. Aber er war ja auch nur ein Mensch, der nicht auf diesen Planeten gehörte. Trotzdem hätte er sich an den Anblick gewöhnen können. Vor einigen Wochen war er mit seiner Einheit gelandet und sofort fühlten sie sich angenehm berührt von der traumhaften Landschaft, den vielfältigsten Pflanzen und Tieren, die samt und sonders ungewohnt, aber vertrauenswürdig wirkten. Es war Miguel nicht ein Bericht in die Finger oder zu Ohren gekommen, der nicht in den höchsten Tönen die Friedfertigkeit der örtlichen Fauna und Flora gepriesen hätte. Ein Paradies. Wirklich friedlich.
Feinheit: Beim Rückblick-Satz sollte meines Empfindens ein Rhythmuswechsel stattfinden. Bis „gewöhnen können“ ist Miguel noch im Erzähljetzt unmittelbar nach der Schlacht. Es ist zwar still und nicht mehr atemlos (also kein Action), aber doch recht „im Moment“ (Moment nach Moment nach Moment – deutlich „portionierte“ Wahrnehmungen). Erinnerungen hingegen fließen eher. Am einfachsten geht das mit über das Plusquamperfekt, das weicher klingt als das Präteritum. Vor einigen Wochen war er mit seiner Einheit gelandet und sofort hatten sich sie angenehm berührt gefühlt von der …
Dafür kann der Rücksprung ins Jetzt (im nachfolgenden Absatz) wieder härter werden. Der Anfang mit dem „wenn“ läutet das schon hervorragend ein, der Satz sollte aber „ein Schlag“ (gegen das Idyll) sein. … ignorieren konnte. Dicht an dicht, oft übereinandergefallen lagen sie hier, bis zum Horizont: Freund und Feind …


Wenn man die unzähligen Toten ignorieren konnte, die ringsum, dicht an dicht, oft übereinander gefallen bis zum Horizont lagen. Hier lagen sie: Freund und Feind, oft eng umschlungen wie Liebespaare, aber nicht in Wonne verzückten Posen, sondern in schrecklich verzerrten Stellungen, manchmal nur durch die Waffen miteinander verbunden, die ihnen gegenseitig den Tod gebracht hatten. So weit seine Augen die Gegend überblicken konnten, regte sich nichts mehr. Er war der einzige Überlebende.
in wonneverzückten Posen oder in vor Wonne verzückten Posen

Hier stimmt Rhythmus: Das Gesamtbild des Grauens breitet sich in einem langen, fließenden Satz aus – als „ein langer Moment“ –, dann die „Zuspitzung“, dann der stark und wie ein Hammer (Ein-Schlag-)Moment der „Erkenntnis“.


Als er etwas später in einiger Entfernung doch eine vage Bewegung wahrnahm, schöpfte er kurz Hoffnung, aber es war kein Verletzter oder weiterer Kämpfer, der die grauenvolle Schlächterei überstanden hatte, sondern nur ein paar Krähen ähnlichen Flugtiere, die begannen, den Toten die Augen auszupicken. Unwillkürlich hatte Miguel einen kleinen Schritt getan, aber wieder angehalten. Warum sollte er die Viecher davon abhalten? Kaum, dass er sich umdrehen würde, kämen sie erneut angeflogen, um ihr Mahl fortzusetzen. Also ließ er sie gewähren. Er hätte auch nicht die Energie aufgebracht, sie anhaltend zu vertreiben, von der dazu notwendigen Kraftanstrengung ganz zu schweigen.
Feinheit: Hier könnte man einen Punkt nach „Hoffnung“ setzen, das hebt sie aus dem Teppich des Grauens noch mal kurz hervor, bevor sie im Teppich (langer Satz) wieder einsinkt.

Unschöne Dopplung von „halten“. … Viecher verscheuchen?

Der letzte Satz ist doppelt gemoppelt – „keine Energie“ und „zu große Kraftanstrengung“ sind das gleiche. Ich würde den letzten Teilsatz (Kraftanstrengung) einfach streichen.

Er sah an sich herab. Der Kampfanzug war an vielen Stellen beschädigt, aber noch funktionsfähig. … Trotzdem hatte es der Gegner vermocht, einige Funktionen des Anzuges zumindest so zu beeinträchtigen, dass er das blinde Vertrauen, das er normalerweise solchen Anzügen entgegen brachte vergessen konnte. …
Der Anzug war an vielen Stellen noch funktionsfähig? Deutlicher: …beschädigt, aber er war noch funktuonfähig.

Komma nach „entgegen brachte“

„Blindes Vertrauen vergessen können“? Klingt für mich komisch. Vielleicht den Satz entschachteln: … so zu beeinträchtigen, dass er ihm mehr nicht wie sonst blind vertraute/vertrauen konnte.

Sein Blick blieb an seinen Beinen hängen, denn die Füße, die in schweren Kampfstiefeln steckten, sah er nicht mehr. Eine Hand breit über seinen Knöcheln hörte die braune Farbe des Leders auf und wechselte abrupt in dunkles Rot über. Wie ein Pegelstand eines über die Ufer getretenen Flusses erschien ihm die konturscharfe Grenze zwischen Braun und Rot.
Dieser Absatz wirkt am Anfang wie ein Rätsel: „An den Beinen herabblickend sieht er seine Füße nicht. Warum? Er sieht, dass das braune Leder an dieser Stelle dunkelrot wird. Aha – aber was hat das mit den „unsichtbaren Füßen“ zu tun? Sie sind doch einfach nur dunkelrot, oder?“
Außerdem bleibt sein Blick ja nicht an den Beinen hängen, er schaut weiter runter zu den Füßen, nur dass die nicht zu sehen sind. Sein Blick wanderte abwärts, suchte seine in schweren Kampfstiefeln steckenden Füße. Er sah sie nicht mehr. Sie steckten bis eine Handbreit über dem Knöcheln in etwas Dunklem, Rotem. // Wie viele …

Wie viel Hektoliter Blut wohl heute auf diesem Schlachtfeld vergossen wurden? kam ihm die Frage in den Sinn. Völlig unwichtig, jeder einzelne Tropfen war zuviel. Er dankte Gott, dass von seinem eigenen Blut nur sehr wenig dazu beitrug, ihm bis über die Knöchel zu reichen. Wieder machte er einen zaghaften, fast prüfenden Schritt. Mit fast neugierigem Erstaunen beobachtete Miguel, wie das Häutchen aus geronnenem Blut zerriss. Wie lange stand er wirklich schon hier?
„Wie viele Hektoliter“

Die Frage klingt für mich nicht stimmig. Man fragt neuerdings oft so, aber das klingt hier zu weich, zu „hintenrum“. Die „richtige“ Frage Wie viele Hektoliter Blut wurden heute auf diesem Schlachtfeld wohl vergossen? fände ich angemessener.
Durch den Kursivdruck ist die Frage schon als sein „wörtlicher Gedanke“ gekennzeichnet, der Nachsatz kann also getrost entfallen.

zu viel

Der Gott-Satz klingt mir ein bisschen zu gewollt. … beitrug, dass der schwarzrote Sumpf ihm bis über die Knöcheln reichte.

Unschöne Dopplung „fast“

Feinheit: Boah eh! Das ist nicht nur mit Blut zu Schlamm vermischte Erde, das ist ein echter Blutssee! – Vielleicht doch ein bisschen dick auftragen, oder? Das ist aber reine Geschmackssache, denke ich. Ich halte zwar was von Effekten, aber eher wenig von plakativen Effekten.

Mit dem letzten, was er an Antriebskraft mobilisieren konnte, zwang er sich, einen Schritt nach dem anderen zu machen. Es war gleichgültig, in welche Richtung er ging, denn längst hatte er die Orientierung verloren. Wahrscheinlich hatte er dies schon in den ersten Minuten des Kampfes. Im Augenblick wollte er nur noch das Schlachtfeld verlassen, um seinen Au-gen endlich einen anderen Anblick zu gönnen. Seinem Gehirn würde er nicht so einfach andere Bilder verschaffen können.
Der „erste Minuten“-Satz wirkt mir zu eingeschoben. Es ist auch egal, wann genau er die Orientierung verlor, oder?

Trennstrich bei Augen

Unschöne Dopplung „Augen“

So stapfte er also los, mehr taumelnd, als gezielt schreitend. Die ersten paar Dutzend Meter versuchte er noch, zwischen die Leichen zu treten, was schwierig war, da alles gleich rot von Blut überströmt und glitschig war. Nach dem zweiten Ausrutscher, der ihn ebenfalls von oben bis unten rot färbte, achtete er nur noch darauf, einen sicheren Tritt zu finden. Auf was er trat, versuchte er zu ignorieren und richtete seinen Blick Halt suchend an den Horizont. Nach etwas länger als einer halben Stunde hatten sich die Schleier in seinem Gehirn so weit aufgeklart, das ihm sein Anzugkompass einfiel und beschämt sah er drauf. Gesplittert. Na schön. Also weiter in die eingeschlagene Richtung. Fast war er froh darüber, dass der Kompass demoliert war. So brauchte er nicht weiter darüber betroffen zu sein, nicht eher an das nahe liegende gedacht zu haben. Und das Gelände hatte keine markanten Punkte, die ihm den Weg zur Basis weisen konnten.
Schreitend? In schweren Kampfstiefeln sowieso nicht. Ich würde – da dann die Beschreibung kommt – den Satz nach „los“ beenden.

Besser: da alles in gleicher Weise von oder gleichförmig/gleichmig oder da unterschiedslos alles von Blut

nach etwas mehr als einer halben Stunde

…aufgeklart, dass ihm sein Anzugkompass einfiel und er beschämt draufsah oder aufgeklart, dass ihm sein Anzugkompass einfiel. Beschämt sah drauf.

das nahe Liegende oder besser das Naheliegende

Der letzte Satz ist mit dem „Und“ falsch angekoppelt – das hat nichts mit dem „froh sein“ zu tun. Vorschlag: … zu haben. Nach einer weiteren Viertel Stunde vermisste der das Gerät jedoch, denn er war längst nicht merh sicher, dass er nicht im Kreis lief. Das Gelände hatte keine markanten Punkte, an denen er sich orientieren konnte oder die ihm gar den Weg zu Basis gewiesen hätten.
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Ist das Lektorat so ok oder soll es weniger detailiert sein?

… hab ich schon gesagt, dass ich die Geschichte gut gedacht, am Ende aber etwas zu lang finde? Eine Art "länge" kannst du entfernen, wenn du die Stellen der Art "Es dachte kalr. Aber natürlich war sie es , die ihn denken ließ, er dächte klar." streichst und dich auf "er handelt" – "sie handelt" konzentrierst. Auch ist mir die Spanne von "der Leser merkt, dass sie Sex will und wie sie das erreichen will" bis zum Akt selbst etwas lang. Der Tag "Vorbereitung" mag aus Sirenensicht nötig sein (Umwandlung und Ausbeute und so), aber du als Autor kannst ja locker behaupten, sie würde das schneller hinkriegen … ;)

Eins ich nicht ganz verstanden: Sie ist die letzte überlebende Sirene der Schlacht, aber gekämpft haben nur die Diener. ?
 

galaxykarl

Mitglied
Länge Lektorat

Hallo Jon,

ich bin ja hin und weg, da du erneut nur von Feinheiten sprichst. Und die Länge deiner Hinweise - und die erfreulich kleine Anzahl - treiben mir die Mundwinkel auseinander. Bitte genau so weitermachen, wenn du dir denn auch weitere Texte von mir antun willst.

Ich kann ALLE deine Vorschläge nur begrüßen und habe nichts dagegen anzuführen, denn sie sind schlichtweg berechtigt. Gerne werde ich sie beherzigen und meinen Text überarbeitet einstellen.

In diesem Zusammenhang eine Frage: Wie kann ich denn Erstfassungen löschen. Als (eingebildeter) Purist würde ich mich freuen, wenn am Ende nur eine saubere Fassung in der LL steht.

Zwei Punkte zur Story (welche ich vielleicht undeutlich formuliert habe und auch überarbeiten werde):
1. Die Schlacht war im wahrsten Sinne des Wortes mörderisch und der Mensch und die Sirene sind die beiden einzigen Überlebenden. Die Sirene hat auf ihre Art und Weise mitgekämpft. Das war aber für mich nicht so wichtig, als dass ich es für erwähnenswert hielt.
2. Das Bild mit dem geronnenem Blut, dessen Häutchen bei Miguels erstem Schritt zerreißt, hat sicher etwas plakatives. Aber genau dieses Bild hatte ich im Kopf, als mir die Geschichte einfiel. Er steht ja auch deswegen lange Zeit benommen, erschüttert, erschöpft da, damit sich überhaupt dieser Effekt ergeben kann. Das mit dem Pegelstand habe ich ernst gemeint: Das Blut steht knöcheltief, deswegen kann er seine Füße nicht sehen. Sie stecken in der - meinetwegen - Blutpfütze; das Land ist ja nicht plan und auch nicht absolut in der Waage. Bodenunebenheiten wird es auch auf anderen Welten geben, Miguel steht halt in einer Pfütze aus Blut.

Im Nachhinein habe ich viel an die Menge "Hektoliter" gedacht. Als Superlativ soll sie schockieren und manchmal war ich geneigt sie abzumildern. Aber wenn man sich historische Schlachten ansieht (siehe Rezi "Vorchristliche Schlachten" unter http://www.filmbesprechungen.de/act...-den-spuren-der-grosten-feldherrn-der-antike/ oder auch an das US-amerikanische Gettysburg denkt, dann sind solche Mengenangaben grausame Realität gewesen.

Als nächstes werde ich eine Leseprobe aus meinem (in Arbeit befindlichem) Fantasyroman "Die Spiegelkrieger des Druiden" hier einstellen. Ich bin jetzt schon gespannt, was du dazu sagst.

Ohne Geschleime: Ich bin Ati dankbar für den Tipp, der mich hierher geführt hat. Und dir für deine Geduld.

LG galaxykarl ;-))
 

galaxykarl

Mitglied
Das Lied der Sirene

Miguel stand völlig unbeweglich. Alles um ihn herum war ruhig.

Vor - einer Stunde? - war es ganz anders gewesen. Aber jetzt war es wirklich still. Fast friedlich. Die Sonne strahlte zwar noch ihr grüngelbes Licht herab, aber den Strahlen fehlte längst die Wärme, geschweige denn die Hitze, die sie am Tag in voller grüner Pracht auf den Planeten ergossen hatte. Und trotzdem glühte Miguels Körper noch. Zu lange hatte der Kampf gedauert.

Kampf. Was für ein lächerliches Wort für das erbarmungslose Schlachten, das er überlebt hatte. Er war völlig erschöpft, die Muskeln verkrampft und sein Waffenarm hing kraftlos herab. Es fehlte nur sehr wenig, um ihm die Waffe entfallen zu lassen. Aber noch hielt er sie in seiner Faust. Vielleicht war da ja doch noch ein Gegner, der ihn zu guter Letzt anfallen könnte.
Aber es war niemand in seiner Nähe. Weder Freund noch Feind.

Miguel sah nach oben. Der Nacken tat ihm dabei weh. Seine Muskeln waren völlig verspannt, aber das störte ihn nicht. Der Himmel war überzogen mit blassen, grünen Schlieren, wundervollen Pastellfarben. Wenn er ein Maler gewesen wäre, hätte er niemals diese Farbkombination gewählt, sie wirkte zu unnatürlich auf ihn. Aber er war ja auch nur ein Mensch, der nicht auf diesen Planeten gehörte. Trotzdem hätte er sich an den Anblick gewöhnen können.

Vor einigen Wochen war er mit seiner Einheit gelandet und sofort hatten sie sich angenehm berührt gefühlt von der traumhaften Landschaft, den vielfältigsten Pflanzen und Tieren, die samt und sonders ungewohnt, aber vertrauenswürdig wirkten. Es war Miguel nicht ein Bericht in die Finger oder zu Ohren gekommen, der nicht in den höchsten Tönen die Friedfertigkeit der örtlichen Fauna und Flora gepriesen hätte.

Ein Paradies. Wirklich friedlich.

Wenn man die unzähligen Toten ignorieren konnte. Dicht an dicht, oft übereinander gefallen, lagen sie hier, bis zum Horizont. Freund und Feind, oft eng umschlungen wie Liebespaare, aber nicht in vor Wonne verzückten Posen, sondern in schrecklich verzerrten Stellungen, manchmal nur durch die Waffen miteinander verbunden, die ihnen gegenseitig den Tod gebracht hatten. So weit seine Augen die Gegend überblicken konnten, regte sich nichts mehr.
Er war der einzige Überlebende.

Als er etwas später in einiger Entfernung doch eine vage Bewegung wahrnahm, schöpfte er kurz Hoffnung. Aber es war kein Verletzter oder weiterer Kämpfer, der die grauenvolle Schlächterei überstanden hatte, sondern nur ein paar Krähen ähnlichen Flugtiere, die begannen, den Toten die Augen auszupicken.

Unwillkürlich hatte Miguel einen kleinen Schritt getan, doch einen zweiten tat er nicht. Warum sollte er die Viecher davon abhalten? Kaum, dass er sich umdrehen würde, kämen sie erneut angeflogen, um ihr Mahl fortzusetzen. Also ließ er sie gewähren. Er hätte auch nicht die Energie aufgebracht, sie anhaltend zu vertreiben, von der dazu notwendigen Kraftanstrengung ganz zu schweigen.

Er sah an sich herab. Der Kampfanzug war an vielen Stellen beschädigt, aber er war durch-aus noch funktionsfähig. Die Sperrfelder hatten ihn sicherlich vor Hunderten kleinerer Wunden bewahrt, die ihm den Lebenssaft gekostet hätten, ohne das er es in der Hitze des Gefechtes bemerkt hätte. Schließlich war das die Hauptaufgabe der Schutzfelder. Trotzdem hatte der Kampf dem Anzug so geschadet, dass Miguel ihm nicht mehr blind vertrauen konnte. Wenn er wieder die Kraft und die nötige Ruhe dazu fand, würde er den Anzug einer eingehenden Prüfung unterziehen müssen. Doch jetzt hatte er weder die Kraft, noch die Ruhe für solche Dinge. Nur um ihn herum herrschte Ruhe, in ihm nicht. Aber es zeigte sich niemand, gegen den er in seinem leicht ramponierten Anzug hätte antreten müssen.

Sein Blick blieb an seinen Beinen hängen, denn die Füße, die in schweren Kampfstiefeln steckten, sah er nicht mehr. Er stand in einer klei-nen Mulde und eine Hand breit über seinen Knöcheln hörte die braune Farbe des Leders auf und wechselte abrupt in dunkles Rot über. Wie ein Pegelstand eines über die Ufer getretenen Flusses erschien ihm die konturscharfe Grenze zwischen Braun und Rot.

Ich stehe knöcheltief im Blut. Wie viele Hektoliter Blut wurden heute auf diesem Schlachtfeld wohl vergossen?

Völlig unwichtig, jeder einzelne Tropfen war zuviel. Er dankte Gott, dass nur sehr wenig seines eigenen Blutes den Boden tränkte. Wieder machte er einen zaghaften, fast prüfenden Schritt. Mit fast neugierigem Erstaunen beobachtete Miguel, wie das Häutchen aus geronnenem Blut zerriss. Wie lange stand er wirklich schon hier?

Mit dem letzten, was er an Antriebskraft mobilisieren konnte, zwang er sich, einen Schritt nach dem anderen zu machen. Es war gleichgültig, in welche Richtung er ging, denn längst hatte er die Orientierung verloren. Jetzt wollte er nur noch das Schlachtfeld verlassen, um seinen Augen endlich einen anderen Anblick zu gönnen. Seinem Gehirn würde er nicht so einfach andere Bilder verschaffen können.

So stapfte er also los, mehr taumelnd, als gezielt marschierend. Die ersten dutzend Meter versuchte er noch, zwischen die Leichen zu treten, was schwierig war, da alles gleich rot von Blut überströmt und glitschig war. Nach dem zweiten Ausrutscher, der ihn ebenfalls von oben bis unten rot färbte, achtete er nur noch darauf, einen sicheren Tritt zu finden. Auf was er trat, versuchte er zu ignorieren und richtete seinen Blick Halt suchend an den Horizont.

Nach etwas mehr als einer halben Stunde hatten sich die Schleier in seinem Gehirn so weit aufgeklart, dass ihm sein Anzugkompass einfiel und er sich beschämt das Sichtglas besah. Gesplittert. Na schön. Also weiter in die eingeschlagene Richtung. Fast war er froh darüber, dass der Kompass demoliert war. So brauchte er nicht weiter dar-über betroffen zu sein, nicht eher an das nahe Liegende gedacht zu haben. Leider hatte das Gelände keine markanten Punkte, die ihm den Weg zur Basis hätten weisen können.

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Die Sirene hatte den Feind lange entdeckt, bevor dieser sich schwerfällig in Bewegung setzte. Es hatte keinen Sinn, ihn jetzt anzugreifen, da sie zu weit weg war und das Gelände fast keine Deckungsmöglichkeiten bot, um sich unbemerkt an ihn heranzuschleichen. Sie sah ihm an, dass er schwer angeschlagen war und vielleicht ohne große Gefahr zu erledigen wäre, aber das war ihr nicht sicher genug. Sie musste absolute Gewissheit haben, dass sie eine Auseinandersetzung überleben würde, da sie selbst in dieser Schlacht auch die letzte überlebende Sirene war. Dutzende ihrer Art waren vom Feind getötet worden, ohne dass dieser überhaupt ahnte, welcher Gefahr er damit entging. Zu sehr war der Feind damit beschäftigt gewesen, die Diener der Sirenen hinzumetzeln und von ihnen ebenfalls massakriert zu werden. Ohne Bedauern blickte die Sirene auf das blutüberströmte Schlachtfeld, das sich von einem Ende der Ebene zum anderen erstreckte.

Sie hatte keinen Blick für die verstümmelten Leichen, abgetrennten Körperteile, die verbrannten, zerstochenen und zerrissenen Leiber des Feindes und ihrer eigenen Kämpfer. Schließlich waren die Diener der Sirenen dafür da, speziell für diesen Zweck geschaffen worden.

Der letzte Gegner schleppte sich gerade über die Kuppe einer leichten Anhöhe und verschwand langsam dahinter. Aber das machte ihr keine Sorge, da sie seinen Geruch noch über viele Kilometer hinweg wahrnehmen konnte. Sie setzte sich ebenfalls in Bewegung und konzentrierte ihre Sinne dabei auf die Richtung des Windes. Sie musste unbedingt einen Weg einschlagen, der sie in eine Linie mit der Luftströmung und der Position des Feindes brachte. Wenn sie dies erreichte, bevor der Feind sich in seine Basis zurückziehen konnte, hatte sie bereits gewonnen.

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Miguel indes hatte auf seinem Marsch einen Punkt der Erschöpfung erreicht, in dem er einzelne Schritte nicht mehr bewusst tat, sondern sich in einem katatonischen Zustand befand. Seine Waffe hatte er längst unter Aufbietung seiner letzten Reserven auf den Rücken geschoben. Fast war es ihm gleich, dass er damit riskierte, vom Feind überrascht zu werden und nicht mehr rechtzeitig die Waffe abfeuern zu können. Einmal vergaß er, den Weg vor sich zu prüfen und fiel der Länge nach hin. Ohne die Hände zur Dämpfung des Falles zu gebrauchen, schlug er auf. Sein Glück war, das trotz des Randes des Schlachtfeldes, das er mittlerweile erreicht hatte, die Leichen immer noch so dicht lagen, das er mit dem Kopf auf den Bauch eines Menschen stürzte und weich abgefedert wurde. Seine Hände tapsten kraftlos umher und so rutschte er vom Körper des Mannes herab und tauchte halb im Matsch aus Erde, Blut und anderen eklig riechenden Resten des Kampfes ein. Nur der angeborene Reflex rettete ihn davor in der schleimigen Brühe zu ertrinken, doch damit war auch die letzte Portion an Adrenalin verbraucht und Miguel fiel in eine tiefe Bewusstlosigkeit.

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Triumph lag in den Augen der Sirene, als sie das halbe Schlachtfeld umrundet hatte und nun den Wind im Rücken spürte. Sie konnte den Feind zwar nicht mehr sehen, aber er musste sich jetzt in gerader Linie vor ihr befinden, da sie seine Spur ein Stück verfolgt hatte. Anhand vieler winziger Details hatte sie einen recht guten Eindruck über seinen Zustand. Männlich, unverletzt, völlig erschöpft und stur geradeaus marschierend. Es musste ein Exemplar mit eisernem Willen sein, denn trotz seiner Schwäche verlief sein Weg wie ein Strahl aus einer Ionenwaffe.

Gut. Je besser das Material, desto eher der endgültige Sieg.

Ihr eigener Zustand war ähnlich, wenngleich sie eine kleine Verletzung am linken hinteren Flügel hatte, die aber bereits am Verheilen war. Sie überlegte, ob sie jetzt versuchen sollte ihn einzuholen, wo er noch kraftlos war, um ihn dann aufzupäppeln, oder ob sie ihm Gelegenheit ließ, sich ein wenig zu erholen. Beides hatte Vor- und Nachteile, war verlockend oder hatte seine Risiken. Auf jeden Fall würde er ihr nicht mehr entkommen. Sie war stärker als er. Und sie brauchte nicht eine Basis zu erreichen, um zu überleben. Ganz im Gegenteil. Dieser letzte Feind garantierte ihr Überleben. Und wenn alles gut ausging, garantierte es seinen Tod. Und den seiner Spezies.

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Miguel erwachte und sofort stieg ihm der Gestank in die Nase. Noch bevor er sich erheben konnte, drehte sich sein Magen und mit harten Stößen kotzte er das bisschen heraus, was noch darin gewesen war. Mit verächtlichem Grunzen wischte er mit der behandschuhten Rechten das Erbrochene von seiner Brust und richtete sich in Sitzposition auf.

Er sah schrecklich aus. Die Schicht aus Dreck, Blut, Erbrochenem und feindlichen, wie auch menschlichen Ausscheidungen bedeckte ihn von Kopf bis Fuß. Wieder würgte ihn der fürchterliche Gestank, der vom Mittelpunkt des riesigen Schlachtfeldes zu ihm herüber wehte. Aber auch wenn kein Wind ginge, er selbst produzierte genug abstoßenden Geruch, um jedem den Magen umzudrehen. Aber außer ihm war niemand mehr da. Und sein Magen war längst leer.

Fast automatisch zog er mit der Linken seine Waffe am Lauf unter der Achsel hervor und begann, die Ladeanzeige und Funktionstüchtigkeit zu überprüfen. Die Waffe war nur zu einem Viertel geladen aber OK. Außerdem hatte er noch zwei Vibratormesser, eine Giftgasgranate und die kleine Nadelpistole mit vollem Magazin, die ihm aber nichts helfen würde, da sie beim Gegner nur mehr Aggressivität auslöste, als ihn ernsthaft zu verletzen. Mit hämischem Grinsen dachte er an die Waffentechniker, wenn er ihnen das Ding vor die Füße schmeißen würde. Wenn er in die Basis kommen würde.

Zu viele wenn’s, dachte er und hob vorsichtig den Kopf.

Während er einen direkten Rundumblick machte, nestelten seine Hände am Ausrüstungsgürtel herum und fischten das auseinander faltbare Fernglas heraus. Er setzte es an die Augen und stellte mit dem rechten Daumen die Farbfilter neu ein, die sich ein wenig verstellt hatten. Die satt-grüne Beleuchtung wechselte die Tönungen, während er langsam den Finger am Rad drehte. Bald zu Beginn der Erforschung des Planeten waren die Optiker auf die Methode gestoßen, dass sich hier bestimmte Geländeformationen und Tiere mit variierenden Farbfiltern besser entdecken ließen. Es hatte ihnen tatsächlich kurz vor der Schlacht gezeigt, dass sie eingekreist waren. Vielleicht wäre die Schlacht eher zu Ende gewesen, wenn sie die Umklammerung durch den Feind nicht rechtzeitig erkannt hätten. Schlussendlich genutzt hatte es nichts.

Miguel schob diese Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf das Bild, das sich seinen Augen bot. An Zahl und Größe zunehmende Anhöhen lösten die fast völlig flache Ebene ab, aus der er kam. In weiterer Distanz waren sogar zwei, drei kleinere Hügel und ein Berg zu sehen, dicht bewachsen mit exotisch anmutenden Pflanzen, deren Duft er manchmal zwischen den Schwaden aus Blutgestank zu riechen glaubte. Sein eingeschlagener Weg, von dem er ja nicht einmal mehr wusste, ob er richtig war, führte seitlich an den Hügeln vorbei, mitten durch eine dünn bewachsene Steppe. Wenig anziehend. Da konnte er genauso gut die Richtung durch die Hügel ansteuern, vielleicht fand er ja eine Quelle, einen Bach oder gar einen kleinen See, in dem er sich waschen konnte.

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Die Sirene bewegte sich nicht. Der Mensch vor ihr hatte eine Zeitlang geschlafen oder war bewusstlos gewesen. Trotzdem hatte sie sich ihm nicht genähert. So hatte die Sache keinen Sinn. Sie brauchte für ihre Zwecke einen ausgeruhten, ja kräftigen Gegner. So kräftig und erholt, dass sein Unterbewusstsein sich mit einem anderen Grundbedürfnis als Überleben und Nahrung befassen konnte. Aber noch war es nicht so weit. Ihm fehlte, wie ihr selbst auch, Wasser, Nahrung, Ruhe. Und etwas Zeit.

Sie beobachtete den Mann und tastete mit ihren Sinnen ganz zart nach seinen Gedanken. Der erste Kontakt war immer der schwierigste, da eine Sirene nicht wusste, auf welchen Geist sie stoßen würde. Primitiv oder intelligent, wachsam oder phlegmatisch. Es gab Tausende verschiedener Spezies und darüber hinaus unendlich viele individuelle Varianten. Die Sirenen hatten bei ihren Reisen durch den Raum festgestellt, das der überaus größte Teil fremder Intelligenzen leicht bis mittel schwierig zu beeinflussen war, nur sehr wenige Rassen machten ihnen ernsthafte Probleme. Und es war in der viele Tausend Jahre währenden Geschichte ihres Volkes noch nie vorgekommen, dass eine Spezies völlig resistent gegen die Einflüsse der Sirenen war.

Die Menschen gehörten zu den Rassen, bei denen es zwar schwierig, aber nicht problematisch war. Solange die Zielperson nicht gewarnt oder misstrauisch wurde. Dann benötigte es schon zweier oder bei ganz hartnäckigen Exemplaren vielleicht drei Sirenen, um das Ziel zu erreichen. Ganz vorsichtig schickte sie erste, nebelhafte Berührungen in den Geist des Mannes. Könnte man ihre Bemühungen in stoffliche Begriffe umsetzen, müsste man die samtige Weichheit schmusender Katzenpfoten um ein Tausendfaches verringern, um den Grad ihres Erstkontaktes zu beschreiben.

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Miguel spürte nichts davon und hatte deswegen in diesem Moment schon verloren. Zum einen, weil er nicht damit rechnete, dass jetzt noch ein Feind in der Nähe sein könnte. Zum anderen, weil er nichts von der Existenz der Si-rene oder deren Rasse wusste. Er hatte nur deren Diener kennen gelernt und ahnte nichts davon, dass sie nur Sklaven eines viel gefährlicheren Gegners darstellten.

Seine Gedanken kreisten um die Frage, in welcher Richtung er am ehesten Wasser finden könnte. Zwar hatten sie bei der Landung auf dem Planeten Aufnahmen gemacht, aber er hatte keine Karte erhalten. Er war schließlich kein Offizier, sondern nur einfacher Infanterist. Das wenige, was er noch aus der Grundausbildung wusste, war, dass in höheren Geländeformationen die Chance auf Quellen zu stoßen größer war, als in relativ flachem Gelände ein Wasserloch oder gar einen See zu finden. Also ging er auf die Hügelgruppe zu.

Die Dreckschicht an ihm war längst getrocknet und löste sich in Zentimeter großen Stücken. Ab und an wischte er über juckende Stellen und befreite sich nach und nach vom schlimmsten Schmutz. Trotzdem fühlte er in sich weiterhin Ekel vor dem Gemetzel und dem Zustand, in dem er sich befand. Je näher er den Hügeln kam, desto schneller wurden seine Schritte. Fast schien es so, als könne er wie ein Tier das Vorhandensein von Wasser riechen. Miguel war nicht übermäßig intelligent, aber auch bei weitem nicht dumm. Nach etwa einer halben Stunde wurde ihm sein Verhalten klar und er musste über sich selbst grinsen. Gleichzeitig stellte ein anderer Teil seines Gehirns völlig nüchtern fest, dass er nach all dem Blutbad, dem Verlust aller seiner Kameraden, dem Tatbestand, dass er womöglich der letzte Mensch auf diesem Planeten sein könnte fest, dass er bereits anfing, das erlebte Grauen zu verarbeiten.

Vielleicht ist es aber nur eine von der Natur gegebene Schutzfunktion unseres Gehirns, Schreckliches zu verdrängen und nach individuell verschiedener Zeit sogar zu vergessen, dachte er. Wahrscheinlich ist dies ein elementarer Bestandteil des Grundbedürfnisses Überleben.

Für einen Moment fühlte Miguel so etwas wie Stolz in sich. Stolz darauf, als einziger die Schlacht überlebt zu haben. Nicht die Superkämpfer, nicht die Elitesoldaten und schon gar nicht die Lamettaträger. Nein, er, der kleine, aber hartnäckige Infanterist hatte es geschafft. Und noch etwas nährte seine Empfindung: Die Tatsache, dass er, als Vertreter einer raumfahrenden, hochtechnisierten Zivilisation immer noch fähig war, Urinstinkte wahrzunehmen. Seine Freude steigerte sich um ein beträchtliches Stück, als er zweieinhalb Stunden später am Rand eines kleinen, aber blitzsauberen Sees stand. Er machte sich tatsächlich die Mühe, seinen Kampfanzug und sämtliche Kleidung abzulegen, bevor er in das erfrischend kalte Wasser stieg.

---

Das geflügelte Wesen, das die Sirene im Augenblick darstellte, ließ keinen Blick von dem Mann, als dieser sich entkleidete und in den See ging. Sie ließ ihm ausreichend Zeit, sich gründlich zu reinigen und seinen Durst zu stillen. Nur ganz behutsam wob sie das Netz aus feinsten Fäden des Kontaktes zu einer spinnfadendünnen, aber dauerhaften Verbindung. Sie spürte seine Freude, sein Wohlbefinden, als er Schluck für Schluck seinen Wasserbedarf deckte. Sie versuchte mit vorsichtigen Strömungen seine Euphorie zu erhalten. Fast hätte sie sich, angesichts ihres sichtbaren Erfolges, dazu hinreißen lassen, ihn schon jetzt stärker zu beeinflussen. Aber dann hielt sie sich zurück. Zu wichtig war jetzt ihr weiteres Vorgehen. Zu entscheidend im Krieg gegen die Menschheit der nächste Schritt.

Als der Mann endlich mit glücklichem Gesichtsausdruck das Wasser verließ, bereitete sie den nächsten Akt des Dramas vor. Mit schlangenhaftem Blick und eiskalter Berechnung registrierte sie sein erschöpftes Zusammensinken neben dem Haufen dreckiger Kleidungsstücke und blutverschmierter Ausrüstung. Mit unendlicher Geduld wartete die Sirene, bis er in einen tiefen, der Bewusstlosigkeit nahen Schlaf versank. Erst dann näherte sie sich fast übertrieben leise ebenfalls dem See und trank selbst.

Auch sie hatte ein Bad nötig. Aber die Beschaffenheit ihrer Körperoberfläche, die nichts mit Haut, Fell oder Gefieder zu tun hatte, ermöglichte ihr es, diesen lästigen Akt der Reinigung auf einen extrem kurzen Zeitraum zu beschränken. Dabei behielt sie ständig den Mann in Augenschein und parallel dazu in telepathischem Kontakt. Sie überwachte seinen Schlaf, das Auf und Ab seines Geistes von leichten Perioden, nervösen Alpträumen, bis hin zu den Tiefschlafphasen. Mit einer Mischung aus Verachtung und Überlegenheit vermerkte sie den erstaunlich hohen menschlichen Bedarf an Schlaf. Zugegeben, nach dieser Schlacht sehnte sie sich auch nach Ruhe, aber diese Spezies benötigte viel mehr Erholung, als ihre eigene.

Sie ließ sich ohne Furcht direkt neben ihm nieder und studierte seinen Körper. Die Sirene hatte keine Angst, dass er womöglich überraschend aufwachen und sie angreifen könnte. Zu stark war schon die Bindung an sein Bewusstsein, zu intensiv die Beobachtung seiner Körperfunktionen, als dass sie nicht rechtzeitig vor seinem Erwachen gewarnt wäre. Behutsam drang sie tiefer in sein Gehirn ein, während sie sich selbst in das Vorstadium der Metamorphose versetzte. Dieses frühe Stadium der Wandlung war immer ein Schwachpunkt, aber auch ihr einziger. Doch jetzt bestand keinerlei Gefahr. Der Gegner schlief tief und fest und sie hatte sehr viel Zeit, sich vorzubereiten.

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Als Miguel erwachte, fühlte er sich wie neu geboren. Ein Blick auf sein Chrono verriet ihm, dass er mehr als fünfzehn Stunden geschlafen hatte. Es musste also längst ein neuer Tag sein, denn das blassgrüne Sonnenlicht zeigte keine Spuren von Morgendämmerung mehr. Er setzte sich auf und schnappte sich in einer antrainierten automatischen Bewegung seine Waffe. Noch bevor er sie in Anschlag gebracht hatte, verwarf sein Gehirn die Möglichkeit unmittelbarer Gefahr. Es erschien ihm unsinnig, fünfzehn Stunden hilflos dazuliegen, um just in dem Moment, wenn er erwachte, angegriffen zu werden.

Also verlegte er sich darauf, nach allen Seiten zu sichern, während er die paar Schritte zum See zurückging. Mit der linken Hand schöpfte er erneut Wasser zum Mund, während seine Rechte die Waffe hielt. Als er sich satt getrunken hatte und danach in geduckter Haltung zu seinem Kampfanzug zurückging, kam ihm sein Verhalten lächerlich vor. Weit und breit regte sich nichts. Nicht einmal Tiere waren zu sehen und dies erschien ihm schon wieder ungewöhnlich, da ja auch sie den kleinen See als Tränke nutzen würden. Mit selbstironischem Grinsen fummelte er eine Kampfration aus dem Gürtel seines Anzuges und stopfte sich die kleinen Riegel nach und nach in den Mund. Er hatte mehr als die Hälfte seines Vorrates verbraucht, als er endlich satt war.

Vielleicht hätte ich es mir besser eingeteilt, dachte er, schob sich aber wie zum Trotz noch einen weiteren Konzentratriegel in den Mund. Schließlich konnte es nicht zu weit zur Basis sein. Er ging einfach davon aus, dass wenn er die Basis nicht fand, deren Besatzung ihn finden würde.

Warum hörte er nicht längst das Summen eines Atmosphärengleiters oder zumindest eines Bodenfahrzeuges? Kam denn niemand, um zu sehen, wie die Schlacht ausgegangen war? Oder hatte man angesichts der tausenden Leichen die Suche nach möglichen Überlebenden erst gar nicht gestartet?

In diesem Moment sah er die Frau.

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Die Sirene spürte seine Verwirrung und beeilte sich, ihm beruhigende Empfindungen zu senden. Eingebettet in die Strömungen ihres Geistes legte sie vage Andeutungen, angebliche Details, Spuren, Beweise für die Natürlichkeit ihrer Erscheinung, ihrer Anwesenheit. Sofort erhielt sie eine positive Resonanz seiner Gedanken. Er hielt sie für eine Angehörige eines Suchkommandos. Gut so.

„Hallo, Miss. Hierher“, rief Miguel und kam sich wie ein Trottel vor. Selbstverständlich hatte sie ihn gesehen. Er beobachtete sie, wie sie langsam vom anderen Ufer des Sees zu ihm herüber ging.

Wieso antwortet sie nicht?, dachte er und winkte erneut.

„Hallo“, kam ihre Antwort zu ihm herüber. Nicht nur die kleine Wasserfläche trug den Klang ihrer angenehmen Stimme herüber, sondern auch die Zusammensetzung der Luft begünstigte die Schallübertragung.

„Wo sind die anderen Ihres Kommandos?“, fragte Miguel und sah sich um. Dabei stellte er fest, dass es ihm lästig war, den Blick von ihr wenden zu müssen. Musste er wirklich?

Als sie weiter näher schritt, erkannte er, dass sie atemberaubend war. Eine Schönheit. Nur zu dumm, das ihre Uniform das meiste ihres Körpers verbarg. Aber das was er sehen, eigentlich eher vermuten konnte, war umwerfend. Siedend heiß fiel ihm ein, dass er immer noch nackt war und sofort fühlte er das Blut in seinen Kopf schießen. Und nicht nur dorthin.

Sie sah es und lächelte einfach hinreißend. Ein perfektes Weib. Nein, nicht perfekt, dachte Miguel. Aber genau so, wie er sich immer seine Traumfrau vorgestellt hatte. Ganz genauso sogar. Der Körper fest und mit ausreichenden Rundungen an den richtigen Stellen. Die Haare lang und schwarz, in leichten Wellen weit bis auf den Rücken fallend. Das Gesicht schlank und oval, mit fein geschnittenen Zügen, dabei aber auf eine selbstbewusste Art strahlend. Und die Augen. Tiefe, dunkle Seen mit farbigen Sprenkeln, aus denen Charme, Intelligenz und Wärme sprühten.

„Ich heiße Isabel“, sagte die Fee und Miguel vergaß seine Nacktheit und seine aufkommende Geilheit.

„Miguel“, brachte er über seine Lippen und sein Blick saugte sich dabei an ihren fest.

Überhaupt ihre Lippen. Sie waren voll, aber nicht wulstig. Weiblich, wie sie nicht weiblicher sein konnten, aber nicht im Sinne von schwach oder weich, sondern eher wie ...
Ihm fiel nicht mehr ein, mit welchen Attributen er sie noch bezeichnen könnte. Er wünschte sich nur noch eines. Aber das war jetzt völlig unmöglich. Er konnte doch jetzt nicht ... Oder doch?

Isabel lächelte immer noch, als sie zu ihm trat und leicht ihren Mund öffnete. Nur noch ein halber Schritt trennte sie voneinander. Dann keiner mehr. Sie küsste ihn zart auf seine Stirn und sein Glied wurde dabei härter und härter. Er schämte sich nicht, sondern hoffte, dass sie weitermachen würde. Stattdessen bückte sie sich und hob seine Sachen auf.

„Ich glaube, das sollten wir zuerst reinigen, bevor Sie es wieder anziehen können.“ Dabei lächelte sie wieder in einer unbeschreiblichen Weise, das Miguel nur nicken und ihr die paar Schritte zum Ufer folgen konnte.

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Die Sirene triumphierte. Dieser Mann, Miguel, war ihr Gefangener. Er wusste es nicht, oder sah es - wenn überhaupt - aus romantischer Sicht. Mit dem Kuss auf seine Stirn hatte sie den ersten physikalischen Kontakt hergestellt und analysierte gerade seine Körperchemie. Tief in ihrem Leib arbeiteten mehrere Organe bereits an der Herstellung kompatibler Substanzen und Flüssigkeiten. Es hatte wenig Sinn, diesen Prozess beschleunigen zu wollen. Parallel dazu hatte der Mensch Miguel noch Zeit, um sich weiter zu erholen und zu stärken. Sie würde ihn dabei unterstützen, so schnell wie möglich wieder zu Kräften zu kommen. Mit Leichtigkeit erfüllte sie die Rolle seiner Idealpartnerin, die sie während seines Schlafes entdeckt und in die laufende Metamorphose integriert hatte. Ein wenig schwieriger war es gewesen, aus Bruchstücken seiner Erinnerung das weibliche Gegenstück seiner Uniform nachzubilden. Die Lücken seiner Gedankenbilder füllte sie einfach mit entsprechenden Stellen seiner Uniform.

Die folgenden Stunden verbrachten sie gemeinsam damit, seine Sachen zu waschen, zu essen und zu trinken. Sie unterhielten sich kaum, fast wie ein Ehepaar, das sich nach dreißig Jahren ohne viele Worte verstand. Von seiner Warte aus betrachtet, hatte er wenig Anlass zu reden, stand er doch längst soweit unter dem Einfluss der Sirene, dass sie sein natürliches Verlangen nach Rettung und Aufklärung erfolgreich unterdrücken konnte. Aus ihrer Sicht musste sie abwarten, bis sich in ihrem Körper die notwendigen Organe gebildet hatten, um ihren Plan mit Sicherheit gelingen zu lassen. Geduld. Alles braucht seine Zeit. Der Erfolg eines jeden Vorhabens wächst mit der richtigen Zeitspanne, die man in die Planung investiert.

Miguel hatte die Augen schon lange geöffnet, als die Sonne hinter dem Horizont aufstieg. Er begeisterte sich daran, wie die Strahlen der fremden Sonne Isabels in eine Decke gehüllten Körper umschmeichelten und langsam aus dem Grau der Dämmerung hoben. Doch Isabel schlief nicht, die Sirene schlief nicht. Sie war hellwach und wusste: Jetzt ist es soweit. Miguel wollte gerade nach ihr greifen, als sie sich scheinbar in erwachender Schläfrigkeit bewegte. Dabei rutschte ihr wie unbeabsichtigt die Decke herunter und zeigte ihm, dass sie nackt war. Sofort versteifte sich sein Glied und er konnte sich kaum zurückhalten. Er dachte, dass er sie durch irgendein Geräusch geweckt hatte, denn sie schlug die Augen auf und sah ihn direkt an. Weich, zärtlich, wie es ihm schien. Verführerisch. Und bereit.

Ja, sie will mich auch, dachte Miguel und sein Herz machte einen Sprung.

Ohne ein Wort zu sagen, schob sie den Rest der Decke beiseite und drehte sich ihm zu. Es verschlug ihm den Atem. Seine Ahnungen, was sie unter der Uniform verborgen hatte, wurden übertroffen. Sie war perfekt. Und sie wollte ihn, das erkannte er jetzt völlig klar. Auch die angebliche Klarheit dieses Gedankens stammte von der Sirene. Sie tat den nächsten Schritt. Sie schmiegte sich an ihn und begann, seinen Körper zu streicheln, zu erforschen, zu liebkosen.

Miguel konnte sein Glück kaum fassen und tat es ihr gleich.

Die Sirene nutzte die Berührungen, um ein letztes Mal eine Abstimmung vorzunehmen. Feinjustierung. Kapazitäten und Volumina. Belastung und Schwachpunkte. Analyse des eingeleiteten Prozesses und Verlaufsprognose. Und das voraussichtliche Ende der Handlung.

Miguel schien es wie eine Offenbarung, als er in sie eindrang. Heiß, beglückend, berauschend. Er nahm sich vor, ihr alles zu geben, was sie sich wünschte und hatte keine Chance zu erkennen, dass die Sirene es war, die dies in ihm hervorrief. Sie wollte alles von ihm. Möglichst jedes einzelne Spermium. Und er war bereit, es ihr zu geben. Mehr als bereit. Es war seine Pflicht. Er musste es tun. Er musste es einfach.

Die Sirene hatte während seines Schlafes tief in sein Bewusstsein gegriffen und seine Idealvorstellungen einer Kopulation entdeckt und ausgewertet. Sie hob und senkte ihr nachgebildetes Becken genau in dem Rhythmus und der Geschwindigkeit, die ihm zu höchster Lust verhelfen würde. Sie passte sich seinen Bewegungen an und wechselte die Stellung genau dann, wenn seine Vorstellung es ihr verriet. Sie registrierte seine wachsende Erregung, das Ansteigen des inneren Druckes seiner Gefäße und steuerte geschickt den Verlauf der Paarung. Exakt in den richtigen Momenten hielt sie inne, wartete, bewegte sich mal langsam, mal schneller, um das Maximum an Miguels Verzückung herauszuholen. Er spürte nicht, wie sie Sekunden vor seiner Ejakulation, einen letzten Schub starker Pheromone ausstieß, um auch das letzte Quäntchen seiner Geilheit auszunutzen.

Miguel erlebte den stärksten Orgasmus, denn er je in seinem Leben genossen hatte, und die Sirene erkannte dies mit der Gewissheit, dass es auch sein letzter sein würde. Sie knetete und walkte sein Glied wie das Euter einer Kuh. Dem Äquivalent einer irdischen Kuh auf ihrem Planeten. Eiskalt, völlig gefühllos, dabei die erhitzte Gespielin vortäuschend. Mit jedem Schub seines Samens triumphierte sie, versuchte die Menge an Einheiten zu schätzen, die sie in sich aufnahm und kalkulierte schon die Anzahl der daraus entstehenden Diener.

Diener einer neuen Art, einer bisher nicht da gewesenen Qualität. Ja, die Menschen waren etwas Besonderes. Mit diesem Vorrat an Spermien würde sie und Hunderte ihrer Art eine neue Rasse an Diener gebären. Fürchterlich, gewalttätig, alles andere Leben, dass sich den Sirenen entgegenstellen könnte, niederwalzend.

Während Miguel langsam zur Ruhe kam, dachte sie für einen kurzen Augenblick an die Option, ein paar Menschen als Samenlieferanten am Leben zu erhalten. Doch dann überwog ihre Einschätzung, dass es zu riskant wäre, diese gefährliche Rasse auch nur in Bruchteilen zu erhalten.

Sie wartete nicht einmal ab, bis Miguel sich erschöpft von ihr löste, sondern fuhr blitzschnell die in den Imitaten einer Frauenhand verborgenen, messerscharfen Hornklingen aus und zerfetzte ihm den Hals. Hätte sie den Begriff Dejá vu gekannt und auch nur die Spur menschlichen Zynismus besessen, so hätte sie vielleicht eine Parallele zwischen seinem hervorspritzenden Blut und dem unmittelbar davor seinen Körper verlassenden Samen gezogen.

So richtete sie sich nur auf und beobachtete sein entsetztes Gesicht, das sich im völligen Unverständnis der Tat zu einer geschockten Grimasse verzerrte und mit jedem Pulsen seines Blutes blasser wurde. Nach wenigen Augenblicken zuckten nur noch seine Hände hilflos in Richtung Hals, brachten aber nicht einmal mehr die Kontrolle auf, um auch nur den Versuch zu wagen, die zerrissene Halsschlagader schließen zu können.

Der letzte Blick der Sirene fiel auf sein immer noch steifes Glied. Welch eine primitive Art sich fortzupflanzen, dachte sie und wandte sich um. Während sie langsam davonging, setzte sie zwei neue Prozesse in sich in Gang. Die Rückverwandlung in ihre ursprüngliche Gestalt und die Vorbereitung des menschlichen Samenvorrates zu Verteilung an viele Ihre Artgenossinnen. Mit ein bisschen Glück konnten sie das Grundmuster des Spermiums klonen und so für viele Dekaden Nutzen aus dem Material ziehen. In jedem Fall würden die Chimären aus Sirenen und Menschen, die besten Kampfdiener darstellen, die je im Auftrag der Sirenen durch das All gezogen waren.

Und das allererste Ziel für die neue Armee würde dieser dritte Planet im Sonnensystem, nahe am Rand der Milchstrasse sein.

- Ende -

Copyright © 1999 by Werner Karl
Aus "Danger Zone - Science Fiction Stories" ISBN 978-3-86850-804-8
 

jon

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Teammitglied
Und weiter geht es! Ich hab mal „Leser-Gedanken“ mit aufgeführt, die nicht direkt zum Lektorat gehören. Aber vielleicht willst da du trotzdem was anpassen.

Die Sirene hatte den Feind lange entdeckt, bevor dieser sich schwerfällig in Bewegung setzte. Es hatte keinen Sinn, ihn jetzt anzugreifen, da sie zu weit weg war und das Gelände fast keine Deckungsmöglichkeiten bot, um sich unbemerkt an ihn heranzuschleichen. Sie sah ihm an, dass er schwer angeschlagen war und vielleicht ohne große Gefahr zu erledigen wäre, aber das war ihr nicht sicher genug. Sie musste absolute Gewissheit haben, dass sie eine Auseinandersetzung überleben würde, da sie selbst in dieser Schlacht auch die letzte überlebende Sirene war. Dutzende ihrer Art waren vom Feind getötet worden, ohne dass dieser überhaupt ahnte, welcher Gefahr er damit entging. Zu sehr war der Feind damit beschäftigt gewesen, die Diener der Sirenen hinzumetzeln und von ihnen ebenfalls massakriert zu werden. Ohne Bedauern blickte die Sirene auf das blutüberströmte Schlachtfeld, das sich von einem Ende der Ebene zum anderen erstreckte.
zu erledigen gewesen wäre

Lesergedanke: Sie ist nur deshalb vorsichtig, weil sie die letzte hier ist? Wäre sie es nicht, hätte sie angegriffen? Warum? Ich könnte mir denken, dass sie und ihre Gruppe eine Art Vorhut waren und es „zu lange“ dauern würde, bis die nächsten ihrer Art kommen, um die Mission fortzuführen.


Sie hatte keinen Blick für die verstümmelten Leichen, abgetrennten Körperteile, die verbrannten, zerstochenen und zerrissenen Leiber des Feindes und ihrer eigenen Kämpfer. Schließlich waren die Diener der Sirenen dafür da, speziell für diesen Zweck geschaffen worden.
Lesergedanke: … hat sie einen Blick für die Leichen der anderen, hier gestorbenen Sirenen?


Der letzte Gegner schleppte sich gerade über die Kuppe einer leichten Anhöhe und verschwand langsam dahinter. Aber das machte ihr keine Sorge, da sie seinen Geruch noch über viele Kilometer hinweg wahrnehmen konnte. Sie setzte sich ebenfalls in Bewegung und konzentrierte ihre Sinne dabei auf die Richtung des Windes. Sie musste unbedingt einen Weg einschlagen, der sie in eine Linie mit der Luftströmung und der Position des Feindes brachte. Wenn sie dies erreichte, bevor der Feind sich in seine Basis zurückziehen konnte, hatte sie bereits gewonnen.

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Lesergedanke … also ist das mit dem Geruch doch nicht ganz so simpel, dass „keine Sorge“ wirklich berechtigt wäre.


Miguel indes hatte auf seinem Marsch einen Punkt der Erschöpfung erreicht, in dem er einzelne Schritte nicht mehr bewusst tat, sondern sich in einem katatonischen Zustand befand. Seine Waffe hatte er längst unter Aufbietung seiner letzten Reserven auf den Rücken geschoben. Fast war es ihm gleich, dass er damit riskierte, vom Feind überrascht zu werden und nicht mehr rechtzeitig die Waffe abfeuern zu können. Einmal vergaß er, den Weg vor sich zu prüfen und fiel der Länge nach hin. Ohne die Hände zur Dämpfung des Falles zu gebrauchen, schlug er auf. Sein Glück war, das trotz des Randes des Schlachtfeldes, das er mittlerweile erreicht hatte, die Leichen immer noch so dicht lagen, das er mit dem Kopf auf den Bauch eines Menschen stürzte und weich abgefedert wurde. Seine Hände tapsten kraftlos umher und so rutschte er vom Körper des Mannes herab und tauchte halb im Matsch aus Erde, Blut und anderen eklig riechenden Resten des Kampfes ein. Nur der angeborene Reflex rettete ihn davor in der schleimigen Brühe zu ertrinken, doch damit war auch die letzte Portion an Adrenalin verbraucht und Miguel fiel in eine tiefe Bewusstlosigkeit.

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Meines Wissens hat Katatonie mit stark gestörter Motorik zu tun – Schritte in diesem Zustand erfolgen nicht „automatisch“ sondern bestenfalls „stolpern, unkoordiniert“ oder sogar gar nicht (katatonische Starre).

Als er die Waffe auf den Rücken schiebt, riskiert er nicht so sehr sehr, angegriffen zu werden, sondern vor allem, sich nicht sofort wehren zu können. Der Satz wär also vielleicht so besser: Fast war es ihm gleich, dass er damit riskierte, bei einem überraschenden Angriff nicht mehr rechtzeitig die Waffe abfeuern zu können.

Hier klingt es etwas verunglückt – „trotz des Randes“ ist semantisch nicht perfekt. (Außerdem muss es „Glück war, dass“ heißen.) Vorschlag: Sein Glück war, dass auch hier am Randes des Schlachtfeldes, die Leichen immer noch so dicht lagen,

Eventuell ein Absatz zwischen dem Waffe-Teil und den Sturz.

Triumph lag in den Augen der Sirene, als sie das halbe Schlachtfeld umrundet hatte und nun den Wind im Rücken spürte. Sie konnte den Feind zwar nicht mehr sehen, aber er musste sich jetzt in gerader Linie vor ihr befinden, da sie seine Spur ein Stück verfolgt hatte. Anhand vieler winziger Details hatte sie einen recht guten Eindruck über seinen Zustand. Männlich, unverletzt, völlig erschöpft und stur geradeaus marschierend. Es musste ein Exemplar mit eisernem Willen sein, denn trotz seiner Schwäche verlief sein Weg wie ein Strahl aus einer Ionenwaffe.
Moooment! Sie spürt den Wind im RÜCKEN? Ich dachte, sie geht – windmäßig gesehen – hinter Miguel, damit sie ihn besser riechen kann. (Lesergedanke Sie hat ganz schön Glück, dass der Wind genau in/aus die/der Richtung weht, in der Miguel geht, oder? Sonst würde sie ja praktisch auf einem parallelen Kurs gehen und müsste dann zu ihm „hinüber“ gehen.)


Gut. Je besser das Material, desto eher der endgültige Sieg.
Das würde ich im Normaldruck direkt anschließen, damit die Verbindung zwischen seinem Zustand und dem folgenden Absatzanfang nicht so aufgebrochen wird.

Ihr eigener Zustand war ähnlich, wenngleich sie eine kleine Verletzung am linken hinteren Flügel hatte, die aber bereits am Verheilen war. Sie überlegte, ob sie jetzt versuchen sollte ihn einzuholen, wo er noch kraftlos war, um ihn dann aufzupäppeln, oder ob sie ihm Gelegenheit ließ, sich ein wenig zu erholen. Beides hatte Vor- und Nachteile, war verlockend oder hatte seine Risiken. Auf jeden Fall würde er ihr nicht mehr entkommen. Sie war stärker als er. Und sie brauchte nicht eine Basis zu erreichen, um zu überleben. Ganz im Gegenteil. Dieser letzte Feind garantierte ihr Überleben. Und wenn alles gut ausging, garantierte es seinen Tod. Und den seiner Spezies.
Ich empfehle Komma nach „versuchen sollte“.

war verlockend und hatte zugleich seine Risiken

Wäre Sie musste keine Basis erreichen besser? Das würde dem Zwang, dem er unterliegt, besser entsprechen.

Wieso garantiert er ihr Überleben? Sie investiert Kraft in die Verwandlung und nur dadurch, dass sie das Sperma in sich lagert, tankt sie die durch Kampf und Verwandlung verbrauchten Reserven auf?? Ich würde den Satz verstehen, wenn sie ihn noch „anknabbert“ …


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Miguel erwachte und sofort stieg ihm der Gestank in die Nase. Noch bevor er sich erheben konnte, drehte sich sein Magen und mit harten Stößen kotzte er das bisschen heraus, was noch darin gewesen war. Mit verächtlichem Grunzen wischte er mit der behandschuhten Rechten das Erbrochene von seiner Brust und richtete sich in Sitzposition auf.
Er kotzt, während er auf dem Rücken liegt? (Auf dem Bauch liegend wär er in der Brühe ersoffen.) Dann würde er ersticken. Wenn er sich instinktiv zur Seite gedreht hat, dann landet das Zeug nicht auf seiner Brust …

Er sah schrecklich aus. Die Schicht aus Dreck, Blut, Erbrochenem und feindlichen, wie auch menschlichen Ausscheidungen bedeckte ihn von Kopf bis Fuß. Wieder würgte ihn der fürchterliche Gestank, der vom Mittelpunkt des riesigen Schlachtfeldes zu ihm herüber wehte. Aber auch wenn kein Wind ginge, er selbst produzierte genug abstoßenden Geruch, um jedem den Magen umzudrehen. Aber außer ihm war niemand mehr da. Und sein Magen war längst leer.
Na der Gestank weht nicht wirklich „vom Mittelpunkt“ herüber, sondern vom gesamten Schlachtfeld. Und da er noch auf dem Schlachtfeld ist, umgibt er ihn sogar. Selbst wenn er selbst blütenrein wäre …

Der Würgereiz ist auch bei leerem Magen da …



Fast automatisch zog er mit der Linken seine Waffe am Lauf unter der Achsel hervor und begann, die Ladeanzeige und Funktionstüchtigkeit zu überprüfen. Die Waffe war nur zu einem Viertel geladen aber OK. Außerdem hatte er noch zwei Vibratormesser, eine Giftgasgranate und die kleine Nadelpistole mit vollem Magazin, die ihm aber nichts helfen würde, da sie beim Gegner nur mehr Aggressivität auslöste, als ihn ernsthaft zu verletzen. Mit hämischem Grinsen dachte er an die Waffentechniker, wenn er ihnen das Ding vor die Füße schmeißen würde. Wenn er in die Basis kommen würde.
Lesergedanke: … ich hoffe, es sind Giftnadeln, sonst wäre es wirklich albern.

Nicht korrekt: „Er dachte an sie, wenn …“ heißt, er denkt DANN an sie.

Wäre im letzten Satz „falls“ nicht besser als „wenn“? Du hast es so abgesetzt, als würde Miguel die Ankunft nicht 100%ig voraussetzen, sondern nicht sicher sein, ob er überhaupt ankommt. Mit „wenn“ wird es banal (oder über-erklärt), denn natürlich kann er es den Typen nur vor die Füße werfen, wenn er vor ihnen steht, also angekommen ist.


Zu viele wenn’s, dachte er und hob vorsichtig den Kopf.
Nur zwei. Und zwei verschiedene noch dazu. Das erste ist eindeutig eine Zeitangabe (dann, wenn er das tut) das andere wird umgangssprachlich (falsch) statt „falls“ benutzt.

Während er einen direkten Rundumblick machte, nestelten seine Hände am Ausrüstungsgürtel herum und fischten das auseinander faltbare Fernglas heraus. Er setzte es an die Augen und stellte mit dem rechten Daumen die Farbfilter neu ein, die sich ein wenig verstellt hatten. Die satt-grüne Beleuchtung wechselte die Tönungen, während er langsam den Finger am Rad drehte. Bald zu Beginn der Erforschung des Planeten waren die Optiker auf die Methode gestoßen, dass sich hier bestimmte Geländeformationen und Tiere mit variierenden Farbfiltern besser entdecken ließen. Es hatte ihnen tatsächlich kurz vor der Schlacht gezeigt, dass sie eingekreist waren. Vielleicht wäre die Schlacht eher zu Ende gewesen, wenn sie die Umklammerung durch den Feind nicht rechtzeitig erkannt hätten. Schlussendlich genutzt hatte es nichts.
Was ist ein „direkter Rundumblick“?

Ich weiß, die RS-Reform gibt dir recht, aber inhaltlich wäre „auseinanderfaltbare“ richtiger.

Lesergedanke: Naja, sie haben es ja nicht „rechtzeitig“ erkannt, nur schon vor dem Angriff.


Miguel schob diese Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf das Bild, das sich seinen Augen bot. An Zahl und Größe zunehmende Anhöhen lösten die fast völlig flache Ebene ab, aus der er kam. In weiterer Distanz waren sogar zwei, drei kleinere Hügel und ein Berg zu sehen, dicht bewachsen mit exotisch anmutenden Pflanzen, deren Duft er manchmal zwischen den Schwaden aus Blutgestank zu riechen glaubte. Sein eingeschlagener Weg, von dem er ja nicht einmal mehr wusste, ob er richtig war, führte seitlich an den Hügeln vorbei, mitten durch eine dünn bewachsene Steppe. Wenig anziehend. Da konnte er genauso gut die Richtung durch die Hügel ansteuern, vielleicht fand er ja eine Quelle, einen Bach oder gar einen kleinen See, in dem er sich waschen konnte.
Lesergedanke: Er erkennt so fern die einzelnen Pflanzen? Tolles Fernglas!

Wie „nicht mehr wusste“? Wann hatte er es denn gewusst?
 

galaxykarl

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Das Lied der Sirene

Miguel stand völlig unbeweglich. Alles um ihn herum war ruhig.

Vor - einer Stunde? - war es ganz anders gewesen. Aber jetzt war es wirklich still. Fast friedlich. Die Sonne strahlte zwar noch ihr grüngelbes Licht herab, aber den Strahlen fehlte längst die Wärme, geschweige denn die Hitze, die sie am Tag in voller grüner Pracht auf den Planeten ergossen hatte. Und trotzdem glühte Miguels Körper noch. Zu lange hatte der Kampf gedauert.

Kampf. Was für ein lächerliches Wort für das erbarmungslose Schlachten, das er überlebt hatte. Er war völlig erschöpft, die Muskeln verkrampft und sein Waffenarm hing kraftlos herab. Es fehlte nur sehr wenig, um ihm die Waffe entfallen zu lassen. Aber noch hielt er sie in seiner Faust. Vielleicht war da ja doch noch ein Gegner, der ihn zu guter Letzt anfallen könnte.
Aber es war niemand in seiner Nähe. Weder Freund noch Feind.

Miguel sah nach oben. Der Nacken tat ihm dabei weh. Seine Muskeln waren völlig verspannt, aber das störte ihn nicht. Der Himmel war überzogen mit blassen, grünen Schlieren, wundervollen Pastellfarben. Wenn er ein Maler gewesen wäre, hätte er niemals diese Farbkombination gewählt, sie wirkte zu unnatürlich auf ihn. Aber er war ja auch nur ein Mensch, der nicht auf diesen Planeten gehörte. Trotzdem hätte er sich an den Anblick gewöhnen können.

Vor einigen Wochen war er mit seiner Einheit gelandet und sofort hatten sie sich angenehm berührt gefühlt von der traumhaften Landschaft, den vielfältigsten Pflanzen und Tieren, die samt und sonders ungewohnt, aber vertrauenswürdig wirkten. Es war Miguel nicht ein Bericht in die Finger oder zu Ohren gekommen, der nicht in den höchsten Tönen die Friedfertigkeit der örtlichen Fauna und Flora gepriesen hätte.

Ein Paradies. Wirklich friedlich.

Wenn man die unzähligen Toten ignorieren konnte. Dicht an dicht, oft übereinander gefallen, lagen sie hier, bis zum Horizont. Freund und Feind, oft eng umschlungen wie Liebespaare, aber nicht in vor Wonne verzückten Posen, sondern in schrecklich verzerrten Stellungen, manchmal nur durch die Waffen miteinander verbunden, die ihnen gegenseitig den Tod gebracht hatten. So weit seine Augen die Gegend überblicken konnten, regte sich nichts mehr.
Er war der einzige Überlebende.

Als er etwas später in einiger Entfernung doch eine vage Bewegung wahrnahm, schöpfte er kurz Hoffnung. Aber es war kein Verletzter oder weiterer Kämpfer, der die grauenvolle Schlächterei überstanden hatte, sondern nur ein paar Krähen ähnlichen Flugtiere, die begannen, den Toten die Augen auszupicken.

Unwillkürlich hatte Miguel einen kleinen Schritt getan, doch einen zweiten tat er nicht. Warum sollte er die Viecher davon abhalten? Kaum, dass er sich umdrehen würde, kämen sie erneut angeflogen, um ihr Mahl fortzusetzen. Also ließ er sie gewähren. Er hätte auch nicht die Energie aufgebracht, sie anhaltend zu vertreiben, von der dazu notwendigen Kraftanstrengung ganz zu schweigen.

Er sah an sich herab. Der Kampfanzug war an vielen Stellen beschädigt, aber er war durch-aus noch funktionsfähig. Die Sperrfelder hatten ihn sicherlich vor Hunderten kleinerer Wunden bewahrt, die ihm den Lebenssaft gekostet hätten, ohne das er es in der Hitze des Gefechtes bemerkt hätte. Schließlich war das die Hauptaufgabe der Schutzfelder. Trotzdem hatte der Kampf dem Anzug so geschadet, dass Miguel ihm nicht mehr blind vertrauen konnte. Wenn er wieder die Kraft und die nötige Ruhe dazu fand, würde er den Anzug einer eingehenden Prüfung unterziehen müssen. Doch jetzt hatte er weder die Kraft, noch die Ruhe für solche Dinge. Nur um ihn herum herrschte Ruhe, in ihm nicht. Aber es zeigte sich niemand, gegen den er in seinem leicht ramponierten Anzug hätte antreten müssen.

Sein Blick blieb an seinen Beinen hängen, denn die Füße, die in schweren Kampfstiefeln steckten, sah er nicht mehr. Er stand in einer klei-nen Mulde und eine Hand breit über seinen Knöcheln hörte die braune Farbe des Leders auf und wechselte abrupt in dunkles Rot über. Wie ein Pegelstand eines über die Ufer getretenen Flusses erschien ihm die konturscharfe Grenze zwischen Braun und Rot.

Ich stehe knöcheltief im Blut. Wie viele Hektoliter Blut wurden heute auf diesem Schlachtfeld wohl vergossen?

Völlig unwichtig, jeder einzelne Tropfen war zuviel. Er dankte Gott, dass nur sehr wenig seines eigenen Blutes den Boden tränkte. Wieder machte er einen zaghaften, fast prüfenden Schritt. Mit fast neugierigem Erstaunen beobachtete Miguel, wie das Häutchen aus geronnenem Blut zerriss. Wie lange stand er wirklich schon hier?

Mit dem letzten, was er an Antriebskraft mobilisieren konnte, zwang er sich, einen Schritt nach dem anderen zu machen. Es war gleichgültig, in welche Richtung er ging, denn längst hatte er die Orientierung verloren. Jetzt wollte er nur noch das Schlachtfeld verlassen, um seinen Augen endlich einen anderen Anblick zu gönnen. Seinem Gehirn würde er nicht so einfach andere Bilder verschaffen können.

So stapfte er also los, mehr taumelnd, als gezielt marschierend. Die ersten dutzend Meter versuchte er noch, zwischen die Leichen zu treten, was schwierig war, da alles gleich rot von Blut überströmt und glitschig war. Nach dem zweiten Ausrutscher, der ihn ebenfalls von oben bis unten rot färbte, achtete er nur noch darauf, einen sicheren Tritt zu finden. Auf was er trat, versuchte er zu ignorieren und richtete seinen Blick Halt suchend an den Horizont.

Nach etwas mehr als einer halben Stunde hatten sich die Schleier in seinem Gehirn so weit aufgeklart, dass ihm sein Anzugkompass einfiel und er sich beschämt das Sichtglas besah. Gesplittert. Na schön. Also weiter in die eingeschlagene Richtung. Fast war er froh darüber, dass der Kompass demoliert war. So brauchte er nicht weiter dar-über betroffen zu sein, nicht eher an das nahe Liegende gedacht zu haben. Leider hatte das Gelände keine markanten Punkte, die ihm den Weg zur Basis hätten weisen können.

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Die Sirene hatte den Feind lange entdeckt, bevor dieser sich schwerfällig in Bewegung setzte. Es hatte keinen Sinn, ihn jetzt anzugreifen, da sie zu weit weg war und das Gelände fast keine Deckungsmöglichkeiten bot, um sich unbemerkt an ihn heranzuschleichen. Sie sah ihm an, dass er schwer angeschlagen war und vielleicht ohne große Gefahr zu erledigen wäre, aber das war ihr nicht sicher genug. Sie musste absolute Gewissheit haben, dass sie eine Auseinandersetzung überleben würde, da sie selbst in dieser Schlacht auch die letzte überlebende Sirene war. Dutzende ihrer Art waren vom Feind getötet worden, ohne dass dieser überhaupt ahnte, welcher Gefahr er damit entging. Zu sehr war der Feind damit beschäftigt gewesen, die Diener der Sirenen hinzumetzeln und von ihnen ebenfalls massakriert zu werden. Ohne Bedauern blickte die Sirene auf das blutüberströmte Schlachtfeld, das sich von einem Ende der Ebene zum anderen erstreckte. Sie hatte keinen Blick für die verstümmelten Leichen, abgetrennten Körperteile, die verbrannten, zerstochenen und zerrissenen Leiber des Feindes und ihrer eigenen Kämpfer, sogar ihrer eigenen Spezies. Was tot war, war tot und daher in ihren Augen keiner weiteren Beachtung wert. Schließlich waren die Diener der Sirenen dafür da, speziell für diesen Zweck geschaffen worden.

Der letzte Gegner schleppte sich gerade über die Kuppe einer leichten Anhöhe und verschwand langsam dahinter. Aber das machte ihr keine Sorge, da sie seinen Geruch noch über viele Kilometer hinweg wahrnehmen konnte. Sie setzte sich ebenfalls in Bewegung und achtete dabei auf die Richtung des Windes. Sie musste lediglich einen Weg einschlagen, der mit der Luftströmung und der Position des Feindes grob übereinstimmte, um ihn sicher verfolgen zu können. Allerdings durfte er nicht vor ihr seine Basis erreichen und sich dadurch ihrem Einfluss entziehen.

Miguel indes hatte auf seinem Marsch einen Punkt der Erschöpfung erreicht, in dem er einzelne Schritte nicht mehr bewusst tat, sondern sich in einem Zustand stumpfen Funktionierens befand. Seine Waffe hatte er längst unter Aufbietung seiner letzten Reserven auf den Rücken geschoben. Fast war es ihm gleich, dass er damit riskierte, vom Feind überrascht zu werden und nicht mehr rechtzeitig die Waffe abfeuern zu können.

Einmal vergaß er, den Weg vor sich zu prüfen und fiel der Länge nach hin. Ohne die Hände zur Dämpfung des Falles zu gebrauchen, schlug er auf. Er hatte sich mittlerweile bis zum Rand des Schlachtfeldes geschleppt. Sein Glück war, dass die Leichen trotzdem immer noch so dicht lagen, dass er mit dem Kopf auf den Bauch eines Menschen stürzte und weich abgefedert wurde. Seine Hände tapsten kraftlos umher und so rutschte er vom Körper des Mannes herab und tauchte halb im Matsch aus Erde, Blut und anderen eklig riechenden Resten des Kampfes ein. Nur der angeborene Reflex rettete ihn davor in der schleimigen Brühe zu ertrinken, doch damit war auch die letzte Portion an Adrenalin verbraucht und Miguel fiel in eine tiefe Bewusstlosigkeit.

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Triumph lag in den Augen der Sirene, als sie das halbe Schlachtfeld umrundet hatte. Sogar der Wind schien auf ihrer Seite zu sein, denn er hatte gedreht und blies ihr nun in den Rücken. Sie konnte den Feind zwar nicht mehr sehen, aber er musste sich jetzt in gerader Linie vor ihr befinden, da sie seine Spur ein Stück verfolgt hatte. Anhand vieler winziger Details hatte sie einen recht guten Eindruck über seinen Zustand. Männlich, unverletzt, völlig erschöpft und stur geradeaus marschierend. Es musste ein Exemplar mit eisernem Willen sein, denn trotz seiner Schwäche verlief sein Weg wie ein Strahl aus einer Ionenwaffe. Gut. Je besser das Material, desto eher der endgültige Sieg.

Ihr eigener Zustand war ähnlich, wenngleich sie eine kleine Verletzung am linken hinteren Flügel hatte, die aber bereits am Verheilen war. Sie überlegte, ob sie jetzt versuchen sollte, ihn einzuholen, wo er noch kraftlos war, um ihn dann aufzupäppeln, oder ob sie ihm Gelegenheit ließ, sich ein wenig zu erholen. Beides hatte Vor- und Nachteile, war verlockend oder hatte zugleich seine Risiken. Auf jeden Fall würde er ihr nicht mehr entkommen. Sie war stärker als er. Und sie musste nicht eine Basis erreichen, um zu überleben. Ganz im Gegenteil. Dieser letzte Feind garantierte das Überleben ihrer Spezies. Und wenn alles gut ausging, garantierte es seinen Tod. Und den seiner Spezies.

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Miguel erwachte mit dem Gesicht im Dreck und sofort stieg ihm der Gestank in die Nase. Er fühlte sich trotz des Schlafes schlapp und so verharrte er in kniender Haltung. Noch bevor er sich ganz erheben konnte, drehte sich sein Magen und mit harten Stößen kotzte er das bisschen heraus, was noch darin gewesen war. Mit verächtlichem Grunzen wischte er mit der behandschuhten Rechten das Erbrochene von seiner Brust und richtete sich schwankend auf. Er sah schrecklich aus. Die Schicht aus Dreck, Blut, Erbrochenem und feindlichen, wie auch menschlichen Ausscheidungen bedeckte ihn von Kopf bis Fuß. Wieder würgte ihn der fürchterliche Gestank, der über dem Schlachtfeld wie eine dicke Decke lag. Kein Wind blies, die Natur schien sich zu weigern, die Spuren des Kampfes zu zerstreuen. Doch auch Miguel selbst produzierte genug abstoßenden Geruch, um jedem den Magen umzudrehen. Aber außer ihm war niemand mehr da.

Fast automatisch zog er mit der Linken seine Waffe am Lauf unter der Achsel hervor und begann, die Ladeanzeige und Funktionstüchtigkeit zu überprüfen. Die Waffe war nur zu einem Viertel geladen aber OK. Außerdem hatte er noch zwei Vibratormesser, eine Giftgasgranate und die kleine Nadlerpistole mit vollem Magazin. Diese Nadler waren eher für Attentate geeignet, als für hartes Schlachtgetümmel. Sie verschossen dünne, kurze Hohlnadeln, die mit allerlei Giften gefüllt werden konnten, die ihm aber hier nicht helfen würden, da sie beim Gegner nur mehr Aggressivität auslöste, als ihn ernsthaft zu verletzen oder gar zu töten. Etliche fehlgeschlagene Versuche hatten dies bestätigt. Man wusste bislang zuwenig von der Körperchemie des Feindes, um passende Gifte entwickeln zu können. Mit hämischem Grinsen dachte er an die Waffentechniker, wenn er ihnen das Ding vor die Füße schmeißen würde. Falls er in die Basis kommen würde.

Zu viele Variable, dachte er und hob vorsichtig den Kopf.

Während er einen Rundumblick machte, nestelten seine Hände am Ausrüstungsgürtel herum und fischten das auseinanderfaltbare Fernglas heraus. Er setzte es an die Augen und stellte mit dem rechten Daumen die Farbfilter neu ein, die sich ein wenig verstellt hatten. Die sattgrüne Beleuchtung wechselte die Tönungen, während er langsam den Finger am Rad drehte. Bald zu Beginn der Erforschung des Planeten waren die Optiker auf die Methode gestoßen, dass sich hier bestimmte Geländeformationen und Tiere mit variierenden Farbfiltern besser entdecken ließen. Es hatte ihnen tatsächlich kurz vor der Schlacht gezeigt, dass sie eingekreist waren. Vielleicht wäre die Schlacht eher zu Ende gewesen, wenn sie die Umklammerung durch den Feind nicht rechtzeitig erkannt hätten. Schlussendlich genutzt hatte es nichts.

Miguel schob diese Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf das Bild, das sich seinen Augen bot. An Zahl und Größe zunehmende Anhöhen lösten die fast völlig flache Ebene ab, aus der er kam. In weiterer Distanz waren sogar zwei, drei kleinere Hügel und ein Berg zu sehen. Er zoomte mehrfach heran und sah, dass alles dich mit exotisch anmutenden Pflanzen bewachsen war, deren Duft er manchmal zwischen den Schwaden aus Blutgestank zu riechen glaubte. Sein eingeschlagener Weg, von dem er ja nicht einmal wusste, ob er richtig war, führte seitlich an den Hügeln vorbei, mitten durch eine dünn bewachsene Steppe. Wenig anziehend. Da konnte er genauso gut die Richtung durch die Hügel ansteuern, vielleicht fand er ja eine Quelle, einen Bach oder gar einen kleinen See, in dem er sich waschen konnte.

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Die Sirene bewegte sich nicht. Der Mensch vor ihr hatte eine Zeitlang geschlafen oder war bewusstlos gewesen. Trotzdem hatte sie sich ihm nicht genähert. So hatte die Sache keinen Sinn. Sie brauchte für ihre Zwecke einen ausgeruhten, ja kräftigen Gegner. So kräftig und erholt, dass sein Unterbewusstsein sich mit einem anderen Grundbedürfnis als Überleben und Nahrung befassen konnte. Aber noch war es nicht so weit. Ihm fehlte, wie ihr selbst auch, Wasser, Nahrung, Ruhe. Und etwas Zeit.

Sie beobachtete den Mann und tastete mit ihren Sinnen ganz zart nach seinen Gedanken. Der erste Kontakt war immer der schwierigste, da eine Sirene nicht wusste, auf welchen Geist sie stoßen würde. Primitiv oder intelligent, wachsam oder phlegmatisch. Es gab Tausende verschiedener Spezies und darüber hinaus unendlich viele individuelle Varianten. Die Sirenen hatten bei ihren Reisen durch den Raum festgestellt, das der überaus größte Teil fremder Intelligenzen leicht bis mittel schwierig zu beeinflussen war, nur sehr wenige Rassen machten ihnen ernsthafte Probleme. Und es war in der viele Tausend Jahre währenden Geschichte ihres Volkes noch nie vorgekommen, dass eine Spezies völlig resistent gegen die Einflüsse der Sirenen war.

Die Menschen gehörten zu den Rassen, bei denen es zwar schwierig, aber nicht problematisch war. Solange die Zielperson nicht gewarnt oder misstrauisch wurde. Dann benötigte es schon zweier oder bei ganz hartnäckigen Exemplaren vielleicht drei Sirenen, um das Ziel zu erreichen. Ganz vorsichtig schickte sie erste, nebelhafte Berührungen in den Geist des Mannes. Könnte man ihre Bemühungen in stoffliche Begriffe umsetzen, müsste man die samtige Weichheit schmusender Katzenpfoten um ein Tausendfaches verringern, um den Grad ihres Erstkontaktes zu beschreiben.

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Miguel spürte nichts davon und hatte deswegen in diesem Moment schon verloren. Zum einen, weil er nicht damit rechnete, dass jetzt noch ein Feind in der Nähe sein könnte. Zum anderen, weil er nichts von der Existenz der Si-rene oder deren Rasse wusste. Er hatte nur deren Diener kennen gelernt und ahnte nichts davon, dass sie nur Sklaven eines viel gefährlicheren Gegners darstellten.

Seine Gedanken kreisten um die Frage, in welcher Richtung er am ehesten Wasser finden könnte. Zwar hatten sie bei der Landung auf dem Planeten Aufnahmen gemacht, aber er hatte keine Karte erhalten. Er war schließlich kein Offizier, sondern nur einfacher Infanterist. Das wenige, was er noch aus der Grundausbildung wusste, war, dass in höheren Geländeformationen die Chance auf Quellen zu stoßen größer war, als in relativ flachem Gelände ein Wasserloch oder gar einen See zu finden. Also ging er auf die Hügelgruppe zu.

Die Dreckschicht an ihm war längst getrocknet und löste sich in Zentimeter großen Stücken. Ab und an wischte er über juckende Stellen und befreite sich nach und nach vom schlimmsten Schmutz. Trotzdem fühlte er in sich weiterhin Ekel vor dem Gemetzel und dem Zustand, in dem er sich befand. Je näher er den Hügeln kam, desto schneller wurden seine Schritte. Fast schien es so, als könne er wie ein Tier das Vorhandensein von Wasser riechen. Miguel war nicht übermäßig intelligent, aber auch bei weitem nicht dumm. Nach etwa einer halben Stunde wurde ihm sein Verhalten klar und er musste über sich selbst grinsen. Gleichzeitig stellte ein anderer Teil seines Gehirns völlig nüchtern fest, dass er nach all dem Blutbad, dem Verlust aller seiner Kameraden, dem Tatbestand, dass er womöglich der letzte Mensch auf diesem Planeten sein könnte fest, dass er bereits anfing, das erlebte Grauen zu verarbeiten.

Vielleicht ist es aber nur eine von der Natur gegebene Schutzfunktion unseres Gehirns, Schreckliches zu verdrängen und nach individuell verschiedener Zeit sogar zu vergessen, dachte er. Wahrscheinlich ist dies ein elementarer Bestandteil des Grundbedürfnisses Überleben.

Für einen Moment fühlte Miguel so etwas wie Stolz in sich. Stolz darauf, als einziger die Schlacht überlebt zu haben. Nicht die Superkämpfer, nicht die Elitesoldaten und schon gar nicht die Lamettaträger. Nein, er, der kleine, aber hartnäckige Infanterist hatte es geschafft. Und noch etwas nährte seine Empfindung: Die Tatsache, dass er, als Vertreter einer raumfahrenden, hochtechnisierten Zivilisation immer noch fähig war, Urinstinkte wahrzunehmen. Seine Freude steigerte sich um ein beträchtliches Stück, als er zweieinhalb Stunden später am Rand eines kleinen, aber blitzsauberen Sees stand. Er machte sich tatsächlich die Mühe, seinen Kampfanzug und sämtliche Kleidung abzulegen, bevor er in das erfrischend kalte Wasser stieg.

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Das geflügelte Wesen, das die Sirene im Augenblick darstellte, ließ keinen Blick von dem Mann, als dieser sich entkleidete und in den See ging. Sie ließ ihm ausreichend Zeit, sich gründlich zu reinigen und seinen Durst zu stillen. Nur ganz behutsam wob sie das Netz aus feinsten Fäden des Kontaktes zu einer spinnfadendünnen, aber dauerhaften Verbindung. Sie spürte seine Freude, sein Wohlbefinden, als er Schluck für Schluck seinen Wasserbedarf deckte. Sie versuchte mit vorsichtigen Strömungen seine Euphorie zu erhalten. Fast hätte sie sich, angesichts ihres sichtbaren Erfolges, dazu hinreißen lassen, ihn schon jetzt stärker zu beeinflussen. Aber dann hielt sie sich zurück. Zu wichtig war jetzt ihr weiteres Vorgehen. Zu entscheidend im Krieg gegen die Menschheit der nächste Schritt.

Als der Mann endlich mit glücklichem Gesichtsausdruck das Wasser verließ, bereitete sie den nächsten Akt des Dramas vor. Mit schlangenhaftem Blick und eiskalter Berechnung registrierte sie sein erschöpftes Zusammensinken neben dem Haufen dreckiger Kleidungsstücke und blutverschmierter Ausrüstung. Mit unendlicher Geduld wartete die Sirene, bis er in einen tiefen, der Bewusstlosigkeit nahen Schlaf versank. Erst dann näherte sie sich fast übertrieben leise ebenfalls dem See und trank selbst.

Auch sie hatte ein Bad nötig. Aber die Beschaffenheit ihrer Körperoberfläche, die nichts mit Haut, Fell oder Gefieder zu tun hatte, ermöglichte ihr es, diesen lästigen Akt der Reinigung auf einen extrem kurzen Zeitraum zu beschränken. Dabei behielt sie ständig den Mann in Augenschein und parallel dazu in telepathischem Kontakt. Sie überwachte seinen Schlaf, das Auf und Ab seines Geistes von leichten Perioden, nervösen Alpträumen, bis hin zu den Tiefschlafphasen. Mit einer Mischung aus Verachtung und Überlegenheit vermerkte sie den erstaunlich hohen menschlichen Bedarf an Schlaf. Zugegeben, nach dieser Schlacht sehnte sie sich auch nach Ruhe, aber diese Spezies benötigte viel mehr Erholung, als ihre eigene.

Sie ließ sich ohne Furcht direkt neben ihm nieder und studierte seinen Körper. Die Sirene hatte keine Angst, dass er womöglich überraschend aufwachen und sie angreifen könnte. Zu stark war schon die Bindung an sein Bewusstsein, zu intensiv die Beobachtung seiner Körperfunktionen, als dass sie nicht rechtzeitig vor seinem Erwachen gewarnt wäre. Behutsam drang sie tiefer in sein Gehirn ein, während sie sich selbst in das Vorstadium der Metamorphose versetzte. Dieses frühe Stadium der Wandlung war immer ein Schwachpunkt, aber auch ihr einziger. Doch jetzt bestand keinerlei Gefahr. Der Gegner schlief tief und fest und sie hatte sehr viel Zeit, sich vorzubereiten.

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Als Miguel erwachte, fühlte er sich wie neu geboren. Ein Blick auf sein Chrono verriet ihm, dass er mehr als fünfzehn Stunden geschlafen hatte. Es musste also längst ein neuer Tag sein, denn das blassgrüne Sonnenlicht zeigte keine Spuren von Morgendämmerung mehr. Er setzte sich auf und schnappte sich in einer antrainierten automatischen Bewegung seine Waffe. Noch bevor er sie in Anschlag gebracht hatte, verwarf sein Gehirn die Möglichkeit unmittelbarer Gefahr. Es erschien ihm unsinnig, fünfzehn Stunden hilflos dazuliegen, um just in dem Moment, wenn er erwachte, angegriffen zu werden.

Also verlegte er sich darauf, nach allen Seiten zu sichern, während er die paar Schritte zum See zurückging. Mit der linken Hand schöpfte er erneut Wasser zum Mund, während seine Rechte die Waffe hielt. Als er sich satt getrunken hatte und danach in geduckter Haltung zu seinem Kampfanzug zurückging, kam ihm sein Verhalten lächerlich vor. Weit und breit regte sich nichts. Nicht einmal Tiere waren zu sehen und dies erschien ihm schon wieder ungewöhnlich, da ja auch sie den kleinen See als Tränke nutzen würden. Mit selbstironischem Grinsen fummelte er eine Kampfration aus dem Gürtel seines Anzuges und stopfte sich die kleinen Riegel nach und nach in den Mund. Er hatte mehr als die Hälfte seines Vorrates verbraucht, als er endlich satt war.

Vielleicht hätte ich es mir besser eingeteilt, dachte er, schob sich aber wie zum Trotz noch einen weiteren Konzentratriegel in den Mund. Schließlich konnte es nicht zu weit zur Basis sein. Er ging einfach davon aus, dass wenn er die Basis nicht fand, deren Besatzung ihn finden würde.

Warum hörte er nicht längst das Summen eines Atmosphärengleiters oder zumindest eines Bodenfahrzeuges? Kam denn niemand, um zu sehen, wie die Schlacht ausgegangen war? Oder hatte man angesichts der tausenden Leichen die Suche nach möglichen Überlebenden erst gar nicht gestartet?

In diesem Moment sah er die Frau.

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Die Sirene spürte seine Verwirrung und beeilte sich, ihm beruhigende Empfindungen zu senden. Eingebettet in die Strömungen ihres Geistes legte sie vage Andeutungen, angebliche Details, Spuren, Beweise für die Natürlichkeit ihrer Erscheinung, ihrer Anwesenheit. Sofort erhielt sie eine positive Resonanz seiner Gedanken. Er hielt sie für eine Angehörige eines Suchkommandos. Gut so.

„Hallo, Miss. Hierher“, rief Miguel und kam sich wie ein Trottel vor. Selbstverständlich hatte sie ihn gesehen. Er beobachtete sie, wie sie langsam vom anderen Ufer des Sees zu ihm herüber ging.

Wieso antwortet sie nicht?, dachte er und winkte erneut.

„Hallo“, kam ihre Antwort zu ihm herüber. Nicht nur die kleine Wasserfläche trug den Klang ihrer angenehmen Stimme herüber, sondern auch die Zusammensetzung der Luft begünstigte die Schallübertragung.

„Wo sind die anderen Ihres Kommandos?“, fragte Miguel und sah sich um. Dabei stellte er fest, dass es ihm lästig war, den Blick von ihr wenden zu müssen. Musste er wirklich?

Als sie weiter näher schritt, erkannte er, dass sie atemberaubend war. Eine Schönheit. Nur zu dumm, das ihre Uniform das meiste ihres Körpers verbarg. Aber das was er sehen, eigentlich eher vermuten konnte, war umwerfend. Siedend heiß fiel ihm ein, dass er immer noch nackt war und sofort fühlte er das Blut in seinen Kopf schießen. Und nicht nur dorthin.

Sie sah es und lächelte einfach hinreißend. Ein perfektes Weib. Nein, nicht perfekt, dachte Miguel. Aber genau so, wie er sich immer seine Traumfrau vorgestellt hatte. Ganz genauso sogar. Der Körper fest und mit ausreichenden Rundungen an den richtigen Stellen. Die Haare lang und schwarz, in leichten Wellen weit bis auf den Rücken fallend. Das Gesicht schlank und oval, mit fein geschnittenen Zügen, dabei aber auf eine selbstbewusste Art strahlend. Und die Augen. Tiefe, dunkle Seen mit farbigen Sprenkeln, aus denen Charme, Intelligenz und Wärme sprühten.

„Ich heiße Isabel“, sagte die Fee und Miguel vergaß seine Nacktheit und seine aufkommende Geilheit.

„Miguel“, brachte er über seine Lippen und sein Blick saugte sich dabei an ihren fest.

Überhaupt ihre Lippen. Sie waren voll, aber nicht wulstig. Weiblich, wie sie nicht weiblicher sein konnten, aber nicht im Sinne von schwach oder weich, sondern eher wie ...
Ihm fiel nicht mehr ein, mit welchen Attributen er sie noch bezeichnen könnte. Er wünschte sich nur noch eines. Aber das war jetzt völlig unmöglich. Er konnte doch jetzt nicht ... Oder doch?

Isabel lächelte immer noch, als sie zu ihm trat und leicht ihren Mund öffnete. Nur noch ein halber Schritt trennte sie voneinander. Dann keiner mehr. Sie küsste ihn zart auf seine Stirn und sein Glied wurde dabei härter und härter. Er schämte sich nicht, sondern hoffte, dass sie weitermachen würde. Stattdessen bückte sie sich und hob seine Sachen auf.

„Ich glaube, das sollten wir zuerst reinigen, bevor Sie es wieder anziehen können.“ Dabei lächelte sie wieder in einer unbeschreiblichen Weise, das Miguel nur nicken und ihr die paar Schritte zum Ufer folgen konnte.

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Die Sirene triumphierte. Dieser Mann, Miguel, war ihr Gefangener. Er wusste es nicht, oder sah es - wenn überhaupt - aus romantischer Sicht. Mit dem Kuss auf seine Stirn hatte sie den ersten physikalischen Kontakt hergestellt und analysierte gerade seine Körperchemie. Tief in ihrem Leib arbeiteten mehrere Organe bereits an der Herstellung kompatibler Substanzen und Flüssigkeiten. Es hatte wenig Sinn, diesen Prozess beschleunigen zu wollen. Parallel dazu hatte der Mensch Miguel noch Zeit, um sich weiter zu erholen und zu stärken. Sie würde ihn dabei unterstützen, so schnell wie möglich wieder zu Kräften zu kommen. Mit Leichtigkeit erfüllte sie die Rolle seiner Idealpartnerin, die sie während seines Schlafes entdeckt und in die laufende Metamorphose integriert hatte. Ein wenig schwieriger war es gewesen, aus Bruchstücken seiner Erinnerung das weibliche Gegenstück seiner Uniform nachzubilden. Die Lücken seiner Gedankenbilder füllte sie einfach mit entsprechenden Stellen seiner Uniform.

Die folgenden Stunden verbrachten sie gemeinsam damit, seine Sachen zu waschen, zu essen und zu trinken. Sie unterhielten sich kaum, fast wie ein Ehepaar, das sich nach dreißig Jahren ohne viele Worte verstand. Von seiner Warte aus betrachtet, hatte er wenig Anlass zu reden, stand er doch längst soweit unter dem Einfluss der Sirene, dass sie sein natürliches Verlangen nach Rettung und Aufklärung erfolgreich unterdrücken konnte. Aus ihrer Sicht musste sie abwarten, bis sich in ihrem Körper die notwendigen Organe gebildet hatten, um ihren Plan mit Sicherheit gelingen zu lassen. Geduld. Alles braucht seine Zeit. Der Erfolg eines jeden Vorhabens wächst mit der richtigen Zeitspanne, die man in die Planung investiert.

Miguel hatte die Augen schon lange geöffnet, als die Sonne hinter dem Horizont aufstieg. Er begeisterte sich daran, wie die Strahlen der fremden Sonne Isabels in eine Decke gehüllten Körper umschmeichelten und langsam aus dem Grau der Dämmerung hoben. Doch Isabel schlief nicht, die Sirene schlief nicht. Sie war hellwach und wusste: Jetzt ist es soweit. Miguel wollte gerade nach ihr greifen, als sie sich scheinbar in erwachender Schläfrigkeit bewegte. Dabei rutschte ihr wie unbeabsichtigt die Decke herunter und zeigte ihm, dass sie nackt war. Sofort versteifte sich sein Glied und er konnte sich kaum zurückhalten. Er dachte, dass er sie durch irgendein Geräusch geweckt hatte, denn sie schlug die Augen auf und sah ihn direkt an. Weich, zärtlich, wie es ihm schien. Verführerisch. Und bereit.

Ja, sie will mich auch, dachte Miguel und sein Herz machte einen Sprung.

Ohne ein Wort zu sagen, schob sie den Rest der Decke beiseite und drehte sich ihm zu. Es verschlug ihm den Atem. Seine Ahnungen, was sie unter der Uniform verborgen hatte, wurden übertroffen. Sie war perfekt. Und sie wollte ihn, das erkannte er jetzt völlig klar. Auch die angebliche Klarheit dieses Gedankens stammte von der Sirene. Sie tat den nächsten Schritt. Sie schmiegte sich an ihn und begann, seinen Körper zu streicheln, zu erforschen, zu liebkosen.

Miguel konnte sein Glück kaum fassen und tat es ihr gleich.

Die Sirene nutzte die Berührungen, um ein letztes Mal eine Abstimmung vorzunehmen. Feinjustierung. Kapazitäten und Volumina. Belastung und Schwachpunkte. Analyse des eingeleiteten Prozesses und Verlaufsprognose. Und das voraussichtliche Ende der Handlung.

Miguel schien es wie eine Offenbarung, als er in sie eindrang. Heiß, beglückend, berauschend. Er nahm sich vor, ihr alles zu geben, was sie sich wünschte und hatte keine Chance zu erkennen, dass die Sirene es war, die dies in ihm hervorrief. Sie wollte alles von ihm. Möglichst jedes einzelne Spermium. Und er war bereit, es ihr zu geben. Mehr als bereit. Es war seine Pflicht. Er musste es tun. Er musste es einfach.

Die Sirene hatte während seines Schlafes tief in sein Bewusstsein gegriffen und seine Idealvorstellungen einer Kopulation entdeckt und ausgewertet. Sie hob und senkte ihr nachgebildetes Becken genau in dem Rhythmus und der Geschwindigkeit, die ihm zu höchster Lust verhelfen würde. Sie passte sich seinen Bewegungen an und wechselte die Stellung genau dann, wenn seine Vorstellung es ihr verriet. Sie registrierte seine wachsende Erregung, das Ansteigen des inneren Druckes seiner Gefäße und steuerte geschickt den Verlauf der Paarung. Exakt in den richtigen Momenten hielt sie inne, wartete, bewegte sich mal langsam, mal schneller, um das Maximum an Miguels Verzückung herauszuholen. Er spürte nicht, wie sie Sekunden vor seiner Ejakulation, einen letzten Schub starker Pheromone ausstieß, um auch das letzte Quäntchen seiner Geilheit auszunutzen.

Miguel erlebte den stärksten Orgasmus, denn er je in seinem Leben genossen hatte, und die Sirene erkannte dies mit der Gewissheit, dass es auch sein letzter sein würde. Sie knetete und walkte sein Glied wie das Euter einer Kuh. Dem Äquivalent einer irdischen Kuh auf ihrem Planeten. Eiskalt, völlig gefühllos, dabei die erhitzte Gespielin vortäuschend. Mit jedem Schub seines Samens triumphierte sie, versuchte die Menge an Einheiten zu schätzen, die sie in sich aufnahm und kalkulierte schon die Anzahl der daraus entstehenden Diener.

Diener einer neuen Art, einer bisher nicht da gewesenen Qualität. Ja, die Menschen waren etwas Besonderes. Mit diesem Vorrat an Spermien würde sie und Hunderte ihrer Art eine neue Rasse an Diener gebären. Fürchterlich, gewalttätig, alles andere Leben, dass sich den Sirenen entgegenstellen könnte, niederwalzend.

Während Miguel langsam zur Ruhe kam, dachte sie für einen kurzen Augenblick an die Option, ein paar Menschen als Samenlieferanten am Leben zu erhalten. Doch dann überwog ihre Einschätzung, dass es zu riskant wäre, diese gefährliche Rasse auch nur in Bruchteilen zu erhalten.

Sie wartete nicht einmal ab, bis Miguel sich erschöpft von ihr löste, sondern fuhr blitzschnell die in den Imitaten einer Frauenhand verborgenen, messerscharfen Hornklingen aus und zerfetzte ihm den Hals. Hätte sie den Begriff Dejá vu gekannt und auch nur die Spur menschlichen Zynismus besessen, so hätte sie vielleicht eine Parallele zwischen seinem hervorspritzenden Blut und dem unmittelbar davor seinen Körper verlassenden Samen gezogen.

So richtete sie sich nur auf und beobachtete sein entsetztes Gesicht, das sich im völligen Unverständnis der Tat zu einer geschockten Grimasse verzerrte und mit jedem Pulsen seines Blutes blasser wurde. Nach wenigen Augenblicken zuckten nur noch seine Hände hilflos in Richtung Hals, brachten aber nicht einmal mehr die Kontrolle auf, um auch nur den Versuch zu wagen, die zerrissene Halsschlagader schließen zu können.

Der letzte Blick der Sirene fiel auf sein immer noch steifes Glied. Welch eine primitive Art sich fortzupflanzen, dachte sie und wandte sich um. Während sie langsam davonging, setzte sie zwei neue Prozesse in sich in Gang. Die Rückverwandlung in ihre ursprüngliche Gestalt und die Vorbereitung des menschlichen Samenvorrates zu Verteilung an viele Ihre Artgenossinnen. Mit ein bisschen Glück konnten sie das Grundmuster des Spermiums klonen und so für viele Dekaden Nutzen aus dem Material ziehen. In jedem Fall würden die Chimären aus Sirenen und Menschen, die besten Kampfdiener darstellen, die je im Auftrag der Sirenen durch das All gezogen waren.

Und das allererste Ziel für die neue Armee würde dieser dritte Planet im Sonnensystem, nahe am Rand der Milchstrasse sein.

- Ende -

Copyright © 1999 by Werner Karl
Aus "Danger Zone - Science Fiction Stories" ISBN 978-3-86850-804-8
 

jon

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Die Sirene bewegte sich nicht. Der Mensch vor ihr hatte eine Zeitlang geschlafen oder war bewusstlos gewesen. Trotzdem hatte sie sich ihm nicht genähert. So hatte die Sache keinen Sinn. Sie brauchte für ihre Zwecke einen ausgeruhten, ja kräftigen Gegner. So kräftig und erholt, dass sein Unterbewusstsein sich mit einem anderen Grundbedürfnis als Überleben und Nahrung befassen konnte. Aber noch war es nicht so weit. Ihm fehlte, wie ihr selbst auch, Wasser, Nahrung, Ruhe. Und etwas Zeit.
Besser „Es hätte keinen Sinn ergeben.“? (im Deutschen mag sich Sinn ergeben, aber nichts macht Sinn. / Konjunktiv weil: Sie tut’s ja nicht.)

Sie beobachtete den Mann und tastete mit ihren Sinnen ganz zart nach seinen Gedanken. Der erste Kontakt war immer der schwierigste, da eine Sirene nicht wusste, auf welchen Geist sie stoßen würde. Primitiv oder intelligent, wachsam oder phlegmatisch. Es gab Tausende verschiedener Spezies und darüber hinaus unendlich viele individuelle Varianten. Die Sirenen hatten bei ihren Reisen durch den Raum festgestellt, das der überaus größte Teil fremder Intelligenzen leicht bis mittel schwierig zu beeinflussen war, nur sehr wenige Rassen machten ihnen ernsthafte Probleme. Und es war in der viele Tausend Jahre währenden Geschichte ihres Volkes noch nie vorgekommen, dass eine Spezies völlig resistent gegen die Einflüsse der Sirenen war.
auf was für einen Geist (= welche Art Geist / welcher Geist = Geist „Anton“ oder Geist „Erika“?)
Besser „Aber es war in der viele Tausend …“?

Die Menschen gehörten zu den Rassen, bei denen es zwar schwierig, aber nicht problematisch war. Solange die Zielperson nicht gewarnt oder misstrauisch wurde. Dann benötigte es schon zweier oder bei ganz hartnäckigen Exemplaren vielleicht drei Sirenen, um das Ziel zu erreichen. Ganz vorsichtig schickte sie erste, nebelhafte Berührungen in den Geist des Mannes. Könnte man ihre Bemühungen in stoffliche Begriffe umsetzen, müsste man die samtige Weichheit schmusender Katzenpfoten um ein Tausendfaches verringern, um den Grad ihres Erstkontaktes zu beschreiben.
Man benötigte zwei oder drei Sirene ODER Es bedurfte zweier oder dreier Sirenen

Absatz nach „Ziel zu erreichen“?

Sowas „ Könnte man ihre Bemühungen in stoffliche Begriffe umsetzen, müsste man die samtige Weichheit schmusender Katzenpfoten um ein Tausendfaches verringern, um den Grad ihres Erstkontaktes zu beschreiben“ ist (nahezu) nie gut – das fügt einen Point oft View ein, der (in der Regel; auch hier) nicht zum Rest passt: Die Sirene muss und will es nicht übersetzen, der Mann merkt es nicht mal (will es deshalb nicht). Nur der Autor muss es dem Leser „vorführen“, aber das ist dann so wenig oder so viel „Übersetzung“ wie soeben das „nebelhaft“ – das wird aber auch nicht als Übersetzung markiert.
Außerdem: Wozu diese umständliche, unvollkommene „Sinnlichmachung“, wenn vorher ganz kurz und prägnant schon „nebelhaft“ steht ?

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Miguel spürte nichts davon und hatte deswegen in diesem Moment schon verloren. Zum einen, weil er nicht damit rechnete, dass jetzt noch ein Feind in der Nähe sein könnte. Zum anderen, weil er nichts von der Existenz der Si-rene oder deren Rasse wusste. Er hatte nur deren Diener kennen gelernt und ahnte nichts davon, dass sie nur Sklaven eines viel gefährlicheren Gegners darstellten.
Unschöne Dopplung von „nur“

Seine Gedanken kreisten um die Frage, in welcher Richtung er am ehesten Wasser finden könnte. Zwar hatten sie bei der Landung auf dem Planeten Aufnahmen gemacht, aber er hatte keine Karte erhalten. Er war schließlich kein Offizier, sondern nur einfacher Infanterist. Das wenige, was er noch aus der Grundausbildung wusste, war, dass in höheren Geländeformationen die Chance auf Quellen zu stoßen größer war, als in relativ flachem Gelände ein Wasserloch oder gar einen See zu finden. Also ging er auf die Hügelgruppe zu.

Das „auf Quellen zu stoßen“ würde ich in Komma einschließen. Komma nach „flachem Gelände dringlich nahegelegt (sonst liest man „In den Hügeln war die Chance, …, größer als in der Ebene“)


Die Dreckschicht an ihm war längst getrocknet und löste sich in Zentimeter großen Stücken. Ab und an wischte er über juckende Stellen und befreite sich nach und nach vom schlimmsten Schmutz. Trotzdem fühlte er in sich weiterhin Ekel vor dem Gemetzel und dem Zustand, in dem er sich befand. Je näher er den Hügeln kam, desto schneller wurden seine Schritte. Fast schien es so, als könne er wie ein Tier das Vorhandensein von Wasser riechen. Miguel war nicht übermäßig intelligent, aber auch bei weitem nicht dumm. Nach etwa einer halben Stunde wurde ihm sein Verhalten klar und er musste über sich selbst grinsen. Gleichzeitig stellte ein anderer Teil seines Gehirns völlig nüchtern … zu verarbeiten.
Absatz nach „in dem er sich befand“ wäre sehr passend.

Die Konstruktion „Wie ein Tier – nicht dumm“ irritiert massiv. Dass das „nicht dumm“ DANACH und INDIREKT auf „er bemerkt es“ abzielt (wäre er dumm, hätte er es nicht bemerkt), ist eine zu schwache Konstruktion, die Irritation aufzulösen. Eigentlich brauchst du den Satz auch gar nicht – „er bemerkt es“ und gut (das heißt ja, dass er nicht zu blöd ist, es zu merken).

Unsauber: Er bemerkt, dass es fast ist, als könne er das Wasser reichen? Er bemerkt, dass er schneller wird.



Für einen Moment fühlte Miguel so etwas wie Stolz in sich. Stolz darauf, als einziger die Schlacht überlebt zu haben. Nicht die Superkämpfer, nicht die Elitesoldaten und schon gar nicht die Lamettaträger. Nein, er, der kleine, aber hartnäckige Infanterist hatte es geschafft. Und … kalte Wasser stieg.
Komma nach „Infanterist“

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Das geflügelte Wesen, das die Sirene im Augenblick darstellte, ließ keinen Blick von dem Mann, als dieser sich entkleidete und in den See ging. Sie ließ ihm ausreichend Zeit, sich gründlich zu reinigen und seinen Durst zu stillen. Nur ganz behutsam wob sie das Netz … nächste Schritt.
Sollte man „sich zu reinigen“ und „Durst stillen“ andersrum sagen? Beim Reinigen hab ich sofort das Bild im Kopf, wie der Deck im Wasser schwimmt – und dann trinkt der Kerl „dieses“ Wasser … Brr! **schüttel***

Als der Mann endlich mit glücklichem Gesichtsausdruck das Wasser verließ, bereitete sie den nächsten Akt des Dramas vor. Mit schlangenhaftem Blick und eiskalter Berechnung registrierte sie sein erschöpftes Zusammensinken neben dem Haufen dreckiger Kleidungsstücke und blutverschmierter Ausrüstung. Mit unendlicher Geduld wartete die Sirene, bis er in einen tiefen, der Bewusstlosigkeit nahen Schlaf versank. Erst dann näherte sie sich fast übertrieben leise ebenfalls dem See und trank selbst.
Moment! „Der nächste Akt des Dramas“ ist, dass sie ebenfalls trinkt?

Auch sie hatte ein Bad nötig. Aber die Beschaffenheit ihrer Körperoberfläche, die nichts mit Haut, Fell oder Gefieder zu tun hatte, ermöglichte ihr es, diesen lästigen Akt der Reinigung auf einen extrem kurzen Zeitraum zu beschränken. Dabei behielt sie ständig den Mann in Augenschein und parallel dazu in telepathischem Kontakt. Sie überwachte seinen Schlaf, das Auf und Ab seines Geistes von leichten Perioden, nervösen Alpträumen, bis hin zu den Tiefschlafphasen. Mit einer Mischung aus Verachtung und Überlegenheit vermerkte sie den erstaunlich hohen menschlichen Bedarf an Schlaf. Zugegeben, nach dieser Schlacht sehnte sie sich auch nach Ruhe, aber diese Spezies benötigte viel mehr Erholung, als ihre eigene.
… wie „nichts mit Haut zu tun hatte“? Heißt das, bei den Sirenen gibt es keinen „Körperüberzug“ (denn was anderes ist „Haut“ in allgemeineren Sinn – also nicht auf „menschliche Haut“ oder so bezogen – ja nicht).

Sie behält im ihm Auge. Man kann etwas in Augenschein nehmen = schauen, was dessen „Schein“ über es aussagt.

Man kann niemanden „im Kontakt halten“, man kann „Kontakt halten“ oder „zu jemandem Kontakt halten“.

Bei „leichten Perioden“ denk ich an was ganz anders als an „Perioden leichten Schlafes“ …

Das Komma nach „Erholung“ ist zu viel.


Sie ließ sich ohne Furcht direkt neben ihm nieder und studierte seinen Körper. Die Sirene hatte keine Angst, dass er womöglich überraschend aufwachen und sie angreifen könnte. Zu stark war schon die Bindung an sein Bewusstsein, zu intensiv die Beobachtung seiner Körperfunktionen, als dass sie nicht rechtzeitig vor seinem Erwachen gewarnt wäre. Behutsam drang sie tiefer in sein Gehirn ein, während sie sich selbst in das Vorstadium der Metamorphose versetzte. Dieses frühe Stadium der Wandlung war immer ein Schwachpunkt, aber auch ihr einziger. Doch jetzt bestand keinerlei Gefahr. Der Gegner schlief tief und fest und sie hatte sehr viel Zeit, sich vorzubereiten.
… das ist jetzt die Vorbereitung zum „nächsten Akt des Dramas“ …

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Als … die Möglichkeit unmittelbarer Gefahr. Es erschien ihm unsinnig, fünfzehn Stunden hilflos dazuliegen, um just in dem Moment, wenn er erwachte, angegriffen zu werden.
Es ist auch unsinnig. ;) Diese Konstruktion zeigt (auch wenn sie oft fälschlicherweise in der hier benutzten Art verwendet wird) Absicht/Ziel an: „Er geht in den Laden, um Brot zu kaufen.“ Dein Satz hieße: „Er schläft 15 Stunden mit der Absicht, beim Erwachen angegriffen zu werden.“


Also verlegte er sich darauf, nach allen Seiten zu sichern, während er die paar Schritte zum See zurückging. Mit der linken Hand schöpfte er erneut Wasser zum Mund, während seine Rechte die Waffe hielt. Als er sich satt getrunken hatte und danach in geduckter Haltung zu seinem Kampfanzug zurückging, kam ihm sein Verhalten lächerlich vor. Weit und breit regte sich nichts. Nicht einmal Tiere waren zu sehen und dies erschien ihm schon wieder ungewöhnlich, da ja auch sie den kleinen See als Tränke nutzen würden. Mit selbstironischem Grinsen fummelte er eine Kampfration aus dem Gürtel seines Anzuges und stopfte sich die kleinen Riegel nach und nach in den Mund. Er hatte mehr als die Hälfte seines Vorrates verbraucht, als er endlich satt war.
Meinst du im ersten Satz „er beschränkte sich darauf“? „Sich auf etwas verlegen“ benutzt man eigentlich dann, wenn etwas anderes nicht zum Ziel führte, oder wenn jemand eine Angewohnheit annimmt.

Den „Tier-Satz“ würde ich trennen. Der erste Teil gehört noch zu „Don’t panic! Ist alles ruhig!“ Dann erst – als es ihm bewusst wird – macht ihn das doch stutzig.

Warum reagiert er „selbstironisch“, als ihm gewahr wird, dass eigentlich auch Tiere sein müssten, sie es aber nicht sind? Entweder die Erkenntnis führt zu erhöhter Aufmerksamkeit oder er redet sich ein, dass er schon Paranoia leidet, und grinst deshalb (dann muss dieser Schritt aber erwähnt werden).

Vielleicht … zur Basis sein. Er ging einfach davon aus, dass wenn er die Basis nicht fand, deren Besatzung ihn finden würde.
Koma nach „dass“

Warum … sah er die Frau.

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Die Sirene spürte seine Verwirrung und beeilte sich, ihm beruhigende Empfindungen zu senden. Eingebettet in die Strömungen ihres Geistes legte sie vage Andeutungen, angebliche Details, Spuren, Beweise für die Natürlichkeit ihrer Erscheinung, ihrer Anwesenheit. Sofort erhielt sie eine positive Resonanz seiner Gedanken. Er hielt sie für eine Angehörige eines Suchkommandos. Gut so.
Hier war ich gestolpert, weil ich dachte, die Sirene müsse nackt sein. Vielleicht hier die „Uniform“ schon mal erwähnen?

„Hallo, Miss. Hierher“, rief Miguel und kam sich wie ein Trottel vor. Selbstverständlich hatte sie ihn gesehen. Er beobachtete sie, wie sie langsam vom anderen Ufer des Sees zu ihm herüber ging.

Wieso antwortet sie nicht?, dachte er und winkte erneut.
Lesereindruck: … würde ich mich auch fragen. Als Sirene würde ich wenigstens winken oder – er hält mich für jemanden, der ihn sucht! – einen Schritt schneller gehen. Es ist doch wichtig für die Sirene, dass er nicht stutzig wird, damit die „Illusion“ nicht zusammenbricht … (OK: Sie spürt die Frage und reagiert dann, aber diese „Unterbrechung“ ist riskant. Und nicht sehr wichtig für den Text – also streichen.)

„Hallo“, kam ihre Antwort zu ihm herüber. Nicht nur die kleine Wasserfläche trug den Klang ihrer angenehmen Stimme herüber, sondern auch die Zusammensetzung der Luft begünstigte die Schallübertragung.
Lesereindruck: Bei „kleiner Wasserfläche“ hab ich wieder das Problem mit Reinigen und Trinken – bei einer „großen“ Fläche oder noch besser einer Strömung, kann ich Wasch- und Trinkwasser getrennt denken.

„Wo sind die anderen …er immer noch nackt war und sofort fühlte er das Blut in seinen Kopf schießen. Und nicht nur dorthin.

Sie sah es und lächelte einfach hinreißend. Ein perfektes Weib. Nein, nicht perfekt, dachte Miguel. Aber genau so, wie er sich immer seine Traumfrau vorgestellt hatte. Ganz genauso sogar. Der Körper fest und mit ausreichenden Rundungen an den richtigen Stellen. Die Haare lang und schwarz, in leichten Wellen weit bis auf den Rücken fallend. Das Gesicht schlank und oval, mit fein geschnittenen Zügen, dabei aber auf eine selbstbewusste Art strahlend. Und die Augen. Tiefe, dunkle Seen mit farbigen Sprenkeln, aus denen Charme, Intelligenz und Wärme sprühten.
Schön das mit dem „Weib“.
Doppelpunkt nach „Augen“ oder ein Ausrufezeichen (fände ich aber nicht so gut).

„Ich heiße Isabel … und sein Blick saugte sich dabei an ihren fest.

Überhaupt ihre Lippen. Sie waren voll, aber nicht wulstig. Weiblich, wie sie nicht weiblicher sein konnten, aber nicht im Sinne von schwach oder weich, sondern eher wie ...
Ihm fiel nicht mehr ein, mit welchen Attributen er sie noch bezeichnen könnte. Er wünschte sich nur noch eines. Aber das war jetzt völlig unmöglich. Er konnte doch jetzt nicht ... Oder doch?
Zeilenumbruch nach „eher wie …“ rausnehmen!

Wieder: Doppelpunkt oder Ausrufezeichen nach „Lippen“

Isabel lächelte immer noch, als sie zu ihm trat und leicht ihren Mund öffnete. Nur noch ein halber Schritt trennte sie … können.“ Dabei lächelte sie wieder in einer unbeschreiblichen Weise, das Miguel nur nicken und ihr die paar Schritte zum Ufer folgen konnte.
Entweder „in so unebschreiblicher Weise, dass“ oder „einer unbeschreiblichen Weise, so dass“

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Die Sirene triumphierte. Dieser Mann, Miguel, war ihr Gefangener. Er wusste es nicht, oder sah es - wenn überhaupt - aus romantischer Sicht. Mit dem Kuss auf seine Stirn hatte sie den ersten physikalischen Kontakt hergestellt und analysierte gerade seine Körperchemie. Tief in ihrem Leib arbeiteten mehrere Organe bereits an der Herstellung kompatibler Substanzen und Flüssigkeiten. Es hatte wenig Sinn, diesen Prozess beschleunigen zu wollen. Parallel dazu hatte der Mensch Miguel noch Zeit, um sich weiter zu erholen und zu stärken. Sie würde ihn dabei unterstützen, so schnell wie möglich wieder zu Kräften zu kommen. Mit Leichtigkeit erfüllte sie die Rolle seiner Idealpartnerin, die sie während seines Schlafes entdeckt und in die laufende Metamorphose integriert hatte. Ein wenig schwieriger war es gewesen, aus Bruchstücken seiner Erinnerung das weibliche Gegenstück seiner Uniform nachzubilden. Die Lücken seiner Gedankenbilder füllte sie einfach mit entsprechenden Stellen seiner Uniform.
kein Komma nach „wusste es nicht“

Sie hatten den ersten physischen Kontakt hergestellt …

Lesereindruck: Na guuuut, tun wir mal so, als würde irgendwer aus den Stoffen auf der Haut auf diese Dinge schließen können, auch wenn ich mir selbst mit gutem Willen nicht vorstellen kann, wie Schweiß (so pheromongetränkt er auch sein mag) Hinweise darauf gibt, in was für einem Medium die Spermien am besten überleben …

Leserfrage: … und die ganze Zeit (auch bei dem nun Kommenden) läuft/hockt der mit eine veritablen Ständer rum?

Die folgenden Stunden verbrachten sie gemeinsam damit, seine Sachen zu waschen, zu essen und zu trinken. Sie unterhielten sich kaum, fast wie ein Ehepaar, das sich nach dreißig Jahren ohne viele Worte verstand. … die man in die Planung investiert.

Miguel hatte die … ist es soweit. Miguel wollte gerade nach ihr greifen, als sie sich scheinbar in erwachender Schläfrigkeit bewegte. Dabei rutschte ihr wie unbeabsichtigt die Decke herunter und zeigte ihm, dass sie nackt war. Sofort versteifte sich sein Glied und er konnte sich kaum zurückhalten. Er dachte, dass er sie durch irgendein Geräusch geweckt hatte, denn sie schlug die Augen auf und sah ihn direkt an. Weich, zärtlich, wie es ihm schien. Verführerisch. Und bereit.
Eine „erwachende Schläfrigkeit“ ist was anderes als die „Schläfrigkeit beim Erwachen“

Er dachte in dem Moment noch? Ich glaube „Sie schlug die Augen auf …“ reicht.

Ja, sie … war perfekt. Und sie wollte ihn, das erkannte er jetzt völlig klar. Auch die angebliche Klarheit dieses Gedankens stammte von der Sirene. Sie tat den nächsten Schritt. Sie schmiegte sich an ihn und begann, seinen Körper zu streicheln, zu erforschen, zu liebkosen.
Der Erklärsatz zur Klarheit stört den Ablauf und ist überflüssig – wir wissen inzwischen, was die Sirene macht.

Miguel konnte sein Glück … Offenbarung, als er in sie eindrang. Heiß, beglückend, berauschend. Er nahm sich vor, ihr alles zu geben, was sie sich wünschte und hatte keine Chance zu erkennen, dass die Sirene es war, die dies in ihm hervorrief. Sie wollte alles von ihm. Möglichst jedes einzelne Spermium. Und er war bereit, es ihr zu geben. Mehr als bereit. Es war seine Pflicht. Er musste es tun. Er musste es einfach.
Komma nach „wünschte“

Die Sirene hatte während seines Schlafes … sein Glied wie das Euter einer Kuh. Dem Äquivalent einer irdischen Kuh auf ihrem Planeten. Eiskalt, völlig gefühllos, dabei die erhitzte Gespielin vortäuschend. Mit jedem Schub seines Samens triumphierte sie, versuchte die Menge an Einheiten zu schätzen, die sie in sich aufnahm und kalkulierte schon die Anzahl der daraus entstehenden Diener.
Dass er für ihn perfekt ist, weil sie es ihm perfekt macht, ist längst klar und muss nicht so detailiert und doppelt erzählt werden.

… ihm den Hals. Hätte sie den Begriff Dejá vu gekannt und auch nur die Spur menschlichen Zynismus besessen, so hätte sie vielleicht eine Parallele zwischen seinem hervorspritzenden Blut und dem unmittelbar davor seinen Körper verlassenden Samen gezogen.
Diese Paralle ist überflüssig. Zumal sie sie gar nicht seiht (siehe oben bei dem textfremden Point of View).

So richtete sie sich nur auf und beobachtete sein entsetztes Gesicht, das sich im völligen … sie zwei neue Prozesse in sich in Gang. Die Rückverwandlung in ihre ursprüngliche Gestalt und die Vorbereitung des menschlichen Samenvorrates zu Verteilung an viele Ihre Artgenossinnen. Mit ein bisschen Glück konnten sie das Grundmuster des Spermiums klonen und so für viele Dekaden Nutzen aus dem Material ziehen. In jedem Fall würden die Chimären aus Sirenen und Menschen, die besten Kampfdiener darstellen, die je im Auftrag der Sirenen durch das All gezogen waren.
an viele ihrer Artgenossinnen

Kein Komma nach „Sirenen und Menschen“

Und das allererste Ziel für die neue Armee würde dieser dritte Planet im Sonnensystem, nahe am Rand der Milchstrasse sein.
Milchstraße
 

galaxykarl

Mitglied
Das Lied der Sirene

Miguel stand völlig unbeweglich. Alles um ihn herum war ruhig.

Vor - einer Stunde? - war es ganz anders gewesen. Aber jetzt war es wirklich still. Fast friedlich. Die Sonne strahlte zwar noch ihr grüngelbes Licht herab, aber den Strahlen fehlte längst die Wärme, geschweige denn die Hitze, die sie am Tag in voller grüner Pracht auf den Planeten ergossen hatte. Und trotzdem glühte Miguels Körper noch. Zu lange hatte der Kampf gedauert.
Kampf. Was für ein lächerliches Wort für das erbarmungslose Schlachten, das er überlebt hatte. Er war völlig erschöpft, die Muskeln verkrampft und sein Waffenarm hing kraftlos herab. Es fehlte nur sehr wenig, um ihm die Waffe entfallen zu lassen. Aber noch hielt er sie in seiner Faust. Vielleicht war da ja doch noch ein Gegner, der ihn zu guter Letzt anfallen könnte.
Aber es war niemand in seiner Nähe. Weder Freund noch Feind.

Miguel sah nach oben. Der Nacken tat ihm dabei weh. Seine Muskeln waren völlig verspannt, aber das störte ihn nicht. Der Himmel war überzogen mit blassen, grünen Schlieren, wundervollen Pastellfarben. Wenn er ein Maler gewesen wäre, hätte er niemals diese Farbkombination gewählt, sie wirkte zu unnatürlich auf ihn. Aber er war ja auch nur ein Mensch, der nicht auf diesen Planeten gehörte. Trotzdem hätte er sich an den Anblick gewöhnen können. Vor einigen Wochen war er mit seiner Einheit gelandet und sofort hatten sie sich angenehm berührt gefühlt von der traumhaften Landschaft, den vielfältigsten Pflanzen und Tieren, die samt und sonders ungewohnt, aber vertrauenswürdig wirkten. Es war Miguel nicht ein Bericht in die Finger oder zu Ohren gekommen, der nicht in den höchsten Tönen die Friedfertigkeit der örtlichen Fauna und Flora gepriesen hätte. Ein Paradies.
Wirklich friedlich.

Wenn man die unzähligen Toten ignorieren konnte. Dicht an dicht, oft übereinander gefallen, lagen sie hier, bis zum Horizont. Freund und Feind, oft eng umschlungen wie Liebespaare, aber nicht in vor Wonne verzückten Posen, sondern in schrecklich verzerrten Stellungen, manchmal nur durch die Waffen miteinander verbunden, die ihnen gegenseitig den Tod gebracht hatten. So weit seine Augen die Gegend überblicken konnten, regte sich nichts mehr.
Er war der einzige Überlebende.
Als er etwas später in einiger Entfernung doch eine vage Bewegung wahrnahm, schöpfte er kurz Hoffnung. Aber es war kein Verletzter oder weiterer Kämpfer, der die grauenvolle Schlächterei überstanden hatte, sondern nur ein paar Krähen ähnlichen Flugtiere, die begannen, den Toten die Augen auszupicken.

Unwillkürlich hatte Miguel einen kleinen Schritt getan, doch einen zweiten tat er nicht. Warum sollte er die Viecher davon abhalten? Kaum, dass er sich umdrehen würde, kämen sie erneut angeflogen, um ihr Mahl fortzusetzen. Also ließ er sie gewähren. Er hätte auch nicht die Energie aufgebracht, sie anhaltend zu vertreiben, von der dazu notwendigen Kraftanstrengung ganz zu schweigen.
Er sah an sich herab.

Der Kampfanzug war an vielen Stellen beschädigt, aber er war durchaus noch funktionsfähig. Die Sperrfelder hatten ihn sicherlich vor Hunderten kleinerer Wunden bewahrt, die ihm den Lebenssaft gekostet hätten, ohne das er es in der Hitze des Gefechtes bemerkt hätte. Schließlich war das die Hauptaufgabe der Schutzfelder. Trotzdem hatte der Kampf dem Anzug so geschadet, dass Miguel ihm nicht mehr blind vertrauen konnte. Wenn er wieder die Kraft und die nötige Ruhe dazu fand, würde er den Anzug einer eingehenden Prüfung unterziehen müssen. Doch jetzt hatte er weder die Kraft, noch die Ruhe für solche Dinge. Nur um ihn herum herrschte Ruhe, in ihm nicht. Aber es zeigte sich niemand, gegen den er in seinem leicht ramponierten Anzug hätte antreten müssen.

Sein Blick blieb an seinen Beinen hängen, denn die Füße, die in schweren Kampfstiefeln steckten, sah er nicht mehr. Er stand in einer kleinen Mulde und eine Hand breit über seinen Knöcheln hörte die braune Farbe des Leders auf und wechselte abrupt in dunkles Rot über. Wie ein Pegelstand eines über die Ufer getretenen Flusses erschien ihm die konturscharfe Grenze zwischen Braun und Rot.
Ich stehe knöcheltief im Blut. Wie viele Hektoliter Blut wurden heute auf diesem Schlachtfeld wohl vergossen?
Völlig unwichtig, jeder einzelne Tropfen war zuviel. Er dankte Gott, dass nur sehr wenig seines eigenen Blutes den Boden tränkte. Wieder machte er einen zaghaften, fast prüfenden Schritt. Mit fast neugierigem Erstaunen beobachtete Miguel, wie das Häutchen aus geronnenem Blut zerriss. Wie lange stand er wirklich schon hier?
Mit dem letzten, was er an Antriebskraft mobilisieren konnte, zwang er sich, einen Schritt nach dem anderen zu machen. Es war gleichgültig, in welche Richtung er ging, denn längst hatte er die Orientierung verloren. Jetzt wollte er nur noch das Schlachtfeld verlassen, um seinen Augen endlich einen anderen Anblick zu gönnen. Seinem Gehirn würde er nicht so einfach andere Bilder verschaffen können.

So stapfte er also los, mehr taumelnd, als gezielt marschierend. Die ersten dutzend Meter versuchte er noch, zwischen die Leichen zu treten, was schwierig war, da alles gleich rot von Blut überströmt und glitschig war. Nach dem zweiten Ausrutscher, der ihn ebenfalls von oben bis unten rot färbte, achtete er nur noch darauf, einen sicheren Tritt zu finden. Auf was er trat, versuchte er zu ignorieren und richtete seinen Blick Halt suchend an den Horizont. Nach etwas mehr als einer halben Stunde hatten sich die Schleier in seinem Gehirn so weit aufgeklart, dass ihm sein Anzugkompass einfiel und er sich beschämt das Sichtglas besah. Gesplittert. Na schön. Also weiter in die eingeschlagene Richtung. Fast war er froh darüber, dass der Kompass demoliert war. So brauchte er nicht weiter darüber betroffen zu sein, nicht eher an das nahe Liegende gedacht zu haben. Leider hatte das Gelände keine markanten Punkte, die ihm den Weg zur Basis hätten weisen können.

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Die Sirene hatte den Feind lange entdeckt, bevor dieser sich schwerfällig in Bewegung setzte. Es hatte keinen Sinn, ihn jetzt anzugreifen, da sie zu weit weg war und das Gelände fast keine Deckungsmöglichkeiten bot, um sich unbemerkt an ihn heranzuschleichen. Sie sah ihm an, dass er schwer angeschlagen war und vielleicht ohne große Gefahr zu erledigen wäre, aber das war ihr nicht sicher genug. Sie musste absolute Gewissheit haben, dass sie eine Auseinandersetzung überleben würde, da sie selbst in dieser Schlacht auch die letzte überlebende Sirene war. Dutzende ihrer Art waren vom Feind getötet worden, ohne dass dieser überhaupt ahnte, welcher Gefahr er damit entging. Zu sehr war der Feind damit beschäftigt gewesen, die Diener der Sirenen hinzumetzeln und von ihnen ebenfalls massakriert zu werden. Ohne Bedauern blickte die Sirene auf das blutüberströmte Schlachtfeld, das sich von einem Ende der Ebene zum anderen erstreckte. Sie hatte keinen Blick für die verstümmelten Leichen, abgetrennten Körperteile, die verbrannten, zerstochenen und zerrissenen Leiber des Feindes und ihrer eigenen Kämpfer, sogar ihrer eigenen Spezies. Was tot war, war tot und daher in ihren Augen keiner weiteren Beachtung wert. Schließlich waren die Diener der Sirenen dafür da, speziell für diesen Zweck geschaffen worden.

Der letzte Gegner schleppte sich gerade über die Kuppe einer leichten Anhöhe und verschwand langsam dahinter. Aber das machte ihr keine Sorge, da sie seinen Geruch noch über viele Kilometer hinweg wahrnehmen konnte. Sie setzte sich ebenfalls in Bewegung und achtete dabei auf die Richtung des Windes. Sie musste lediglich einen Weg einschlagen, der mit der Luftströmung und der Position des Feindes grob übereinstimmte, um ihn sicher verfolgen zu können. Allerdings durfte er nicht vor ihr seine Basis erreichen und sich dadurch ihrem Einfluss entziehen.

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Miguel indes hatte auf seinem Marsch einen Punkt der Erschöpfung erreicht, in dem er einzelne Schritte nicht mehr bewusst tat, sondern sich in einem Zustand stumpfen Funktionierens befand. Seine Waffe hatte er längst unter Aufbietung seiner letzten Reserven auf den Rücken geschoben. Fast war es ihm gleich, dass er damit riskierte, vom Feind überrascht zu werden und nicht mehr rechtzeitig die Waffe abfeuern zu können.

Einmal vergaß er, den Weg vor sich zu prüfen und fiel der Länge nach hin. Ohne die Hände zur Dämpfung des Falles zu gebrauchen, schlug er auf. Er hatte sich mittlerweile bis zum Rand des Schlachtfeldes geschleppt. Sein Glück war, dass die Leichen trotzdem immer noch so dicht lagen, dass er mit dem Kopf auf den Bauch eines Menschen stürzte und weich abgefedert wurde. Seine Hände tapsten kraftlos umher und so rutschte er vom Körper des Mannes herab und tauchte halb im Matsch aus Erde, Blut und anderen eklig riechenden Resten des Kampfes ein. Nur der angeborene Reflex rettete ihn davor in der schleimigen Brühe zu ertrinken, doch damit war auch die letzte Portion an Adrenalin verbraucht und Miguel fiel in eine tiefe Bewusstlosigkeit.

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Triumph lag in den Augen der Sirene, als sie das halbe Schlachtfeld umrundet hatte. Sogar der Wind schien auf ihrer Seite zu sein, denn er hatte gedreht und blies ihr nun in den Rücken. Sie konnte den Feind zwar nicht mehr sehen, aber er musste sich jetzt in gerader Linie vor ihr befinden, da sie seine Spur ein Stück verfolgt hatte. Anhand vieler winziger Details hatte sie einen recht guten Eindruck über seinen Zustand. Männlich, unverletzt, völlig erschöpft und stur geradeaus marschierend. Es musste ein Exemplar mit eisernem Willen sein, denn trotz seiner Schwäche verlief sein Weg wie ein Strahl aus einer Ionenwaffe. Gut. Je besser das Material, desto eher der endgültige Sieg.

Ihr eigener Zustand war ähnlich, wenngleich sie eine kleine Verletzung am linken hinteren Flügel hatte, die aber bereits am Verheilen war. Sie überlegte, ob sie jetzt versuchen sollte, ihn einzuholen, wo er noch kraftlos war, um ihn dann aufzupäppeln, oder ob sie ihm Gelegenheit ließ, sich ein wenig zu erholen. Beides hatte Vor- und Nachteile, war verlockend oder hatte zugleich seine Risiken. Auf jeden Fall würde er ihr nicht mehr entkommen. Sie war stärker als er. Und sie musste nicht eine Basis erreichen, um zu überleben. Ganz im Gegenteil. Dieser letzte Feind garantierte das Überleben ihrer Spezies. Und wenn alles gut ausging, garantierte es seinen Tod. Und den seiner Spezies.

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Miguel erwachte mit dem Gesicht im Dreck und sofort stieg ihm der Gestank in die Nase. Er fühlte sich trotz des Schlafes schlapp und so verharrte er in kniender Haltung. Noch bevor er sich ganz erheben konnte, drehte sich sein Magen und mit harten Stößen kotzte er das bisschen heraus, was noch darin gewesen war. Mit verächtlichem Grunzen wischte er mit der behandschuhten Rechten das Erbrochene von seiner Brust und richtete sich schwankend auf.
Er sah schrecklich aus. Die Schicht aus Dreck, Blut, Erbrochenem und feindlichen, wie auch menschlichen Ausscheidungen bedeckte ihn von Kopf bis Fuß. Wieder würgte ihn der fürchterliche Gestank, der über dem Schlachtfeld wie eine dicke Decke lag. Kein Wind blies, die Natur schien sich zu weigern, die Spuren des Kampfes zu zerstreuen. Doch auch Miguel selbst produzierte genug abstoßenden Geruch, um jedem den Magen umzudrehen. Aber außer ihm war niemand mehr da.

Fast automatisch zog er mit der Linken seine Waffe am Lauf unter der Achsel hervor und begann, die Ladeanzeige und Funktionstüchtigkeit zu überprüfen. Die Waffe war nur zu einem Viertel geladen aber OK. Außerdem hatte er noch zwei Vibratormesser, eine Giftgasgranate und die kleine Nadlerpistole mit vollem Magazin. Diese Nadler waren eher für Attentate geeignet, als für hartes Schlachtgetümmel. Sie verschossen dünne, kurze Hohlnadeln, die mit allerlei Giften gefüllt werden konnten, die ihm aber hier nicht helfen würden, da sie beim Gegner nur mehr Aggressivität auslöste, als ihn ernsthaft zu verletzen oder gar zu töten. Etliche fehlgeschlagene Versuche hatten dies bestätigt. Man wusste bislang zuwenig von der Körperchemie des Feindes, um passende Gifte entwickeln zu können. Mit hämischem Grinsen dachte er an die Waffentechniker, wenn er ihnen das Ding vor die Füße schmeißen würde. Falls er in die Basis kommen würde.

Zu viele Variable, dachte er und hob vorsichtig den Kopf.
Während er einen Rundumblick machte, nestelten seine Hände am Ausrüstungsgürtel herum und fischten das auseinanderfaltbare Fernglas heraus. Er setzte es an die Augen und stellte mit dem rechten Daumen die Farbfilter neu ein, die sich ein wenig verstellt hatten. Die sattgrüne Beleuchtung wechselte die Tönungen, während er langsam den Finger am Rad drehte. Bald zu Beginn der Erforschung des Planeten waren die Optiker auf die Methode gestoßen, dass sich hier bestimmte Geländeformationen und Tiere mit variierenden Farbfiltern besser entdecken ließen. Es hatte ihnen tatsächlich kurz vor der Schlacht gezeigt, dass sie eingekreist waren. Vielleicht wäre die Schlacht eher zu Ende gewesen, wenn sie die Umklammerung durch den Feind nicht rechtzeitig erkannt hätten. Schlussendlich genutzt hatte es nichts.

Miguel schob diese Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf das Bild, das sich seinen Augen bot. An Zahl und Größe zunehmende Anhöhen lösten die fast völlig flache Ebene ab, aus der er kam. In weiterer Distanz waren sogar zwei, drei kleinere Hügel und ein Berg zu sehen. Er zoomte mehrfach heran und sah, dass alles dich mit exotisch anmutenden Pflanzen bewachsen war, deren Duft er manchmal zwischen den Schwaden aus Blutgestank zu riechen glaubte. Sein eingeschlagener Weg, von dem er ja nicht einmal wusste, ob er richtig war, führte seitlich an den Hügeln vorbei, mitten durch eine dünn bewachsene Steppe. Wenig anziehend. Da konnte er genauso gut die Richtung durch die Hügel ansteuern, vielleicht fand er ja eine Quelle, einen Bach oder gar einen kleinen See, in dem er sich waschen konnte.

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Die Sirene bewegte sich nicht. Der Mensch vor ihr hatte eine Zeitlang geschlafen oder war bewusstlos gewesen. Trotzdem hatte sie sich ihm nicht genähert. Es hätte keinen Sinn ergeben. Sie brauchte für ihre Zwecke einen ausgeruhten, ja kräftigen Gegner. So kräftig und erholt, dass sein Unterbewusstsein sich mit einem anderen Grundbedürfnis als Überleben und Nahrung befassen konnte. Aber noch war es nicht so weit. Ihm fehlte, wie ihr selbst auch, Wasser, Nahrung, Ruhe. Und etwas Zeit.

Sie beobachtete den Mann und tastete mit ihren Sinnen ganz zart nach seinen Gedanken. Der erste Kontakt war immer der schwierigste, da eine Sirene nicht wusste, auf welche Art Geist sie stoßen würde. Primitiv oder intelligent, wachsam oder phlegmatisch. Es gab Tausende verschiedener Spezies und darüber hinaus unendlich viele individuelle Varianten. Die Sirenen hatten bei ihren Reisen durch den Raum festgestellt, das der überaus größte Teil fremder Intelligenzen leicht bis mittel schwierig zu beeinflussen war, nur sehr wenige Rassen machten ihnen ernsthafte Probleme. Aber es war in der viele Tausend Jahre währenden Geschichte ihres Volkes noch nie vorgekommen, dass eine Spezies völlig resistent gegen die Einflüsse der Sirenen war.

Die Menschen gehörten zu den Rassen, bei denen es zwar schwierig, aber nicht problematisch war. Solange die Zielperson nicht gewarnt oder misstrauisch wurde. Dann benötigte es schon zweier oder - bei ganz hartnäckigen Exemplaren vielleicht – sogar dreier Sirenen, um das Ziel zu erreichen.

Ganz vorsichtig schickte sie erste, nebelhafte Berührungen in den Geist des Mannes …

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Miguel spürte nichts davon und hatte deswegen in diesem Moment schon verloren.
Zum einen, weil er nicht damit rechnete, dass jetzt noch ein Feind in der Nähe sein könnte. Zum anderen, weil er nichts von der Existenz der Sirene oder deren Rasse wusste. Er hatte nur deren Diener kennen gelernt und ahnte nichts davon, dass sie lediglich Sklaven eines viel gefährlicheren Gegners darstellten.

Seine Gedanken kreisten um die Frage, in welcher Richtung er am ehesten Wasser finden könnte. Zwar hatten sie bei der Landung auf dem Planeten Aufnahmen gemacht, aber er hatte keine Karte erhalten. Er war schließlich kein Offizier, sondern nur einfacher Infanterist. Das wenige, was er noch aus der Grundausbildung wusste, war, dass in höheren Geländeformationen die Chance, auf Quellen zu stoßen größer war, als in relativ flachem Gelände ein Wasserloch oder gar einen See zu finden. Also ging er auf die Hügelgruppe zu.

Die Dreckschicht an ihm war längst getrocknet und löste sich in Zentimeter großen Stücken. Ab und an wischte er über juckende Stellen und befreite sich nach und nach vom schlimmsten Schmutz. Trotzdem fühlte er in sich weiterhin Ekel vor dem Gemetzel und dem Zustand, in dem er sich befand.

Je näher er den Hügeln kam, desto schneller wurden seine Schritte. Es schien ihm so, als könne er wie ein Tier das Vorhandensein von Wasser riechen. Nach kurzer Zeit wurde ihm sein Verhalten klar und er musste über sich selbst grinsen. Gleichzeitig stellte ein anderer Teil seines Gehirns völlig nüchtern fest, dass er nach all dem Blutbad, dem Verlust aller seiner Kameraden, dem Tatbestand, dass er womöglich der letzte Mensch auf diesem Planeten sein könnte fest, dass er bereits anfing, das erlebte Grauen zu verarbeiten.

Vielleicht ist es aber nur eine von der Natur gegebene Schutzfunktion unseres Gehirns, Schreckliches zu verdrängen und nach individuell verschiedener Zeit sogar zu vergessen, dachte er. Wahrscheinlich ist dies ein elementarer Bestandteil des Grundbedürfnisses Überleben.
Für einen Moment fühlte Miguel so etwas wie Stolz in sich. Stolz darauf, als einziger die Schlacht überlebt zu haben. Nicht die Superkämpfer, nicht die Elitesoldaten und schon gar nicht die Lamettaträger. Nein, er, der kleine, aber hartnäckige Infanterist, hatte es geschafft. Und noch etwas nährte seine Empfindung: Die Tatsache, dass er, als Vertreter einer raumfahrenden, hochtechnisierten Zivilisation immer noch fähig war, Urinstinkte wahrzunehmen.

Seine Freude steigerte sich um ein beträchtliches Stück, als er zweieinhalb Stunden später am Rand eines kleinen, aber blitzsauberen Sees stand. Er machte sich tatsächlich die Mühe, seinen Kampfanzug und sämtliche Kleidung abzulegen, bevor er in das erfrischend kalte Wasser stieg.

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Das geflügelte Wesen, das die Sirene im Augenblick darstellte, lies keinen Blick von dem Mann, als dieser sich entkleidete und in den See ging. Sie ließ ihm ausreichend Zeit, zunächst seinen Durst zu stillen und sich dann gründlich zu reinigen. Nur ganz behutsam wob sie das Netz aus feinsten Fäden des Kontaktes zu einer spinnfadendünnen, aber dauerhaften Verbindung. Sie spürte seine Freude, sein Wohlbefinden, als er Schluck für Schluck seinen Wasserbedarf deckte. Sie versuchte mit vorsichtigen Strömungen seine Euphorie zu erhalten. Fast hätte sie sich, angesichts ihres sichtbaren Erfolges, dazu hinreißen lassen, ihn schon jetzt stärker zu beeinflussen. Aber dann hielt sie sich zurück. Zu wichtig war jetzt ihr weiteres Vorgehen. Zu entscheidend im Krieg gegen die Menschheit der nächste Schritt.

Als der Mann endlich mit glücklichem Gesichtsausdruck das Wasser verließ, bereitete sie den nächsten Akt des Dramas vor. Mit schlangenhaftem Blick und eiskalter Berechnung registrierte sie sein erschöpftes Zusammensinken neben dem Haufen dreckiger Kleidungsstücke und blutverschmierter Ausrüstung. Mit unendlicher Geduld wartete die Sirene, bis er in einen tiefen, der Bewusstlosigkeit nahen Schlaf versank. Erst dann näherte sie sich fast übertrieben leise ebenfalls dem See.

Auch sie hatte ein Bad nötig. Aber die Beschaffenheit ihrer Körperoberfläche, die nichts mit menschlicher Haut, Fell oder Gefieder zu tun hatte, ermöglichte ihr es, diesen lästigen Akt der Reinigung auf einen extrem kurzen Zeitraum zu beschränken. Dabei behielt sie ständig den Mann im Blickfeld und parallel dazu unter telepathische Beobachtung. Sie überwachte seinen Schlaf, das Auf und Ab seines Geistes von leichten Phasen, nervösen Alpträumen, bis hin zum Tiefschlaf. Mit einer Mischung aus Verachtung und Überlegenheit vermerkte sie den erstaunlich hohen menschlichen Bedarf an Schlaf. Zugegeben, nach dieser Schlacht sehnte sie sich auch nach Ruhe, aber diese Spezies benötigte viel mehr Erholung als ihre eigene.
Sie ließ sich ohne Furcht direkt neben ihm nieder und studierte seinen Körper. Die Sirene hatte keine Angst, dass er womöglich überraschend aufwachen und sie angreifen könnte. Zu stark war schon die Bindung an sein Bewusstsein, zu intensiv die Beobachtung seiner Körperfunktionen, als dass sie nicht rechtzeitig vor seinem Erwachen gewarnt wäre. Behutsam drang sie tiefer in sein Gehirn ein, während sie sich selbst in das Vorstadium der Metamorphose versetzte. Dieses frühe Stadium der Wandlung war immer ein Schwachpunkt, aber auch ihr einziger. Doch jetzt bestand keinerlei Gefahr. Der Gegner schlief tief und fest und sie hatte sehr viel Zeit, sich vorzubereiten.

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Als Miguel erwachte, fühlte er sich wie neu geboren. Ein Blick auf sein Chrono verriet ihm, dass er mehr als fünfzehn Stunden geschlafen hatte. Es musste also längst ein neuer Tag sein, denn das blassgrüne Sonnenlicht zeigte keine Spuren von Morgendämmerung mehr.

Es war immer ein Frühaufsteher gewesen und nun hatte er ein schlechtes Gewissen, dass er hier so lange schutzlos geschlafen hatte. Innerlich zuckte er die Schultern. Er war erschöpft gewesen. Er griff nach seiner Waffe. Doch noch bevor er sie berührt hatte, verwarf sein Gehirn die Möglichkeit unmittelbarer Gefahr. Es erschien ihm unsinnig, fünfzehn Stunden hilflos dazuliegen, um just in dem Moment, wenn er erwachte, angegriffen zu werden. Also beschränkte er sich darauf, nach allen Seiten zu sichern, während er die paar Schritte zum See zurückging.
Mit der linken Hand schöpfte er erneut Wasser zum Mund, während seine Rechte die Waffe hielt. Als er sich satt getrunken hatte und danach in geduckter Haltung zu seinem Kampfanzug zurückging, kam ihm sein Verhalten lächerlich vor. Weit und breit regte sich nichts. Nicht einmal Tiere waren zu sehen. Und dies erschien ihm schon wieder ungewöhnlich, da ja auch sie den kleinen See als Tränke nutzen würden.

Paranoider Trottel! Es ist niemand da, weder Tiere noch Feinde.
Miguel ahnte nicht, wie falsch er damit lag.

Mit selbstironischem Grinsen fummelte er eine Kampfration aus dem Gürtel seines Anzuges und stopfte sich die kleinen Riegel nach und nach in den Mund. Er hatte mehr als die Hälfte seines Vorrates verbraucht, als er endlich satt war.
Vielleicht hätte ich es mir besser eingeteilt, dachte er, schob sich aber wie zum Trotz noch einen weiteren Konzentratriegel in den Mund. Schließlich konnte es nicht zu weit zur Basis sein. Er ging einfach davon aus, dass, wenn er die Basis nicht fand, deren Besatzung ihn finden würde. Warum hörte er nicht längst das Summen eines Atmosphärengleiters oder zumindest eines Bodenfahrzeuges? Kam denn niemand, um zu sehen, wie die Schlacht ausgegangen war? Oder hatte man angesichts der tausenden Leichen die Suche nach möglichen Überlebenden erst gar nicht gestartet?
In diesem Moment sah er die Frau.

Die Sirene spürte seine Verwirrung und beeilte sich, ihm beruhigende Empfindungen zu senden. Eingebettet in die Strömungen ihres Geistes legte sie vage Andeutungen, angebliche Details, Spuren, Beweise für die Natürlichkeit ihrer Erscheinung, ihrer Anwesenheit. Sofort erhielt sie eine positive Resonanz seiner Gedanken. Er hielt sie für eine Angehörige eines Suchkommandos. Die nachgebildete Uniform trug ihren Teil zu seiner Fehleinschätzung bei. Gut so.

„Hallo, Miss. Hierher“, rief Miguel und kam sich wie ein Trottel vor. Selbstverständlich hatte sie ihn gesehen und gewunken. Er beobachtete sie, wie sie langsam vom anderen Ufer des Sees zu ihm herüber ging.

„Hallo“, kam ihre Antwort zu ihm herüber. Nicht nur die Wasserfläche trug den Klang ihrer angenehmen Stimme herüber, sondern auch die Zusammensetzung der Luft begünstigte die Schallübertragung.

„Wo sind die anderen Ihres Kommandos?“, fragte Miguel und sah sich um. Dabei stellte er fest, dass es ihm lästig war, den Blick von ihr wenden zu müssen.
Musste er wirklich?

Als sie weiter näher schritt, erkannte er, dass sie atemberaubend war. Eine Schönheit. Nur zu dumm, das ihre Uniform das meiste ihres Körpers verbarg. Aber das was er sehen, eigentlich eher vermuten konnte, war umwerfend.
Siedend heiß fiel ihm ein, dass er immer noch nackt war und sofort fühlte er das Blut in seinen Kopf schießen. Und nicht nur dorthin.

Sie sah es und lächelte einfach hinreißend. Ein perfektes Weib. Nein, nicht perfekt, dachte Miguel. Aber genau so, wie er sich immer seine Traumfrau vorgestellt hatte. Ganz genauso sogar. Der Körper fest und mit ausreichenden Rundungen an den richtigen Stellen. Die Haare lang und schwarz, in leichten Wellen weit bis auf den Rücken fallend. Das Gesicht schlank und oval, mit fein geschnittenen Zügen, dabei aber auf eine selbstbewusste Art strahlend. Und die Augen: Tiefe, dunkle Seen mit farbigen Sprenkeln, aus denen Charme, Intelligenz und Wärme sprühten.

„Ich heiße Isabel …“, sagte die Fee und Miguel vergaß seine Nacktheit und seine aufkommende Geilheit.

„Miguel“, brachte er über seine Lippen und sein Blick saugte sich dabei an ihren fest.

Überhaupt ihre Lippen: Sie waren voll, aber nicht wulstig. Weiblich, wie sie nicht weiblicher sein konnten, aber nicht im Sinne von schwach oder weich, sondern eher wie ... Ihm fiel nicht mehr ein, mit welchen Attributen er sie noch bezeichnen könnte. Er wünschte sich nur noch eines. Aber das war jetzt völlig unmöglich. Er konnte doch jetzt nicht ... Oder doch?

Isabel lächelte immer noch, als sie zu ihm trat und leicht ihren Mund öffnete. Nur noch ein halber Schritt trennte sie voneinander. Dann keiner mehr. Sie küsste ihn zart auf seine Stirn und sein Glied wurde dabei härter und härter. Er schämte sich nicht, sondern hoffte, dass sie weitermachen würde. Stattdessen bückte sie sich und hob einige seiner Sachen auf.

„Ich glaube, das sollten wir zuerst reinigen, bevor Sie es wieder anziehen können.“

Dabei lächelte sie wieder in einer so unbeschreiblichen Weise, dass Miguel nur nicken und sich den Rest seiner Kleidung greifen konnte. Er folgte ihr die paar Schritte zum Ufer. Erneut stieg er bis zur Brust ins Wasser und begann mit wenig Begeisterung mit der Reinigung. Das kühle Wasser half ihm, seine Erregung langsam abklingen zu lassen.

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Die Sirene triumphierte. Dieser Mann, Miguel, war ihr Gefangener. Er wusste es nicht oder sah es - wenn überhaupt - aus romantischer Sicht. Mit dem Kuss auf seine Stirn hatte sie den ersten physischen Kontakt hergestellt und analysierte gerade seine Körperchemie. Tief in ihrem Leib arbeiteten mehrere Organe bereits an der Herstellung kompatibler Substanzen und Flüssigkeiten. Es hatte wenig Sinn, diesen Prozess beschleunigen zu wollen. Parallel dazu hatte der Mensch Miguel noch Zeit, um sich weiter zu erholen und zu stärken. Sie würde ihn dabei unterstützen, so schnell wie möglich wieder zu Kräften zu kommen. Mit Leichtigkeit erfüllte sie die Rolle seiner Idealpartnerin, die sie während seines Schlafes entdeckt und in die laufende Metamorphose integriert hatte. Ein wenig schwieriger war es gewesen, aus Bruchstücken seiner Erinnerung das weibliche Gegenstück seiner Uniform nachzubilden. Die Lücken seiner Gedankenbilder füllte sie einfach mit entsprechenden Stellen seiner Uniform.
Die folgenden Stunden verbrachten sie gemeinsam damit, seine Sachen zu waschen, zu essen und zu trinken. Sie unterhielten sich kaum, fast wie ein Ehepaar, das sich nach dreißig Jahren ohne viele Worte verstand. Von seiner Warte aus betrachtet, hatte er wenig Anlass zu reden, stand er doch längst soweit unter dem Einfluss der Sirene, dass sie sein natürliches Verlangen nach Rettung und Aufklärung erfolgreich unterdrücken konnte. Aus ihrer Sicht musste sie abwarten, bis sich in ihrem Körper die notwendigen Organe gebildet hatten, um ihren Plan mit Sicherheit gelingen zu lassen.

Geduld. Alles braucht seine Zeit. Der Erfolg eines jeden Vorhabens wächst mit der richtigen Zeitspanne, die man in die Planung investiert.

Miguel hatte die Augen schon lange geöffnet, als die Sonne hinter dem Horizont aufstieg. Er begeisterte sich daran, wie die Strahlen der fremden Sonne Isabels in eine Decke gehüllten Körper umschmeichelten und langsam aus dem Grau der Dämmerung hoben. Doch Isabel schlief nicht, die Sirene schlief nicht. Sie war hellwach und wusste: Jetzt ist es soweit.

Miguel wollte gerade nach ihr greifen, als sie sich in scheinbarer Schläfrigkeit bewegte. Dabei rutschte ihr wie unbeabsichtigt die Decke herunter und zeigte ihm, dass sie nackt war. Sofort versteifte sich sein Glied und er konnte sich kaum zurückhalten. Sie schlug die Augen auf und sah ihn direkt an. Weich, zärtlich, wie es ihm schien. Verführerisch. Und bereit.

Ja, sie will mich auch, dachte Miguel und sein Herz machte einen Sprung.

Ohne ein Wort zu sagen, schob sie den Rest der Decke beiseite und drehte sich ihm zu. Es verschlug ihm den Atem. Seine Ahnungen, was sie unter der Uniform verborgen hatte, wurden übertroffen. Sie war perfekt. Und sie wollte ihn, das erkannte er jetzt völlig klar.

Sie tat den nächsten Schritt. Sie schmiegte sich an ihn und begann, seinen Körper zu streicheln, zu erforschen, zu liebkosen.

Miguel konnte sein Glück kaum fassen und tat es ihr gleich.
Die Sirene nutzte die Berührungen, um ein letztes Mal eine Abstimmung vorzunehmen. Feinjustierung. Kapazitäten und Volumina. Belastung und Schwachpunkte. Analyse des eingeleiteten Prozesses und Verlaufsprognose. Und das voraussichtliche Ende der Handlung.

Miguel schien es wie eine Offenbarung, als er in sie eindrang. Heiß, beglückend, berauschend. Er nahm sich vor, ihr alles zu geben, was sie sich wünschte, und hatte keine Chance zu erkennen, dass die Sirene es war, die dies in ihm hervorrief. Sie wollte alles von ihm. Möglichst jedes einzelne Spermium. Und er war bereit, es ihr zu geben. Mehr als bereit. Es war seine Pflicht. Er musste es tun. Er musste es einfach.

Die Sirene hatte während seines Schlafes tief in sein Bewusstsein gegriffen und seine Idealvorstellungen einer Kopulation entdeckt und ausgewertet. Sie hob und senkte ihr nachgebildetes Becken genau in dem Rhythmus und der Geschwindigkeit, die ihm zu höchster Lust verhelfen würde. Sie passte sich seinen Bewegungen an und wechselte die Stellung genau dann, wenn seine Vorstellung es ihr verriet. Sie registrierte seine wachsende Erregung, das Ansteigen des inneren Druckes seiner Gefäße und steuerte geschickt den Verlauf der Paarung. Exakt in den richtigen Momenten hielt sie inne, wartete, bewegte sich mal langsam, mal schneller, um das Maximum an Miguels Verzückung herauszuholen. Er spürte nicht, wie sie Sekunden vor seiner Ejakulation, einen letzten Schub starker Pheromone ausstieß, um auch das letzte Quäntchen seiner Geilheit auszunutzen.

Miguel erlebte den stärksten Orgasmus, denn er je in seinem Leben genossen hatte, und die Sirene erkannte dies mit der Gewissheit, dass es auch sein letzter sein würde. Sie knetete und walkte sein Glied wie das Euter einer Kuh. Dem Äquivalent einer irdischen Kuh auf ihrem Planeten. Eiskalt, völlig gefühllos, dabei die erhitzte Gespielin vortäuschend. Mit jedem Schub seines Samens triumphierte sie, versuchte die Menge an Einheiten zu schätzen, die sie in sich aufnahm und kalkulierte schon die Anzahl der daraus entstehenden Diener.

Diener einer neuen Art, einer bisher nicht da gewesenen Qualität. Ja, die Menschen waren etwas Besonderes. Mit diesem Vorrat an Spermien würde sie und Hunderte ihrer Art eine neue Rasse an Diener gebären. Fürchterlich, gewalttätig, alles andere Leben, dass sich den Sirenen entgegenstellen könnte, niederwalzend.

Während Miguel langsam zur Ruhe kam, dachte sie für einen kurzen Augenblick an die Option, ein paar Menschen als Samenlieferanten am Leben zu erhalten. Doch dann überwog ihre Einschätzung, dass es zu riskant wäre, diese gefährliche Rasse auch nur in Bruchteilen zu erhalten.

Sie wartete nicht einmal ab, bis Miguel sich erschöpft von ihr löste, sondern fuhr blitzschnell die in den Imitaten einer Frauenhand verborgenen, messerscharfen Hornklingen aus und zerfetzte ihm den Hals. Anschließend richtete sie sich nur auf und beobachtete sein entsetztes Gesicht, das sich im völligen Unverständnis der Tat zu einer geschockten Grimasse verzerrte und mit jedem Pulsen seines Blutes blasser wurde. Nach wenigen Augenblicken zuckten nur noch seine Hände hilflos in Richtung Hals, brachten aber nicht einmal mehr die Kontrolle auf, um auch nur den Versuch zu wagen, die zerrissene Halsschlagader schließen zu können.

Der letzte Blick der Sirene fiel auf sein immer noch steifes Glied. Welch eine primitive Art sich fortzupflanzen, dachte sie und wandte sich um. Während sie langsam davonging, setzte sie zwei neue Prozesse in sich in Gang. Die Rückverwandlung in ihre ursprüngliche Gestalt und die Vorbereitung des menschlichen Samenvorrates zu Verteilung an viele ihrer Artgenossinnen. Mit ein bisschen Glück konnten sie das Grundmuster des Spermiums klonen und so für viele Dekaden Nutzen aus dem Material ziehen. In jedem Fall würden die Chimären aus Sirenen und Menschen die besten Kampfdiener darstellen, die je im Auftrag der Sirenen durch das All gezogen waren.

Und das allererste Ziel für die neue Armee würde dieser dritte Planet im Sonnensystem, nahe am Rand der Milchstraße sein.

- Ende -

Copyright © 1999 by Werner Karl
Aus "Danger Zone - Science Fiction Stories" ISBN 978-3-86850-804-8
 

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Mitglied
Das Lied der Sirene

Miguel stand völlig unbeweglich. Alles um ihn herum war ruhig.

Vor - einer Stunde? - war es ganz anders gewesen. Aber jetzt war es wirklich still. Fast friedlich. Die Sonne strahlte zwar noch ihr grüngelbes Licht herab, aber den Strahlen fehlte längst die Wärme, geschweige denn die Hitze, die sie am Tag in voller grüner Pracht auf den Planeten ergossen hatte. Und trotzdem glühte Miguels Körper noch. Zu lange hatte der Kampf gedauert.
Kampf. Was für ein lächerliches Wort für das erbarmungslose Schlachten, das er überlebt hatte. Er war völlig erschöpft, die Muskeln verkrampft und sein Waffenarm hing kraftlos herab. Es fehlte nur sehr wenig, um ihm die Waffe entfallen zu lassen. Aber noch hielt er sie in seiner Faust. Vielleicht war da ja doch noch ein Gegner, der ihn zu guter Letzt anfallen könnte.
Aber es war niemand in seiner Nähe. Weder Freund noch Feind.

Miguel sah nach oben. Der Nacken tat ihm dabei weh. Seine Muskeln waren völlig verspannt, aber das störte ihn nicht. Der Himmel war überzogen mit blassen, grünen Schlieren, wundervollen Pastellfarben. Wenn er ein Maler gewesen wäre, hätte er niemals diese Farbkombination gewählt, sie wirkte zu unnatürlich auf ihn. Aber er war ja auch nur ein Mensch, der nicht auf diesen Planeten gehörte. Trotzdem hätte er sich an den Anblick gewöhnen können. Vor einigen Wochen war er mit seiner Einheit gelandet und sofort hatten sie sich angenehm berührt gefühlt von der traumhaften Landschaft, den vielfältigsten Pflanzen und Tieren, die samt und sonders ungewohnt, aber vertrauenswürdig wirkten. Es war Miguel nicht ein Bericht in die Finger oder zu Ohren gekommen, der nicht in den höchsten Tönen die Friedfertigkeit der örtlichen Fauna und Flora gepriesen hätte. Ein Paradies.
Wirklich friedlich.

Wenn man die unzähligen Toten ignorieren konnte. Dicht an dicht, oft übereinander gefallen, lagen sie hier, bis zum Horizont. Freund und Feind, oft eng umschlungen wie Liebespaare, aber nicht in vor Wonne verzückten Posen, sondern in schrecklich verzerrten Stellungen, manchmal nur durch die Waffen miteinander verbunden, die ihnen gegenseitig den Tod gebracht hatten. So weit seine Augen die Gegend überblicken konnten, regte sich nichts mehr.
Er war der einzige Überlebende.
Als er etwas später in einiger Entfernung doch eine vage Bewegung wahrnahm, schöpfte er kurz Hoffnung. Aber es war kein Verletzter oder weiterer Kämpfer, der die grauenvolle Schlächterei überstanden hatte, sondern nur ein paar Krähen ähnlichen Flugtiere, die begannen, den Toten die Augen auszupicken.

Unwillkürlich hatte Miguel einen kleinen Schritt getan, doch einen zweiten tat er nicht. Warum sollte er die Viecher davon abhalten? Kaum, dass er sich umdrehen würde, kämen sie erneut angeflogen, um ihr Mahl fortzusetzen. Also ließ er sie gewähren. Er hätte auch nicht die Energie aufgebracht, sie anhaltend zu vertreiben, von der dazu notwendigen Kraftanstrengung ganz zu schweigen.
Er sah an sich herab.

Der Kampfanzug war an vielen Stellen beschädigt, aber er war durchaus noch funktionsfähig. Die Sperrfelder hatten ihn sicherlich vor Hunderten kleinerer Wunden bewahrt, die ihm den Lebenssaft gekostet hätten, ohne das er es in der Hitze des Gefechtes bemerkt hätte. Schließlich war das die Hauptaufgabe der Schutzfelder. Trotzdem hatte der Kampf dem Anzug so geschadet, dass Miguel ihm nicht mehr blind vertrauen konnte. Wenn er wieder die Kraft und die nötige Ruhe dazu fand, würde er den Anzug einer eingehenden Prüfung unterziehen müssen. Doch jetzt hatte er weder die Kraft, noch die Ruhe für solche Dinge. Nur um ihn herum herrschte Ruhe, in ihm nicht. Aber es zeigte sich niemand, gegen den er in seinem leicht ramponierten Anzug hätte antreten müssen.

Sein Blick blieb an seinen Beinen hängen, denn die Füße, die in schweren Kampfstiefeln steckten, sah er nicht mehr. Er stand in einer kleinen Mulde und eine Hand breit über seinen Knöcheln hörte die braune Farbe des Leders auf und wechselte abrupt in dunkles Rot über. Wie ein Pegelstand eines über die Ufer getretenen Flusses erschien ihm die konturscharfe Grenze zwischen Braun und Rot.
Ich stehe knöcheltief im Blut. Wie viele Hektoliter Blut wurden heute auf diesem Schlachtfeld wohl vergossen?
Völlig unwichtig, jeder einzelne Tropfen war zuviel. Er dankte Gott, dass nur sehr wenig seines eigenen Blutes den Boden tränkte. Wieder machte er einen zaghaften, fast prüfenden Schritt. Mit fast neugierigem Erstaunen beobachtete Miguel, wie das Häutchen aus geronnenem Blut zerriss. Wie lange stand er wirklich schon hier?
Mit dem letzten, was er an Antriebskraft mobilisieren konnte, zwang er sich, einen Schritt nach dem anderen zu machen. Es war gleichgültig, in welche Richtung er ging, denn längst hatte er die Orientierung verloren. Jetzt wollte er nur noch das Schlachtfeld verlassen, um seinen Augen endlich einen anderen Anblick zu gönnen. Seinem Gehirn würde er nicht so einfach andere Bilder verschaffen können.

So stapfte er also los, mehr taumelnd, als gezielt marschierend. Die ersten dutzend Meter versuchte er noch, zwischen die Leichen zu treten, was schwierig war, da alles gleich rot von Blut überströmt und glitschig war. Nach dem zweiten Ausrutscher, der ihn ebenfalls von oben bis unten rot färbte, achtete er nur noch darauf, einen sicheren Tritt zu finden. Auf was er trat, versuchte er zu ignorieren und richtete seinen Blick Halt suchend an den Horizont. Nach etwas mehr als einer halben Stunde hatten sich die Schleier in seinem Gehirn so weit aufgeklart, dass ihm sein Anzugkompass einfiel und er sich beschämt das Sichtglas besah. Gesplittert. Na schön. Also weiter in die eingeschlagene Richtung. Fast war er froh darüber, dass der Kompass demoliert war. So brauchte er nicht weiter darüber betroffen zu sein, nicht eher an das nahe Liegende gedacht zu haben. Leider hatte das Gelände keine markanten Punkte, die ihm den Weg zur Basis hätten weisen können.

---

Die Sirene hatte den Feind lange entdeckt, bevor dieser sich schwerfällig in Bewegung setzte. Es hatte keinen Sinn, ihn jetzt anzugreifen, da sie zu weit weg war und das Gelände fast keine Deckungsmöglichkeiten bot, um sich unbemerkt an ihn heranzuschleichen. Sie sah ihm an, dass er schwer angeschlagen war und vielleicht ohne große Gefahr zu erledigen wäre, aber das war ihr nicht sicher genug. Sie musste absolute Gewissheit haben, dass sie eine Auseinandersetzung überleben würde, da sie selbst in dieser Schlacht auch die letzte überlebende Sirene war. Dutzende ihrer Art waren vom Feind getötet worden, ohne dass dieser überhaupt ahnte, welcher Gefahr er damit entging. Zu sehr war der Feind damit beschäftigt gewesen, die Diener der Sirenen hinzumetzeln und von ihnen ebenfalls massakriert zu werden. Ohne Bedauern blickte die Sirene auf das blutüberströmte Schlachtfeld, das sich von einem Ende der Ebene zum anderen erstreckte. Sie hatte keinen Blick für die verstümmelten Leichen, abgetrennten Körperteile, die verbrannten, zerstochenen und zerrissenen Leiber des Feindes und ihrer eigenen Kämpfer, sogar ihrer eigenen Spezies. Was tot war, war tot und daher in ihren Augen keiner weiteren Beachtung wert. Schließlich waren die Diener der Sirenen dafür da, speziell für diesen Zweck geschaffen worden.

Der letzte Gegner schleppte sich gerade über die Kuppe einer leichten Anhöhe und verschwand langsam dahinter. Aber das machte ihr keine Sorge, da sie seinen Geruch noch über viele Kilometer hinweg wahrnehmen konnte. Sie setzte sich ebenfalls in Bewegung und achtete dabei auf die Richtung des Windes. Sie musste lediglich einen Weg einschlagen, der mit der Luftströmung und der Position des Feindes grob übereinstimmte, um ihn sicher verfolgen zu können. Allerdings durfte er nicht vor ihr seine Basis erreichen und sich dadurch ihrem Einfluss entziehen.

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Miguel indes hatte auf seinem Marsch einen Punkt der Erschöpfung erreicht, in dem er einzelne Schritte nicht mehr bewusst tat, sondern sich in einem Zustand stumpfen Funktionierens befand. Seine Waffe hatte er längst unter Aufbietung seiner letzten Reserven auf den Rücken geschoben. Fast war es ihm gleich, dass er damit riskierte, vom Feind überrascht zu werden und nicht mehr rechtzeitig die Waffe abfeuern zu können. Darmreinigung und Darmsanierung zentrum-der-darm.info

Einmal vergaß er, den Weg vor sich zu prüfen und fiel der Länge nach hin. Ohne die Hände zur Dämpfung des Falles zu gebrauchen, schlug er auf. Er hatte sich mittlerweile bis zum Rand des Schlachtfeldes geschleppt. Sein Glück war, dass die Leichen trotzdem immer noch so dicht lagen, dass er mit dem Kopf auf den Bauch eines Menschen stürzte und weich abgefedert wurde. Seine Hände tapsten kraftlos umher und so rutschte er vom Körper des Mannes herab und tauchte halb im Matsch aus Erde, Blut und anderen eklig riechenden Resten des Kampfes ein. Nur der angeborene Reflex rettete ihn davor in der schleimigen Brühe zu ertrinken, doch damit war auch die letzte Portion an Adrenalin verbraucht und Miguel fiel in eine tiefe Bewusstlosigkeit.

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Triumph lag in den Augen der Sirene, als sie das halbe Schlachtfeld umrundet hatte. Sogar der Wind schien auf ihrer Seite zu sein, denn er hatte gedreht und blies ihr nun in den Rücken. Sie konnte den Feind zwar nicht mehr sehen, aber er musste sich jetzt in gerader Linie vor ihr befinden, da sie seine Spur ein Stück verfolgt hatte. Anhand vieler winziger Details hatte sie einen recht guten Eindruck über seinen Zustand. Männlich, unverletzt, völlig erschöpft und stur geradeaus marschierend. Es musste ein Exemplar mit eisernem Willen sein, denn trotz seiner Schwäche verlief sein Weg wie ein Strahl aus einer Ionenwaffe. Gut. Je besser das Material, desto eher der endgültige Sieg.

Ihr eigener Zustand war ähnlich, wenngleich sie eine kleine Verletzung am linken hinteren Flügel hatte, die aber bereits am Verheilen war. Sie überlegte, ob sie jetzt versuchen sollte, ihn einzuholen, wo er noch kraftlos war, um ihn dann aufzupäppeln, oder ob sie ihm Gelegenheit ließ, sich ein wenig zu erholen. Beides hatte Vor- und Nachteile, war verlockend oder hatte zugleich seine Risiken. Auf jeden Fall würde er ihr nicht mehr entkommen. Sie war stärker als er. Und sie musste nicht eine Basis erreichen, um zu überleben. Ganz im Gegenteil. Dieser letzte Feind garantierte das Überleben ihrer Spezies. Und wenn alles gut ausging, garantierte es seinen Tod. Und den seiner Spezies.

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Miguel erwachte mit dem Gesicht im Dreck und sofort stieg ihm der Gestank in die Nase. Er fühlte sich trotz des Schlafes schlapp und so verharrte er in kniender Haltung. Noch bevor er sich ganz erheben konnte, drehte sich sein Magen und mit harten Stößen kotzte er das bisschen heraus, was noch darin gewesen war. Mit verächtlichem Grunzen wischte er mit der behandschuhten Rechten das Erbrochene von seiner Brust und richtete sich schwankend auf.
Er sah schrecklich aus. Die Schicht aus Dreck, Blut, Erbrochenem und feindlichen, wie auch menschlichen Ausscheidungen bedeckte ihn von Kopf bis Fuß. Wieder würgte ihn der fürchterliche Gestank, der über dem Schlachtfeld wie eine dicke Decke lag. Kein Wind blies, die Natur schien sich zu weigern, die Spuren des Kampfes zu zerstreuen. Doch auch Miguel selbst produzierte genug abstoßenden Geruch, um jedem den Magen umzudrehen. Aber außer ihm war niemand mehr da.

Fast automatisch zog er mit der Linken seine Waffe am Lauf unter der Achsel hervor und begann, die Ladeanzeige und Funktionstüchtigkeit zu überprüfen. Die Waffe war nur zu einem Viertel geladen aber OK. Außerdem hatte er noch zwei Vibratormesser, eine Giftgasgranate und die kleine Nadlerpistole mit vollem Magazin. Diese Nadler waren eher für Attentate geeignet, als für hartes Schlachtgetümmel. Sie verschossen dünne, kurze Hohlnadeln, die mit allerlei Giften gefüllt werden konnten, die ihm aber hier nicht helfen würden, da sie beim Gegner nur mehr Aggressivität auslöste, als ihn ernsthaft zu verletzen oder gar zu töten. Etliche fehlgeschlagene Versuche hatten dies bestätigt. Man wusste bislang zuwenig von der Körperchemie des Feindes, um passende Gifte entwickeln zu können. Mit hämischem Grinsen dachte er an die Waffentechniker, wenn er ihnen das Ding vor die Füße schmeißen würde. Falls er in die Basis kommen würde.

Zu viele Variable, dachte er und hob vorsichtig den Kopf.
Während er einen Rundumblick machte, nestelten seine Hände am Ausrüstungsgürtel herum und fischten das auseinanderfaltbare Fernglas heraus. Er setzte es an die Augen und stellte mit dem rechten Daumen die Farbfilter neu ein, die sich ein wenig verstellt hatten. Die sattgrüne Beleuchtung wechselte die Tönungen, während er langsam den Finger am Rad drehte. Bald zu Beginn der Erforschung des Planeten waren die Optiker auf die Methode gestoßen, dass sich hier bestimmte Geländeformationen und Tiere mit variierenden Farbfiltern besser entdecken ließen. Es hatte ihnen tatsächlich kurz vor der Schlacht gezeigt, dass sie eingekreist waren. Vielleicht wäre die Schlacht eher zu Ende gewesen, wenn sie die Umklammerung durch den Feind nicht rechtzeitig erkannt hätten. Schlussendlich genutzt hatte es nichts.

Miguel schob diese Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf das Bild, das sich seinen Augen bot. An Zahl und Größe zunehmende Anhöhen lösten die fast völlig flache Ebene ab, aus der er kam. In weiterer Distanz waren sogar zwei, drei kleinere Hügel und ein Berg zu sehen. Er zoomte mehrfach heran und sah, dass alles dich mit exotisch anmutenden Pflanzen bewachsen war, deren Duft er manchmal zwischen den Schwaden aus Blutgestank zu riechen glaubte. Sein eingeschlagener Weg, von dem er ja nicht einmal wusste, ob er richtig war, führte seitlich an den Hügeln vorbei, mitten durch eine dünn bewachsene Steppe. Wenig anziehend. Da konnte er genauso gut die Richtung durch die Hügel ansteuern, vielleicht fand er ja eine Quelle, einen Bach oder gar einen kleinen See, in dem er sich waschen konnte.

---

Die Sirene bewegte sich nicht. Der Mensch vor ihr hatte eine Zeitlang geschlafen oder war bewusstlos gewesen. Trotzdem hatte sie sich ihm nicht genähert. Es hätte keinen Sinn ergeben. Sie brauchte für ihre Zwecke einen ausgeruhten, ja kräftigen Gegner. So kräftig und erholt, dass sein Unterbewusstsein sich mit einem anderen Grundbedürfnis als Überleben und Nahrung befassen konnte. Aber noch war es nicht so weit. Ihm fehlte, wie ihr selbst auch, Wasser, Nahrung, Ruhe. Und etwas Zeit.

Sie beobachtete den Mann und tastete mit ihren Sinnen ganz zart nach seinen Gedanken. Der erste Kontakt war immer der schwierigste, da eine Sirene nicht wusste, auf welche Art Geist sie stoßen würde. Primitiv oder intelligent, wachsam oder phlegmatisch. Es gab Tausende verschiedener Spezies und darüber hinaus unendlich viele individuelle Varianten. Die Sirenen hatten bei ihren Reisen durch den Raum festgestellt, das der überaus größte Teil fremder Intelligenzen leicht bis mittel schwierig zu beeinflussen war, nur sehr wenige Rassen machten ihnen ernsthafte Probleme. Aber es war in der viele Tausend Jahre währenden Geschichte ihres Volkes noch nie vorgekommen, dass eine Spezies völlig resistent gegen die Einflüsse der Sirenen war.

Die Menschen gehörten zu den Rassen, bei denen es zwar schwierig, aber nicht problematisch war. Solange die Zielperson nicht gewarnt oder misstrauisch wurde. Dann benötigte es schon zweier oder - bei ganz hartnäckigen Exemplaren vielleicht – sogar dreier Sirenen, um das Ziel zu erreichen.

Ganz vorsichtig schickte sie erste, nebelhafte Berührungen in den Geist des Mannes …

---

Miguel spürte nichts davon und hatte deswegen in diesem Moment schon verloren.
Zum einen, weil er nicht damit rechnete, dass jetzt noch ein Feind in der Nähe sein könnte. Zum anderen, weil er nichts von der Existenz der Sirene oder deren Rasse wusste. Er hatte nur deren Diener kennen gelernt und ahnte nichts davon, dass sie lediglich Sklaven eines viel gefährlicheren Gegners darstellten.

Seine Gedanken kreisten um die Frage, in welcher Richtung er am ehesten Wasser finden könnte. Zwar hatten sie bei der Landung auf dem Planeten Aufnahmen gemacht, aber er hatte keine Karte erhalten. Er war schließlich kein Offizier, sondern nur einfacher Infanterist. Das wenige, was er noch aus der Grundausbildung wusste, war, dass in höheren Geländeformationen die Chance, auf Quellen zu stoßen größer war, als in relativ flachem Gelände ein Wasserloch oder gar einen See zu finden. Also ging er auf die Hügelgruppe zu.

Die Dreckschicht an ihm war längst getrocknet und löste sich in Zentimeter großen Stücken. Ab und an wischte er über juckende Stellen und befreite sich nach und nach vom schlimmsten Schmutz. Trotzdem fühlte er in sich weiterhin Ekel vor dem Gemetzel und dem Zustand, in dem er sich befand.

Je näher er den Hügeln kam, desto schneller wurden seine Schritte. Es schien ihm so, als könne er wie ein Tier das Vorhandensein von Wasser riechen. Nach kurzer Zeit wurde ihm sein Verhalten klar und er musste über sich selbst grinsen. Gleichzeitig stellte ein anderer Teil seines Gehirns völlig nüchtern fest, dass er nach all dem Blutbad, dem Verlust aller seiner Kameraden, dem Tatbestand, dass er womöglich der letzte Mensch auf diesem Planeten sein könnte fest, dass er bereits anfing, das erlebte Grauen zu verarbeiten.

Vielleicht ist es aber nur eine von der Natur gegebene Schutzfunktion unseres Gehirns, Schreckliches zu verdrängen und nach individuell verschiedener Zeit sogar zu vergessen, dachte er. Wahrscheinlich ist dies ein elementarer Bestandteil des Grundbedürfnisses Überleben.
Für einen Moment fühlte Miguel so etwas wie Stolz in sich. Stolz darauf, als einziger die Schlacht überlebt zu haben. Nicht die Superkämpfer, nicht die Elitesoldaten und schon gar nicht die Lamettaträger. Nein, er, der kleine, aber hartnäckige Infanterist, hatte es geschafft. Und noch etwas nährte seine Empfindung: Die Tatsache, dass er, als Vertreter einer raumfahrenden, hochtechnisierten Zivilisation immer noch fähig war, Urinstinkte wahrzunehmen.

Seine Freude steigerte sich um ein beträchtliches Stück, als er zweieinhalb Stunden später am Rand eines kleinen, aber blitzsauberen Sees stand. Er machte sich tatsächlich die Mühe, seinen Kampfanzug und sämtliche Kleidung abzulegen, bevor er in das erfrischend kalte Wasser stieg.

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Das geflügelte Wesen, das die Sirene im Augenblick darstellte, lies keinen Blick von dem Mann, als dieser sich entkleidete und in den See ging. Sie ließ ihm ausreichend Zeit, zunächst seinen Durst zu stillen und sich dann gründlich zu reinigen. Nur ganz behutsam wob sie das Netz aus feinsten Fäden des Kontaktes zu einer spinnfadendünnen, aber dauerhaften Verbindung. Sie spürte seine Freude, sein Wohlbefinden, als er Schluck für Schluck seinen Wasserbedarf deckte. Sie versuchte mit vorsichtigen Strömungen seine Euphorie zu erhalten. Fast hätte sie sich, angesichts ihres sichtbaren Erfolges, dazu hinreißen lassen, ihn schon jetzt stärker zu beeinflussen. Aber dann hielt sie sich zurück. Zu wichtig war jetzt ihr weiteres Vorgehen. Zu entscheidend im Krieg gegen die Menschheit der nächste Schritt.

Als der Mann endlich mit glücklichem Gesichtsausdruck das Wasser verließ, bereitete sie den nächsten Akt des Dramas vor. Mit schlangenhaftem Blick und eiskalter Berechnung registrierte sie sein erschöpftes Zusammensinken neben dem Haufen dreckiger Kleidungsstücke und blutverschmierter Ausrüstung. Mit unendlicher Geduld wartete die Sirene, bis er in einen tiefen, der Bewusstlosigkeit nahen Schlaf versank. Erst dann näherte sie sich fast übertrieben leise ebenfalls dem See.

Auch sie hatte ein Bad nötig. Aber die Beschaffenheit ihrer Körperoberfläche, die nichts mit menschlicher Haut, Fell oder Gefieder zu tun hatte, ermöglichte ihr es, diesen lästigen Akt der Reinigung auf einen extrem kurzen Zeitraum zu beschränken. Dabei behielt sie ständig den Mann im Blickfeld und parallel dazu unter telepathische Beobachtung. Sie überwachte seinen Schlaf, das Auf und Ab seines Geistes von leichten Phasen, nervösen Alpträumen, bis hin zum Tiefschlaf. Mit einer Mischung aus Verachtung und Überlegenheit vermerkte sie den erstaunlich hohen menschlichen Bedarf an Schlaf. Zugegeben, nach dieser Schlacht sehnte sie sich auch nach Ruhe, aber diese Spezies benötigte viel mehr Erholung als ihre eigene.
Sie ließ sich ohne Furcht direkt neben ihm nieder und studierte seinen Körper. Die Sirene hatte keine Angst, dass er womöglich überraschend aufwachen und sie angreifen könnte. Zu stark war schon die Bindung an sein Bewusstsein, zu intensiv die Beobachtung seiner Körperfunktionen, als dass sie nicht rechtzeitig vor seinem Erwachen gewarnt wäre. Behutsam drang sie tiefer in sein Gehirn ein, während sie sich selbst in das Vorstadium der Metamorphose versetzte. Dieses frühe Stadium der Wandlung war immer ein Schwachpunkt, aber auch ihr einziger. Doch jetzt bestand keinerlei Gefahr. Der Gegner schlief tief und fest und sie hatte sehr viel Zeit, sich vorzubereiten.

---

Als Miguel erwachte, fühlte er sich wie neu geboren. Ein Blick auf sein Chrono verriet ihm, dass er mehr als fünfzehn Stunden geschlafen hatte. Es musste also längst ein neuer Tag sein, denn das blassgrüne Sonnenlicht zeigte keine Spuren von Morgendämmerung mehr.

Es war immer ein Frühaufsteher gewesen und nun hatte er ein schlechtes Gewissen, dass er hier so lange schutzlos geschlafen hatte. Innerlich zuckte er die Schultern. Er war erschöpft gewesen. Er griff nach seiner Waffe. Doch noch bevor er sie berührt hatte, verwarf sein Gehirn die Möglichkeit unmittelbarer Gefahr. Es erschien ihm unsinnig, fünfzehn Stunden hilflos dazuliegen, um just in dem Moment, wenn er erwachte, angegriffen zu werden. Also beschränkte er sich darauf, nach allen Seiten zu sichern, während er die paar Schritte zum See zurückging.
Mit der linken Hand schöpfte er erneut Wasser zum Mund, während seine Rechte die Waffe hielt. Als er sich satt getrunken hatte und danach in geduckter Haltung zu seinem Kampfanzug zurückging, kam ihm sein Verhalten lächerlich vor. Weit und breit regte sich nichts. Nicht einmal Tiere waren zu sehen. Und dies erschien ihm schon wieder ungewöhnlich, da ja auch sie den kleinen See als Tränke nutzen würden.

Paranoider Trottel! Es ist niemand da, weder Tiere noch Feinde.
Miguel ahnte nicht, wie falsch er damit lag.

Mit selbstironischem Grinsen fummelte er eine Kampfration aus dem Gürtel seines Anzuges und stopfte sich die kleinen Riegel nach und nach in den Mund. Er hatte mehr als die Hälfte seines Vorrates verbraucht, als er endlich satt war.
Vielleicht hätte ich es mir besser eingeteilt, dachte er, schob sich aber wie zum Trotz noch einen weiteren Konzentratriegel in den Mund. Schließlich konnte es nicht zu weit zur Basis sein. Er ging einfach davon aus, dass, wenn er die Basis nicht fand, deren Besatzung ihn finden würde. Warum hörte er nicht längst das Summen eines Atmosphärengleiters oder zumindest eines Bodenfahrzeuges? Kam denn niemand, um zu sehen, wie die Schlacht ausgegangen war? Oder hatte man angesichts der tausenden Leichen die Suche nach möglichen Überlebenden erst gar nicht gestartet?
In diesem Moment sah er die Frau.

Die Sirene spürte seine Verwirrung und beeilte sich, ihm beruhigende Empfindungen zu senden. Eingebettet in die Strömungen ihres Geistes legte sie vage Andeutungen, angebliche Details, Spuren, Beweise für die Natürlichkeit ihrer Erscheinung, ihrer Anwesenheit. Sofort erhielt sie eine positive Resonanz seiner Gedanken. Er hielt sie für eine Angehörige eines Suchkommandos. Die nachgebildete Uniform trug ihren Teil zu seiner Fehleinschätzung bei. Gut so.

„Hallo, Miss. Hierher“, rief Miguel und kam sich wie ein Trottel vor. Selbstverständlich hatte sie ihn gesehen und gewunken. Er beobachtete sie, wie sie langsam vom anderen Ufer des Sees zu ihm herüber ging.

„Hallo“, kam ihre Antwort zu ihm herüber. Nicht nur die Wasserfläche trug den Klang ihrer angenehmen Stimme herüber, sondern auch die Zusammensetzung der Luft begünstigte die Schallübertragung.

„Wo sind die anderen Ihres Kommandos?“, fragte Miguel und sah sich um. Dabei stellte er fest, dass es ihm lästig war, den Blick von ihr wenden zu müssen.
Musste er wirklich?

Als sie weiter näher schritt, erkannte er, dass sie atemberaubend war. Eine Schönheit. Nur zu dumm, das ihre Uniform das meiste ihres Körpers verbarg. Aber das was er sehen, eigentlich eher vermuten konnte, war umwerfend.
Siedend heiß fiel ihm ein, dass er immer noch nackt war und sofort fühlte er das Blut in seinen Kopf schießen. Und nicht nur dorthin.

Sie sah es und lächelte einfach hinreißend. Ein perfektes Weib. Nein, nicht perfekt, dachte Miguel. Aber genau so, wie er sich immer seine Traumfrau vorgestellt hatte. Ganz genauso sogar. Der Körper fest und mit ausreichenden Rundungen an den richtigen Stellen. Die Haare lang und schwarz, in leichten Wellen weit bis auf den Rücken fallend. Das Gesicht schlank und oval, mit fein geschnittenen Zügen, dabei aber auf eine selbstbewusste Art strahlend. Und die Augen: Tiefe, dunkle Seen mit farbigen Sprenkeln, aus denen Charme, Intelligenz und Wärme sprühten.

„Ich heiße Isabel …“, sagte die Fee und Miguel vergaß seine Nacktheit und seine aufkommende Geilheit.

„Miguel“, brachte er über seine Lippen und sein Blick saugte sich dabei an ihren fest.

Überhaupt ihre Lippen: Sie waren voll, aber nicht wulstig. Weiblich, wie sie nicht weiblicher sein konnten, aber nicht im Sinne von schwach oder weich, sondern eher wie ... Ihm fiel nicht mehr ein, mit welchen Attributen er sie noch bezeichnen könnte. Er wünschte sich nur noch eines. Aber das war jetzt völlig unmöglich. Er konnte doch jetzt nicht ... Oder doch?

Isabel lächelte immer noch, als sie zu ihm trat und leicht ihren Mund öffnete. Nur noch ein halber Schritt trennte sie voneinander. Dann keiner mehr. Sie küsste ihn zart auf seine Stirn und sein Glied wurde dabei härter und härter. Er schämte sich nicht, sondern hoffte, dass sie weitermachen würde. Stattdessen bückte sie sich und hob einige seiner Sachen auf.

„Ich glaube, das sollten wir zuerst reinigen, bevor Sie es wieder anziehen können.“

Dabei lächelte sie wieder in einer so unbeschreiblichen Weise, dass Miguel nur nicken und sich den Rest seiner Kleidung greifen konnte. Er folgte ihr die paar Schritte zum Ufer. Erneut stieg er bis zur Brust ins Wasser und begann mit wenig Begeisterung mit der Reinigung. Das kühle Wasser half ihm, seine Erregung langsam abklingen zu lassen.

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Die Sirene triumphierte. Dieser Mann, Miguel, war ihr Gefangener. Er wusste es nicht oder sah es - wenn überhaupt - aus romantischer Sicht. Mit dem Kuss auf seine Stirn hatte sie den ersten physischen Kontakt hergestellt und analysierte gerade seine Körperchemie. Tief in ihrem Leib arbeiteten mehrere Organe bereits an der Herstellung kompatibler Substanzen und Flüssigkeiten. Es hatte wenig Sinn, diesen Prozess beschleunigen zu wollen. Parallel dazu hatte der Mensch Miguel noch Zeit, um sich weiter zu erholen und zu stärken. Sie würde ihn dabei unterstützen, so schnell wie möglich wieder zu Kräften zu kommen. Mit Leichtigkeit erfüllte sie die Rolle seiner Idealpartnerin, die sie während seines Schlafes entdeckt und in die laufende Metamorphose integriert hatte. Ein wenig schwieriger war es gewesen, aus Bruchstücken seiner Erinnerung das weibliche Gegenstück seiner Uniform nachzubilden. Die Lücken seiner Gedankenbilder füllte sie einfach mit entsprechenden Stellen seiner Uniform.
Die folgenden Stunden verbrachten sie gemeinsam damit, seine Sachen zu waschen, zu essen und zu trinken. Sie unterhielten sich kaum, fast wie ein Ehepaar, das sich nach dreißig Jahren ohne viele Worte verstand. Von seiner Warte aus betrachtet, hatte er wenig Anlass zu reden, stand er doch längst soweit unter dem Einfluss der Sirene, dass sie sein natürliches Verlangen nach Rettung und Aufklärung erfolgreich unterdrücken konnte. Aus ihrer Sicht musste sie abwarten, bis sich in ihrem Körper die notwendigen Organe gebildet hatten, um ihren Plan mit Sicherheit gelingen zu lassen.

Geduld. Alles braucht seine Zeit. Der Erfolg eines jeden Vorhabens wächst mit der richtigen Zeitspanne, die man in die Planung investiert.

Miguel hatte die Augen schon lange geöffnet, als die Sonne hinter dem Horizont aufstieg. Er begeisterte sich daran, wie die Strahlen der fremden Sonne Isabels in eine Decke gehüllten Körper umschmeichelten und langsam aus dem Grau der Dämmerung hoben. Doch Isabel schlief nicht, die Sirene schlief nicht. Sie war hellwach und wusste: Jetzt ist es soweit.

Miguel wollte gerade nach ihr greifen, als sie sich in scheinbarer Schläfrigkeit bewegte. Dabei rutschte ihr wie unbeabsichtigt die Decke herunter und zeigte ihm, dass sie nackt war. Sofort versteifte sich sein Glied und er konnte sich kaum zurückhalten. Sie schlug die Augen auf und sah ihn direkt an. Weich, zärtlich, wie es ihm schien. Verführerisch. Und bereit.

Ja, sie will mich auch, dachte Miguel und sein Herz machte einen Sprung.

Ohne ein Wort zu sagen, schob sie den Rest der Decke beiseite und drehte sich ihm zu. Es verschlug ihm den Atem. Seine Ahnungen, was sie unter der Uniform verborgen hatte, wurden übertroffen. Sie war perfekt. Und sie wollte ihn, das erkannte er jetzt völlig klar.

Sie tat den nächsten Schritt. Sie schmiegte sich an ihn und begann, seinen Körper zu streicheln, zu erforschen, zu liebkosen.

Miguel konnte sein Glück kaum fassen und tat es ihr gleich.
Die Sirene nutzte die Berührungen, um ein letztes Mal eine Abstimmung vorzunehmen. Feinjustierung. Kapazitäten und Volumina. Belastung und Schwachpunkte. Analyse des eingeleiteten Prozesses und Verlaufsprognose. Und das voraussichtliche Ende der Handlung.

Miguel schien es wie eine Offenbarung, als er in sie eindrang. Heiß, beglückend, berauschend. Er nahm sich vor, ihr alles zu geben, was sie sich wünschte, und hatte keine Chance zu erkennen, dass die Sirene es war, die dies in ihm hervorrief. Sie wollte alles von ihm. Möglichst jedes einzelne Spermium. Und er war bereit, es ihr zu geben. Mehr als bereit. Es war seine Pflicht. Er musste es tun. Er musste es einfach.

Die Sirene hatte während seines Schlafes tief in sein Bewusstsein gegriffen und seine Idealvorstellungen einer Kopulation entdeckt und ausgewertet. Sie hob und senkte ihr nachgebildetes Becken genau in dem Rhythmus und der Geschwindigkeit, die ihm zu höchster Lust verhelfen würde. Sie passte sich seinen Bewegungen an und wechselte die Stellung genau dann, wenn seine Vorstellung es ihr verriet. Sie registrierte seine wachsende Erregung, das Ansteigen des inneren Druckes seiner Gefäße und steuerte geschickt den Verlauf der Paarung. Exakt in den richtigen Momenten hielt sie inne, wartete, bewegte sich mal langsam, mal schneller, um das Maximum an Miguels Verzückung herauszuholen. Er spürte nicht, wie sie Sekunden vor seiner Ejakulation, einen letzten Schub starker Pheromone ausstieß, um auch das letzte Quäntchen seiner Geilheit auszunutzen.

Miguel erlebte den stärksten Orgasmus, denn er je in seinem Leben genossen hatte, und die Sirene erkannte dies mit der Gewissheit, dass es auch sein letzter sein würde. Sie knetete und walkte sein Glied wie das Euter einer Kuh. Dem Äquivalent einer irdischen Kuh auf ihrem Planeten. Eiskalt, völlig gefühllos, dabei die erhitzte Gespielin vortäuschend. Mit jedem Schub seines Samens triumphierte sie, versuchte die Menge an Einheiten zu schätzen, die sie in sich aufnahm und kalkulierte schon die Anzahl der daraus entstehenden Diener.

Diener einer neuen Art, einer bisher nicht da gewesenen Qualität. Ja, die Menschen waren etwas Besonderes. Mit diesem Vorrat an Spermien würde sie und Hunderte ihrer Art eine neue Rasse an Diener gebären. Fürchterlich, gewalttätig, alles andere Leben, dass sich den Sirenen entgegenstellen könnte, niederwalzend.

Während Miguel langsam zur Ruhe kam, dachte sie für einen kurzen Augenblick an die Option, ein paar Menschen als Samenlieferanten am Leben zu erhalten. Doch dann überwog ihre Einschätzung, dass es zu riskant wäre, diese gefährliche Rasse auch nur in Bruchteilen zu erhalten.

Sie wartete nicht einmal ab, bis Miguel sich erschöpft von ihr löste, sondern fuhr blitzschnell die in den Imitaten einer Frauenhand verborgenen, messerscharfen Hornklingen aus und zerfetzte ihm den Hals. Anschließend richtete sie sich nur auf und beobachtete sein entsetztes Gesicht, das sich im völligen Unverständnis der Tat zu einer geschockten Grimasse verzerrte und mit jedem Pulsen seines Blutes blasser wurde. Nach wenigen Augenblicken zuckten nur noch seine Hände hilflos in Richtung Hals, brachten aber nicht einmal mehr die Kontrolle auf, um auch nur den Versuch zu wagen, die zerrissene Halsschlagader schließen zu können.

Der letzte Blick der Sirene fiel auf sein immer noch steifes Glied. Welch eine primitive Art sich fortzupflanzen, dachte sie und wandte sich um. Während sie langsam davonging, setzte sie zwei neue Prozesse in sich in Gang. Die Rückverwandlung in ihre ursprüngliche Gestalt und die Vorbereitung des menschlichen Samenvorrates zu Verteilung an viele ihrer Artgenossinnen. Mit ein bisschen Glück konnten sie das Grundmuster des Spermiums klonen und so für viele Dekaden Nutzen aus dem Material ziehen. In jedem Fall würden die Chimären aus Sirenen und Menschen die besten Kampfdiener darstellen, die je im Auftrag der Sirenen durch das All gezogen waren.

Und das allererste Ziel für die neue Armee würde dieser dritte Planet im Sonnensystem, nahe am Rand der Milchstraße sein.

- Ende -

Copyright © 1999 by Werner Karl
Aus "Danger Zone - Science Fiction Stories" ISBN 978-3-86850-804-8
 



 
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