Das Phlebotinum

Als angehender Hobby-Autor und Filme-Gucker, der sich ein wenig mehr mit dem Thema befasst hat, wie Filme und Bücher eigentlich funktionieren, habe ich beschlossen ein wenig von meinem Wissen an euch weiterzugeben, in der Hoffnung, dass ihr damit was anfangen könnt.
Ich denke, es gibt haufenweise Foren und Themen, in denen erklärt wird, wie man eine Geschichte schreibt, wie man ein Buch veröffentlicht und worauf man bei seinen Charakteren achten soll, etc. Darüber will ich daher gar nicht schreiben. Der Punkt ist, dass das andere viel besser erklären können. Ich für meinen Teil befasse mich mehr mit, woraus Geschichten bestehen, wie sie zusammengesetzt sind und wie gut sie mit dem Leser bzw. Zuschauer kommunizieren.

Was ist eine Trope?
Da ich vorhabe ein paar Themen aufzumachen und dieser Begriff immer wieder fallen wird, will ich zu aller erst diesen kurz erklären. Eine Trope hat in diesem Fall nichts mit tropischem Klima zu tun und auch nichts mit irgendwelchen Truppenbewegungen. Das Wort stammt zum Einen aus dem Englischen und zum Anderen wurde es ursprünglich für Filme und Serien verwendet, lässt sich aber problemlos auf Bücher, Comics, Manga, usw. übertragen.
Tropen sind so etwas wie kleine Bausteine aus denen eure Geschichte besteht, so ähnlich wie unsere Welt aus Atomen besteht. Das ist etwas schwer zu verstehen, da eine Trope letztlich alles ist, was ihr in eure Geschichte einbaut. Das kann ein Charakter sein, das Setting eurer Welt, der Plot, einfach alles. Von diesen Tropen gibt es nun viele verschiedene Arten und jede einzelne hat ihren eigenen Namen, was mich zum nächsten Punkt bringt.
Quelle: https://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/Trope

Das Phlebotinum
Um vorweg zu greifen, ich habe auch keine Ahnung, was das Wort bedeuten soll. Ich habe es nicht erfunden. Zuerst kam es in der TV-Serie "Buffy" vor, was aber nicht weiter von Belang ist.
Ein Phlebotinum ist eine bestimmte Art von Tropen, die eure Geschichte in irgendeiner Weise bestimmten Regeln unterwirft. Ein schönes Beispiel hierfür wären aus Harry Potter die Heiligtümer des Todes. Das sind Gegenstände, die ihrem Anwender gewisse Fähigkeiten verleihen, oder deren eigene Fähigkeiten verstärken. Baut ihr solche Gegenstände in eure Geschichte ein, obtruiert ihr dieser auch immer Regeln auf, die euch und euren Leser verstehen lassn, wie eure Welt funktioniert.
Das besondere an einem Phlebotinum ist allerdings, dass es sich dabei nicht einmal um einen Gegenstand handeln muss. Auch z.B. künstliche Schwerkraft ist ein Phlebotinum.
Quelle: https://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/AppliedPhlebotinum

Das falsch angewendete Phlebotinum
So ein Phlebotinum kann man leider auch falsch anwenden und zwar immer dann, wenn man es für eine bestimmte Sache einbaut, sich der eigentlichen Macht und der Tragweite gar nicht richtig bewusst ist. Ein treffendes Beispiel hierfür ist die Filmtrilogie zu Blade. Hier besitzt der Hauptcharakter als Halb-Vampir als einziger die Fähigkeit bei Tage im Sonnenlicht umher zu spazieren, während er bei Nacht Vampire jagd. Bei Tage beschränkt er sich darauf mit Menschen zu kommunizieren. Da die Vampire aber nur nachts aktiv sind und bei Tage hilflos in ihren Verstecken verweilen, wäre diese Fähigkeit viel besser eingesetzt, wenn er tagsüber die Vampire aufspürt und erlegt.
Dies ist ein klassisches Beispiel dafür, wie ein Phlebotinum, in diesem Fall die Fähigkeit im Sonnenlicht nicht zu verbrennen, falsch angewendet wird. Ich denke in den meisten Fällen sind sich die Autoren und Drehbuchschreiber dieser Tatsache gar nicht richtig bewusst. Und wenn sie es doch bemerken, erfinden sie meist die abstrusesten Ausreden dafür, warum die Charaktere diese übermächtige Fähigkeit nicht nutzen. Denn würden sie es tun, wäre der Film oder das Buch vermutlich nach wenigen Minuten vorbei und niemand würde sich dafür interessieren.
Mein Tipp daher an euch: macht euch bereits vorab Gedanken über die Fähigkeiten eurer Charaktere. Versetzt euch in deren Lage und überlegt was ihr mit diesen Fähigkeiten tun würdet und tun könntet. Außerdem hilft es meiner Ansicht nach immer, sich ausführlich mit den Hintergrundgeschichten und den Intentionen eurer Charaktere zu befassen. Denn nur, weil sie die Fähigkeit haben, die Welt zu erobern, heißt das nicht unbedingt, dass sie das auch wollen. Zur Not ist es auch immer von Vorteil einen Freund oder ein Familienmitglied die Geschichte zu lesen lassen.
Quelle: https://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/MisappliedPhlebotinum

Aufgebrauchte Phlebotinum-Kugeln
An dieser Stelle distanziere ich mich wieder von dem Namen. Ich habe den leider nicht erfunden und finde ihn sehr irreführend, also lasst euch davon bitte nicht abschrecken.
Wie auch immer, vielleicht wart ihr schon einmal in dieser oder einer ähnlichen Lage beim Schreiben. Ihr schreibt drauf los und irgendwann fällt euch auf, dass der oder die Antagonisten zu stark für eure Protagonisten sind. Würdet ihr die Geschichte so weiterlaufen lassen, müssten die Guten zwangsweise verlieren, was ihr aber nicht wollt. Ihr habt euch irgendwie in eine Ecke geschrieben und wisst nun nicht mehr wie ihr da wieder heraus kommt. Doch da kommt euch die rettende Idee.
Ihr gebt euren Protagonisten bestimmte Waffen oder Munition in die Hand, mit denen sie stark genug werden um die Bösewichte am Ende doch noch zu besiegen.
Zugegeben, das funktioniert. Trotzdem ist das aus meiner Sicht das Schlechteste, das ihr mit eurer Geschichte tun könnt. Bis zu diesem Zeitpunkt habt ihr in eurer Welt Regeln implementiert und dem Leser dadurch klar gemacht, wie diese Welt funktioniert. Wenn ihr nun den Weg geht und euch auf diese Weise aus eurer Zwangslage retten wollt, ist das zwar ein legitimes Mittel, doch ihr brecht damit nicht nur sämtliche bis dato aufgestellten Regeln, ihr begeht gleichzeitig einen Verrat an eurer eigenen Geschichte, an allem, was ihr bis dahin geschrieben habt und letztlich auch an euch selbst. Diese Trope macht eure Geschichte nicht besser oder schlechter. Es ist eher vergleichbar mit einem Betrug beim Kartenspiel. Es bringt euch vielleicht an euer Ziel, aber der Betrug ist immer auch ein Eingeständnis, dass man das Spiel genau genommen verloren hat. Es kommt einem Eingeständnis zur Unfähigkeit gleich und ich glaube nicht, dass das irgendjemand will oder nötig hat.
Das ist wie gesagt eine persönliche Entscheidung, die jeder für sich selbst treffen muss. Ich für meinen Teil glaube, dass es immer einen anderen Ausweg aus einer solchen Situation gibt. Meine liebste Lösung, die ich leider viel zu selten sehe, ist der Dialog, in dem der Antagonist zur Aufgabe überredet wird. Das A und O hierfür sind allerdings Hintergrundgeschichten. Jede gute Geschichte steht und fällt mit ihren Antagonisten. Wenn diese keine plausiblen Intentionen verfolgen und Beweggründe vorweisen, wird es schwierig diesen Weg zu begehen. Und falls ihr diesen nicht bereit seid zu gehen, könnt ihr ebenso in Betracht ziehen, die Antagonisten siegen zu lassen. Das hört sich vielleicht schlimm an, aber wenn ihr euch näher mit dem Gedanken befasst, werdet ihr womöglich ganz neue Möglichkeiten entdecken, wie ihr eure Geschichte am Ende noch in ungeahnte Höhen treiben könnt.
Quelle: https://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/DepletedPhlebotinumShells
 

jon

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Meine liebste Lösung, die ich leider viel zu selten sehe, ist der Dialog, in dem der Antagonist zur Aufgabe überredet wird.
Das ist in den meisten Fällen (nicht immer) aber die schlechteste Lösung, denn sie setzt voraus, dass der Anogonist dem Wesen nach gar keiner ist, sondern nur noch nicht richtig mit ihm geredet wurde.
 
Ich verstehe, was du meinst. Das hangt in der Tat meist davon ab, wie der Antagonist und seine Beziehung zum Protagonisten geschrieben ist. Die Erfahrung, die ich gemacht habe - vor allem in Filmen - zeigt aber, dass die meisten Antagonisten in Geschichten gar nicht richtig geschrieben ist. Meist sind die Bösewichte einfach nur böse, damit sie böse sind, wenn du verstehst was ich meine. Bestes Beispiel hierfür ist die böse Stiefmutter. Deswegen plädiere ich dafür sich vorab schon Gedanken zu seinen Antagonisten zu machen.
 

jon

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Die Erfahrung, die ich gemacht habe - vor allem in Filmen - zeigt aber, dass die meisten Antagonisten in Geschichten gar nicht richtig geschrieben ist.
Da stimme ich dir zu. Nur begründet das nicht, warum so ein Dialog die beste Lösung sein soll.
 
Das ist meine persönliche, subjektive Meinung. In den meisten Geschichten werden Antagonisten am Ende auf die ein oder andere Weise besiegt, wobei das fast immer mit einem physischen Kampf und dem darauffolgenden Tod des Antagonisten zusammenhängt. Das hat zwar zum Teil schon auch seinen Grund und mag durchaus berechtigt sein, aber nachdem ich mittlerweile weit über 1000 Filme gesehen habe, finde ich das einfach langweilig. Was das angeht bin ich einfach ein Freund von Risiken und davon, wenn Autoren Dinge anders angehen. Ich erinnere mich da an das Ende eines Anime, in dem es um 2 Freunde geht, die sich einer Mafiaorganisation anschließen und schlich aufgrund verschiedener Sichtweisen zu Feinden werden. Am Ende kommt es statt einem Showdown dazu, dass beide sich in das Haus ihrer Kindheit begeben und ihre Probleme bei einer Flasche Bourbon ausdiskutieren und zu ihren Wurzeln zurückfinden, eher sie gemeinsam in einem Feuergefecht gegen eine 3. Partei sterben. Und sowas würde ich mir einfach öfter wünschen.
 

jon

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… dann solltest du dir "Star Trek: The Original Series" ansehen. Kirks Angewohnheit, den Gegner so lange zu bequatschen, bis er "seinen Fehler einsieht", ist legendär.;)
Nein, ich weiß schon, was du meint: Es ist eben problematisch, wenn man sich sehr viel in einem Genre bewegt, dessen Muster einem nicht alle gefallen - die "unschönen Muster" beginnen irgendwann, sehr störend zu wirken.
 
Ich sehe mir die Serie tatsächlich gerade an und finde die Unterschiede zu The Next Generation ziemlich interessant. Was mir bei Kirk auffällt ist, dass er anders als Picard, der eher so eine Art besonnener Obi-Wan ist, eine Verkörperung des typischen Durchschnittsmannes der 60er und 70er Jahre ist, was auch seine sich z.T. widersprechenden Charakterzüge erklärt.
Und prinzipiell fängt er erstmal an auf alles und jeden zu schießen. Erst wenn das nichts bringt, fängt er an zu bequatschen. :D

Aber das mit den immer wieder kehrenden Mustern betrifft bei mir leider so ziemlich alle Genres… Bei 90 % aller Filme kann ich dir bereits nach 20 Minuten das Ende vorher prophezeien. Deswegen sehe ich mir Filme auch nicht mehr wegen der Handlung an. Mir ist viel wichtiger, wie der Film mit dem Zuschauer kommuniziert.
 

jon

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Kirk besonnen? Und das auch noch "anders als Picard"??? Bist du sicher, dass wir die selben Star-Trek-Serien gesehen haben?
 



 
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