Das Mädchen mit dem Fahrrad im Krankenhaus

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GerRey

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Während der Arbeit bekam ich einen Anruf, indem es hieß, mein Bruder sei verunglückt und ich solle so schnell wie möglich ins Krankenhaus kommen. Natürlich machte ich mich sofort auf den Weg, und als ich im Krankenhaus ankam, führte man mich in einen Raum, der voller junger Leute war. Alle redeten durcheinander, liefen durch den Raum, von einer Seite zur anderen und wieder zurück.. Ich hatte sofort das Gefühl, permanent im Weg zu stehen, wich aus, ließ mich anrempeln. Dann schaute ich mich um, einen Menschen zu finden, mit dem ich ein paar Worte sprechen konnte, der Auskunft über den Verbleib meines Bruders erteilen konnte. Schließlich dachte ich, in einem hageren, großen Burschen den Richtigen gefunden zu haben. Da er viel größer war als ich, beugte er freundlicherweise seinen Kopf so weit zu mir herab, dass er verstehen konnte, was ich sagte.

"Ja, ihr Bruder ist hier", sagte er. "Warten Sie hier, ich suche jemand, der Sie zu ihm bringt."

Zu mehr Gespräch war in diesem Tumult kein Raum, obschon ich bereits gerne gewusst hätte, was meinem Bruder passiert wäre. Und der junge Mann war auch schon verschwunden, und so blieb mir nichts anderes zu tun, als das, wozu er mich vorhin verpflichtet hatte: Ich wartete.

Da kam eine junge Frau mit einem schwarzen Fahrrad. Langsam schob sie sich durch die Menge in meine Richtung, sodass ich mich angesichts des zusätzlichen Tumults, den sie verursachte, fragte, ob es nicht ungünstig wäre, hier zu warten. War der junge Mensch, dem ich mich anvertraut hatte, schon nicht in der Lage gewesen, die Umstände in seine Überlegungen mit einzubeziehen, so hätte och doch zumindest daran denken können. Diesen Punkt empfand ich als äußerst ärgerlich und peinlich. Die junge Frau, die sich mit dem Fahrrad beständig in meine Richtung bewegte, verursachte dauernd Stau, der sich nur schwer vor ihr auflöste, sodass sie lediglich in kleinen Schritten vorankam. Es dauerte eine Weile, bis sie sich durchgekämpft hatte.

Dann blieb sie plötzlich direkt neben mir stehen, versuchte, das Fahrrad umzukehren und auf einen der Tische hochzustemmen, sodass es auf ausgerichtetem Lenker und Sattel auf der Tischplatte zu stehen käme, die Räder nach oben gerichtet. Natürlich war das Ansinnen von diesem schmächtigen Mädchen, das Anfang zwanzig sein mochte, nicht zu bewerkstelligen. Und natürlich eilte ihr auch keiner der starken Kavaliere zu Hilfe, weil sich diese lieber um die dralleren Frauen versammelten und dort ihren Charme zum Ausdruck brachten. Also blieb mir nichts anderes übrig, als der jungen Frau zu helfen.

"Warten Sie" sprach ich sie von hinten an und legte meine Hand auf ihre knochige Schulter. "Lassen Sie mich versuchen …"

Sie sah mich lächelnd an. In ihrem Gesicht, das von glatten, schulterlangen brünetten Haaren umgeben war, leuchteten rehbraune Augen. Unter der spitzen Nase, befand sich ein schmallippiger Mund, der mit rotem Lippenstift nachgezogen war. Ich war froh, dass sie nicht so drall war, denn, um an das Fahrrad zu kommen, streifte ich ihren Körper mit meinem, was mir nicht zur Ehre ausgelegt worden wäre, wenn da fülligere weibliche Sekundärmerkmale im Wege gestanden hätten.

"Wollen Sie nicht zu ihrem Bruder?" fragte plötzlich die junge Frau.

Ich nickte und wunderte mich, dass sie davon wusste. Scheinbar konnte sie meine Gedanken lesen, denn sie erklärte, dass ihr Kevin - das musste wohl der Bursche sein, den ich um Hilfe gebeten hatte - gesagt habe, wo sie mich finden würde. Sie begänne nun mit ihrem Dienst, musste aber noch ihr Fahrrad abstellen und sich anschließend umziehen.

"Und das Fahrrad können wir nicht einfach gegen den Tisch lehnen?" fragte ich.

Sie nahm einen bedauernden Gesichtsausdruck an und sagte:

"Vorschriften."

Also versuchte ich, das Fahrrad umzudrehen, während ich den jungen Menschen um uns herum zu bedeuten gab, sie mögen vorsichtig sein. Aber man nahm meine Absicht nicht wahr, sodass ich über diese Ignoranz ärgerlich wurde.

"Ist hier immer so viel los?" fragte ich das Mädchen neben mir.

"Dienstwechsel", sagte sie erklärend.

"Dann warten wir, bis es sich ein wenig gelichtet hat".

"Das geht leider nicht", sagte sie mit Bedauern in den Gesichtszügen. "Ich darf nicht zu spät kommen."
 



 
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