Das Pyramidenzimmer

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Max Neumann

Mitglied
Ich komme aus dem Zimmer der Pyramiden in das Gesicht der Angst. Ohne Umwege, ohne Anpassung

Anpassung an deine Befindlichkeiten
An deine Dunkelheit
An deine Abneigung gegen das Licht

Die Anpassung begrub ich Jahrzehnte unter einer Hülle aus Sorgen und Reue doch irgendwann entstand ein gigantischer Schrei in mir!

Da zertrümmerte ich die Hülle, denn ich fühte: JETZT ist der Zeitpunkt zum Zertrümmern meiner Hülle

Ich zertrümmerte die Hülle, Trümmer spritzen wie Blut zu allen Seiten und flossen über deine dunklen Wangen

Rotes Licht entstand aus dem Untergang der Dunkelheit
Gebetsverse begruben ganze Länder unter sich
Doch diese Länder waren Fata Morganas, vergangene Gedanken, vergänglich wie Laub im Herbst

Ich erwachte.

Das Pyramidenzimmer wird bleiben, in den Erinnerungen jener, die diese Gedichte lesen, in den Herzen aller, die das fühlen, die nach Antworten suchen an Orten, die vertraut und trotzdem fremd sind
 
Zuletzt bearbeitet:

sufnus

Mitglied
Hey Max!

Spätestens mit dem Prozess der Formauflösung (Verzicht auf Endreim und Metrum) in der Lyrik der Moderne, also etwa ab dem Ende des 19. Jh., lautet eine immergrüne Frage: Was ist ein Gedicht?
Ein mögliches Erkennungsmerkmal wird dabei ob seiner Banalität gerne etwas genierlich behandelt, obwohl es dem Lesepublikum in recht robuster Weise zu signalisieren scheint: Jawollja - Lyrik! Ich rede hier natürlich vom Zeilenumbruch, dem oft missbrauchten.

Dein Gedicht (und ja: ich lese es - und zwar mit viel Vergnügen - als Gedicht) verzichtet jetzt auf dieses scheinbar letztverbliebene lyrische Schibboleth und gibt sich prosaisch langzeilig. In seiner ganzen Haltung empfinde ich den Text aber dennoch als "gedichtlich" (ich schreib mal extra nicht "poetisch" oder "lyrisch", weil diese Begriffe neben der Bedeutung "formal zum Thema 'Gedicht' gehörig" auch noch allerlei inhaltliche bzw. "gefühlige" Nebenbedeutungen haben).

Es fällt mir aber doch schwer, zu benennen, was sich für mich bei diesem Text so "Gedicht-artig" anfühlt.
Ein paar Aspekte, auf denen ich üblicherweise beim Thema Lyrik rumreite, kann man sicher ins Feld führen (Subjektivität, bildhafte Sprache, inhaltliche Offenheit, uswusf.), aber das triffts hier für mich nur in Teilen.

Es hat für mich irgend etwas mit der "Haltung" zu tun, die dieser Text zu sich selbst einnimmt.
Häh? Wie kann denn ein unbelebtes "Ding" wie ein Text eine Haltung einnehmen?!
Naja... das mit der Haltung ist jetzt ein bisschen metaphorisch zu verstehen.
Oje.
Lass mich ausschreiben, Du-Ich! Also:

Der letzte Satz kommentiert ja schon in gewisser Weise den vorangehenden Inhalt des Textes und ordnet ihn ein, das bringt schonmal eine gewisse Selbstreferentialität ins Spiel. Und dann kommt aber noch was hinzu: Wenn man in dem Text eine (im weitesten Sinne) "erzählte Handlung" suchen will, dann ist das ja so etwas wie die Schilderung eines Schlüpfvorgangs. Da bricht ein mehr oder weniger herangereiftes Wesen aus seiner Ei-Hülle (vielleicht ist es auch ein Alien, das aus seinem Wirt bricht). Der Text ist aber nicht nur die distanzierte Schilderung dieses Auf- oder Ausbruchs, sondern er stellt diesen Aufbruch dar (im doppeldeutigen Wortsinn: etwas in Szene setzen versus etwas sein. Insofern kreist dieser Text wirklich sehr stark um sich selbst, ja er kreist sogar um sein um sich selbst kreisen.

Vermutlich kann mir spätestens ab dem letzten Satz kaum noch jemand richtig folgen, aber während ich das so schreibe, habe ich verstanden, warum ich dieses Gedicht (Gedicht!) so mag.
Und hier könnte man durchaus ein "obwohl" anschließen, das sich über die sowohl sprachlich wie auch inhaltlich weitgehend fehlende "Subtilität" dieses Textes nach Holzhammerart verbreitet. Ich schließe aber jetzt nix an, sondern schließe einfach nur so mit

LG!
S.
 

Aniella

Mitglied
Hallo Max,

hier ist es also das Pyramidenzimmer. Eine Befreiung bietest Du dem Leser, eine aus sich selbst heraus entwickelte Befreiung aus einem Missstand. Selbst den Weg hinaus hast Du geschildert, die Gebetsverse wiesen den Weg. Sie haben alles zugedeckt. Nichts wird vergessen, aber der Neuanfang wurde vollbracht.
Bewegende Darstellung.

LG Aniella
 

Max Neumann

Mitglied
Hey Max!

Spätestens mit dem Prozess der Formauflösung (Verzicht auf Endreim und Metrum) in der Lyrik der Moderne, also etwa ab dem Ende des 19. Jh., lautet eine immergrüne Frage: Was ist ein Gedicht?
Ein mögliches Erkennungsmerkmal wird dabei ob seiner Banalität gerne etwas genierlich behandelt, obwohl es dem Lesepublikum in recht robuster Weise zu signalisieren scheint: Jawollja - Lyrik! Ich rede hier natürlich vom Zeilenumbruch, dem oft missbrauchten.

Dein Gedicht (und ja: ich lese es - und zwar mit viel Vergnügen - als Gedicht) verzichtet jetzt auf dieses scheinbar letztverbliebene lyrische Schibboleth und gibt sich prosaisch langzeilig. In seiner ganzen Haltung empfinde ich den Text aber dennoch als "gedichtlich" (ich schreib mal extra nicht "poetisch" oder "lyrisch", weil diese Begriffe neben der Bedeutung "formal zum Thema 'Gedicht' gehörig" auch noch allerlei inhaltliche bzw. "gefühlige" Nebenbedeutungen haben).

Es fällt mir aber doch schwer, zu benennen, was sich für mich bei diesem Text so "Gedicht-artig" anfühlt.
Ein paar Aspekte, auf denen ich üblicherweise beim Thema Lyrik rumreite, kann man sicher ins Feld führen (Subjektivität, bildhafte Sprache, inhaltliche Offenheit, uswusf.), aber das triffts hier für mich nur in Teilen.

Es hat für mich irgend etwas mit der "Haltung" zu tun, die dieser Text zu sich selbst einnimmt.
Häh? Wie kann denn ein unbelebtes "Ding" wie ein Text eine Haltung einnehmen?!
Naja... das mit der Haltung ist jetzt ein bisschen metaphorisch zu verstehen.
Oje.
Lass mich ausschreiben, Du-Ich! Also:

Der letzte Satz kommentiert ja schon in gewisser Weise den vorangehenden Inhalt des Textes und ordnet ihn ein, das bringt schonmal eine gewisse Selbstreferentialität ins Spiel. Und dann kommt aber noch was hinzu: Wenn man in dem Text eine (im weitesten Sinne) "erzählte Handlung" suchen will, dann ist das ja so etwas wie die Schilderung eines Schlüpfvorgangs. Da bricht ein mehr oder weniger herangereiftes Wesen aus seiner Ei-Hülle (vielleicht ist es auch ein Alien, das aus seinem Wirt bricht). Der Text ist aber nicht nur die distanzierte Schilderung dieses Auf- oder Ausbruchs, sondern er stellt diesen Aufbruch dar (im doppeldeutigen Wortsinn: etwas in Szene setzen versus etwas sein. Insofern kreist dieser Text wirklich sehr stark um sich selbst, ja er kreist sogar um sein um sich selbst kreisen.

Vermutlich kann mir spätestens ab dem letzten Satz kaum noch jemand richtig folgen, aber während ich das so schreibe, habe ich verstanden, warum ich dieses Gedicht (Gedicht!) so mag.
Und hier könnte man durchaus ein "obwohl" anschließen, das sich über die sowohl sprachlich wie auch inhaltlich weitgehend fehlende "Subtilität" dieses Textes nach Holzhammerart verbreitet. Ich schließe aber jetzt nix an, sondern schließe einfach nur so mit

LG!
S.
Hallo Sufnus, danke für dein Feedback. Ich bin inzwischen dazu übergegangen, meine Gedichte inhaltlich schon zu analysieren.

Was jetzt die Formanalyse betrifft, da halte ich mich komplett zurück. Wenn du Fragen hast zum Inhaltlichen oder Anmerkungen, können wir gerne darüber die Diskussion hier im Forum vertiefen, was die Form anbelangt. Ich denke, es ist da schon alles, und das erwähnst du ja an einer Stelle, längst gebrochen und aufgehoben worden. Gott sei Dank.
 

Max Neumann

Mitglied
Hallo Max,

hier ist es also das Pyramidenzimmer. Eine Befreiung bietest Du dem Leser, eine aus sich selbst heraus entwickelte Befreiung aus einem Missstand. Selbst den Weg hinaus hast Du geschildert, die Gebetsverse wiesen den Weg. Sie haben alles zugedeckt. Nichts wird vergessen, aber der Neuanfang wurde vollbracht.
Bewegende Darstellung.

LG Aniella
Hi Aniella,
danke, das stimmt. Das Gedicht zeigt in diesem Fall auch die Lösung auf – und das ist ja das Befreiende: eben nicht im Missstand zu versacken, sondern daraus gestärkt hervorzugehen. Besonders deutlich wird das hier durch die Zertrümmerung der Hülle.

Daraus wird Neues erwachsen sein.
 



 
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