Das Märchen von Zita der Zecke

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Hagen

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Das Märchen von Zita der Zecke

Es war einmal eine Zecke, Zita mit Namen, die sich von anderen Zecken und vielen Menschen insofern unterschied, dass sie selbständig denken konnte.
Als sie soweit war, sich ein Wirtstier zu suchen, erklomm sie einen Busch und suchte sich ein Blatt unter dem sie auf ein Wirtstier warten konnte. Als sie ein Blatt erreichte, dass ihr gefiel, war da schon eine andere Zecke.
„Was machst du denn hier?“ fragte Zita.
„Ich hänge hier ein bisschen rum“, sagte die andere Zecke, „sozusagen abhängen“, und ließ sich flugs auf einen Hasen fallen, der wie von Ungefähr des Wegs entlang gehoppelt kam.
‘Einen Hasen‘, dachte Zita die Zecke, ‘möchte ich nicht haben, die hoppeln zu sehr‘.
So blieb sie weiterhin hängen und wartete. Sie dachte viel nach während sie hing, über den Sinn des Lebens und den Ursprung der Welt. Das Blatt, unter dem sie hing, bezeichnete sie als ihre Welt und sie fragte sich, ob es auf anderen Welten auch intelligentes Leben gibt.
Zwischendurch sah sie den Feen und Elfen zu, die sich des Abends auf der nahen Lichtung trafen, tanzten, Joints rauchten und sich darüber unterhielten, wie Fliegenpilze am besten zuzubereiten wären, damit sie auch gut reinziehen.
Nein, auf eine Elfe wollte sie sich auch nicht fallen lassen. Sie kam zu der Überzeugung, dass es andere Lebewesen nur gibt, damit sie den Zecken als Wirtstiere dienen können.

Zita die Zecke hing also weiter unter dem Blatt und wartete.
Sie überstand sogar einen Sturm, der in der Nähe einen Baum umfallen ließ. Als am nächsten Tag Waldarbeiter kamen, den umgestürzten Baum mit einer Motorsäge klein sägten und beseitigten, fand sie die Antwort auf die Frage nach dem Ursprung der Welt.
’Das, was Welten vernichtet‘, dachte Zita, ‘muss auch Welten erschaffen können! Erschaffer und Vernichter von Welten sind Götter. Ich habe einen Gott gesehen! Ich werde mich auf ihm niederlassen‘!
Und sie warf noch einen Blick auf die Motorsäge, die ein Arbeiter auf seiner Schulter nach getaner Arbeit fort trug und ließ sich in einem günstigen Moment auf das Schwert der Säge fallen. Doch weil die Säge gut gefettet war, glitt Zita ab und fiel zu Boden.
„Unerreichbar sind die Götter“, seufzte Zita, erklomm ihren Busch erneut und betete um ein Tier für sie.
So hing Zita lange Zeit unter ihrem Blatt.
Viele Tiere kamen entlang, aber keines war Zita gut genug. Die Füchse waren ihr zu dusselig, die Mäuse zu klein, die Rehe zu arrogant und die Wildschweine, die sich an dem Stamm des nahen Baumes scheuerten, zu dumm, weil sie so was Blödsinniges taten.
Doch eines Tages kam ein kurzsichtiges Einhorn angetrabt und verhedderte sich gar fürchterlich mit seinem Horn in dem Geäst des Busches unter dessen einem Blatt Zita lebte.
„Guten Abend“, sprach Zita zu dem Einhorn, „würden Sie mir eventuell gestatten, auf Ihnen Platz zu nehmen?“
„Aber nur, wenn Sie mir helfen, aus diesem Scheißbusch zu kommen“, antwortete das Einhorn, „dann verspreche ich Ihnen, Sie mit mir zu tragen.“
„Nun denn, es wird sich machen lassen“, sagte Zita, ließ sich auf das Einhorn fallen und dirigierte es aus dem Dickicht des Busches.
„Danke“, sagte das Einhorn, „und nun hiev Deinen verdammten Arsch von meinem Rücken und verpiss Dich!“
„Hej“, sagte Zita, „Sie haben mir etwas versprochen!“
Das Einhorn konnte sich plötzlich an nichts mehr erinnern, aber es konnte Zita die Zecke nicht abschütteln. Zita indes, steckte ihren Kopf ins Einhorn und begann Blut zu saugen.

Als Zita nach drei Tagen mal kurz den Kopf aus dem Einhorn nahm, um zu gucken, wo es denn inzwischen hingelaufen war, stellte sie fest, dass sie inzwischen einen goldenen Hintern bekommen hatte.
Das wiederum war dem Einhorn gar nicht recht. Es flüchtete sich in den Schoß einer Prinzessin, die seit langem vergeblich auf einen Prinzen gewartet hatte.
Weil die Prinzessin farbenblind war, konnte sie nicht erkennen, dass Zita einen goldenen Hintern hatte. Sie ergriff ihre Pinzette zum Auszupfen der Augenbrauen, drehte Zita die Zecke aus dem Einhorn und warf sie in den Kamin.
Das Einhorn verkaufte sie an einen Bauern, der es hin und wieder vor den Pflug spannt, denn dieses Einhorns Horn kann nur von Menschen gesehen werden, die guten Willens sind.
Das aber war der Bauer nicht, denn wenn er den Mund auftat, schimpfte er nur darüber, dass ihn die EWG zu wenig subventionierte.
Am Wochenende, wenn der Bauer besoffen ist, steht das Einhorn auf der Weide und freut sich, dass es keinen Pflug ziehen muss. Hin und wieder kommen Realschullehrerinnen beim Joggen entlang und glauben, da steht ein Pferd, das sich freut, wenn sie ihm gammelige Äpfel vor die Hufe werfen.
 

Ironbiber

Foren-Redakteur
Ein bezauberndes Märchen ...

... gerade durch die sich fast ausschließenden Gegensätze, die nur mit ungeheurer Phantasie zu verstehen sind und in der rauhen Wirklichkeit enden.

Eine hässliche Zecke, die fast sympathisch rüberkommt in einer Sagenwelt mit Einhörnern, Feen und Elfen gemischt mit Intrigen und Verrat. Hat was und könnte auch unter Kindergeschichten seinen Platz finden. Dann aber kein Borreliosetaxi, sondern vielleicht nur ein Marienkäferchen das ganz toll niedlich gucken kann. Da schlafen die lieben Kleinen besser ein und träumen nicht so schwer.

Ein wenig vermisse ich eine schlüssiges Ende, eine Pointe oder einen lehrreichen Fingerzeig, so wie: "Und die Moral von der Geschicht ..." Muss aber nicht sein. Ich denke mal, daß Du dem Leser offen lässt, sich sein eigenes Märchenende zu ersinnen.

Well Done und Gruß ... Ironbiber
 

Hagen

Mitglied
Thankx for it all, Ironbiber!

Aber Märchen und Geschichten, die das Leben schreibt, liegen mir mehr; - und diese Geschichten haben selten ein Happy-End.
- Leider.
Da ich nicht von der Schreibe leben muss, kann ich das schreiben, was mir Spaß macht.
Wenn es Dir während des Lesevorgangs auf Freude macht, freut mich das natürlich und spornt mich an weiterzumachen.

Viele Grüße
Hagen

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Fantasie ist wichtiger als Wissen
(Albert Einstein)
 



 
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